OGH 2Ob101/14p

OGH2Ob101/14p27.11.2014

Der Oberste Gerichtshof hat durch den Hofrat Dr. Veith als Vorsitzenden und durch die Hofräte Dr. E. Solé, Dr. Schwarzenbacher, Dr. Nowotny und Dr. Rassi als weitere Richter in der Rechtssache der klagenden Partei U***** AG, *****, vertreten durch die Stingl und Dieter Rechtsanwälte OG in Graz, gegen die beklagte Partei Z***** R*****, vertreten durch Dr. Roland Grilc und andere Rechtsanwälte in Klagenfurt, wegen 140.000 EUR sA, über den Revisionsrekurs der klagenden Partei gegen den Beschluss des Oberlandesgerichts Graz als Rekursgericht vom 24. April 2014, GZ 2 R 56/14v‑17, womit der Beschluss des Landesgerichts für Zivilrechtssachen Graz vom 8. Jänner 2014, GZ 12 Cg 14/13d‑10, ersatzlos aufgehoben wurde, den

Beschluss

gefasst:

 

Spruch:

Dem Revisionsrekurs wird nicht Folge gegeben.

Die klagende Partei hat die Kosten ihres erfolglosen Rechtsmittels selbst zu tragen.

Die Revisionsrekursbeantwortung der beklagten Partei wird zurückgewiesen.

Begründung

Die Klägerin brachte die Klage unter Anschluss einer beglaubigten Übersetzung derselben in die kroatische Sprache am 20. 2. 2013 beim Erstgericht ein.

Das Erstgericht trug dem in Kroatien wohnhaften Beklagten mit Beschluss vom 21. 2. 2013 auf, innerhalb von vier Wochen ab Zustellung dieses Auftrags für diesen Rechtsstreit einen Zustellungsbevollmächtigten namhaft zu machen. Werde diesem Auftrag nicht fristgerecht nachgekommen, so erfolge eine weitere Zustellung durch Übersendung des jeweiligen Schriftstücks ohne Zustellnachweis, bis ein geeigneter Zustellungsbevollmächtigter dem Gericht namhaft gemacht oder dem Gericht eine Abgabestelle im Inland bekanntgegeben werde. Das Schriftstück gelte dann 14 Tage nach Aufgabe zur Post als zugestellt. Einer Person, die keine Abgabestelle im Inland habe, könne eine Zustellungsvollmacht nicht wirksam erteilt werden.

Über das Bundesministerium für Justiz wurde die Klage mit Übersetzung, der am 21. 2. 2013 ergangene Auftrag zur Klagebeantwortung und der oben wiedergegebene Beschluss vom 21. 2. 2013 (beide ohne Übersetzung) dem Beklagten im Wege der kroatischen Empfangsstelle am 18. 4. 2013 zugestellt.

Aufgrund des am 24. 10. 2013 eingebrachten Antrags der Klägerin erließ das Erstgericht am 29. 10. 2013 ein Versäumungsurteil und ordnete die Zustellung an den Beklagten mit „grün m RMB“ an. Die Klägerin hatte dem Antrag ihr Kostenverzeichnis und ihre Rubriken für das Versäumungsurteil in beglaubigter Übersetzung in die kroatische Sprache angeschlossen.

Mit dem am 12. 11. 2013 zur Post gegebenen ‑ als „Berufung“ bezeichneten ‑ Schriftsatz vom 11. 11. 2013 beantragte der Beklagte, das ihm nach seinen Angaben am 8. 11. 2013 zugestellte Urteil als gesetzwidrig aufzuheben.

Mit Beschluss vom 19. 11. 2013 stellte das Erstgericht die Eingabe vom 11. 11. 2013 zur Verbesserung binnen 14 Tagen durch Anwaltsfertigung und Angabe, ob es sich bei der Eingabe um einen Widerspruch oder eine Berufung gegen das Versäumungsurteil handle, zurück. In seiner Begründung erteilte es unter anderem Rechtsbelehrung über die absolute Anwaltspflicht, den Einvernehmensrechtsanwalt und den möglichen Widerspruch oder die Berufung gegen ein Versäumungsurteil. Es ordnete die Zustellung des Beschlusses mit „grün gem § 98 ZPO“ an.

