OGH 9Ob39/14x

OGH9Ob39/14x26.8.2014

Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht durch den Senatspräsidenten Dr. Hopf als Vorsitzenden und die Hofräte des Obersten Gerichtshofs Hon.‑Prof. Dr. Kuras und Mag. Ziegelbauer, sowie die Hofrätin Dr. Dehn und den Hofrat Dr. Hargassner als weitere Richter in der Rechtssache der klagenden Partei U***** S*****, vertreten durch Dr. Anton Hintermeier ua, Rechtsanwälte in St. Pölten, gegen die beklagte Partei Ing. A***** S*****, vertreten durch Dr. Hans Kaska, Rechtsanwalt in St. Pölten, wegen Unterhalt (Streitwert: 4.200 EUR), über die Revision der beklagten Partei gegen das Urteil des Landesgerichts St. Pölten als Berufungsgericht vom 15. Jänner 2014, GZ 23 R 517/13x‑53, womit infolge Berufungen der klagenden und der beklagten Partei das Urteil des Bezirksgerichts St. Pölten vom 15. Oktober 2013, GZ 2 C 3/11p‑47, teilweise abgeändert wurde, in nichtöffentlicher Sitzung den

Beschluss

gefasst:

European Case Law Identifier: ECLI:AT:OGH0002:2014:0090OB00039.14X.0826.000

 

Spruch:

Die Revision wird zurückgewiesen.

Die beklagte Partei ist schuldig, der klagenden Partei die mit 447,98 EUR bestimmten Kosten des Revisionsverfahrens (darin enthalten 74,66 EUR USt) binnen 14 Tagen zu ersetzen.

 

Begründung:

Die Ehe der Parteien wurde mit Urteil des Erstgerichts vom 7. 3. 2012 aus dem Alleinverschulden des Beklagten geschieden.

Die Klägerin begehrt, gestützt auf § 94 ABGB und § 66 EheG, die Zahlung rückständigen Unterhalts ab 1. 1. 2011 sowie die Zahlung laufenden Unterhalts.

Die Vorinstanzen verpflichteten den Beklagten zur Zahlung unterschiedlich hoher Unterhaltsbeträge für die Vergangenheit. Das Berufungsgericht erkannte der Klägerin ab 1. 1. 2013 einen laufenden Unterhalt von 350 EUR monatlich zu.

Es sprach die Zulassung der Revision aus, weil im Hinblick auf „die Änderungen im Pensionssystem“ durch den Gesetzgeber Bedenken an der bisherigen Rechtsprechung bestünden, wonach Aufwendungen für eine Altersvorsorge keine Abzugspost im Unterhaltsrecht darstellen.

Rechtliche Beurteilung

Die Revision ist entgegen dem den Obersten Gerichtshof nicht bindenden Zulassungsausspruch unzulässig. Die Zurückweisung der Revision kann sich auf die Ausführung der Zurückweisungsgründe beschränken (§ 510 Abs 3 ZPO).

1. Von der Unterhaltsbemessungsgrundlage grundsätzlich nicht abzugsfähig sind nach der Rechtsprechung Einzahlungen in eine betriebliche Vorsorgekasse (7 Ob 179/11s) oder der Nachkauf von Pensionsversicherungszeiten zur Erlangung einer höheren Pension (6 Ob 152/10m), weil diese Zahlungen Zwecken der Vermögensbildung dienen (8 Ob 75/10b mwH; Gitschthaler/Höllwerth, Ehe‑ und Partnerschaftsrecht, § 94 ABGB Rz 168 mwH). Diesen Grundsätzen folgt die Entscheidung des Berufungsgerichts ohnedies. Mit den von ihm zitierten kritischen Lehrmeinungen hat sich der Oberste Gerichtshof bereits ausführlich auseinandergesetzt und ist diesen nicht gefolgt (8 Ob 75/10b; 7 Ob 179/11s). Gerade dem auch vom Revisionswerber ins Treffen geführten Argument, dass die Klägerin nach der durchschnittlichen Lebenserwartung von einer höheren Pension des Beklagten profitieren könne, trat der Oberste Gerichtshof in 7 Ob 179/11s mit dem zutreffenden Hinweis entgegen, dass ein „Profitieren“ an einer möglichen künftigen Leistung durch den Unterhaltsberechtigten nicht gesichert ist, weil dies vom Lebenslauf der Beteiligten abhängt und der Unterhaltsanspruch des Berechtigten auch aus anderen Gründen (etwa durch Heirat) vor der Fälligkeit einer zukünftigen Leistung enden kann.

