OGH 4Ob81/14m

OGH4Ob81/14m24.6.2014

Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht durch die Vizepräsidentin Dr. Schenk als Vorsitzende und durch die Hofräte Dr. Vogel, Dr. Jensik, Dr. Musger und Dr. Schwarzenbacher als weitere Richter in der Rechtssache der klagenden Partei V***** E*****, vertreten durch Dr. Stefan Glaser, Rechtsanwalt in Ried im Innkreis, gegen die beklagte Partei M***** A*****, vertreten durch Dr. Ernst Grubeck und Mag. Christoph Danner, Rechtsanwälte in Schärding, wegen 36.966,30 EUR sA, über die außerordentliche Revision der klagenden Partei gegen das Urteil des Landesgerichts Ried im Innkreis als Berufungsgericht vom 9. Jänner 2014, GZ 6 R 100/13t‑36, den

Beschluss

gefasst:

European Case Law Identifier: ECLI:AT:OGH0002:2014:0040OB00081.14M.0624.000

 

Spruch:

Die außerordentliche Revision wird gemäß § 508a Abs 2 ZPO mangels der Voraussetzungen des § 502 Abs 1 ZPO zurückgewiesen.

Begründung

Das Berufungsgericht hat das Vorliegen einer nachträglichen Unbrauchbarkeit des Bestandobjekts iSd § 1117 ABGB verneint, der die klagende Mieterin zur vorzeitigen Auflösung des Mietvertrags berechtigt hätte.

Zur ‑ in dritter Instanz allein thematisierten -fehlenden Wasserversorgung im Obergeschoß des Bestandobjekts als Auflösungsgrund vertrat das Berufungsgericht die Auffassung, dass der Klägerin, die im Zuge des von ihr begonnenen Totalumbaus des Geschäftslokals die Räumlichkeiten im Obergeschoß versperrt und der Vermieterin keine Reparaturmöglichkeit geboten hatte, der ihr obliegende Beweis für ein der beklagten Vermieterin zuzurechnendes vertragswidriges Fehlverhalten nicht gelungen sei. Auch habe die Klägerin das Obergeschoß des Bestandobjekts während der dort unterbrochenen Wasserversorgung nicht bewirtschaftet, weshalb damit bis zur einvernehmlichen Vertragsauflösung im April 2012 auch keine wesentliche Nutzungseinschränkung verbunden gewesen sei, zumal die Wasserversorgung im Erdgeschoß stets funktioniert habe. Zu der von der Klägerin beabsichtigten Nutzung des Obergeschoßes sei es infolge Beendigung des Bestandverhältnisses nicht mehr gekommen.

Rechtliche Beurteilung

Mit dieser Entscheidung hat das Berufungsgericht die Grundsätze der Rechtsprechung zu § 1117 ABGB in vertretbarer Weise auf den Einzelfall angewendet. Danach ist der Bestandnehmer zur Vertragsauflösung berechtigt, wenn er aus Gründen, die nicht in seiner Sphäre liegen, vom Bestandobjekt nicht den bedungenen Gebrauch machen kann, gleichgültig, ob aus Verschulden des Bestandgebers oder durch Zufall (RIS‑Justiz RS0102015). Die Brauchbarkeit einer Bestandsache richtet sich iSd § 1096 ABGB nach dem Vertragszweck und nach der Verkehrssitte (RIS‑Justiz RS0020926, RS0021054). Bei der Beurteilung der Brauchbarkeit kommt es stets auf die Umstände des Einzelfalls an (RIS‑Justiz RS0020926 [T3]). Es muss ein Zustand eingetreten sein, wodurch die Bestandsache für den bedungenen Gebrauch untauglich wurde. Die Besorgnis, es könnte in Zukunft ein solcher Zustand entstehen, begründet in aller Regel noch kein Rücktrittsrecht des Bestandnehmers nach § 1117 ABGB (RIS‑Justiz RS0020868). Unbedeutende und leicht behebbare Mängel gewähren nicht ohne weiteres das Recht zur Aufhebung des Bestandvertrags nach § 1117 ABGB (RIS‑Justiz RS0020861). Bei diesen ist der Bestandnehmer verpflichtet, zunächst die Behebung unter Setzung einer angemessenen Frist zu verlangen, ehe er von seinem Aufhebungsrecht Gebrauch machen kann (vgl RIS‑Justiz RS0020854). Die Beweislast dafür, dass ein Mangel vorliegt, der eine vorzeitige Auflösung des Bestandverhältnisses rechtfertigt, trifft den Bestandnehmer (RIS‑Justiz RS0021416 [T4]; vgl auch RS0037797).

Zutreffend hat das Berufungsgericht darauf verwiesen, dass der „bedungene Gebrauch“ der Bestandsache, nämlich Eröffnung eines Pokercasinos (nach Durchführung eines Totalumbaus) durch den Wasserversorgungsmangel nicht beeinträchtigt wurde, wurde doch das Unternehmen im Zeitpunkt des Vorliegens des Mangels noch nicht betrieben; die Bestandsache befand sich damals vielmehr im Zustand eines Totalumbaus, und die Wasserversorgung im Erdgeschoß funktionierte ohnehin. Eine Beeinträchtigung der Brauchbarkeit des Bestandobjekts zum Zeitpunkt des Umbaus hat das Berufungsgericht unter diesen Umständen vertretbar verneint.

Dass die Beklagte die Beseitigung des ‑ gemessen am damaligen Zustand des Objekts während der Umbauphase ‑ unbedeutenden und leicht behebbaren Mangels beharrlich verweigert hätte, ist aus dem festgestellten Sachverhalt nicht ableitbar. Erst anlässlich der Besprechung vom 25. 4. 2012 stellte sich heraus, dass der Wasserversorgungsmangel der Sphäre der Beklagten zuzurechnen ist; dies war zuvor für die Beklagte nicht erkennbar. Da im Zuge dieser Besprechung aber ohnehin die Beendigung des Mietverhältnisses vereinbart worden war, erübrigte sich auch die Einleitung sofortiger Reparaturmaßnahmen.

Im Übrigen ist die Frage, ob festgestellte Mängel das Bestandobjekt zum bedungenen Gebrauch untauglich oder nur eingeschränkt brauchbar gemacht haben, stets einzelfallbezogen und daher nicht erheblich iSd § 502 Abs 1 ZPO, sofern ‑ wie hier ‑ keine krasse Verkennung der Rechtslage vorliegt (RIS‑Justiz RS0108260).

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