OGH 7Ob55/14k

OGH7Ob55/14k22.4.2014

Der Oberste Gerichtshof hat durch die Vizepräsidentin Dr. Huber als Vorsitzende und die Hofrätinnen und Hofräte Dr. Hoch, Dr. Kalivoda, Mag. Dr. Wurdinger und Mag. Malesich als weitere Richter in der Rechtssache der klagenden Partei F***** Privatstiftung, *****, vertreten durch Fiebinger Polak Leon & Partner Rechtsanwälte GmbH in Wien, gegen die beklagte Partei C*****gesellschaft mbH, *****, vertreten durch Dr. Walter Kainz, Rechtsanwalt in Wien, und den Nebenintervenienten Mag. Dr. P***** A*****, vertreten durch Dr. Wolfgang Vanis Rechtsanwalt GmbH in Wien, wegen Räumung, I. über den Rekurs der beklagten Partei gegen den Beschluss des Landesgerichts für Zivilrechtssachen Wien als Berufungsgericht vom 20. November 2013, GZ 39 R 165/13y‑87, mit dem die Berufung der beklagten Partei gegen das Urteil des Bezirksgerichts Innere Stadt Wien vom 27. Februar 2013, GZ 43 C 58/08m‑75, zurückgewiesen wurde (7 Ob 55/14k), und II. über den „außerordentlichen“ Revisionsrekurs sowie den „Rekurs“ (richtig: außerordentlichen Revisionsrekurs) der beklagten Partei gegen den Beschluss des Landesgerichts für Zivilrechtssachen Wien als Rekursgericht vom 20. November 2013, GZ 39 R 166/13w‑88, mit dem teilweise der Beschluss des Bezirksgerichts Innere Stadt Wien vom 9. April 2013, GZ 43 C 58/08m‑83, bestätigt und im Übrigen der Rekurs zurückgewiesen wurde (7 Ob 56/14g), den

Beschluss

gefasst:

 

Spruch:

I. Dem Rekurs gegen den Beschluss ON 87 wird nicht Folge gegeben.

Die beklagte Partei ist schuldig, der klagenden Partei die mit 2.011,88 EUR (darin 335,31 EUR USt) bestimmten Kosten des Rekursverfahrens binnen 14 Tagen zu ersetzen.

II. Der „außerordentliche“ Revisionsrekurs und der „Rekurs“ gegen den Beschluss ON 88 werden zurückgewiesen.

Der Antrag der klagenden Partei auf Zuspruch der Kosten der (richtig:) Revisionsrekursbeantwortung wird abgewiesen.

Text

Begründung

Die Klägerin erhob (zuletzt) gegen die Beklagte ein Kaffeehausräumlichkeiten betreffendes Räumungsbegehren. Nach Aufhebung des Konkursverfahrens über die Beklagte beriefen sich sowohl der Beklagtenvertreter als auch eine weitere (in Kanzleigemeinschaft tätige) Rechtsanwältin im erstinstanzlichen Verfahren auf die ihnen erteilte Vollmacht. Schluss der mündlichen Streitverhandlung erster Instanz war am 2. 7. 2012.

Das Erstgericht gab mit Urteil vom 27. 2. 2013 dem Räumungsbegehren statt. Das Urteil wurde den Rechtsvertretern der Beklagten am 1. 3. 2013 zugestellt.

Der Beklagtenvertreter gab am 11. 3. 2013 bekannt, dass die Beklagte am 28. 11. 2012 gemäß § 40 FBG von Amts wegen im Firmenbuch gelöscht wurde; damit sei ihre Rechtspersönlichkeit sowie das Vollmachtsverhältnis zu ihm „ex lege“ beendet und die Zustellung des Urteils nicht rechtswirksam. Die Klägerin beantragte daraufhin am 20. 3. 2013 die Fortsetzung des Verfahrens. Mit Beschluss vom 22. 3. 2013 stellte das Erstgericht fest, dass die Klägerin „ungeachtet der amtswegigen Löschung der Beklagten mangels Vermögens gem. § 40 FBG per 28. 11. 2012 das Verfahren fortsetzen will“ und stellte das Urteil den Rechtsvertretern der Beklagten am 25. 3. 2013 erneut zu.