2. Der Revisionswerber stellt nicht in Frage, dass die Klägerin die Ehewohnung am 1. 1. 2011 berechtigt verließ. Die Klägerin verfügt am bisherigen Wohnort über eine Eigentumswohnung, die jedoch zum Zeitpunkt ihres Auszugs vermietet war. Der Mietzins betrug ab 1. 1. 2011 monatlich 268 EUR. Diese Wohnung besteht ‑ nach dem insofern nicht strittigen Akteninhalt ‑ aus einem Wohnzimmer mit Kochnische, einem Schlafzimmer sowie Vorzimmer, Abstellraum, Bad mit WC und Loggia (Kellerabteil und Pkw‑Abstellplatz). Die Klägerin zog zunächst mit ihren beiden ‑ damals 14 und 10 Jahre alten Kindern ‑ bei ihren Eltern ein, die allerdings außerhalb ihres bisherigen Wohnorts leben. Nach dem ‑ infolge der Kündigung des Mietvertrags durch die Klägerin erfolgten ‑ Auszug der Mieterin zog die Klägerin mit beiden Kindern ab Mai 2011 in ihre eigene Wohnung, wo sie mit den Kindern vorübergehend bis zu ihrem Umzug in die nunmehrige Wohnung im Dezember 2011 bzw Jänner 2012 lebte. Nach ihrem Auszug musste die Eigentumswohnung der Klägerin renoviert und ausgemalt werden. Obwohl sie viele Besichtigungen der Wohnung hatte, gelang es der Klägerin erst im Oktober 2012, diese wiederum zu vermieten. Im Jahr 2012 ergab sich aus der Vermietung ein steuerlicher Verlust infolge der Kosten, die die Klägerin für Inserate, Ausmalarbeiten und Betriebskosten für die leerstehende Wohnung zu tragen hatte. Im Jahr 2013 betrugen die Mieteinnahmen monatlich 238 EUR. Die von der Klägerin bis 30. 4. 2011 und ab 1. 1. 2013 erzielten Mieteinnahmen wurden im Verfahren als unterhaltsminderndes Eigeneinkommen berücksichtigt.

Vor diesem Hintergrund gingen die Vorinstanzen nicht von einer Minderung des Unterhaltsbedarfs der Klägerin durch das kurzfristige, vorübergehende Wohnen in ihrer Eigentumswohnung aus. Dem hält der Beklagte auch in der Revision lediglich die Behauptung entgegen, die Klägerin spare sich durch das Wohnen in der eigenen Wohnung Kosten, sodass zumindest ein Betrag in Höhe der früheren Einkünfte aus der Vermietung der Wohnung als Einkommen der Klägerin anzusetzen sei. Er zeigt damit im konkreten Fall jedoch keine erhebliche Rechtsfrage auf. Es trifft zwar zu, dass bereits ausgesprochen wurde, dass der Unterhaltsberechtigte nicht mehr des gesamten festgesetzten Geldunterhalts bedarf, um sein vollständiges Unterhaltsbedürfnis zu decken, wenn er seinen Wohnbedarf in einer ihm selbst gehörenden Eigentumswohnung (Haus) deckt (2 Ob 230/00p; 7 Ob 179/11s; RIS‑Justiz RS0047254). Die Wohnkostenersparnis ist jedoch ‑ abhängig von den konkreten Umständen des Einzelfalls (10 Ob 58/13x) ‑ nur im angemessenen Umfang anzurechnen, weil dem Unterhaltsberechtigten, der ja von der Wohnung allein nicht leben kann, stets ein in Geld zu bemessender Unterhalt zukommen muss (4 Ob 42/10w; Gitschthaler, Unterhaltsrecht² Rz 582a).

Der Beklagte hat nicht behauptet, sich an den Kosten der Anschaffung oder Erhaltung dieser Wohnung beteiligt zu haben. Er gesteht in der Revision zu, dass die Klägerin die Kosten der Eigentumswohnung selbst zu tragen hat (vgl Gitschthaler, Anm zu 7 Ob 179/11s in EF‑Z 2012/108). Er lässt überdies außer Acht, dass die Klägerin die Wohnung gemeinsam mit den beiden gegenüber dem Beklagten unterhaltsberechtigten Kindern bewohnte, sodass auch deren Wohnbedarf zu beachten ist (vgl RIS‑Justiz RS0009509). Der mehrfache Wohnungswechsel sowie die erforderliche Neuvermietung der Eigentumswohnung war für die Klägerin darüber hinaus mit Kosten verbunden. Wenn die Vorinstanzen vor diesem Hintergrund zu dem Ergebnis gelangten, dass die kurzfristige Mietkostenersparnis für die Klägerin im konkreten Fall mit keiner wesentlichen Entlastung verbunden war, so liegt darin keine nach den maßgeblichen Umständen des Einzelfalls korrekturbedürftige Fehlbeurteilung.

