European Case Law Identifier: ECLI:AT:OGH0002:2014:0010OB00241.13T.0424.000
Spruch:
Dem außerordentlichen Revisionsrekurs wird teilweise Folge gegeben.
Die Beschlüsse der Vorinstanzen, die insofern unberührt bleiben, als sie unangefochten in Rechtskraft erwachsen sind (Punkte 1, 2, 4, 5 und 6 des erstgerichtlichen Beschlusses), werden dahin abgeändert, dass sie lauten:
„3. Der Antragsgegner ist schuldig, der Antragstellerin eine Ausgleichszahlung von 85.000 EUR binnen vier Wochen zu zahlen.
7. Der Antragsgegner ist weiters schuldig, der Antragstellerin die mit 5.078,30 EUR (darin enthalten 810,80 EUR USt und 213,50 EUR Barauslagen) bestimmten Verfahrenskosten binnen 14 Tagen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.“
Die Antragstellerin ist schuldig, dem Antragsgegner die mit 2.418,99 EUR (darin enthalten 403,17 EUR USt) bestimmten Kosten des Rechtsmittelverfahrens binnen 14 Tagen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.
Begründung
Die am 26. 4. 1986 geschlossene Ehe der Streitteile wurde mit Urteil des Erstgerichts vom 23. 1. 2012 aus dem überwiegenden Verschulden der Antragstellerin geschieden. Die beiden Kinder der Streitteile sind bereits volljährig. Die häusliche Gemeinschaft der Parteien wurde mit dem Auszug der Antragstellerin aus der Ehewohnung am 4. 2. 2011 aufgehoben. Das eheliche Gebrauchsvermögen und die ehelichen Ersparnisse unterliegen der Aufteilung im Verhältnis 1 : 1.
Die Zuweisung der im jeweiligen Hälfteeigentum der Parteien stehenden Liegenschaft EZ 450 GB ***** mit der darauf befindlichen vormaligen Ehewohnung in das alleinige Eigentum des Antragsgegners und die Aufteilung der Einrichtungsgegenstände, der Kraftfahrzeuge, der Schulden sowie die Zuweisung der Ersparnisse blieben im Verfahren unstrittig. Wesentlicher Streitpunkt ist die Höhe der Ausgleichszahlung. Die Antragstellerin begehrte aus diesem Titel 125.000 EUR. Dieser Betrag resultiere aus dem Wert der Liegenschaft und dem Gebrauchsvermögen sowie der Ersparnisse unter Berücksichtigung der vorhandenen Schulden. Außerdem habe der Antragsgegner Vermögenswerte verheimlicht und Umschichtungen bei den vorhandenen Ersparnissen vorgenommen. Er habe kurz vor Aufhebung der ehelichen Lebensgemeinschaft eheliche Ersparnisse in einer Weise verringert, die der Gestaltung der Lebensverhältnisse der Ehegatten während der ehelichen Lebensgemeinschaft widersprochen hätte.
Der Antragsgegner wendete sich gegen die Höhe der von der Antragstellerin begehrten Ausgleichszahlung. Er habe weder Werte verheimlicht, noch unzulässig eheliche Ersparnisse verringert.
Das Erstgericht übertrug dem Antragsgegner die Ehewohnung samt Inventar und ordnete die Übertragung des Hälfteanteils der Antragstellerin an der Liegenschaft EZ 450 an den Antragsgegner sowie die Löschung der wechselseitigen Belastungs- und Veräußerungsverbote an. Es verpflichtete den Antragsgegner, künftig sämtliche Leistungen aus dem Übergabevertrag mit seiner Mutter allein zu erbringen und diesbezüglich die Antragstellerin schad- und klaglos zu halten, und trug ihm die Leistung einer Ausgleichszahlung von 80.000 EUR binnen vier Wochen auf (Punkt 3 des Spruchs). In den Punkten 4 bis 6 des Spruchs verteilte das Erstgericht das übrige Gebrauchsvermögen und die Ersparnisse bzw die beim Land Oberösterreich bestehenden Schulden, deren Rückzahlung es dem Antragsgegner auftrug. Diesbezüglich wurde auch ein Beschluss gemäß § 98 EheG gefasst.
Das Rekursgericht änderte diesen Beschluss über Rekurs der Antragstellerin dahin ab, dass es dem Antragsgegner eine Ausgleichszahlung von 113.000 EUR auftrug.
