OGH 4Ob13/15p

OGH4Ob13/15p17.2.2015

Der Oberste Gerichtshof hat durch den Senatspräsidenten Dr. Vogel als Vorsitzenden und durch die Hofräte Dr. Jensik, Dr. Musger, Dr. Schwarzenbacher und Dr. Rassi als weitere Richter in der Rechtssache der klagenden Partei F*****gesellschaft mbH, *****, vertreten durch Dr. Daniel Charim und andere Rechtsanwälte in Wien, gegen die beklagte Partei S***** AG *****, vertreten durch Dr. Clemens Thiele, Rechtsanwalt in Salzburg, wegen Unterlassung (Streitwert: 35.000 EUR), über den außerordentlichen Revisionsrekurs der beklagten Partei gegen den Beschluss des Oberlandesgerichts Wien als Rekursgericht vom 10. Dezember 2014, GZ 1 R 178/14z‑16, in nichtöffentlicher Sitzung den

Beschluss

gefasst:

European Case Law Identifier: ECLI:AT:OGH0002:2015:0040OB00013.15P.0217.000

 

Spruch:

Der außerordentliche Revisionsrekurs wird gemäß §§ 78, 402 EO iVm § 526 Abs 2 Satz 1 ZPO mangels der Voraussetzungen des § 528 Abs 1 ZPO zurückgewiesen.

 

Begründung:

Die klagende Partei ist Inhaberin folgender Wort-Bild-Gemeinschaftsmarke „FASHION ONE“, CTM 009562661 mit Priorität vom 30. 11. 2010, eingetragen ua für die Dienstleistungen Übertragung und Ausstrahlung von Fernsehprogrammen, Fernsehwerbung und Verkaufsförderung sowie Fernsehunterhaltungsdienste:

Sie strahlt unter dieser Bezeichnung über Satellit in Österreich und der gesamten EU ein Modespartenprogramm mit der Bezeichnung „Fashion TV“ aus.

Die Beklagte verbreitet seit 15. 4. 2011 im Bundesland Salzburg ebenfalls ein Mode‑Spartenprogramm namens „FASHION ONE“, das sie im Rahmen eines ganzen Programmpakets an Abonnenten über Kabel liefert. Sie handelt dabei als Lizenznehmerin der F***** Ltd (Hong Kong), die ihr das Spartenprogramm zur Weiterleitung zur Verfügung stellt. Zur Bewerbung und Weiterleitung dieses Programms verwendet die beklagte Partei dabei ausschließlich folgendes Kennzeichen:

Das Rekursgericht hat die vom Erstgericht erlassene einstweilige Verfügung, womit der beklagten Partei verboten wurde, ein Fernsehprogramm, insbesondere ein Mode‑Spartenfernsehprogramm, unter der Bezeichnung „FASHION ONE“ zu verbreiten und die Bezeichnung „FASHION ONE“ zur Bewerbung ihres Kabelnetzes und der darüber angebotenen Abonnements und Fernsehpakete zu verwenden, bestätigt. Den ordentlichen Revisionsrekurs hat das Rekursgericht nicht zugelassen.

In der Zulassungsbeschwerde ihres außerordentlichen Revisionsrekurses macht die beklagte Partei geltend, das Rekursgericht habe den Einwand auf ihr prioritätsälteres Kennzeichenrecht unter Außerachtlassung der Rechtsprechung des EuGH unberücksichtigt gelassen, die Verwechslungsgefahr unrichtig beurteilt und sich beim Unterlassungsgebot nicht am konkreten Verstoß orientiert.

Rechtliche Beurteilung

Damit zeigt die beklagte Partei keine im Sinne von § 528 Abs 1 ZPO erhebliche Rechtsfrage auf. Ihr außerordentlicher Revisionsrekurs ist daher unzulässig.

