OGH 22Os1/14h

OGH22Os1/14h11.11.2014

Der Oberste Gerichtshof als Disziplinargericht für Rechtsanwälte und Rechtsanwaltsanwärter hat am 11. November 2014 durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofs Dr. Philipp als Vorsitzenden, die Anwaltsrichter Dr. Mascher und Mag. Brunar sowie den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofs Hon.‑Prof. Dr. Sailer in Gegenwart der Richteramtsanwärterin Mag. Tagwerker als Schriftführerin in der Disziplinarsache gegen Mag. Johannes G*****, Rechtsanwalt in *****, wegen der Disziplinarvergehen der Berufspflichtenverletzung und der Beeinträchtigung von Ehre oder Ansehen des Standes über die Berufung des Disziplinarbeschuldigten wegen Nichtigkeit, Schuld und Strafe gegen das Erkenntnis des Disziplinarrats der Tiroler Rechtsanwaltskammer vom 11. März 2013, AZ D 12‑25, 2 DV 12‑16, nach mündlicher Verhandlung in Anwesenheit des Vertreters der Generalprokuratur, Generalanwalt Dr. Eisenmenger und des Disziplinarbeschuldigten zu Recht erkannt:

European Case Law Identifier: ECLI:AT:OGH0002:2014:0220OS00001.14H.1111.000

 

Spruch:

Aus Anlass der Berufung wird das angefochtene Erkenntnis aufgehoben und in der Sache selbst zu Recht erkannt:

Der Disziplinarbeschuldigte wird von dem wider ihn erhobenen Vorwurf, er habe dadurch, dass er im Kaufvertrag vom 17. Mai 2011 zwischen der Verkäuferin Maria H***** und der Käuferin F***** GmbH als Vertragsverfasser und Treuhänder beider Vertragsparteien tätig geworden sei, im Anschluss daran jedoch bei der Abwicklung des Kaufvertrags einseitig die Interessen der Verkäuferin Maria H***** vertreten und den Kaufpreis vor Erfüllung des Treuhandauftrags an die Käuferin rücküberwiesen habe, freigesprochen.

Mit seiner Berufung wird der Disziplinarbeschuldigte auf diese Entscheidung verwiesen.

Text

Gründe:

Mit dem angefochtenen Erkenntnis wurde der Disziplinarbeschuldigte wegen des im Spruch wiedergegebenen Verhaltens der Disziplinarvergehen der Berufspflichtenverletzung und der Beeinträchtigung von Ehre oder Ansehen des Standes schuldig erkannt und über ihn eine Geldbuße in der Höhe von 3.000 Euro verhängt.

Der Disziplinarrat ging dabei zusammengefasst von folgenden Feststellungen aus:

Bis Juli 2011 betrieb der Disziplinarbeschuldigte eine Kanzleigemeinschaft mit Rechtsanwalt Dr. Christian K*****, die im Juli 2011 rückwirkend per 1. Jänner 2011 aufgehoben wurde.

Das Unternehmen F***** GmbH war seit ca 2009 Klientin der Kanzlei, wobei sie fast ausschließlich von Dr. K***** betreut wurde. Im Jahr 2010 kam es zu Vertragsverhandlungen zwischen Maria H***** als Verkäuferin und dem genannten Unternehmen als Kaufinteressenten, hinsichtlich des Grundstücks Nr 14 in EZ ***** GB *****. Dieses Grundstück wurde vom Klienten Mag. G*****s, B*****, „akquiriert“ und in weiterer Folge der F***** GmbH über die Kanzleigemeinschaft K***** & G***** zum Kauf angeboten. Am 2. Dezember 2010 kam es zum Kaufvertragsabschluss, wobei als Vertragsverfasser und Treuhänder im Vertrag Rechtsanwalt Dr. K***** aufschien, der auch die Meldung an das Treuhandbuch erstattete. Der Kaufvertrag wurde abgewickelt und grundbücherlich durchgeführt.

