Spruch:
Der Revision wird Folge gegeben.
Die Urteile der Vorinstanzen werden dahin abgeändert, dass die Entscheidung nunmehr als
Teilurteil
zu lauten hat:
„Das Klagebegehren, die Beklagte sei schuldig, der Klägerin 91.336,47 EUR samt Zinsen in der Höhe von 8 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz gemäß § 352 UGB seit 18. 5. 2012 bei sonstiger Exekution zu bezahlen, wird abgewiesen.
Die Kosten des Verfahrens erster Instanz sind weitere Verfahrenskosten.“
Die Kosten des Rechtsmittelverfahrens sind weitere Verfahrenskosten.
Entscheidungsgründe:
Die Klägerin ist ein im Immobilienbereich tätiges Investitionsunternehmen mit Sitz in Rumänien; sie ist eine Tochtergesellschaft der österreichischen R*****-Gruppe. Die Klägerin entwickelte und betreibt unter anderem in R***** ein Fachmarktzentrum. Die Beklagte ist ein Immobilienmaklerunternehmen, das seit 2009 in einer Geschäftsbeziehung mit der R*****-Gruppe und der Klägerin steht und mit der Vermietung des Fachmarktzentrums und anderer Objekte der R*****-Gruppe betraut ist.
Am 24. 3. 2009 schlossen die Parteien eine Vereinbarung betreffend die Konzeptionierung und Vermarktung des Fachmarktzentrums; sie vereinbarten hinsichtlich dieses Vertrags und der daraus resultierenden Aufträge die Anwendung österreichischen Rechts unter Ausschluss der Verweisungsnormen. Als Gerichtsstand wurde L***** vereinbart.
Im Jahr 2011 hatte die Beklagte gegen die Klägerin eine unbestrittene Forderung in Höhe von 95.304,99 EUR aus der Rechnung 115/2011 vom 25. 1. 2011. Allerdings machte die R*****-Gruppe gegen die Beklagte Ansprüche in Höhe von 180.000 EUR geltend, die sie in der Folge an die Klägerin abtrat, die wiederum mit dieser Forderung gegen die Forderung der Beklagten aufrechnete; den Restbetrag von 84.695,01 EUR machte die Klägerin mit Klage vom 4. 4. 2011 zu AZ 29 Cg 2/11g des Landesgerichts Linz geltend, wobei sie sich in der Klage sowohl auf die Abtretung der Forderung als auch auf die erfolgte Aufrechnung berief.
Bereits am 7. 3. 2011 hatte die Beklagte die Klägerin zu einem Treffen für den 28. 3. 2011 eingeladen, um eine gütliche Einigung herbeizuführen, dies mit dem Hinweis, dass sonst ein Gerichtsverfahren gegen die Klägerin eingeleitet werden würde. Zu diesem Treffen erschien jedoch niemand von der Klägerin.
Am 9. 5. 2011 beantragte die Beklagte in Rumänien die Eröffnung des Insolvenzverfahrens über das Vermögen der Klägerin, woraufhin am 20. 9. 2011 das Konkursverfahren aufgrund der Angaben der Beklagten eröffnet und ein Insolvenzverwalter bestellt wurden. Da die Klägerin die Vorladung durch das rumänische Gericht zur Prüfung der Insolvenzvoraussetzungen nicht erhalten hatte, hatte sie auch keine Argumente gegen die Eröffnung des Insolvenzverfahrens vorbringen können. Am 7. 10. 2011 beantragte die Klägerin die Aufhebung des Insolvenzverfahrens.
Am 10. 10. 2011 bezahlte die Klägerin die Forderung der Beklagten aus der Rechnung 115/2011. Am 31. 10. 2011 wurde das Verfahren vor dem Landesgericht Linz unterbrochen, nachdem die Eröffnung des Insolvenzverfahrens bekannt geworden war. Allerdings wurde es am 17. 11. 2011 auf Antrag der Klägerin fortgesetzt. In diesem Verfahren schlossen die Parteien am 9. 1. 2012 einen Vergleich, in dem sich die Beklagte verpflichtete, der Klägerin 127.031 EUR zuzüglich eines Kostenbeitrags zu bezahlen.
Am 27. 6. 2012 stellte das rumänische Gericht das Insolvenzverfahren über das Vermögen der Klägerin ein und stellte fest, dass die Klägerin über eine gute finanzielle Lage verfüge.