1.1 In der jüngst ‑ in einem zwischen der klagenden Partei und der Lizenzgeberin der beklagten Partei parallel geführten Sicherungsverfahren ‑ ergangenen Entscheidung 4 Ob 148/14i war vom erkennenden Senat der Einwand des älteren Kennzeichnungsrechts zu prüfen. Dem genannten Verfahren lagen sowohl die Gemeinschaftsmarke der klagenden Partei als auch das von der hier beklagten Partei verwendete Kennzeichen zugrunde.

Der Oberste Gerichtshof setzte sich in dieser Entscheidung unter Berücksichtigung der jüngsten Rechtsprechung des EuGH (zB C‑325/13 P und C‑326/13 P ) umfassend mit Art 8 Abs 4 GMV auseinander. Die nach dieser Bestimmung vorzunehmende Prüfung der überregionalen Bedeutung hat demnach nicht rein formal, sondern nach den wirtschaftlichen Auswirkungen der Zeichenverwendung zu erfolgen, was die Dauer, während der das Zeichen seine Funktion im geschäftlichen Verkehr erfüllt hat, die Intensität der Nutzung, den Kreis der Adressaten und die Verbreitung des Zeichens einschließt. Die Behauptungs‑ und Beweislast für die tatsächlich stattgefundene und hinreichend bedeutsame Benützung des Kennzeichens obliegt dabei demjenigen, der sich auf das ältere Kennzeichnungsrecht beruft. Der Einwand einer Ausstrahlung über Satellit reicht dabei nicht aus, weil in Betracht zu ziehen ist, dass niemand die Sendung sieht.

1.2 Im erstinstanzlichen Verfahren führte die beklagte Partei zum behaupteten prioritätsälteren Kennzeichengebrauch neben Hinweisen auf die Lizenzvereinbarung nur knapp aus, über ein nicht näher begründetes „Kennzeichenrecht iSd § 9 UWG und § 80 UrhG für einen Modespartenkanal“ zu verfügen. Zur Verbreitung des Zeichens beschränkte sich die beklagte Partei auf den Hinweis, dass dieses von ihr in ihrem Salzburger Kabelnetz zur Bewerbung und Weiterleitung des ‑ ihr von der Lizenzgeberin zur Verfügung gestellten ‑ Spartenkanals verwendet werde.

1.3 Diese Ausführungen können im Hinblick auf die in der Entscheidung 4 Ob 148/14i dargelegten Grundsätze den Einwand des Art 8 Abs 4 GMV selbst dann nicht begründen, wenn man das vom Rekursgericht als unzulässige Neuerung qualifizierte Rekursvorbringen berücksichtigt, wonach die Lizenzgeberin der beklagten Partei „ihr prioritätsälteres Modespartenprogramm via Satellit in ganz Europa ausstrahlt“. Wie bereits zu 4 Ob 148/14i aufgezeigt, reicht eine Satellitenausstrahlung ebenso wenig aus, um ein Kennzeichen bekannt zu machen, wie die Kabelweiterleitung des Programms, wobei Letztere nach den Feststellungen der Vorinstanzen ohnehin erst ab 15. 4. 2011 erfolgte (somit nach dem Prioritätszeitpunkt der Gemeinschaftsmarke).

1.4 Unter Zugrundelegung der Grundsätze der Entscheidung 4 Ob 148/14i kann das Vorbringen der beklagten Partei somit nicht den Einwand nach § 8 Abs 4 GMV stützen, weshalb die vom Rekursgericht mangels ausreichendem Vorbringens unterlassene Prüfung des Art 8 Abs 4 GMV keine erhebliche Rechtsfrage aufwirft.