Die Käuferin plante die Errichtung eines Bauträgerprojekts auf dieser Liegenschaft, wobei ihr von der Kanzleigemeinschaft für Vorprojektierungskosten inklusive Vertragserrichtungskosten Honorare in Rechnung gestellt wurden.

Vor Beginn der Vertragsverhandlungen waren Maria H***** weder der Disziplinarbeschuldigte noch Dr. K***** bekannt und hatte der Disziplinarbeschuldigte auf den Grundstücken Nr 12, 13 und 14 der genannten EZ weder ein Vorkaufsrecht noch eine Option.

Zum Zeitpunkt des Kaufvertrags war im Grundbuch die Änderung der Fläche in Vorbereitung bei Grundstück Nr 14 zwar angemerkt, was allseitig aber nicht thematisiert wurde. In weiterer Folge stellte es sich heraus, dass die genannte Liegenschaft um knapp 70 m² kleiner war als im Kaufvertrag angeführt. Es kam zu einer gemeinsamen Besprechung, an der auch Maria H*****, Vertreter der F***** GmbH und der Disziplinarbeschuldigte teilnahmen, wobei Seitens der Käuferin dargelegt wurde, dass durch die geringere Grundstücksfläche Probleme beim geplanten Projekt hinsichtlich Spielplatz und KFZ‑Stellplätze auftreten könnten. Wiederum über Intervention B*****s wurde am 17. Mai 2011 ein weiterer Kaufvertrag zwischen Maria H***** und der F***** GmbH über die dem Grundstück Nr 14 gegenüberliegenden Parzellen Grundstück Nr 12 und 13 der oben genannten EZ abgeschlossen. Bei Abschluss dieses weiteren Vertrags war H***** der Meinung, dass die Käuferin diese Grundstücke für den Bau dringend benötigen würde. Sie überließ sie ihr zu einem relativ geringen Kaufpreis; dies auch aus der Überlegung heraus, weil sie in dem neuen Wohnbauprojekt eine Wohnung kaufen wollte und sich erhoffte, diese dann eben günstiger zu bekommen.

Die Vertreter der F***** GmbH gingen beim Abschluss des Vertrags davon aus, dass die Flächendifferenz bei dem Grundstück Nr 14 im niederen Kaufpreis seinen Niederschlag gefunden habe.

Es konnte nicht festgestellt werden, dass Geschäftsgrundlage des Vertrags vom 17. Mai 2011 war, dass diese Grundstücke nur für die Realisierung des Wohnbauprojekts auf Grundstück Nr 14 notwendig waren.

Den Kaufvertrag für die Grundstücke Nr 12 und 13 errichtete die Kanzleigemeinschaft K***** & G*****, wobei im Vertrag der Disziplinarbeschuldigte als Vertragsverfasser und Treuhänder ausgewiesen wurde.

In Punkt VIII. des Kaufvertrags wurde der Disziplinarbeschuldigte von beiden Vertragsparteien mit der Errichtung und grundbücherlichen Durchführung bevollmächtigt, wobei ausdrücklich festgehalten ist, dass ausschließlich die Käuferseite den Auftrag zur Vertragserrichtung erteilt hat. Die Grundverkehrsanzeige wurde von Dr. K***** namens der F***** GmbH verfasst und am 27. Mai 2011 überreicht. Eine Bebauungsverpflichtung hinsichtlich der unbebauten Grundstücke Nr 12 und 13 scheint nicht auf.

Auch nach Schwierigkeiten mit der Grundverkehrsbehörde bearbeitete nach Auflösung der Kanzleigemeinschaft im Juli 2011 nur mehr der Disziplinarbeschuldigte den Akt.

