OGH 5Ob239/13b

OGH5Ob239/13b23.4.2014

Der Oberste Gerichtshof hat durch den Senatspräsidenten Hon.‑Prof. Dr. Danzl als Vorsitzenden und die Hofrätin Dr. Lovrek, den Hofrat Dr. Höllwerth, die Hofrätin Dr. Tarmann-Prentner sowie den Hofrat Mag. Wurzer als weitere Richter in der Grundbuchsache der Antragsteller 1. Dr. B***** H*****, geboren am *****, 2. I***** H*****, geboren am *****, 3. J***** M*****, geboren am *****, alle vertreten durch Dr. Josef Schoffnegger, öffentlicher Notar in Klagenfurt, wegen Einverleibung des Eigentumsrechts und weiterer Grundbuchhandlungen ob der Liegenschaft EZ 158 GB *****, über die außerordentlichen Revisionsrekurse der M*****‑T***** H*****, geboren am *****, vertreten durch Dr. Wilhelm Klade, Rechtsanwalt in Wien, und der Antragsteller gegen den Beschluss des Landesgerichts Klagenfurt als Rekursgericht vom 23. August 2013, AZ 4 R 269/13w, mit dem infolge Rekurses der M*****‑T***** H***** der Beschluss des Bezirksgerichts St. Veit an der Glan vom 4. Juli 2013, TZ 1896/2013, teilweise bestätigt und teilweise abgeändert wurde, den

Beschluss

gefasst:

 

Spruch:

Der außerordentliche Revisionsrekurs der M*****‑T***** H***** wird mangels der Voraussetzungen des § 126 Abs 2 GBG iVm § 62 Abs 1 AußStrG zurückgewiesen (§ 126 Abs 3 GBG).

Dem Revisionsrekurs der Antragsteller wird Folge gegeben und der zur Gänze bewilligende Beschluss des Erstgerichts wiederhergestellt.

Begründung

Alleineigentümer der Liegenschaft EZ 158 GB ***** war vormals Mag. Dr. R***** H*****, der am 30. 12. 2004 verstarb. Nach dem Erblasser wurde aufgrund der (rechtskräftigen) Einantwortungsurkunde des Bezirksgerichts St. Veit an der Glan vom 9. 8. 2007, GZ 1 A 423/05h‑85, (ua) ob der zuvor bezeichneten Liegenschaft das Alleineigentum der (nunmehrigen) Erstantragstellerin einverleibt und

sub B-LNR 1j:

„fideikommissarische Substitution auf den Überrest zugunsten I***** H***** geb ***** (Zweitantragstellerin) bedingt durch den Tod der Vorerbin befristet bis 2029‑11‑03“ sowie

sub B-LNR 1k:

„fideikommissarische Substitution auf den Überrest zugunsten mj. M*****‑T***** H***** geb *****“ (Rechtsmittelwerberin) angemerkt.

Die Antragsteller begehrten aufgrund zweier Schenkungsverträge jeweils vom 22. 12. 2012 sowie näher bezeichneter Bewilligungsurkunden ob der genannten Liegenschaft die Einverleibung des Eigentumsrechts für den Drittantragsteller sowie die Löschung der sub B‑LNR 1j und B‑LNR 1k eingetragenen Anmerkungen.

Der von der Erstantragstellerin (Übergeberin) und der Zweitantragstellerin (Übernehmerin, sub B‑LNR 1j angemerkte Nacherbin und Mutter der Erstantragstellerin) abgeschlossene notarielle Schenkungsvertrag hat auszugsweise folgenden Inhalt:

„1.1. …

Diese Schenkung erfolgt in Erfüllung der bei der Vertragsliegenschaft sichergestellten fideikommissarischen Substitution auf den Überrest zugunsten der übernehmenden Partei.

4.2. …

Weiters ist die übernehmende Partei in Kenntnis, dass bei der Vertragsliegenschaft unter B‑LNR 1 k) die fideikommissarische Substitution auf den Überrest zugunsten minderjähriger M*****-T***** H***** … (Rechtsmittelwerberin) angemerkt ist.

