European Case Law Identifier: ECLI:AT:OGH0002:2014:0060OB00059.14S.0410.000
Spruch:
Dem Rekurs wird nicht Folge gegeben.
Die Klägerin hat ihre Kosten des Rekursverfahrens selbst zu tragen.
Text
Begründung
Die Klägerin begehrt vom Beklagten, der in Kroatien wohnt, und zwei weiteren Beklagten Leistungen aus dem Titel des Schadenersatzes. Die Klage vom 15. 1. 2010 sowie ein Auftrag zur Klagebeantwortung wurden dem Beklagten jeweils in deutscher Sprache am 25. 3. 2010 beim Zivilgericht Zagreb zugestellt, indem ihm die Schriftstücke persönlich übergeben wurden; der Beklagte übernahm die Schriftstücke freiwillig und bestätigte die Übernahme durch seine Unterschrift.
Das Erstgericht erließ am 14. 10. 2010 auf Antrag der Klägerin ein Versäumungsurteil, das dem Beklagten am 29. 11. 2010 wiederum in deutscher Sprache und durch persönliche Übergabe zugestellt wurde.
Der Beklagte erhob mit am 20. 12. 2010 zur Post gegebenem Schriftsatz und vertreten offensichtlich durch Zagreber Rechtsanwälte „Einspruch“ gegen das Versäumungsurteil, wobei er unter anderem darauf hinwies, dass ihm die Briefe [ohne Übersetzung] in [einer] ihm fremde[n] Sprache zugestellt worden seien.
Nachdem ihm das Erstgericht einen entsprechenden Verbesserungsauftrag, zugestellt am 10. 6. 2011, erteilt hatte, stellte der Beklagte ‑ nunmehr vertreten durch einen österreichischen Rechtsanwalt ‑ den Antrag auf Neuzustellung der Klage und auf Bewilligung der Wiedereinsetzung in die Frist zur Beantwortung der Klage, wobei er die Klagebeantwortung unter einem ausführte; außerdem erhob er Widerspruch und Nichtigkeitsberufung gegen das Versäumungsurteil. Er sei der deutschen Sprache nicht mächtig, weshalb er die zugestellten Schriftstücke nicht habe interpretieren können. Damit seien aber sowohl das erstinstanzliche Verfahren als auch das Versäumungsurteil gemäß § 477 Abs 1 Z 4 ZPO nichtig.
Das Erstgericht wies die Anträge auf neuerliche Zustellung der Klage und auf Wiedereinsetzung zurück. Im Hinblick auf Art 14 des Vertrags zwischen der Republik Österreich und der Föderativen Volksrepublik Jugoslawien über den wechselseitigen rechtlichen Verkehr samt Schlussprotokoll vom 16. 12. 1954 (BGBl 224/1955), der auch im Verhältnis zu Kroatien anzuwenden sei (BGBl 474/1996), seien die Zustellvorgänge ordnungsgemäß erfolgt, habe der Beklagte doch die Schriftstücke freiwillig übernommen. Den Widerspruch wies das Erstgericht infolge Verspätung zurück. Das Oberlandesgericht Linz als Rekursgericht bestätigte diese Entscheidung.
Mit Beschluss vom 22. 12. 2011 trug das Oberlandesgericht Linz als Berufungsgericht dem Erstgericht jedoch auf, im Zwischenverfahren zu erheben, ob der Beklagte anlässlich der Zustellung der Klage am 25. 3. 2010 auch über die Möglichkeit belehrt wurde, die Entgegennahme der Klage samt Auftrag zur Klagebeantwortung wegen Fehlens einer Übersetzung der Zustellstücke in die kroatische Sprache zu verweigern.
Nachdem das Erstgericht mehrfach versucht hatte, eine entsprechende Erklärung der kroatischen Behörden einzuholen, legte es am 18. 12. 2013 den Akt neuerlich dem Berufungsgericht zur Entscheidung über die Nichtigkeitsberufung vor.
