OGH 1Ob109/14g

OGH1Ob109/14g18.9.2014

Der Oberste Gerichtshof hat durch den Senatspräsidenten Hon.‑Prof. Dr. Sailer als Vorsitzenden sowie die Hofräte Univ.‑Prof. Dr. Bydlinski, Mag. Wurzer Mag. Dr. Wurdinger und die Hofrätin Dr. Hofer‑Zeni‑Rennhofer als weitere Richter in der Rechtssache der klagenden Partei R***** K*****, vertreten durch Dr. Reinhard Kraler Rechtsanwalt GmbH, Lienz, gegen die beklagten Parteien 1. G***** K*****, und 2. M***** K*****, und vertreten durch Dr. Amhof & Dr. Damian GmbH Rechtsanwälte in Wien, wegen Aufhebung des Miteigentums (Streitwert 35.000 EUR), über die außerordentliche Revision der beklagten Parteien gegen das Urteil des Oberlandesgerichts Innsbruck vom 8. Mai 2014, GZ 2 R 66/14v‑12, mit dem das Urteil des Landesgerichts Innsbruck vom 21. März 2014, GZ 11 Cg 141/13b‑8, bestätigt wurde, den

Beschluss

gefasst:

European Case Law Identifier: ECLI:AT:OGH0002:2014:0010OB00109.14G.0918.000

 

Spruch:

Die außerordentliche Revision wird gemäß § 508a Abs 2 ZPO mangels der Voraussetzungen des § 502 Abs 1 ZPO zurückgewiesen (§ 510 Abs 3 ZPO).

Begründung

Rechtliche Beurteilung

1. Die Revisionswerber behaupten, das Berufungsgericht habe mit seiner Maßgabebestätigung gegen § 405 ZPO verstoßen. In der jüngsten Rechtsprechung (4 Ob 51/11w) sei die These, aus § 411 ZPO ergebe sich, dass eine Entscheidung über einen Anspruch, den der Kläger gar nicht geltend gemacht habe, auch nicht in Rechtskraft erwachsen könne, wieder aufgegriffen worden. Die gegenständliche Entscheidung hänge damit von der Lösung einer Rechtsfrage des Verfahrensrechts ab, der zur Wahrung der Rechtseinheit, Rechtssicherheit oder Rechtsentwicklung erhebliche Bedeutung zukomme, weil keine einheitliche Rechtsprechung zur Frage bestehe, ob ein Verstoß gegen die Bestimmung des § 405 ZPO als wesentlicher Verfahrensmangel oder als Nichtigkeitsgrund geltend zu machen sei.

2. Da hier einerseits kein Verstoß des Berufungsgerichts gegen § 405 ZPO vorliegt und andererseits auch Mängel des Berufungsverfahrens ohnehin revisibel wären (§ 503 Z 2 ZPO), kommt der aufgeworfenen Fragestellung im vorliegenden Fall keine Bedeutung zu:

Für die Beantwortung der Frage, ob das Gericht über die einem Urteilsspruch im § 405 ZPO gezogenen Schranken hinausgegangen ist, ist nicht allein das Klagebegehren maßgebend, sondern auch der übrige Inhalt der Klage (RIS‑Justiz RS0041078) und der Prozessbehauptungen (RIS‑Justiz RS0041165).

Wenn das Berufungsgericht das Begehren der Klägerin, die die Klage als Teilungsklage bezeichnete, unter Berücksichtigung ihres Vorbringens, ihr Versuch die Gemeinschaft durch Ablösung ihres Drittelanteils durch die Beklagten aufzulösen, sei gescheitert, die Liegenschaft realiter nicht teilbar, so beurteilte, dass die Klägerin insgesamt habe erkennen lassen, sie strebe die Aufhebung der Miteigentumsgemeinschaft durch Zivilteilung an, ist ihm dabei zum einen keine Fehlbeurteilung unterlaufen.

3. Zum andern bewirkt nach ständiger, gefestigter und mehrere Jahrzehnte zurückreichender Rechtsprechung ein Verstoß gegen die Bestimmung des § 405 ZPO nicht Nichtigkeit (RIS‑Justiz RS0041240; zuletzt 9 Ob 51/13k; RS0041124 [T1, T2]; RS0041089).

Ein solcher Verstoß lag der zum Rechtssatz RIS‑Justiz RS0041098 („Da das Gericht über nichts entscheiden darf, was die Partei nicht begehrt hat [§ 405 ZPO] [,] kann der Ausspruch über einen Anspruch, den die Klägerin gar nicht geltend gemacht hat, gemäß § 411 Abs 1 ZPO auch nicht in Rechtskraft erwachsen.“) zuletzt gleichgestellten Entscheidung zu 4 Ob 51/11w gar nicht zu Grunde. Im wiederaufzunehmenden Verfahren war (nur) der Klage zur Gänze und in voller Höhe stattgegeben worden; eine Überschreitung des von der damaligen Klägerin gestellten Klagebegehrens hatte nicht stattgefunden. Die Wiederaufnahme zur Erkämpfung eines bis zur Entscheidung nicht begehrten noch höheren Unterhalts wurde zurückgewiesen und ausgeführt, der Kläger des Vorprozesses könne eine Wiederaufnahmsklage nicht auf neue Tatsachen oder neue Beweismittel zu einem anderen, als dem im Vorprozess vorgetragenen rechtserzeugenden Sachverhalt (Klagsanspruch) stützen, der Ausspruch über einen Anspruch, den die Klägerin nicht geltend gemacht habe (Anm: und über den auch nicht entschieden worden war), könne nicht in Rechtskraft erwachsen (und daher dazu ein Verfahren nicht wiederaufgenommen werden).

Auch dem Sachverhalt der Entscheidung 1 Ob 217/75, aus der der Rechtssatz RIS‑Justiz RS0041098, auf den sich die Revisionswerber beziehen, abgeleitet wurde, ist ein Zuspruch von nicht Begehrtem nicht zu entnehmen. Mit dem im Vorprozess gefällten Versäumungsurteil war wiederum (nur) über das von der damaligen Klägerin gestellte Klagebegehren entschieden worden. Der Oberste Gerichtshof führte dazu aus, einer „Restklage“ der Klägerin über weitere Beträge stehe das Vorverfahren nicht entgegen. Was die Klägerin im Vorprozess nicht begehrt habe, darüber hätte das Gericht nicht zu entscheiden gehabt (Anm: und wurde dem entsprechend auch nicht entschieden).

In der zu RIS‑Justiz RS0041098 mit der Bemerkung „vgl aber“ gleichgestellten Entscheidung 10 ObS 177/90 wurde die Abweisung eines gar nicht gestellten Begehrens sogar ausdrücklich als ein der Überschreitung des Klagebegehrens nach § 405 ZPO vergleichbarer Verfahrensmangel eigener Art bezeichnet.

Die dargestellten Entscheidungen können daher in Wahrheit nicht als in (implizierten) Widerspruch zur ständigen Rechtsprechung zu § 405 ZPO stehend gewertet werden (so aber Rechberger in Rechberger, ZPO4 § 405 Rz 7). Eine weitere Auseinandersetzung zur angesprochenen Fragestellung ist damit nicht angezeigt.

Einer weiteren Begründung bedarf dieser Beschluss nicht (§ 510 Abs 3 ZPO).

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