4.3. Frau … (Zweitantragstellerin) erteilt ihre ausdrückliche Zustimmung zur Löschung der bei der Vertragsliegenschaft unter B‑LNR 1 j) sichergestellten fideikommissarischen Substitution auf den Überrest zu ihren Gunsten. Durch die vertragliche Verfügung über die gegenständliche Liegenschaft erlischt auch die fideikommissarische Substitution auf den Überrest zugunsten minderjähriger M*****‑T***** H***** … (Rechtsmittelwerberin).

...

8.1. Die Vertragsparteien erteilen somit ihre ausdrückliche Einwilligung, dass auch über Ansuchen nur eines Vertragsteils nachstehende Grundbuchshandlungen vorgenommen werden können:

8.2. …

1) die Löschung der unter B‑LNR 1 j) sichergestellten fideikommissarischen Substitution auf den Überrest zugunsten I***** H***** … (Zweitantragstellerin) und der unter B-LNR 1 k) sichergestellten fideikommissarischen Substitution auf den Überrest zugunsten der minderjährigen M*****-T***** H***** (Rechtsmittelwerberin);

2) die Einverleibung des Eigentumsrechts für I***** H***** … (Zweitantragstellerin).“

Mit dem weiteren, ebenfalls am 22. 11. 2012 abgeschlossenen notariellen Schenkungsvertrag schenkte und übergab die Zweitantragstellerin gestützt auf ihr außerbücherliches Eigentum die Liegenschaft an den Drittantragsteller, ihren Enkelsohn.

Das Erstgericht bewilligte die begehrten Eintragungen antragsgemäß.

Das Rekursgericht gab dem von der Nacherbin M*****‑T***** H***** erhobenen Rekurs teilweise und zwar dahin Folge, dass es den Antrag auf Löschung der Anmerkungen B‑LNR 1j und B‑LNR 1k abwies. Dagegen blieb der Rekurs, soweit er sich gegen die Einverleibung des Eigentumsrechts des Drittantragstellers richtete, erfolglos. Das Rekursgericht war ‑ zusammengefasst ‑ der Rechtsansicht, dass bei der Prüfung des Grundbuchgesuchs von den dazu vorgelegten Urkunden, dem Grundbuchstand und dem Inhalt der aus der Urkundensammlung ersichtlichen Einantwortungsurkunde auszugehen sei, die die Grundlage für die beiden Anmerkungen der fideikommissarischen Substitution auf den Überrest zugunsten der Zweitantragstellerin und der Rekurswerberin gewesen sei. Demgegenüber sei das ‑ entgegen dem Neuerungsverbot (§ 122 Abs 2 GBG) vorgelegte ‑ Testament des früheren Liegenschaftseigentümers, aus dem sich nach Ansicht der Rekurswerberin ergeben solle, dass die zu ihren Gunsten erfolgte Substitutionsanordnung nicht bloß eine solche auf den Überrest gewesen sei, unbeachtlich. Im hier angemerkten Fall einer Substitution auf den Überrest dürfe aber der Vorerbe ‑ von im Streitverfahren zu prüfenden Fällen des Rechtsmissbrauchs abgesehen ‑ unter Lebenden grundsätzlich frei verfügen. Bei der befreiten Vorerbschaft stehe daher das bücherlich eingetragene Substitutionsband einer Veräußerung oder Belastung des Substitutionsgutes nicht entgegen (1 Ob 222/10v) und es sei für die Bewilligung der Eigentumseinverleibung weder ein Amtszeugnis des Verlassenschaftsgerichts noch der urkundliche Nachweis der Zustimmung der Nacherbin erforderlich. Die Rekurswerberin könne demnach das Begehren auf Eigentumseinverleibung nicht mit Erfolg bekämpfen.