Das Berufungsgericht hob das Versäumungsurteil als nichtig auf und verwies die Rechtssache zur gesetzmäßigen Zustellung der Klage an den Beklagten sowie zur nachfolgenden Verhandlung und Entscheidung über die Klage an das Erstgericht zurück; es erklärte den Rekurs an den Obersten Gerichtshof für zulässig. Der Beklagte bestreite, von den kroatischen Behörden über sein Annahmeverweigerungsrecht infolge fehlender Übersetzung der zuzustellenden Schriftstücke belehrt worden zu sein; von den Behörden selbst sei auch nach Jahren keine eindeutige Stellungnahme zu erhalten gewesen. Damit sei aber vom Fehlen einer Belehrung und damit im Zweifel von einer unwirksamen Zustellung der Klage an den Beklagten auszugehen, weshalb der Nichtigkeitsgrund des § 477 Abs 1 Z 4 ZPO verwirklicht sei.
Rechtliche Beurteilung
Der Rekurs der Klägerin ist jedenfalls zulässig (vgl jüngst 5 Ob 186/13h); er ist aber nicht berechtigt. Der Beklagte hat sich am Verfahren vor dem Obersten Gerichtshof nicht beteiligt.
Der Oberste Gerichtshof hat bereits mehrfach und auch vor dem Hintergrund des Art 14 des vom Erstgericht erwähnten Vertrags ‑ da die Zustellungen vor dem 1. 7. 2013 erfolgten, ist die EuZVO hier noch nicht anwendbar ‑ klargestellt, dass es mit einem fair geführten Verfahren (Art 6 EMRK) unvereinbar ist, wenn der Empfänger verfahrenseinleitende Schriftstücke zugestellt erhält, die nicht in seiner Sprache abgefasst und auch nicht übersetzt sind; eine solche Zustellung ist unwirksam (RIS‑Justiz RS0110261). Geheilt ist der Mangel der fehlenden Übersetzung insbesondere dann, wenn der Empfänger den Inhalt eines in fremder Sprache abgefassten Schriftstücks tatsächlich verstanden hat oder ‑ als Angehöriger des Absendestaats ‑ der Landessprache mächtig sein musste (10 Ob 99/00g). Voraussetzung für die Wirksamkeit der Zustellung eines für den Empfänger fremdsprachigen, nicht übersetzten Schriftstücks ist aber, dass er über sein Recht zur Annahmeverweigerung belehrt wurde (6 Ob 190/05t; 3 Ob 56/13a).
Das Berufungsgericht hat angesichts der im vorliegenden Verfahren erfolgten Erhebungsversuche und deren Ergebnisse auf Tatsachenebene angenommen, dass keine gesetzmäßige Klagszustellung in dem Sinn erfolgte, dass der Beklagte über sein Annahmeverweigerungsrecht belehrt wurde. Dies entspricht auch der Stellungnahme des Zivilgerichts Zagreb vom 18. 4. 2013, in der der Zustellvorgang detailliert dargestellt ist, die erörterte Belehrung jedoch nicht erwähnt wird; auch das Justizministerium der Republik Kroatien hat dargestellt, dass den Erledigungsakten „eine ausdrückliche Stellungnahme zur Belehrung [des Beklagten] über das Recht der Annahmeverweigerung nicht zu entnehmen“ sei. Auf die vom Berufungsgericht als erheblich angesehene Rechtsfrage, ob nach der Entscheidung 6 Ob 190/05t im Sinn einer Rechtsvermutung bei Zustellungen im Rechtshilfeweg im Regelfall davon ausgegangen werden kann, dass die ausländische Behörde den Empfänger über sein Annahmeverweigerungsrecht belehrt hat, oder ob diese Voraussetzung im Hinblick auf die Amtswegigkeit des Zustellvorgangs im Zweifel als nicht gegeben angenommen werden muss, kommt es damit aber nicht an.
Das erstinstanzliche Verfahren war infolge Fehlens der Belehrung vom Nichtigkeitsgrund der Verletzung des rechtlichen Gehörs nach § 477 Abs 1 Z 4 ZPO betroffen (vgl 10 Ob 99/00g), weshalb das Versäumungsurteil als nichtig aufzuheben war. Entgegen den Ausführungen im Rekurs der Klägerin hat der Beklagte das Versäumungsurteil auch fristgerecht bekämpft: Seine ursprüngliche Eingabe binnen vier Wochen nach Zustellung des Versäumungsurteils wurde ihm zur Verbesserung zurückgestellt; innerhalb der Verbesserungsfrist erhob er durch seinen österreichischen Rechtsanwalt Nichtigkeitsberufung.
Die Entscheidung über die Kosten des Rekursverfahrens gründet sich auf §§ 40, 50 ZPO.
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