OGH 4Ob6/15h

OGH4Ob6/15h17.2.2015

Der Oberste Gerichtshof hat durch den Senatspräsidenten Dr. Vogel als Vorsitzenden und durch die Hofräte Dr. Jensik, Dr. Musger, Dr. Schwarzenbacher und Dr. Rassi als weitere Richter in der Rechtssache der klagenden Partei A***** AG, *****, vertreten durch Ebert Huber Swoboda Oswald & Partner Rechtsanwälte GmbH in Wien, gegen die beklagte Partei M***** D*****, vertreten durch Dr. Fabian Maschke, Rechtsanwalt in Wien, wegen Unterlassung (Streitwert 34.900 EUR) und Urteilsveröffentlichung (Streitwert 100 EUR), über den Revisionsrekurs und den Rekurs der klagenden Partei gegen den Beschluss des Oberlandesgerichts Linz als Berufungs‑ und Rekursgericht vom 24. November 2014, GZ 4 R 188/14s‑10, mit dem der Beschluss und das Urteil des Landesgerichts Steyr vom 24. September 2014, GZ 9 Cg 30/14b‑5, abgeändert und aufgehoben wurde, den

Beschluss

gefasst:

European Case Law Identifier: ECLI:AT:OGH0002:2015:0040OB00006.15H.0217.000

 

Spruch:

Der Revisionsrekurs und der Rekurs wird jeweils zurückgewiesen.

Die beklagte Partei hat die Kosten ihrer Revisionsrekursbeantwortung und ihrer Rekursbeantwortung jeweils selbst zu tragen.

Text

Begründung

Die klagende Partei verfügt über eine Bewilligung zur Durchführung von Glücksspielen in Form der Ausspielung mittels Automaten nach dem oberösterreichischen Glücksspielautomatengesetz.

Der Beklagte betreibt in Oberösterreich unter der Bezeichnung „K*****“ ein Lokal, für dessen Betrieb er eine Gewerbeberechtigung für die Verabreichung von Speisen in einfacher Art und Ausschank von nichtalkoholischen Getränken und von Bier in handelsüblichen verschlossenen Gefäßen, wenn hiebei nicht mehr als acht Verabreichungsplätze bereitgestellt werden, besitzt. Er verfügt über keine Bewilligung für die Durchführung von Glücksspielen in Form der Ausspielung und kann keine Rechte von einer erteilten Bewilligung oder Konzession ableiten, betreibt aber in seinem Lokal drei Spielautomaten. Das Spiel wird als Ausspielung durchgeführt, wobei der Spieler den Einsatz pro Spiel mit mindestens 20 Cent und höchstens 10,50 EUR festlegen kann.

Die klagende Partei beantragte, dem Beklagten mit Urteil zu verbieten, Geräte für die Durchführung von Glücksspielen in Form der Ausspielung zu betreiben oder einem Dritten den Betrieb von Geräten für die Durchführung von Glücksspielen in Form der Ausspielung zu ermöglichen, insbesondere durch Aufstellung und/oder Zugänglichmachung solcher Geräte, insbesondere in seinem Lokal, solange er oder der Dritte, dem er die Durchführung von Glücksspielen in Form der Ausspielung ermögliche, nicht über die dafür erforderliche Konzession oder behördliche Bewilligung verfügen. Mit dem Unterlassungsbegehren verband sie einen Antrag auf Ermächtigung zur Urteilsveröffentlichung und einen inhaltsgleichen Sicherungsantrag.

Eine Ausspielung mit Glücksspielautomaten dürfe nur mit behördlicher Bewilligung erfolgen. Da der Beklagte über keine solche Bewilligung verfüge, betreibe er ein illegales Glücksspiel. Dadurch verstoße er gegen § 1 Abs 1 Z 1 UWG (Wettbewerbsvorsprung durch Rechtsbruch).

Der Beklagte wandte ein, die Verbotsbestimmungen des GSpG seien unanwendbar, weil das Glücksspielmonopol unionsrechtswidrig sei. Ein Rechtsbruch sei daher ausgeschlossen. Der Beklagte beantragte, der Klägerin eine Sicherheitsleistung von 50.000 EUR aufzuerlegen, um ihm für allfällige Schäden aus dem unberechtigten Erwirken einer einstweiligen Verfügung einen Befriedigungsfonds zu verschaffen. Er erwirtschafte aus dem Glücksspiel einen Durchschnittsbetrag von 1.500 EUR pro Monat.