Gänzlich anders sei dagegen das Begehren auf Löschung der Anmerkung der Substitutionsbande zu beurteilen. Eine solche sei selbst in dem Fall, dass das Begehren auf dem übereinstimmenden Willen des Vorerben und aller Nacherben vorliege, nur dann zulässig, wenn eine Genehmigung der Löschungserklärungen durch die zuständige Substitutionsbehörde vorliege und kein öffentliches Interesse für die Aufrechterhaltung des Substitutionsbandes spreche (5 Ob 177/07a). In teilweiser Stattgebung des Rekurses sei daher das Grundbuchgesuch im Umfang des Begehrens auf Löschung der Substitutionsanmerkungen abzuweisen gewesen.

Das Rekursgericht sprach ausgehend vom ‑ einfachen ‑ Einheitswert der Liegenschaft aus, dass der Wert des Entscheidungsgegenstands 30.000 EUR nicht übersteige und der ordentliche Revisionsrekurs nicht zulässig sei, weil zu den hier zu lösenden Rechtsfragen bereits höchstgerichtliche Judikatur vorliege.

Gegen diesen Beschluss des Rekursgerichts richten sich die Revisionsrekurse der M*****‑T***** H***** und der Antragsteller. Die Revisionsrekurswerberin M*****‑T***** H***** stellt primär einen Antrag auf Abänderung im Sinn der Abweisung des Gesuchs auf Einverleibung des Eigentumsrechts des Drittantragstellers und hilfsweise einen Aufhebungsantrag. Die Antragsteller stellen einen Abänderungsantrag im Sinn der gänzlichen, auch die Löschung der Substitutionsanmerkungen umfassenden Wiederherstellung des erstinstanzlichen Bewilligungsbeschlusses.

Rechtliche Beurteilung

Der Revisionsrekurs der M*****-T***** H***** ist mangels Geltendmachung einer erheblichen Rechtsfrage (§ 126 Abs 2 GBG iVm § 62 Abs 1 AußStrG) unzulässig. Der Revisionsrekurs der Antragsteller ist dagegen zulässig und berechtigt, weil das Rekursgericht das Gesuch im Umfang des Begehrens auf Löschung der Substitutionsanmerkungen unrichtig beurteilt hat.

1. Zur Bewertung des Entscheidungsgegenstands durch das Rekursgericht:

Beim strittigen Gesuch um Einverleibung des Eigentums ob der (gesamten) Liegenschaft (EZ) ist für die Bewertung des Entscheidungsgegenstands § 60 Abs 2 JN anzuwenden (5 Ob 87/92 mwN; 17. 6. 2003 5 Ob 124/03a; 5 Ob 50/04w; 5 Ob 241/07p). Nach gesicherter neuerer Rechtsprechung des Obersten Gerichtshofs knüpft der in § 60 Abs 2 JN erwähnte „Steuerschätzwert für die Gebührenbemessung“ an § 6 Abs 1 lit b GrEStG 1987 an, der idF BGBl I 2000/142 festlegt, dass als Wert des Grundstücks das Dreifache des Einheitswerts anzusetzen ist (5 Ob 180/02k MietSlg 54.583; 3 Ob 320/02h SZ 2003/134; 2 Ob 64/11t; 2 Ob 127/11g; RIS‑Justiz RS0046526 [T6]; 3 Ob 89/12b NZ 2012/136). Daraus folgt hier zwingend ein 30.000 EUR übersteigender Wert des Entscheidungsgegenstands, ohne dass insoweit verfassungsrechtliche Bedenken schlagend werden (vgl 5 Ob 55/14b). Die abweichende (und von ihm selbst im Folgebeschluss vom 27. 11. 2013 als unrichtig erkannte) Bewertung durch das Rekursgericht bindet den Obersten Gerichtshof nicht (vgl 6 Ob 96/07x) und die vorliegenden Rechtsmittel sind dann als außerordentliche Revisionsrekurse zu behandeln (vgl RIS‑Justiz RS0123405; 7 Ob 134/13a).