Dabei gingen die Vorinstanzen ‑ soweit im Revisionsrekursverfahren noch von Bedeutung ‑ von folgenden Feststellungen aus:
Mit Übergabevertrag vom 28. 9. 1983 übergab die Mutter des Antragsgegners die Liegenschaft EZ 450 je zur Hälfte den Streitteilen, die sich zur Zahlung von 300.000 S an die weichenden Geschwister des Antragsgegners verpflichteten. Für die Übergeberin wurden das Wohnungsrecht an einer im Parterre des Objekts gelegenen Wohnung und Ausgedingerechte einverleibt. Mit diesem Wohnungsrecht ist das Recht der Mitbenützung des Vorraums, des Stiegenhauses, des Bades, des Wohnzimmers, des WCs, des Dachbodens, des Kellers, einer Hälfte des Gemüsegartens sowie des Hausgartens, und das Recht der Übergeberin, sich dort nach Belieben aufzuhalten, verbunden. Der Verkehrswert der unbelasteten Liegenschaft beträgt etwa 210.000 EUR (Bodenwert 47.023 EUR und Gebäudewert 163.279 EUR). Die Auszugswohnung hat unter Berücksichtigung der mitbenützten Hausflächen eine fiktive Größe von 36 m² und stellt eine Belastung von 26.800 EUR dar. Dazu kommen die von den Übernehmern nach dem Übergabevertrag zu tragenden Lasten von gesamt 2.300 EUR. Die übernommenen Reallasten sind mit 28.800 EUR zu bewerten. Unter Berücksichtigung der Rechte der Übergeberin und eines Abschlags für die erschwerte Veräußerbarkeit der Liegenschaft von 55.000 EUR, weil die Wohnung der Übergeberin keine abgeschlossene Einheit darstellt, beträgt der Verkehrswert der Liegenschaft 97.000 EUR.
Wenige Tage vor dem Auszug der Antragstellerin behob der Antragsgegner von einem Konto in mehreren Teilbeträgen insgesamt 1.760 EUR. Er kaufte sich davon vier Paar Sportschuhe um jeweils etwa 200 EUR und einen Trachtenjanker. Er wollte durch diese Behebungen und Einkäufe mit der Antragstellerin „auf gleich kommen“, weil diese ebenfalls drei bis vier Paar vergleichbare Schuhe hatte. Am 2. 2. 2011 bestand auf einem weiteren Konto ein Guthaben von 4.001,29 EUR, das am 4. 2. 2011 nur noch 1.791,62 EUR betrug. Wofür der Antragsgegner den Differenzbetrag von 2.209,67 EUR verwendete, konnte nicht festgestellt werden. Die Antragstellerin beglich gemeinsame Schulden beim Finanzamt von 574,90 EUR.
Im Unterschied zum Erstgericht verneinte das Rekursgericht die Berechtigung des Abschlags von 55.000 EUR für die erschwerte Veräußerung. Zwar entspreche es grundsätzlich dem Zweck des Aufteilungsverfahrens, die zu berücksichtigenden Vermögenswerte mit dem Verkehrswert anzusetzen, doch lasse die Rechtsprechung bei der Bewertung von Liegenschaften im nachehelichen Aufteilungsverfahren auch ein Abweichen von der grundsätzlich gebotenen Orientierung am Verkehrswert zu. So sei etwa eine Wertermittlung nach dem Sachwertverfahren als unbedenklich angesehen worden, wenn Anhaltspunkte dafür fehlten, dass der Ehegatte, dem das Haus mit der Ehewohnung verbleibe bzw dem es im Aufteilungsverfahren zugewiesen werde, eine Veräußerung der Liegenschaft beabsichtige, sondern er diese vielmehr weiterhin als Wohnstätte zu nützen gedenke. Diese Grundsätze müssten auch dann gelten, wenn nicht der Zahlungspflichtige durch die Heranziehung des Verkehrswerts unzumutbar belastet werde, sondern der Empfänger der Ausgleichszahlung durch die Zugrundelegung des Verkehrswerts erheblich benachteiligt würde, weil der Zahlungspflichtige das Haus mit der Ehewohnung offensichtlich gar nicht veräußern, sondern es vielmehr weiterhin als Wohnung nützen wolle. Ein Abgehen vom Verkehrswert sei daher aus Billigkeitserwägungen geboten. Der für das Aufteilungsverfahren zu berücksichtigende Wert der Liegenschaft betrage daher 152.100 EUR zuzüglich des Zubehörs und des Inventars im Wert von 1.500 EUR bzw 4.100 EUR. Davon sei das Darlehen des Landes Oberösterreich in der Höhe von 5.632 EUR abzuziehen. Hinsichtlich der Ersparnisse seien die Vermögensverringerungen durch den Antragsgegner von 1.760 EUR und von 2.209,67 EUR bei der Aufteilung durch Einbeziehung des Werts des Fehlenden zu berücksichtigen. Der dem Antragsgegner zugewiesene PKW Hyundai sei mit 13.000 EUR zu bewerten. Die Aufteilungsmasse betrage daher insgesamt 246.513 EUR. Da die Antragstellerin bereits Ersparnisse und Gebrauchsvermögen im Wert von 10.629 EUR erhalten habe, sei dem Antragsgegner eine Ausgleichszahlung von 113.000 EUR aufzuerlegen.