Mit dem am 30. 12. 2013 von seinen österreichischen Rechtsanwälten elektronisch eingebrachten Schriftsatz gab der Beklagte unter anderem bekannt, dass es sich bei seiner Eingabe vom 11. 11. 2013 um einen Widerspruch gegen das Versäumungsurteil vom 29. 10. 2013 handle.

Das Erstgericht wies mit Beschluss vom 8. 1. 2014 die Eingabe des Beklagten vom 30. 12. 2013 als verspätet und seine Eingabe vom 11. 11. 2012 (richtig: 2013) zurück. Es habe dem Beklagten gemäß § 98 ZPO aufgetragen, einen Zustellungsbevollmächtigten namhaft zu machen. Dieser Beschluss sei dem Beklagten am 18. 4. 2013 zugestellt worden. Obwohl auf die Rechtsfolgen hingewiesen worden sei, habe der Beklagte keinen Zustellungsbevollmächtigten namhaft gemacht. Aufgrund der Zustellung dieses Beschlusses nach § 98 ZPO (vom 21. 2. 2013) sei der Verbesserungsauftrag vom 19. 11. 2013 ohne Zustellnachweis übermittelt worden; der Beschluss mit der darin erteilten 14‑tägigen Verbesserungsfrist sei am 21. 11. 2013 abgefertigt worden. Nach der Zustellfiktion des § 98 ZPO gelte der Verbesserungsauftrag spätestens am 5. 12. 2013 als zugestellt. Ab diesem Tag berechne sich die 14‑tägige Verbesserungsfrist, die am 19. 12. 2013 abgelaufen sei. Die Eingabe vom 31. (richtig: 30.) 12. 2013 sei daher jedenfalls verspätet, weshalb mangels Rechtzeitigkeit der Verbesserung auch die ursprüngliche Eingabe vom 11. 11. 2013 zurückzuweisen sei.

Mit am 22. 1. 2014 eingebrachtem Schriftsatz beantragte der Beklagte, ihm die Wiedereinsetzung in den vorigen Stand gegen die Versäumung der Frist „zur Ergänzung des Widerspruchs und der Bekanntgabe des Zustellungsbevollmächtigten“ zu bewilligen; die Rechtshandlung sei bereits mit Schreiben vom 30. 12. 2013 nachgeholt worden. Der Verbesserungsauftrag sei nicht in der allgemein zulässigen Zustellform („per Einschreiben mit Rückschein oder einem gleichwertigen Beleg“) erfolgt. In eventu erhob der Beklagte gegen den Beschluss vom 8. 1. 2014 Rekurs und stützte sich unter Verweis auf sein Vorbringen zum Wiedereinsetzungsantrag (Ortsabwesenheit bis zum 16. 12. 2013) auf den Nichtigkeitsgrund des § 477 Abs 1 Z 4 ZPO. Die Zustellung des Verbesserungsauftrags sei unter Verletzung des Gesetzes nicht ordnungsgemäß erfolgt, weshalb sich aus dem Beschluss keine Rechtswirkungen und Säumnisfolgen ergeben könnten. Der Beklagte sei erst am 17. 12. 2013 von einem mehrwöchigen „Pflegeaufenthalt“ in seine Wohnung nach Zagreb zurückgekehrt, wo er den Verbesserungsauftrag vorgefunden habe. Erst mit Kenntnisnahme des „hinterlegten“ Beschlusses sei die fehlerhafte Zustellung am 17. 12. 2013 geheilt worden; damals erst habe die 14‑tägige Frist zu laufen begonnen. Die von ihm eingebrachte Vertretungsanzeige samt Ergänzung zum Widerspruch sei daher rechtzeitig gewesen. Der Beklagte beantragte, den angefochtenen Beschluss ersatzlos aufzuheben.

Mit Beschluss vom 31. 1. 2014 wies das Erstgericht den Wiedereinsetzungsantrag zurück, was unbekämpft blieb.