3. Den vom Revisionswerber gerügten Verfahrensmangel hat bereits das Berufungsgericht verneint, sodass dieser in der Revision nicht neuerlich aufgegriffen werden kann (RIS‑Justiz RS0042963 ua). Ein Vorbringen, dass ein Teil der Reisekostendiäten nicht steuerfrei sei und daher auch noch die Belastung für Sozialversicherung und Lohnsteuer abzuziehen sei, hat der Beklagte im Verfahren nicht erstattet, sodass es sich dabei um eine unbeachtliche Neuerung handelt. Die in diesem Zusammenhang geltend gemachte Mangelhaftigkeit des Berufungsverfahrens liegt daher nicht vor (§ 510 Abs 3 ZPO).

4. Ob die Voraussetzungen für die Anspannung des Unterhaltspflichtigen vorliegen, richtet sich stets nach den besonderen Umständen des Einzelfalls (RIS‑Justiz RS0007096 [T1], zuletzt 2 Ob 32/14s). Für die Beurteilung der Frage, wann eine Erwerbstätigkeit vom betreuenden Elternteil erwartet werden kann, lässt sich eine allgemeine Richtlinie nicht aufstellen (RIS‑Justiz RS0057391). Die Klägerin hat das Ausmaß ihrer Teilzeitbeschäftigung ungeachtet der Betreuung ihrer ‑ mittlerweile 17 und 13 Jahre alten Kinder ‑ ohnehin bereits auf 30 Wochenstunden ausgedehnt und erzielt überdies eine überkollektivvertragliche Entlohnung. Eine Unvertretbarkeit der Rechtsansicht des Berufungsgerichts, dass eine darüber hinausgehende Anspannung der Klägerin ‑ insbesondere im Hinblick auf die Betreuungspflichten gegenüber dem noch schulpflichtigen jüngeren Kind nicht zumutbar ist (1 Ob 570/95; vgl auch 8 Ob 136/12a), zeigt der Revisionswerber mit seiner Behauptung, die Arbeitswelt habe sich verändert und der Klägerin seien „flexiblere Arbeitszeiten“ möglich, nicht auf.

5. Bei schwankendem Einkommen des Unterhaltspflichtigen ist das in einem längeren Beobachtungszeitraum erzielte Durchschnittseinkommen als Unterhaltsbemessungsgrundlage heranzuziehen (RIS‑Justiz RS0113405). Abgesehen davon, dass dabei nach der Rechtsprechung entgegen der Rechtsansicht des Revisionswerbers nicht zwingend ein Berechnungszeitraum von einem Jahr vorgegeben ist, sondern sich die Beurteilung der Angemessenheit des Zeitraums vielmehr nach den Umständen des Einzelfalls richtet (RIS‑Justiz RS0047428 [T10]), legt der Revisionswerber auch nicht dar, zu welchem anderen Ergebnis die Berücksichtigung des von ihm geforderten Zeitraums von 12 Monaten vor Schluss der Verhandlung erster Instanz geführt hätte.

6. Die Aufwendungen für die Ehewohnung vermindern den Unterhaltsanspruch des nicht mehr darin wohnenden Ehegatten nicht, wenn er die Ehewohnung ‑ wie hier die Klägerin ‑ aus gerechtfertigten Gründen verlassen hat (RIS‑Justiz RS0106427). Die Ausführungen des Revisionswerbers, wonach die Klägerin darauf bestanden habe, weiterhin Mitmieterin der Ehewohnung zu sein und die Möglichkeit zu deren Benützung aufrecht zu erhalten, finden in den den Obersten Gerichtshof bindenden Sachverhaltsfeststellungen keine Grundlage, sodass die Revision insofern nicht gesetzmäßig ausgeführt ist. Dies gilt auch für die in der Revision entgegen den Feststellungen aufrecht erhaltene Behauptung, die Klägerin habe gegenüber dem Beklagten einen Unterhaltsverzicht abgegeben.

Mangels Aufzeigens einer erheblichen Rechtsfrage im Sinn des § 502 Abs 1 ZPO war die Revision daher zurückzuweisen.

Die Kostenentscheidung beruht auf den §§ 41, 50 ZPO, die Klägerin hat auf die Unzulässigkeit der Revision hingewiesen.

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