Dagegen richtet sich der Revisionsrekurs des Antragsgegners, der die Wiederherstellung des Beschlusses des Erstgerichts anstrebt.
Die Antragstellerin beantragt in der ihr durch den Obersten Gerichtshof freigestellten Revisions‑ rekursbeantwortung, das Rechtsmittel des Antragsgegners zurückzuweisen, in eventu, ihm nicht Folge zu geben.
Rechtliche Beurteilung
Der Revisionsrekurs des Antragsgegners ist zulässig, weil dem Rekursgericht eine im Einzelfall zur Wahrung der Rechtssicherheit aufzugreifende Fehlbeurteilung unterlaufen ist. Er ist auch teilweise berechtigt.
1. Wesentlicher Vermögenswert der Aufteilungsmasse ist eine Liegenschaft, die den Streitteilen von der Mutter des Revisionsrekurswerbers mit Vertrag vom 28. 9. 1993 je zur Hälfte übergeben worden war. Diese Liegenschaft ist mit dem Wohnrecht an einer separaten Wohnung im Erdgeschoss, das die Mitbenützung auch anderer Teile des Hauses, insbesondere der Sanitärräume und des Gartens, beinhaltet, und einer Reallast zu Gunsten der Übergeberin belastet. Der Antragsgegner bekämpft in seinem Revisionsrekurs die Höhe der ihm vom Rekursgericht auferlegten Ausgleichszahlung und wendet sich dabei schwerpunktmäßig gegen die vom Rekursgericht vertretene Ansicht, dass der vom Sachverständigen in seinem Gutachten ermittelte Abschlag vom Sachwert von (rechnerisch) 55.000 EUR wegen der erschwerten Veräußerbarkeit der Liegenschaft nicht zu berücksichtigen sei.
2. Grundsätzlich entspricht es dem Zweck des Aufteilungsverfahrens, die der Aufteilung unterliegenden Vermögenswerte mit dem Verkehrswert anzusetzen, um die geschiedenen Partner angemessen an den ehelichen Errungenschaften teilhaben zu lassen (vgl RIS‑Justiz RS0057903). Bei der Bewertung von Liegenschaften in Verfahren nach den §§ 81 ff EheG ist daher im Regelfall der Verkehrswert anzusetzen (1 Ob 162/08t mwN = AnwBl 2009/8179, 129 [Petrowsky]), also jener Preis, der bei einer Veräußerung der Sache üblicherweise im redlichen Geschäftsverkehr für sie erzielt werden kann (§ 2 Abs 2 LBG) und im vorliegenden Fall wegen der Belastungen zugunsten der Übergeberin sowie der erschwerten Veräußerbarkeit unter dem Sachwert läge. Soweit es um das Eigentumsrecht geht, steht es dem (vormaligen) Ehegatten, dem ein bestimmter Vermögenswert zugewiesen wird, regelmäßig frei, ob er diesen selbst nutzen, ungebraucht lassen oder veräußern will; auf die konkreten (Veräußerungs-)Absichten kommt es regelmäßig nicht an (7 Ob 267/98k; 1 Ob 162/08t; Gitschthaler in Schwimann / Kodek , ABGB 4 § 83 EheG Rz 10).