2.1  Eine solche zeigt die beklagte Partei auch im Zusammenhang mit der Verwechslungsgefahr nicht auf.

2.2  Von der Rechtsprechung ist bereits hinreichend geklärt, dass eine unveränderte, buchstabengetreue Übernahme sogar bei einem sogenannten „schwachen“ Zeichen regelmäßig unzulässig ist (RIS‑Justiz RS0078897; RS0078887). Die Vorinstanzen haben die Verwechslungsgefahr auch unter Berücksichtigung der hier vorliegenden Branchengleichheit somit jedenfalls vertretbar bejaht, zumal für die Verwechslungsgefahr bereits eine gewisse Branchennähe ausreicht (RIS‑Justiz RS0079161).

2.3 Der Schutz der Marke richtet sich dabei nach dem von den Dienstleistungen angesprochenen Publikum (17 Ob 15/07s = RIS‑Justiz RS0122382; Eisenführ/Sander in Eisenführ/Schennen, GMV4 Art 8 Rn 45). Der Hinweis, dass die Marke der klagenden Partei im Kabelnetz der beklagten Partei nicht vorhanden sei und für die Abonnenten der beklagten Partei keine „unmittelbare Vergleichsmöglichkeit“ bestehe, übersieht, dass bei der Beurteilung der Verwechslungsgefahr nicht auf die aktuellen Kunden des Verletzers, sondern auf den Durchschnittskonsumenten abzustellen ist (RIS‑Justiz RS0117324; zuletzt 4 Ob 57/14g; 4 Ob 181/14t; Asperger in Kucsko/Schumacher, marken.schutz2 § 4 Rz 63 ff mwN). Gerade ein Durchschnittsverbraucher hat aber nur selten die Möglichkeit, Zeichen und Marken unmittelbar miteinander zu vergleichen (EuGH C‑291/00 , Rn 50; C‑342/97 , Rn 26; RIS‑Justiz RS0078361; Bartos in Kucsko/Schumacher, marken.schutz2 § 2 Rz 222), weshalb nicht schon deshalb die Verwechslungsgefahr wegfällt. Die Schlussfolgerung des Rekursgerichts, dass sich die beklagte Partei mit ihren Werbemaßnahmen auch an potentielle Kunden von Modeprogrammen richtet, ist nicht korrekturbedürftig, zumal zu den maßgeblichen Verkehrskreisen auch die potentiellen Kunden des Werbenden gehören (vgl zB 17 Ob 29/07z; RIS‑Justiz RS0066584).

Die Rekursentscheidung steht dabei auch nicht im Widerspruch zur Entscheidung des EuG T‑34/04 , die ebenfalls auf die angesprochenen Verkehrskreise abstellt (vgl Rn 43, 46 ff, 71 ff) und aus der nicht abgeleitet werden kann, dass es für die Beurteilung der Verwechslungsgefahr nur darauf ankommen soll, ob nur für die aktuellen Kunden des Verletzers eine unmittelbare Vergleichsmöglichkeit besteht.

3. Das Rechtsmittel zeigt auch zur Fassung des Unterlassungsgebots keine erhebliche Rechtsfrage auf, ist doch dabei immer auf die Umstände des Einzelfalls abzustellen (vgl RIS‑Justiz RS0037671). Das Unterlassungsgebot hat sich in seinem Umfang wohl am konkreten Gesetzesverstoß zu orientieren (RIS‑Justiz RS0037645; RS0037478). Eine gewisse allgemeine Fassung des Begehrens in Verbindung mit Einzelverboten ist aber meist schon deshalb erforderlich, um nicht die Umgehung des erwähnten Verbots allzu leicht zu machen (RIS‑Justiz RS0037607) und es praktisch unmöglich ist, alle nur denkbaren Eingriffshandlungen zu beschreiben (RIS‑Justiz RS0000845). Die von der beklagten Partei unter Eingriff in die Markenrechte der klagenden Partei vorgenommene Verbreitung (Weiterleitung) und Bewerbung des Mode‑Spartenkanals findet im bescheinigten Sachverhalt Deckung, weshalb auch wegen der Fassung des Unterlassungsbegehrens keine höchstgerichtliche Korrektur erforderlich ist.

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