Die Klägerin begehrt ‑ soweit dies für das Revisionsverfahren von Bedeutung ist ‑ von der Beklagten 91.336,47 EUR aus dem Titel des Schadenersatzes. Der Konkursantrag sei mutwillig, rechtsmissbräuchlich und in Schädigungsabsicht gestellt worden. Der Beklagten sei bekannt gewesen, dass die Klägerin berechtigte Forderungen gegen sie erhoben habe. Während des Konkursverfahrens sei die Klägerin über ihre Konten nicht mehr verfügungsberechtigt gewesen, was erhebliche Verunsicherungen bei ihren Vertragspartnern hervorgerufen habe; ihr Ruf sei in Mitleidenschaft gezogen worden. Es seien ihr Schäden durch notwendige Vertretungskosten und Kosten für Mitarbeiter und Steuerberater entstanden.
Die Beklagte wendete ein, die von der R*****-Gruppe geltend gemachten Ansprüche hätten nicht zu Recht bestanden, womit die von der Klägerin vorgenommene Aufrechnung unzulässig gewesen sei. Da aufgrund der Gesamtverhaltensweise der R*****-Gruppe zu befürchten gewesen sei, dass sich zumindest einzelne Unternehmen dieser Gruppe in ernsthaften finanziellen Schwierigkeiten befinden würden, habe die Beklagte den Konkursantrag gestellt. Dieser sei weder missbräuchlich noch in Schädigungsabsicht gestellt worden. Die Beklagte habe sämtliche rumänischen Verfahrensvorschriften bei der Stellung des Konkursantrags eingehalten, der aufgrund der Nichtbeteiligung der Klägerin am Insolvenzverfahren zur Eröffnung des Konkursverfahrens geführt habe.
Das Erstgericht erkannte mit Teilzwischenurteil das Leistungsbegehren dem Grunde nach als zu Recht bestehend, das Berufungsgericht bestätigte diese Entscheidung. Darüber hinaus sprach das Berufungsgericht aus, dass die ordentliche Revision zulässig ist; es fehle Rechtsprechung des Obersten Gerichtshofs zur Frage, ob bei Bestehen einer Vertragsbeziehung mit Rechtswahl zwischen den Parteien auf die Frage der missbräuchlichen Geltendmachung einer Forderung aus diesem Vertragsverhältnis durch einen Antrag auf Insolvenzeröffnung im Hinblick auf Art 4 Abs 1 und 3 der ROM II‑VO das im Vertrag gewählte Recht oder das Recht des Ortes des Schadenseintritts anwendbar ist.
In der Sache selbst vertraten beide Vorinstanzen die Auffassung, infolge der engeren Verbindung des Sachverhalts zu Österreich (Erstgericht) beziehungsweise des Rechtsverhältnisses zwischen den Parteien samt Rechtswahl (Berufungsgericht) sei österreichisches Recht maßgeblich. Obwohl die Beklagte über keine vollstreckbare Forderung verfügt habe, vielmehr diese Forderung Gegenstand des Rechtsstreits vor dem Landesgericht Linz gewesen sei, habe sie in Rumänien einen Konkursantrag gestellt. Dies sei rechtsmissbräuchlich gewesen, weshalb die Beklagte für den bei der Klägerin eingetretenen Schaden zu haften habe.
Rechtliche Beurteilung
Die Revision ist zulässig; sie ist auch berechtigt.
1. Während die Klägerin von der Anwendbarkeit österreichischen Sachrechts ausgeht, tritt die Beklagte für die Anwendbarkeit rumänischen Rechts ein. Darauf braucht jedoch nicht näher eingegangen zu werden, weil das ‑ eine allfällige Schadenersatzverpflichtung der Beklagten auslösende ‑ Verhalten, nämlich die Konkursantragstellung, in Rumänien erfolgte und nach Art 17 Rom II‑VO bei der Beurteilung des Verhaltens der Person, deren Haftung geltend gemacht wird, faktisch und soweit angemessen die Sicherheits- und Verhaltensregeln zu berücksichtigen sind, die an dem Ort und zu dem Zeitpunkt des haftungsbegründenden Ereignisses in Kraft sind. Als Sicherheits- und Verhaltensregel kommt dabei grundsätzlich jede verhaltensleitende Norm in Betracht, gleich, ob sie ein Verhalten vorschreibt, erlaubt oder verbietet ( Jakob/Picht in Rauscher , EuZPR/EuIPR [2011] Art 17 Rom II‑VO Rz 4). Dass darunter auch normative Regelungen fallen, bedarf keiner weiteren Erörterung. Da nach Art 3 Abs 1 EuInsVO für die Eröffnung eines Insolvenzverfahrens grundsätzlich die Gerichte des Mitgliedstaats zuständig sind, in dessen Gebiet der Schuldner den Mittelpunkt seiner hauptsächlichen Interessen hat, welcher bei Gesellschaften am Ort deren satzungsmäßigen Sitzes vermutet wird, und nach Art 4 Abs 1 EuInsVO für das Insolvenzverfahren das Insolvenzrecht des Mitgliedstaats gilt, in dem das Verfahren eröffnet wird, ist das Verhalten der Beklagten bei Antragstellung in Rumänien selbst dann an den Maßstäben des rumänischen Insolvenzrechts zu messen, wenn ‑ wie die Klägerin meint ‑ ihre Schadenersatzansprüche nach österreichischem Recht zu beurteilen wären. Dies gilt aber erst recht, wenn überhaupt rumänisches Recht zur Anwendung kommen würde.