3. Das Rekursgericht hat grundsätzlich zutreffend ausgeführt, dass die Rechtsprechung bei der Bewertung von Liegenschaften im nachehelichen Aufteilungsverfahren auch Abweichungen von der im Regelfall gebotenen Orientierung am Verkehrswert zulässt, sofern dies angesichts der besonderen Umstände des zu beurteilenden Falls im Sinne des § 83 Abs 1 EheG der Billigkeit entspricht (RIS‑Justiz RS0043536 [T5, T9]; Deixler-Hübner in Gitschthaler/Höllwerth, EuPR § 81 EheG Rz 10). In der Judikatur des Obersten Gerichtshofs wurde in diesem Zusammenhang etwa eine Wertermittlung nach dem Sachwertverfahren als unbedenklich angesehen, wenn Anhaltspunkte dafür fehlen, dass der Ehegatte, dem das Haus mit der Ehewohnung verbleibt bzw im Aufteilungsverfahren zugewiesen wird, die Veräußerung der Liegenschaft beabsichtigt, sondern er diese vielmehr (weiterhin) als Wohnstätte zu nützen gedenkt (1 Ob 230/98z, 1 Ob 286/00s = SZ 74/70 = ecolex 2001, 669 [Reidinger], 10 Ob 86/00w). Insbesondere wenn der Zahlungspflichtige durch die Heranziehung des Verkehrswerts unzumutbar belastet würde, kann es im Einzelfall der Billigkeit entsprechen, wenn zu seinen Gunsten vom Verkehrswert abgewichen wird (1 Ob 162/08t). Geht es um eine allenfalls von einem Ehegatten zu leistende Ausgleichszahlung, ist es eine Frage der Billigkeit, inwieweit bei deren Festsetzung in gewissem Ausmaß vom Verkehrswert abgewichen werden kann (10 Ob 86/00w).
4. Entgegen der Auffassung des Rekursgerichts und der Antragstellerin verlangen es aber Billigkeitserwägungen im vorliegenden Fall nicht, zu Lasten des Antragsgegners anstelle des Verkehrswerts der Liegenschaft die Summe aus Boden- und Sachwert (abzüglich der Lasten aus dem Übergabevertrag) für die Ermittlung der dem Antragsgegner aufzuerlegenden Ausgleichszahlung heranzuziehen. Der Übergabevertrag vom 28. 9. 1993 bezweckte nach den Feststellungen unter anderem, die Liegenschaft im Familienbesitz zu erhalten. Der Antragsgegner hat diesen Aspekt im Rahmen seiner Parteienaussage bekräftigt, indem er betonte, dass die Liegenschaft für immer im Besitz der Familie verbleiben solle. Gerade dann, wenn man ‑ wie das Rekursgericht ‑ auf Basis dieser Umstände zum Ergebnis gelangt, dass der Antragsgegner weiterhin im Haus zu wohnen beabsichtigt, also in absehbarer Zeit kein Verkaufserlös zu erwarten ist, liegt ein solcher Sachverhalt vor, der nach der oben wiedergegebenen Rechtsprechung zwar ein Abweichen vom (im Regelfall) höheren Verkehrswert zu Gunsten des (im Regelfall) niedrigeren Sachwerts im Einzelfall gerechtfertigt erscheinen lassen kann, nicht aber ein solches zu einem deutlich höheren Sachwert. Hinzu kommt, dass die Übergabe eines Hälfteanteils an die Antragstellerin seinerzeit im Vertrauen auf den Bestand der Ehe mit dem Zweck erfolgt war, diese für den Fall des Todes des Antragsgegners abzusichern, was ebenfalls aus Billigkeitserwägungen nicht für ein Abgehen vom Grundsatz spricht. Damit fehlt es insgesamt an ausreichenden Gründen, zum Nachteil des zahlungspflichtigen Antragsgegners vom Verkehrswert abzugehen. Auch das Rekursgericht gibt letztlich keine überzeugenden Gründe an, warum hier ein solches Abweichen vom Verkehrswert zu Gunsten der Antragstellerin billiger erscheine als dessen Beibehalten. Allein, dass es sich bei der Wohnungsberechtigten um die Mutter des Antragsgegners handelt und im Familienkreis eine stärkere Verflechtung der persönlichen Lebensbereiche in Kauf genommen werden mag, wie das Rekursgericht meint, reicht dafür nicht aus.