2. Zum Revisionsrekurs der M*****‑T***** H*****:

2.1. Der Grundbuchrichter hat seine Entscheidung grundsätzlich nur nach dem Grundbuchstand und den ihm vorliegenden Urkunden zu fällen (5 Ob 1058/91). Gemäß § 94 Abs 1 Z 1 GBG darf das Grundbuchgericht eine grundbücherliche Eintragung (nur) dann bewilligen, wenn aus dem Grundbuch in Ansehung der Liegenschaft oder des Rechts kein Hindernis gegen die begehrte Eintragung hervorgeht. Die Abweisung eines Grundbuchgesuchs kann jedoch nicht dadurch erreicht werden, dass mittels einer ‑ gegen § 122 Abs 2 GBG verstoßenden ‑ Urkundenvorlage im Rechtsmittel die angeblich materielle Unrichtigkeit des auf rechtskräftigen Eintragungen beruhenden Grundbuchstands (hier: der Substitution [bloß] auf den Überrest) geltend gemacht wird (vgl 5 Ob 114/91 NZ 1992, 155 [ Hofmeister , 159]; Kodek in Kodek , Grundbuchsrecht 1.01 § 94 GBG Rz 12).

2.2. Die Entscheidung des Rekursgerichts folgt der (neueren) Rechtsprechung des Obersten Gerichtshofs, wonach gegen die Durchführung einer Liegenschaftsübertragung im Fall einer angemerkten Substitution auf den Überrest dann keine Bedenken bestehen, wenn sich ‑ wie hier ‑ aus der betreffenden Einantwortungsurkunde und der Grundbucheintragung keine (einschlägige) Beschränkung des Vorerben ergibt (5 Ob 30/88 SZ 61/82; 5 Ob 31/88 EvBl 1989/14; 5 Ob 32/88 NZ 1988, 238 [GBSlg 126] [krit Hofmeister ]; 1 Ob 222/10v NZ 2011/76). Selbst die von Hofmeister zu 5 Ob 32/88 (NZ 1988, 238) geäußerten Zweifel für den Fall einer unentgeltlichen Verfügung des Vorerben, werden im vorliegenden Fall nicht schlagend, erfolgt doch die Zuwendung der Liegenschaft durch die Vorerbin ‑ nach dem maßgeblichen Grundbuchstand ‑ an eine Nacherbin.

2.3. Da die Rechtsmittelwerberin somit keine Rechtsfrage mit der Qualität des § 62 Abs 1 AußStrG aufzuzeigen vermag, ist ihr gegen die Bewilligung der Einverleibung des Eigentumsrechts des Drittantragstellers gerichteter Revisionsrekurs unzulässig und zurückzuweisen.

3. Zum Revisionsrekurs der Antragsteller:

Das Rekursgericht hat sich betreffend seine Abweisung des Begehrens auf Löschung der Substitutionsanmerkungen auf jene Judikatur gestützt, wonach die Entscheidung, ob eine im Grundbuch eingetragene fideikommissarische Substitution erloschen ist, nicht dem Grundbuchgericht, sondern dem Abhandlungsgericht als Substitutionsbehörde zusteht (RIS‑Justiz RS0007570; 5 Ob 177/07a NZ 2008/39). Diese Rechtsprechung betraf allerdings ‑ soweit überblickbar ‑ keine Fälle einer Substitution auf den Überrest, deren Besonderheit ja gerade darin besteht, dass der Vorerbe über das Substitutionsgut unter Lebenden frei verfügen kann und der Nacherbe nur das erhält, was von der Verlassenschaft bei Eintritt der Nacherbfolge übrig ist (RIS‑Justiz RS0012537 [T1]). Verfügt in diesem Sinn der Vorerbe über die Liegenschaft, dann ist damit auch die Grundlage für die Anmerkung der Substitution auf den Überrest weggefallen, weil diese nicht mehr zum „Überrest“ gehören und die nur den Vorerben betreffende Anordnung nicht den Liegenschaftserwerber binden kann. Auch in den ‑ einschlägigen ‑ Vorentscheidungen 5 Ob 30/88 (SZ 61/82), 5 Ob 31/88 (EvBl 1989/14) und 5 Ob 32/88 (NZ 1988, 238 [GBSlg 126]) erfolgte daher (auch) die Löschung der Anmerkung der Substitution auf den Überrest. In Stattgebung des Revisionrekurses der Antragsteller war daher der zur Gänze bewilligende Beschluss des Erstgerichts wiederherzustellen.

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