Das Erstgericht erließ die beantragte einstweilige Verfügung und gab der Klage statt. Mit den Automaten im Lokal des Beklagten würden Glücksspiele bzw Ausspielungen veranstaltet. Da die Automaten Einsätze von mehr als 10 EUR ermöglichten, unterlägen diese Ausspielungen nach § 3 GSpG dem Glücksspielmonopol des Bundes. Mangels Konzession greife der Beklagte in dieses Monopol ein. Die Dienstleistungsfreiheit erfasse nur Sachverhalte mit einem transnationalen Element. Eine Inländerdiskriminierung liege nicht vor. Vom Auftrag einer Sicherheitsleistung an die Klägerin sei Abstand zu nehmen, weil die einstweilige Verfügung keinen tiefgreifenden Eingriff in die Rechtssphäre des Beklagten bewirke.

Das Berufungs- und Rekursgericht bestätigte die einstweilige Verfügung des Erstgerichts, machte aber deren Aufrechterhaltung von einer Sicherheitsleistung von 50.000 EUR abhängig. Der Berufung des Beklagten gab es Folge, hob das angefochtene Urteil auf und trug dem Erstgericht die neuerliche Entscheidung nach Verfahrensergänzung auf. Es sprach aus, dass der Wert des Entscheidungsgegenstands 30.000 EUR übersteige und der ordentliche Revisionsrekurs sowie der Rekurs an den Obersten Gerichtshof zulässig seien.

Unter Bezugnahme auf die Entscheidung 4 Ob 145/14y ging das Berufungsgericht davon aus, dass der von der Beklagten erhobene Einwand der Unionsrechtswidrigkeit des österreichischen Glücksspielmonopols samt der Frage einer allfälligen Inländerdiskriminierung im Hauptverfahren zu erörtern sei. Es seien Feststellungen zur Frage zu treffen, ob die konkrete Ausgestaltung des Glücksspielmonopols das Ziel des Spielerschutzes oder der Kriminalitätsbekämpfung verfolgt. Im Ersturteil fehlten Feststellungen zu diesem von der Beklagten erhobenen Einwand.

Schon der auf die Spielautomaten hinweisende Name des Lokals des Beklagten, in dem drei Automaten aufgestellten seien, deute auf das Hauptgeschäftsfeld des Beklagten hin, welches Geschäftsmodell durch die einstweilige Verfügung vernichtet werde. Plausibel sei auch ein möglicher Schaden von 50.000 EUR. Der Klägerin sei daher eine Sicherheitsleistung in dieser Höhe aufzutragen.

Rechtliche Beurteilung

I. Der von der klagenden Partei erhobene Rekurs gegen den Aufhebungsbeschluss ist entgegen dem den Obersten Gerichtshof nicht bindenden Ausspruch des Berufungsgerichts nicht zulässig. Weder in der zweitinstanzlichen Zulassungsbegründung noch in den Ausführungen im Rechtsmittel wird eine erhebliche Rechtsfrage im Sinne des § 502 Abs 1 ZPO dargetan:

1. Bereits in der vom Berufungsgericht zitierten und ein Sicherungsverfahren betreffenden Entscheidung 4 Ob 145/14y hat der erkennende Senat ausdrücklich festgehalten, dass die in der Entscheidung zur Rechtssache C‑390/12, Pfleger, vom EuGH angeführten tatsächlichen Umstände, von deren Vorliegen die Unionsrechtswidrigkeit des österreichischen Glücksspielmonopols abhängt, im Hauptverfahren zu prüfen sind. Im Rahmen des Hauptprozesses sind daher Feststellungen darüber zu treffen, ob die konkrete Ausgestaltung des Glücksspielmonopols „wirklich das Ziel des Spielerschutzes oder der Kriminalitätsbekämpfung verfolgt und [...] tatsächlich dem Anliegen entspricht, in kohärenter und systematischer Weise die Gelegenheiten zum Spiel zu verringern oder die mit diesen Spielen verbundene Kriminalität zu bekämpfen“. Nach 4 Ob 145/14y kann die mögliche Unionsrechtswidrigkeit des Glücksspielmonopols allenfalls eine verfassungsrechtlich unzulässige Inländerdiskriminierung bewirken.