Das Rekursgericht hob den Beschluss des Erstgerichts vom 8. 1. 2014 ersatzlos auf und erklärte den ordentlichen Revisionsrekurs für zulässig, weil Rechtsprechung des Obersten Gerichtshofs zur Rechtsfrage fehle, ob die im Verhältnis zur Republik Kroatien seit 1. 7. 2013 beachtlichen Bestimmungen der EuZVO den Eintritt der vor diesem Zeitpunkt wirksam angedrohten Zustellfiktion nach § 98 ZPO für eine nach dem 1. 7. 2013 erfolgte Zustellung eines gerichtlichen Schriftstücks hinderten. Hier sei dem Beklagten der Beschluss mit dem Auftrag nach § 98 ZPO gemeinsam mit der Klage und dem Auftrag zur Klagebeantwortung bereits am 18. 4. 2013, also noch vor der Anwendbarkeit der im Verhältnis zur Republik Kroatien (seit 1. 7. 2013) zu beachtenden Bestimmungen der EuZVO, wirksam zugestellt worden. Diesen Zustellvorgang greife der Beklagte in seinem Rekurs auch gar nicht auf. Mit dem Beschluss vom 21. 2. 2013 seien dem Beklagten unter anderem die gesetzlichen Rechtsfolgen im Fall der Nichtbekanntgabe eines Zustellungsbevollmächtigten angedroht worden. Diese Belehrung und Warnung über die im Gesetz (§ 98 ZPO) normierten Säumnisfolgen seien aber nicht der Rechtskraft fähig. Die Anordnung zu Zustellungen sei nach § 87 Abs 2 ZPO auch nicht abgesondert anfechtbar. Durch den Beitritt der Republik Kroatien zur Europäischen Union mit 1. 7. 2013 sei eine wesentliche Änderung der Rechtslage in Bezug auf die hier seither maßgeblichen Bestimmungen der EuZVO eingetreten. Das Erstgericht sei an seinen bloß prozessleitenden Beschluss vom 21. 2. 2013 nach § 425 Abs 2 ZPO nicht gebunden und hätte entsprechend der Vorrangigkeit des Unionsrechts die Zustellung seiner Schriftstücke etwa in der in Art 14 EuZVO vorgesehenen Weise (mit Zustellnachweis) veranlassen müssen. Selbst wenn man von einer Rechtskraft des Beschlusses vom 21. 2. 2013 ausginge, stehe das Unionsrecht dem Eintritt der vorher bloß angekündigten Rechtsfolgen entgegen. Daraus folge, dass die auf § 98 ZPO beruhende Zustellfiktion für den im November 2013 erteilten Verbesserungsauftrag nicht zum Tragen komme. Der am 30. 12. 2013 eingebrachte Schriftsatz des Beklagten, mit dem er seine Eingabe vom 11. 11. 2013 verbessert habe, sei demnach nicht verspätet.

Dagegen richtet sich der Revisionsrekurs der Klägerin mit dem Antrag auf Wiederherstellung des Beschlusses des Erstgerichts. Der Beschluss gemäß § 98 ZPO sei vom Beklagten nicht angefochten worden und die Zustellfiktion sei ihm rechtswirksam angedroht worden. Ein materiell‑rechtskräftiger Beschluss sei rechtlich verbindlich. Eine selbstständige Anfechtung sei zulässig, wenn ein ausdrücklicher Ausschluss der Anfechtbarkeit im Gesetz gemäß § 514 ZPO nicht angeordnet sei, was hier nicht der Fall sei. Der Beschluss sei daher in Rechtskraft erwachsen. Ein Beschluss gemäß § 98 ZPO sei kein rein prozessleitender Beschluss und entfalte Bindungswirkung innerhalb des Rechtsstreits. Aus einer Gesamtbetrachtung des Unionsrechts lasse sich schließen, dass der Zustellung des verfahrenseinleitenden Schriftsatzes höhere Bedeutung zukomme als jener der nachfolgenden Schriftsätze. Art 34 der Brüssel I‑VO sehe vor, dass eine Anerkennung in einem anderen Mitgliedstaat der EU versagt werden könne, wenn ein verfahrenseinleitendes Schriftstück oder gleichwertiges Schriftstück nicht so rechtzeitig und nicht in einer Art und Weise zugestellt worden sei, dass sich der Beklagte verteidigen könne. Hier habe der Beklagte mehrere Möglichkeiten gehabt, sich zu verteidigen. Er hätte sowohl eine Klagebeantwortung einbringen als auch den Beschluss nach § 98 ZPO bekämpfen bzw die Verbesserung der „Berufung“ rechtzeitig und ordnungsgemäß einbringen können. Nach Ablauf der Rechtsmittelfrist sei der Rechtssicherheit der Vorrang vor der Rechtsrichtigkeit einzuräumen. Die Zustellung von Schriftstücken durch das Erstgericht ohne Zustellnachweis sei daher auch noch nach dem Beitritt Kroatiens zur EU rechtlich zulässig gewesen und die vor dem 1. 7. 2013 rechtswirksam angedrohte Zustellfiktion entfalte ihre Wirkung über den 1. 7. 2013 hinaus.