5. Welchen Verkehrswert eine Sache, etwa eine Liegenschaft, hat, ist eine Tatfrage (RIS‑Justiz RS0043536). Dieser beträgt nach den vom Rekursgericht ergänzten Feststellungen unter Berücksichtigung der Belastungen aus dem Übergabevertrag und des Abschlags für die erschwerte Veräußerung 97.000 EUR. Richtig ist, dass die Mitbenützung von Räumen durch die Übergeberin in die Bewertung des Wohnrechts durch den Sachverständigen eingeflossen ist. Daraus folgt aber entgegen der von der Antragstellerin in ihrer Revisionsrekursbeantwortung geäußerten Ansicht nicht, dass dieser Umstand vom Sachverständigen bei der Ermittlung des Verkehrswerts zu ihren Lasten doppelt berücksichtigt worden wäre. Mit der Kapitalisierung des Wohnrechts ist noch keine Aussage darüber getroffen, wie sich die Einschränkung der Privatsphäre durch die Mitbenützung von Wohn- und Sanitärräumen auf den Preis, der bei einer Veräußerung der konkreten Liegenschaft üblicherweise im redlichen Geschäftsverkehr erzielt werden könnte, auswirkt. Damit zeigt die Antragstellerin auch keine mit den Gesetzen der Logik im Widerspruch stehende Schlussfolgerung des Sachverständigen auf, weswegen die Höhe des von den Tatsacheninstanzen festgestellten Verkehrswerts für den Obersten Gerichtshof bindend ist (vgl RIS-Justiz RS0043536 [T6]; 10 Ob 264/99t).
Als Zwischenergebnis ist daher festzuhalten, dass der Verkehrswert der Liegenschaft von 97.000 EUR für die Aufteilung maßgeblich ist.
6.1 Nach § 91 Abs 1 EheG ist der Wert des Fehlenden in die Aufteilung einzubeziehen, wenn ein Ehegatte ohne ausdrückliche oder stillschweigende Zustimmung des anderen frühestens zwei Jahre vor Einbringung der Klage auf Scheidung […] das eheliche Gebrauchsvermögen oder eheliche Ersparnisse in einer Weise verringert, die der Gestaltung der Lebensverhältnisse der Ehegatten während der ehelichen Lebensgemeinschaft widerspricht. Es ist so vorzugehen, als ob dem Ehegatten der Vermögenswert, um den er die Aufteilungsmasse verringert hat, bei der Aufteilung zugekommen wäre (RIS‑Justiz RS0057915; RS0003990). Von § 91 Abs 1 EheG sind vor allem Verringerungen von Ersparnissen erfasst, die während der ehelichen Krise dadurch entstehen, dass ein Ehegatte plötzlich einen aufwendigen Lebensstil pflegt und mehr für seinen persönlichen Bedarf ausgibt, als es bisher den Lebensgewohnheiten in der Ehe entsprochen hat (RIS‑Justiz RS0057929).
6.2 Die Kontobehebungen des Antragsgegners in der Zeit von 12. 1. bis zum 1. 2. 2011 über insgesamt 1.760 EUR dienten der Anschaffung von Sportschuhen und eines Trachtenjankers, weil er mit der Antragstellerin „auf gleich kommen“ wollte. Entgegen der Ansicht des Rekursgerichts verwirklicht dieses Verhalten noch keinen über das sonst Übliche hinausgehenden Lebensstil, weil dem Wunsch, „mit der Antragstellerin gleichzuziehen“, zwanglos entnommen werden kann, dass der Besitz solcher Gegenstände durchaus dem persönlichen Bedarf während der Ehe entsprach. Dass der Antragsgegner diese Anschaffungen nicht sukzessive tätigte, sondern innerhalb eines relativ kurzen Zeitrahmens vornahm, stellt für sich genommen noch keine bedenkliche Vermögensverringerung dar, zumal er, als er diese Käufe tätigte, noch gar nicht wusste, dass die Antragstellerin ausziehen werde.
6.3 Anders verhält es sich mit der weiters im Revisionsrekurs thematisierten Kontobehebung des Antragstellers von 2.209,67 EUR, deren Verwendung nicht aufgeklärt werden konnte. Hier hat bereits das Rekursgericht zutreffend darauf verwiesen, dass Unklarheiten zu Lasten des Antragsgegners gehen (vgl RIS‑Justiz RS0057938). Da der Antragsgegner diese Kontobehebung bei der Aufteilung nicht berücksichtigt wissen will, hätte er den Beweis dafür erbringen müssen, dass über diesen Betrag auch ohne die zur Auflösung der ehelichen Gemeinschaft führenden Spannungen nicht anders verfügt worden wäre. Diesen Nachweis konnte er schon deshalb nicht führen, weil der Verbleib des von ihm behobenen Geldbetrags unklar blieb. Damit gelangte das Rekursgericht zutreffend zur Ansicht, dass der Betrag von 2.209,67 EUR als Wert des Fehlenden der Aufteilung unterliegt.