2. In den jeweils im Hauptverfahren ergangenen Entscheidungen 4 Ob 200/14m, 4 Ob 231/14w und 4 Ob 244/14g wurde diese Rechtsansicht bestätigt und zur hier interessierenden Frage jeweils ua Folgendes ausgeführt:

„Grundsätzlich ist die Vereinbarkeit von nationalem Recht mit Unionsrecht [...] als Rechtsfrage von Amts wegen zu prüfen, sodass sich Fragen zu einer [...] Darlegungspflicht (Behauptungslast) nicht stellen. Können aber bei Regelungen, bei denen ‑ wie hier ‑ sowohl der Wortlaut als auch die erklärte Zielsetzung des Gesetzgebers [...] gegen die Annahme eines Unionsrechtsverstoßes sprechen, ausnahmsweise tatsächliche Umstände zu einem anderen Ergebnis führen, so hat sich diese Prüfung grundsätzlich an diesbezüglichen Parteienbehauptungen zu orientieren. Dabei trifft hier die Beklagten die Verpflichtung zur Behauptung entsprechender Tatsachen, weil es sich beim Einwand der Unionsrechtswidrigkeit um eine anspruchsvernichtende Einwendung handelt (vgl RIS‑Justiz RS0106638; RS0109287). Da allerdings die Geltung oder Anwendbarkeit eines Gesetzes letztlich nicht von Behauptungen oder Beweisanboten einer Partei abhängen kann, wird das Erstgericht dann, wenn es aufgrund konkreter Anhaltspunkte Zweifel an der Unionsrechtskonformität des Glücksspielrechts haben sollte, auch von Amts wegen entsprechende Beweise aufnehmen und Feststellungen treffen müssen. Verbleiben letztendlich Zweifel über die zu prüfenden Tatsachen, liegt also ein non liquet vor, geht das zu Lasten der damit beweisbelasteten Beklagten (RIS‑Justiz RS0037797).

Erweisen sich die Regelungen des Glücksspielrechts aufgrund von deren tatsächlichen Auswirkungen als unionsrechtswidrig, bestünden wegen der dann drohenden Inländerdiskriminierung Bedenken gegen die Verfassungsmäßigkeit des Glücksspielmonopols. Dies müsste zu einer Anfechtung der relevanten Bestimmungen [...] beim Verfassungsgerichtshof führen. Nach einer stattgebenden Entscheidung des Erstgerichts stünde den Beklagten zudem ein Parteiantrag auf Normenkontrolle iSv Art 140 Abs 1 Z 1 lit d B‑VG offen. [...]“

3. An den referierten Grundsätzen ist auch im hier zu prüfenden Fall festzuhalten. Die Argumente im Rekurs bieten keinen Anlass von dieser Rechtsprechung abzugehen.

3.1 Die vom Berufungsgericht vertretene Rechtsansicht, dass im Zusammenhang mit dem vom Beklagten erhobenen Einwand der Unionsrechtswidrigkeit des österreichischen Glücksspielmonopols bzw der Frage einer allfälligen Inländerdiskriminierung Feststellungen darüber zu treffen seien, ob die konkrete Ausgestaltung des Glücksspielmonopols das Ziel des Spielerschutzes oder der Kriminalitätsbekämpfung verfolge, hält sich im Rahmen der aufgezeigten Rechtsprechung und wirft daher keine erhebliche Rechtsfrage im Sinne des § 502 Abs 1 ZPO auf.

3.2 Die Rechtsansicht des Berufungsgerichts verstößt entgegen der im Rekurs vertretenen Meinung auch nicht gegen die Parteienmaxime, zumal ein umfassendes Vorbringen der Beklagten zur Unionsrechtswidrigkeit bzw zur Inländerdiskriminierung vorliegt.

3.3 Schließlich ist für die klagende Partei auch aus der Entscheidung 4 Ob 86/14x nichts zu gewinnen, weil der dort zu beurteilende Sachverhalt nicht von der Anwendbarkeit des österreichischen Glücksspielmonopols abhing und die Entscheidung zudem im Sicherungsverfahren erging.