2. Nach Art 3 Nr 6 und 12 des rumänischen Insolvenzgesetzes Nr 85/2006 war jeder Gläubiger bei Bestehen einer unstrittigen und fälligen Forderung ab einer Höhe von 45.000 RON (entspricht etwa 10.200 EUR) und einer Frist von 90 Tagen, binnen der der Schuldner nicht zahlt, berechtigt, einen Antrag auf Einleitung eines Insolvenzverfahrens zu stellen ( Sacalschi , Grundeigentum und Sicherheiten in Rumänien [2011] 98; Popa/Rizea/Stamboli/Gherghel , Insolvenzrecht Rumänien, in Jungreithmeir/Reisch/Schilcher/Grininger , Handbuch Insolvenzrecht Osteuropa [2012] 180). Vor einer Novellierung des Insolvenzgesetzes im Jahr 2010 hatten der maßgebliche Betrag lediglich 30.000 RON (entspricht etwa 7.000 EUR) und die Frist lediglich 30 Tage betragen ( Sacalschi aaO; vgl auch Adrian Rusu , Rumänisches Insolvenzrecht [2011] 49). Zwischenzeitig trat am 28. 6. 2014 ein neues Insolvenzgesetz in Kraft (Nr 85/2014), das eine Frist von 60 Tagen vorsieht.
2.1. Nach rumänischem Recht ist Voraussetzung für ein Insolvenzverfahren somit entweder Zahlungsunfähigkeit oder Überschuldung und der Antrag einer dazu berechtigten Person. Eine „mutmaßliche Insolvenz“ (Zahlungsunfähigkeit) wird dabei ex lege angenommen, wenn der Schuldner die Schulden gegenüber seinen Gläubigern/seinem Gläubiger nicht binnen der genannten Fristen nach Fälligkeit bezahlt, wobei es sich um eine „relative Vermutung“ handelt (vgl Art 5 Punkt 29a des rumänischen Insolvenzgesetzes Nr 85/2014). Eine „unmittelbar bevorstehende Insolvenz“ tritt dann ein, wenn nachgewiesen wird, dass der Schuldner seine überfälligen Schulden bis zum Fälligkeitsdatum durch verfügbare Barmittel nicht bezahlen kann (siehe zu all dem Popa/Rizea/Stamboli/Gherghel aaO 179).
2.2. Da die Antragstellung der Beklagten in Rumänien im Jahr 2011 erfolgte, legt der erkennende Senat seinen rechtlichen Überlegungen das rumänische Insolvenzgesetz Nr 85/2006 idF der Novelle 2010 zugrunde. Maßgeblich sind somit ein Betrag von 45.000 RON und eine Frist von 90 Tagen. Die Forderung der Beklagten stammte aus einer Rechnung vom 25. 1. 2011, die Antragstellung in Rumänien erfolgte am 9. 5. 2011, sohin unter Berücksichtigung der 90‑tägigen Frist; die Forderung der Klägerin überstieg außerdem den maßgeblichen Betrag von 45.000 RON bei Weitem. Die relative Vermutung des rumänischen Insolvenzgesetzes sprach zum Zeitpunkt der Antragstellung durch die Beklagte somit für eine Zahlungsunfähigkeit beziehungsweise Überschuldung der Klägerin; die Beklagte hat sich somit rechtmäßig verhalten (vgl Popa/Rizea/Stamboli/Gherghel aaO 180).
2.3. Nach den Feststellungen der Vorinstanzen war die Forderung der Beklagten zwischen den Parteien „unbestritten“. Dies steht im Einklang mit dem Vorbringen der Klägerin im Verfahren vor dem Landesgericht Linz, in welchem sie bereits in der Klage zugestand, der Beklagten 95.304,99 EUR zu schulden.