7. Letztlich kritisiert der Antragsgegner, dass der Umstand, dass er seit dem Auszug der Antragstellerin die Betriebskosten für die Liegenschaft alleine trägt, bei der Festsetzung der Ausgleichszahlung nicht berücksichtigt worden sei. Dem ist entgegenzuhalten, dass die auf die Wohnungsberechtigte entfallenden anteiligen Betriebskosten (aufgezinst 2.300 EUR) als Abschlag vom Wert der Liegenschaft berücksichtigt worden sind. Darüber hinaus ist es schon deshalb keineswegs unbillig, dass die formelle, aus dem Miteigentum der Antragstellerin resultierende Haftung für Lasten der Liegenschaft zu keiner Reduktion der Ausgleichszahlung führt, weil ihm seit dem Auszug der Antragstellerin die Nutzung des gesamten Objekts gemeinsam mit seiner Mutter alleine zukommt.
8. Bewertungsstichtag für das zur Zeit der Aufhebung der ehelichen Lebensgemeinschaft vorhandene, der
Aufteilung unterliegende Vermögen ist der
Zeitpunkt der Entscheidung erster Instanz (RIS-Justiz RS0057644; vgl auch RS0057818). Ebenso wie Wertsteigerungen zwischen dem Zeitpunkt der Auflösung der ehelichen Gemeinschaft und der Aufteilungsentscheidung nicht unberücksichtigt bleiben dürfen und beiden vormaligen Ehegatten gleichermaßen zugute kommen, sofern sie ohne weiteres Zutun eines der Streitteile ‑ etwa durch bloße Wertsteigerungen ‑ eingetreten sind (RIS‑Justiz RS0057613), ist auch eine Wertminderung nur dann nicht zu berücksichtigen, wenn sie einem Ehegatten alleine zuzurechnen ist (vgl RIS‑Justiz RS0057613 [T7]). Da eine Wertminderung bei Kraftfahrzeugen auch ohne tatsächliche Nutzung eintritt, entspricht es daher entgegen den Ausführungen der Antragsgegnerin in ihrer Revisionsrekursbeantwortung der Billigkeit, den Verkehrswert des dem Antragsgegner zugewiesenen Kraftfahrzeugs zum Zeitpunkt der Aufteilungsentscheidung zugrunde zu legen. Der von den Tatsacheninstanzen angenommene Wert von 13.000 EUR ist damit nicht zu beanstanden.
9. Zusammenfassend ergibt sich daher, dass das der Aufteilung unterliegende eheliche Gebrauchsvermögen und die Ersparnisse unter Einbeziehung der im Revisionsrekursverfahren nicht mehr strittigen Positionen einen Wert von 189.753 EUR aufweist. Davon steht der Antragstellerin die Hälfte, das sind 94.876 EUR zu. Da sie bereits Ersparnisse und Gebrauchsvermögen im Wert von 10.629 EUR erhalten und Schulden beim Finanzamt von 574,90 EUR zur Gänze beglichen hat, war dem Antragsgegner eine Ausgleichszahlung von 85.000 EUR aufzuerlegen.
10. Die Kostenentscheidung beruht auf § 78 Abs 2 AußStrG.
Maßgeblicher Streitpunkt des Verfahrens war die Höhe der von der Antragstellerin begehrten Ausgleichszahlung, die daher für die Ermittlung ihres Erfolgs im Verfahren erster Instanz herangezogen werden kann. Der ihr zuerkannte Betrag entspricht einer Erfolgsquote von etwa 70 %. Sie hat daher Anspruch auf Ersatz der von ihr getragenen Pauschalgebühr in diesem Umfang. Von der Verdienstsumme erhält sie 40 %, wobei die bereits vom Rekursgericht zu Recht vorgenommenen Korrekturen im Kostenverzeichnis ihres Vertreters zu übernehmen waren. Insoweit kann auf die Begründung des Rekursgerichts verwiesen werden.
Mit ihrem Rekurs strebte die Antragstellerin eine Ausgleichszahlung von 116.000 EUR an. Ihr Rekursinteresse betrug daher 36.000 EUR. Davon ersiegte die Antragstellerin lediglich weitere 5.000 EUR, was einer Quote von etwa 15 % entspricht. Sie hat dem Antragsgegner daher 70 % der Kosten seiner Rekursbeantwortung zu ersetzen.
Im Revisionsrekursverfahren begehrte der Antragsgegner die Wiederherstellung des Ersturteils. Sein Revisionsrekursinteresse betrug damit 33.000 (113.000 ‑ 80.000) EUR. Davon obsiegte er mit 85 % und hat damit Anspruch auf Ersatz von 70 % seiner Kosten.
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