Der Rekurs ist deshalb als unzulässig zurückzuweisen.

II. Auch der von der Klägerin gegen den Auftrag der Sicherheitsleistung erhobene Revisionsrekurs ist unzulässig:

1. Eine einstweilige Verfügung ist nach § 390 Abs 2 EO nach dem Ermessen des Gerichts trotz Bescheinigung des Anspruchs vom Erlag einer Sicherheit abhängig zu machen, wenn gegen die Erlassung der einstweiligen Verfügung wegen der Größe des Eingriffs in die Interessen des Antragsgegners Bedenken bestehen (RIS‑Justiz RS0005711). In die Interessenabwägung ist die Möglichkeit einzubeziehen, dass sich der zu sichernde Unterlassungsanspruch letztlich als unberechtigt erweisen könnte; dies insbesondere dann, wenn ein Einwand des Gegners der gefährdeten Partei mit den Mitteln des Sicherungsverfahrens nicht oder jedenfalls nicht sicher erledigt werden kann (4 Ob 145/14y mwN).

2. Besonderer Erhebungen zum Umfang eines dem Gegner der gefährdeten Partei eventuell drohenden Schadens bedarf es nicht. Die Sicherheitsleistung ist vielmehr nach freiem Ermessen unter Berücksichtigung der Umstände des Einzelfalls zu bemessen (RIS‑Justiz RS0005584; Kodek in Angst², § 390 Rz 10 mwN).

Dass die Untersagung der Weiterführung des Betriebs von Automaten nicht bloß unerhebliche Einbußen des Beklagten zur Folge hat, ist nicht zu bezweifeln. Der vom Rekursgericht angenommene Betrag hält sich im Rahmen des dem Gericht zweiter Instanz in dieser Frage eingeräumten Ermessensspielraums. Der Oberste Gerichtshof hat erst jüngst in vergleichbaren Fällen eine derartige Sicherheitsleistung angeordnet (4 Ob 145/14y) bzw ein gegen die von den Vorinstanzen verhängte Sicherheitsleistung gerichtetes Rechtsmittel zurückgewiesen (4 Ob 136/14z).

3. Auf die Vermögensverhältnisse der gefährdeten Partei kommt es bei der Beurteilung, ob und in welcher Höhe eine Sicherheitsleistung aufzuerlegen ist, grundsätzlich nicht an (vgl Kodek aaO, § 390 Rz 11). Die Kaution darf allerdings nicht so hoch festgesetzt werden, dass sie den Vollzug der einstweiligen Verfügung hindern könnte, sofern die wirtschaftlichen Schwierigkeiten auf das Vorgehen des Gegners der gefährdeten Partei zurückzuführen sind (RIS‑Justiz RS0005706), wofür es im vorliegenden Fall keine Anhaltspunkte gibt. Bei der Abwägung der wirtschaftlichen Interessen der Parteien kann der Umstand, dass die gefährdete Partei auch gegen Dritte ähnlich gelagerte Verfahren führt, der Gefährdung der wirtschaftlichen Interessen des Gegners nicht entgegengehalten werden.

4. In welcher Höhe eine nach § 390 Abs 2 EO auferlegte Sicherheitsleistung gerechtfertigt ist, hängt von den Umständen des Einzelfalls ab und begründet daher regelmäßig keine Rechtsfrage erheblicher Bedeutung iSv § 528 Abs 1 ZPO (RIS‑Justiz RS0113134). In Bezug auf die Höhe hat das Rekursgericht seinen der Natur der Sache nach bestehenden Beurteilungsspielraum ‑ wie bereits ausgeführt ‑ nicht überschritten.

Der Revisionsrekurs ist daher ebenfalls als unzulässig zurückzuweisen.

III. Da der Beklagte nicht auf die Unzulässigkeit von Rekurs und Revisionsrekurs hingewiesen und hinsichtlich des Rekurses beantragt hat, „den Revisionsrekurs abzuweisen“ bzw hinsichtlich des Revisionsrekurses, „dem Rekurs keine Folge zu geben“, hat er keinen Anspruch auf Honorierung seiner überdies fehlbezeichneten Rechtsmittelbeantwortungen (vgl RIS‑Justiz RS0035979 [insb T15, T18, AT23]; RS0035962 [insb T18, T29]).

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