Im Herbst 2011 erfuhr Maria H***** gerüchteweise, dass die F***** GmbH die Grundstücke Nr 12 und 13 gar nicht für das Bauvorhaben auf Grundstück Nr 14 benötigen solle, sondern diese an die Stadt Innsbruck zu einem weit höheren Betrag weiterveräußern wolle. Tatsächlich war die Stadt Innsbruck an diesen Grundstücken interessiert und hatte H***** schon im Herbst 2010 ein schriftliches Kaufangebot gemacht.

Im November 2011, intensiv im Dezember 2011, erhielt der Disziplinarbeschuldigte Kenntnis von Gerüchten, dass H***** beim Kaufvertragsabschluss „über den Tisch gezogen“ worden sei und die F***** GmbH die Grundstücke nicht selbst benötige, sondern an die Stadtgemeinde Innsbruck um das Fünffache des ursprünglichen Kaufpreises angeboten habe. Der Disziplinarbeschuldigte wollte den Gerüchten nachgehen, erhielt aber vorerst keine konkreten Beweise. Im Dezember 2011 wünschte Maria H***** eine Rückabwicklung des Vertrags und teilte dies dem Disziplinarbeschuldigten mit.

Anfang Dezember 2001 lagen laut dessen Meinung die Verbücherungsvoraussetzungen für den Vertrag vor. Er wurde von ihm allerdings bis zuletzt nicht beim Finanzamt angezeigt. Am 13. Dezember 2011 erkundigte sich Dr. S***** als Vertreter der F***** GmbH schriftlich nach dem Verbücherungsstand. In Kenntnis der oben angestellten Gerüchte richtete der Disziplinarbeschuldigte am 14. Dezember 2011 ein Schreiben an die F***** GmbH, in dem er eine kurzfristige Bestätigung bis 15. Dezember 2011 mittags forderte, wonach sich an der Geschäftsgrundlage für den Ankauf der Grundstücke Nr 12, 13, nämlich dass diese unabdingbar für die Realisierung des Projekts auf dem Grundstück Nr 14 notwendig sind (für fehlende Parkplätze bzw Kinderspielplatz), nichts geändert habe und die Käuferin diese Grundstücke nicht der Stadt Innsbruck zum Kauf angeboten habe. Für den Fall der Nichtabgabe dieser Erklärung führte der Disziplinarbeschuldigte als Konsequenz bereits den Abbruch der Kaufvertragsabwicklung an. Weiters verwies er auf eine von der Verkäuferin diesfalls gewünschte Rückabwicklung, empfahl eine einvernehmliche Aufhebung und nahm auch auf die von ihm durchzuführende Rücküberweisung des Kaufpreises an die F***** GmbH dezidiert Bezug.

Auf dieses Schreiben erhielt der Disziplinarbeschuldigte von Seiten der F***** GmbH keine Reaktion.

Daraufhin übermittelte der Disziplinar-beschuldigte am 16. Dezember 2011 ein weiteres Schreiben an das genannte Unternehmen, welchem die Rücktrittserklärung der Verkäuferin beilag. Im Vorfeld dieser Rücktrittserklärung hatte der Disziplinarbeschuldigte Maria H***** über den Rücktritt aufgeklärt, was dann inhaltlich in das Rücktrittsschreiben einfloss. Am 20. Dezember (richtig:) 2011 überwies der Disziplinarbeschuldigte den treuhändig erlegten Kaufpreis an die F***** GmbH zurück. In weiterer Folge klagte diese die Verkäuferin auf Zuhaltung des Vertrags. Dieses Verfahren endete mit einem Vergleich.

Am 22. Dezember 2011 sprach Maria H***** im Beisein des Disziplinarbeschuldigten bei Mag. Ge***** vom Stadtmagistrat Innsbruck vor und erkundigte sich, ob die F***** GmbH die Grundstücke Nr 12 und 13 der Stadt zum Kauf angeboten habe.

Rechtliche Beurteilung

Dagegen richtet sich eine wegen „Mangelhaftigkeit des Verfahrens, Aktenwidrigkeit, unrichtiger Tatsachenfeststellung infolge unrichtiger Beweiswürdigung und unrichtiger rechtlicher Beurteilung“ ausgeführte Berufung des Disziplinarbeschuldigten, die primär einen Freispruch, in eventu Herabsetzung der Strafe fordert.