Die Klägerin hatte bereits vor dieser Klagseinbringung ‑ der genaue Zeitpunkt ist weder den Feststellungen noch den Ausführungen der Parteien zu entnehmen ‑ mit einer abgetretenen Forderung dagegen aufgerechnet (die aufgerechnete Forderung der Klägerin war sogar höher als die Forderung der Beklagten). Mit der rumänischen Insolvenzrechts-Novelle 2010 war zwar eine Klarstellung dahin vorgenommen worden, dass der genannte Mindestbetrag nach der Aufrechnung gegeneinander aufrechenbarer Forderungen erreicht werden musste ( Sacalschi aaO). Jedoch betraf diese Klarstellung offensichtlich (lediglich) die Frage, welcher Mindestbetrag erreicht sein muss, „damit ein Insolvenzverfahren überhaupt eröffnet wird“ ( Sacalschi aaO). An der Rechtmäßigkeit der Antragstellung der Beklagten ändert dies somit nichts.
3.1. Wendet man, wovon die Klägerin ausdrücklich ausgeht, zur Beurteilung ihrer geltend gemachten Ansprüche österreichisches Schadenersatzrecht an, ist zu berücksichtigen, dass für mutwillige Prozessführung § 408 ZPO einen eigenen Schadenersatzanspruch statuiert, der auch mit selbstständiger Klage geltend gemacht werden kann (3 Ob 544/95 SZ 68/115; 6 Ob 156/08x JBl 2009, 111 [ Schumacher ] = EvBl 2009/18 [ Wall ] = ÖBA 2009/1577 [ Lukas ]). Missbräuchlichkeit eines vom Gläubiger gestellten Konkurseröffnungsantrags ist dabei anzunehmen, wenn der Schuldner oder eine andere Person mit dem Konkursantrag ungerechtfertigt unter Druck gesetzt oder ein verfahrensfremder Zweck erreicht werden soll. Der Missbrauch kann im Versuch liegen, eine strittige Forderung einzutreiben, ebenso aber im Versuch, Forderungen, die nicht unverzüglich glaubhaft gemacht werden können, für eine Konkurseröffnung heranzuziehen. Missbrauch liegt auch dann vor, wenn der Antragsteller den Konkursantrag nur deshalb stellt, weil er die Unterbrechung des zwischen ihm und dem Antragsgegner anhängigen Prozesses erreichen will (6 Ob 156/08x; 9 Ob 44/10a JBl 2011, 800 [ Schumacher ]).
Diese Voraussetzungen sind im vorliegenden Fall auf Seiten der Beklagten nicht erfüllt:
3.2. In dem der Entscheidung 6 Ob 156/08x zugrunde liegenden Fall hatte sich der antragstellende Gläubiger auf eine bestrittene, nicht titulierte Forderung gestützt, der Konkursantrag war rechtskräftig abgewiesen worden; eine prozessverfangene Forderung könne keine taugliche Grundlage für einen Konkursantrag darstellen. Im Fall der Entscheidung 9 Ob 44/10a hatte der antragstellende Gläubiger über eine titulierte Forderung verfügt, mehrere Exekutionsverfahren gegen den Schuldner waren ohne Erfolg geblieben; die Annahme dessen Zahlungsunfähigkeit durch den beklagten Gläubiger hielt der Oberste Gerichtshof deshalb für vertretbar, jedenfalls aber nicht für missbräuchlich.
Im vorliegenden Fall verfügte die Beklagte bei Konkursantragstellung in Rumänien über eine zwar nicht titulierte, wohl aber unbestrittene und auch fällige Forderung, die von der Klägerin im Verfahren vor dem Landesgericht Linz sogar anerkannt worden war. Zu diesem Verfahren, wodurch die Forderung der Beklagten „prozessverfangen“ wurde, kam es lediglich dadurch, dass sich die Klägerin als Tochtergesellschaft der R*****-Gruppe von dieser beziehungsweise von anderen Tochtergesellschaften Forderungen abtreten hatte lassen, mit denen sie gegenüber der Beklagten aufrechnete. Insoweit unterscheidet sich der vorliegende von dem der Entscheidung 6 Ob 156/08x zugrundeliegenden Sachverhalt. Berücksichtigt man dazu noch die im Sinn des Art 17 Rom II-VO maßgeblichen Verhaltensregeln des rumänischen Insolvenzrechts, ist der Beklagten durchaus zuzugestehen, dass sie ihren Konkursantrag in Rumänien (zumindest) für rechtmäßig halten konnte; Missbräuchlichkeit kann aber jedenfalls nicht unterstellt werden, ist doch auch keine der von der Rechtsprechung herausgearbeiteten verpönten Absichten ( 3.1. ) erkennbar.
4. Selbst wenn man somit ‑ im Sinn der Ausführungen der Klägerin ‑ von der Anwendbarkeit österreichischen Schadenersatzrechts ausgehen würde, wäre daraus für die Klägerin nichts gewonnen, weshalb der Revision Folge zu geben und das Leistungsbegehren abzuweisen war.
Die Entscheidungen über die Kosten des Verfahrens gründen sich auf § 52 Abs 2 ZPO.
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