Der Revisionsrekurs der Klägerin wurde dem Beklagten zu Handen seiner Rechtsvertreter am 14. 5. 2014 zugestellt. Der Beklagte brachte am 4. 6. 2014 eine Revisionsrekursbeantwortung ein.

Rechtliche Beurteilung

I. Der Revisionsrekurs ist aus dem vom Rekursgericht genannten Grund zulässig; er ist aber nicht berechtigt.

1. Kroatien trat mit Wirkung vom 1. 7. 2013 der Europäischen Union bei, weshalb ab diesem Zeitpunkt für die Zustellung gerichtlicher Schriftstücke die Bestimmungen der EuZVO maßgebend sind (vgl 6 Ob 59/14s; Mosser, Kroatien in der EU ‑ Rechtshilfe, Anerkennung und Vollstreckung, RZ 2013, 277 f).

2. Art 4 ff EuZVO sehen die Übermittlung und Zustellung von gerichtlichen Schriftstücken durch Übermittlungsstellen und Empfangsstellen vor. Art 14 EuZVO stellt es jedem Mitgliedsland aber auch frei, Personen, die ihren Wohnsitz in einem anderen Mitgliedstaat haben, gerichtliche Schriftstücke unmittelbar durch Postdienste per Einschreiben mit Rückschein oder gleichwertigem Beleg zustellen zu lassen. Somit ist die einfache Postzustellung ohne Rückschein keine nach der EuZVO gültige Zustellform.

3. Die Wirksamkeit der Zustellung ist nach dem Recht des Prozessstaats zu beurteilen (8 Ob 17/12a = RIS‑Justiz RS0127642, RS0119937).

4. Der Oberste Gerichtshof hat in der ausführlich begründeten Entscheidung 2 Ob 156/13z (= EvBl 2014/68, 461 [krit Frauenberger-Pfeiler], zust Schramek, OGH: § 98 ZPO ist unionsrechtswidrig, SPRW 2014, 85) unter besonderer Berücksichtigung der Entscheidung des EuGH vom 19. 12. 2012, C‑325/11, Alder, sowie des in ständiger Rechsprechung des EuGH judizierten Grundsatzes der Effektivität festgehalten, dass im Anwendungsbereich der EuZVO eine Zustellung ohne Zustellnachweis (samt Zustellfiktion), wie sie § 98 ZPO für den Fall der Nichtbenennung eines Zustellungsbevollmächtigten vorsieht, unionsrechtswidrig ist (ebenso 10 Ob 34/14v; RIS‑Justiz RS0129144).

5. Anders als in dem dort zugrundeliegenden Sachverhalt ist hier die Aufforderung zur Namhaftmachung eines inländischen Zustellungsbevollmächtigten vor der Geltung des Unionsrechts für den betreffenden Empfängerstaat getroffen worden. Anders als dort wird hier auch nicht der Beschluss nach § 98 ZPO angefochten, sondern die daraufhin ‑ nach EU-Beitritt ‑ erfolgte Zurückweisung der verbesserten Eingabe als verspätet. Es stellt sich daher die Frage, ob das Unionsrecht nunmehr ‑ trotz der seinerzeit zulässigen Beschlussfassung nach § 98 ZPO samt Hinweis auf die Zustellfiktion ‑ der Wirksamkeit einer Zustellung an den Beklagten ohne Zustellnachweis entgegensteht.

6.1. Das Rekursgericht bejahte dies unter anderem mit der Begründung, die Belehrung und Warnung über die im Gesetz (§ 98 ZPO) normierten Säumnisfolgen seien nicht der Rechtskraft fähig, und die Anordnungen zu Zustellungen seien auch nicht abgesondert anfechtbar.

6.2. Dem ist jedoch die Rechtsprechung des Obersten Gerichtshofs entgegenzuhalten, wonach der Auftrag nach § 10 ZustG (aF) ‑ und somit auch jener nach der Nachfolgebestimmung des § 98 ZPO ‑ mit abgesondertem Rechtsmittel angefochten werden kann (vgl 10 Ob 59/08m = RIS‑Justiz RS0124260; von der Rechtskraftfähigkeit ausgehend 1 Ob 218/11g; Gitschthaler in Rechberger, ZPO4 § 87 Rz 10 und § 87 [§ 10 ZustG] Rz 6).