Ausgehend vom im Erkenntnis festgestellten Sachverhalt (vgl RIS‑Justiz RS0099810) überzeugte sich der Oberste Gerichtshof aus Anlass der Berufung, dass diesem von Amts wegen wahrzunehmende Nichtigkeit nach § 281 Abs 1 Z 9 lit b StPO anhaftet:

Nach Lage des Falles liegen nämlich sämtliche Voraussetzungen für ein Vorgehen nach § 3 DSt vor.

Wie der Disziplinarrat zutreffend ausführt, übernahm der Disziplinarbeschuldigte als Treuhänder eine mehrseitige offene Treuhandschaft zum Zweck der Abwicklung eines Liegenschaftskaufvertrags, in welchem Fall der Treuhänder grundsätzlich nicht nur die Interessen des Käufers sondern naturgemäß auch die des Verkäufers zu wahren hat, wie sich das schon aus dem Willen der Parteien und dem dem Geschäft immanenten Zweck ergibt (RIS‑Justiz RS0104573). Er hat entsprechend den Bestimmungen der §§ 9 und 11 RAO die Interessen beider Seiten angemessen zu wahren (Feil/Wennig AnwR8 § 10a RAO Rz 3). Treuhandaufträge sind mit besonderer Sorgfalt und Gewissenhaftigkeit zu erfüllen (RIS‑Justiz RS0087645), weil Treuhandabwicklungen dem Kernbereich anwaltlicher Vertrauensanforderungen zuzuordnen sind (RIS‑Justiz RS0123722).

Dennoch ist hier das Verschulden des Rechtsanwalts als geringfügig zu beurteilen: Im Rahmen seiner rechtlichen Beurteilung billigte der Disziplinarrat dem Disziplinarbeschuldigten nämlich zu, dass er den ihm zugekommenen Gerüchten Glauben schenken durfte und demgemäß annehmen konnte, dass der Vertrag rechtswidrig zustande gekommen sei (ES 8).

Verstoßen zwar die vom Disziplinarrat rechtens vorgeworfenen Handlungen (knappes Ultimatum im Schreiben vom 14. Dezember 2011, Rücktrittsberatung, einseitige Vertragsauflösung durch die Verkäuferin und Rückmittlung des Kaufpreises an die Käuferin, ohne deren Stellungnahme abzuwarten, Vorsprache mit der Verkäuferin beim Stadtmagistrat Innsbruck in Bezug auf Verkaufsabsichten) gegen die oben genannten Treuepflichten und wäre es bei dieser Sachlage geboten gewesen, die Interessenkollision vorab abzuklären (RIS‑Justiz RS0112065 [T2]) und gegebenenfalls den Kaufpreis gemäß § 1425 ABGB bei Gericht zu hinterlegen und sein Vollmachtsverhältnis zur Käuferin explizit aufzulösen, so war seine Handlungsweise ‑ wie vom Disziplinarrat implizit festgestellt ‑ vom Motiv getragen, die Verkäuferin vor einem finanziellen Schaden zu bewahren. Zu berücksichtigen ist auch, dass er durch seine Handlungsweise den Verlust eines potenten Klienten in Kauf nahm.

Des Weiteren hat sein Verhalten nur unbedeutende Folgen nach sich gezogen: Die Käuferin musste zwar auf Zuhaltung des Vertrags klagen, wobei der Prozess mit einem Vergleich endete, der der Verkäuferin einen Mehrerlös brachte, während die hier durch das inkriminierte Verhalten beeinträchtigte Käuferin durch den letztlich vorgenommenen Verkauf beider (!) Liegenschaften einen enormen Gewinn erzielte.

Damit erübrigt sich ein Eingehen auf das Berufungsvorbringen.

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