6.3. Somit ist im vorliegenden Fall ‑ mangels Anfechtung des Beschlusses nach § 98 ZPO ‑ von einem rechtswirksamen Auftrag im Sinne dieser Gesetzesstelle auszugehen. Dies löst aber noch nicht die Frage, ob dieser rechtsgültige Auftrag dahingehend fortwirkt, dass eine nunmehr unionsrechtswidrige Zustellung (Art 14 EuZVO) dennoch zulässig ist.

7.1. Zu 10 Ob 59/08m ging der Oberste Gerichtshof ‑ gestützt auf das Urteil des EuGH, Rs C-234/04 , Kapferervon der Bindung an einen rechtskräftigen Auftrag nach § 10 ZustG aus, ohne auf die kontrovers diskutierte Unionsrechtskonformität des Auftrags zur Namhaftmachung eines Zustellungsbevollmächtigten einzugehen.

7.2. In der Entscheidung 1 Ob 105/11i, der eine Gesetzesänderung während des mehrstufigen Zustellvorgangs zugrunde lag (§ 98 ZPO statt § 10 ZustG aF), hielt der Oberste Gerichtshof zwar im Grundsätzlichen an dieser Sichtweise fest und führte aus, die (auf gesetzlicher Anordnung oder rechtskräftiger gerichtlicher Verfügung beruhenden) Zustellvorschriften seien schon aus Gründen der Rechtssicherheit einzuhalten. Im dortigen Anlassfall musste aber auf das Problem eines rechtskräftigen Auftrags zur Bestellung eines Zustellungsbevollmächtigten nicht weiter eingegangen werden.

8.1. Brenn (in Hummer, Neueste Entwicklungen im Zusammenspiel von Europarecht und nationalem Recht der Mitgliedstaaten [2010], 325 ff, 332) hält es für klärungsbedürftig, ob die Rechtskraft eines Beschlusses nach § 98 ZPO tatsächlich die unionsautonome bzw amtswegige Überprüfung der Wirksamkeit der Zustellung hindern kann, zumal von solch einem Beschluss Verfahrensgrundrechte betroffen seien (vgl ders in ÖJZ 2013/96).

8.2. Falmbigl (Zak 2013/491, 270 [273]) führt dazu aus, dass ein Beschluss nach § 98 ZPO zwar die Voraussetzungen schaffe, dass die entsprechenden Zustellfolgen eintreten, er ordne sie aber nicht an. Vielmehr sei für deren Eintreten zusätzlich erforderlich, dass die Partei den Auftrag nicht befolge. Die Befugnis, per Post ohne Rückschein zuzustellen, ergebe sich daher nicht aus dem Beschluss selbst, sondern ‑ ähnlich der Tatbestandswirkung eines Urteils ‑ daraus, dass das Gesetz diese Rechtsfolge an die Existenz des Beschlusses knüpfe. Da das Gesetz in diesem Fall aber gegen Unionsrecht verstoße, könne es auch dann nicht angewendet werden, wenn der Auftrag zur Bestellung eines Zustellungsbevollmächtigten in Rechtskraft erwachsen sei (vgl auch Sengstschmid in Fasching/Konecny 3 I § 38 JN Rz 29).

9. Der vorliegende Fall ist ‑ wie bereits in Punkt 5. dargelegt ‑ dadurch geprägt, dass hier der Auftrag zur Namhaftmachung eines Zustellungsbevollmächtigten samt Hinweis auf die Rechtsfolgen mangels Anwendbarkeit der EuZVO nicht gegen das Unionsrecht verstieß, während dies aufgrund der mittlerweile geänderten Rechtslage (EU-Beitritt Kroatiens) hinsichtlich der Zustellung des Verbesserungsauftrags nunmehr der Fall ist. Es liegen somit, dem überzeugenden Ansatz Falmbigls folgend, zwei verschiedene Anknüpfungspunkte vor: Einerseits der gerichtliche (und in Rechtskraft erwachsene) Auftrag gemäß § 98 ZPO und andererseits die durch das Nichtbefolgen des Auftrags ausgelöste Anordnung der Zustellung des Verbesserungsauftrags ohne Zustellnachweis, die am 19. 11. 2013 erfolgte. Die beiden Vorgänge sind hinsichtlich ihrer Rechtswirkungen gesondert zu beurteilen (vgl Falmbigl aaO). Da die Zustellung des Verbesserungsauftrags ohne Zustellnachweis gegen Unionsrecht verstößt, löst sie keine Zustellungswirkungen aus. Die Rechtskraft des (zuvor wirksam erfolgten) Auftrags zur Bestellung eines Zustellungsbevollmächtigten vermag an dieser Beurteilung nichts zu ändern.

10.1. Das Rekursgericht folgert aus der Unwirksamkeit der Zustellung des Verbesserungsauftrags, dass der am 30. 12. 2013 eingebrachte Schriftsatz des Beklagten, mit dem er seine Eingabe vom 11. 11. 2013 verbesserte, nicht verspätet sei.

10.2. Der Beklagte hat jedoch zugestanden, den Verbesserungsauftrag des Erstgerichts vom 19. 11. 2013 erhalten zu haben. Er sei zum Zeitpunkt der Postzustellung des Beschlusses ortsabwesend gewesen und habe ihn nach seiner Rückkehr am 17. 12. 2013 im Postkasten gefunden.

10.3. Gemäß § 7 ZustG heilen Zustellmängel mit dem Zeitpunkt des tatsächlichen Zukommens des Dokuments an den Empfänger. Die EuZVO selbst enthält keine Heilungsvorschriften. Nach der Rechtsprechung des Obersten Gerichtshofs ist die Heilung von Zustellmängeln auch im Anwendungsbereich der EuZVO nach dem Recht des Prozessstaats zu beurteilen (8 Ob 17/12a; 1 Ob 105/11i; vgl auch Falmbigl, Zak 2013, 270 [273]; zust Brenn, EvBl 2012/106, 723 [726]; krit Frauenberger‑Pfeiler, EvBl 2011/155, 1085 [1087]). Nach Falmbigl (aaO) wäre für eine Heilung durch Zweckerreichung neben dem tatsächlichen Zugang des Dokuments auch die Einhaltung der Sprachenregelung des Art 8 EuZVO erforderlich. Im vorliegenden Fall ergibt sich schon aus der aktenkundigen, vom Beklagten selbst verfassten Eingabe (ON 7), dass er der deutschen Sprache mächtig ist (Art 8 Abs 1 lit a EuZVO). Im Übrigen geht er selbst von der Heilung des Zustellmangels mit seiner Rückkehr an die Abgabestelle am 17. 12. 2013 aus.

11.1. Die Vorinstanzen haben die vom Beklagten schon in erster Instanz behauptete Ortsabwesenheit nicht geprüft. Es ist daher ungeklärt, wann dem Beklagten der Verbesserungsauftrag des Erstgerichts vom 19. 11. 2013 tatsächlich zugekommen ist.

11.2. Die Aktenlage lässt somit noch keine verlässliche Beurteilung über die Rechtzeitigkeit des Widerspruchs des Beklagten gegen das erstgerichtliche Versäumungsurteil zu. Damit hat das Rekursgericht im Ergebnis zwar zu Recht den verfrühten Zurückweisungsbeschluss des Erstgerichts ersatzlos aufgehoben, es ging jedoch selbst ohne ausreichende Grundlage von der Rechtzeitigkeit des Widerspruchs aus.

12. Das Erstgericht wird daher im fortgesetzten Verfahren im Rahmen eines ‑ unter Beteiligung beider Parteien durchzuführenden (vgl 7 Ob 519/92) ‑ Bescheinigungsverfahrens die vom Beklagten angebotenen Bescheinigungsmittel zu würdigen haben. Hält es das Vorbringen des Beklagten hinsichtlich seiner Ortsabwesenheit für zutreffend, wird es das Verfahren fortzusetzen haben. Andernfalls wird das Erstgericht neuerlich einen Zurückweisungsbeschluss zu fällen haben.

13. Dem Revisionsrekurs der Klägerin war aus diesen Gründen nicht Folge zu geben.

14. Die Kostenentscheidung gründet auf den §§ 40, 50 ZPO.

II. Die verspätete Revisionsrekursbeantwortung des Beklagten (§ 521a Abs 1 ZPO) war zurückzuweisen.

Lizenziert vom RIS (ris.bka.gv.at - CC BY 4.0 DEED)

Stichworte