Das Erstgericht wies mit Beschluss vom 9. 4. 2013 die Anträge des Beklagtenvertreters, das Urteil vom 27. 2. 2013 als nichtig aufzuheben, den Fortsetzungsantrag der Klägerin abzuweisen sowie darüber zu entscheiden, dass die (neuerliche) Zustellung des Urteils an den ehemaligen Beklagtenvertreter unwirksam und die Frist zur Erhebung eines Rechtsmittels daher (neuerlich) noch nicht in Gang gesetzt worden sei, ab.

Am 18. 4. 2013 erhob die Beklagte, vertreten durch ihre Rechtsvertreter, Berufung gegen das erstinstanzliche Urteil und Rekurs gegen den Beschluss vom 9. 4. 2013.

Mit dem angefochtenen Beschluss ON 87 verwarf das Berufungsgericht die Berufung als verspätet. Die Partei‑ und Prozessfähigkeit der GmbH sei solange nicht beendet, als noch (verwertbares) Vermögen vorhanden sei und ihre Rechtsverhältnisse zu Dritten (hier: Mietverhältnis) nicht abgewickelt seien. Die Vollbeendigung der Gesellschaft trete erst ein, wenn kein Vermögen mehr vorhanden sei. Als Vermögenswert der GmbH werde auch ein allfällig bestehendes Mietrecht oder ein im Bestandobjekt verbliebenes Inventar angesehen oder wenn der Gesellschaft nur noch (möglicherweise) ein Kostenersatzanspruch zustehe. Mit der Löschung gelte die Gesellschaft nur als aufgelöst. Die Beklagte sei nach wie vor partei‑ und prozessfähig. Das Verfahren sei durch ihre amtswegige Löschung nicht ex lege unterbrochen worden. Zwar sei § 155 Abs 1 ZPO sinngemäß auch auf juristische Personen anzuwenden, soweit noch keine Vollbeendigung der Gesellschaft eingetreten sei. Jedoch sei infolge aufrechten Vollmachtsverhältnisses das (erstinstanzliche) Verfahren durch die amtswegige Löschung der Beklagten nicht unterbrochen worden, sodass das Urteil der Beklagten zu Handen ihrer Rechtsvertreter rechtswirksam am 1. 3. 2013 zugestellt worden sei. Die am (richtig:) 18. 4. 2013 beim Erstgericht eingelangte Berufung sei verspätet (§ 464 Abs 1 ZPO) und zu verwerfen (§ 474 Abs 2 ZPO).

Das Rekursgericht gab mit dem Beschluss ON 88 dem Rekurs der Beklagten hinsichtlich der Abweisung des Antrags, „den Fortsetzungsantrag der Klägerin abzuweisen, weil der Beklagten keine Rechtspersönlichkeit mehr zukomme und keine Prozessfähigkeit mehr gegeben sei“, nicht Folge (Punkt 1.). Im Übrigen (Anträge auf Aufhebung des Urteils als nichtig und auf Entscheidung darüber, dass die [neuerliche] Zustellung des Urteils an den ehemaligen Beklagtenvertreter unwirksam sei) wies es den Rekurs zurück (Punkt 2.). Rechtlich führte es zu Punkt 2. aus, gemäß § 461 (Abs 1) ZPO finde gegen die in erster Instanz gefällten Urteile die Berufung statt. Eine Entscheidung des Erstgerichts über die Aufhebung des von ihm gefällten Urteils sehe die ZPO nicht vor. Der Antrag des Beklagtenvertreters auf Aufhebung des erstinstanzlichen Urteils sei daher unzulässig. Auch sei es dem Erstgericht verwehrt, über den weiteren Antrag des Beklagtenvertreters ‑ Unwirksamkeit der neuerlichen Zustellung des Ersturteils und Ausspruch, dass die Frist zur Erhebung eines Rechtsmittels daher neuerlich nicht in Gang gesetzt worden sei ‑ (inhaltlich) zu entscheiden, weil diese Rechtsfrage im Berufungsverfahren zu klären sei. Der Rekurs sei insofern unzulässig.

Das Rekursgericht sprach aus, dass der Revisionsrekurs gegen Punkt 1. dieses Beschlusses gemäß § 528 Abs 2 (Z 2) ZPO jedenfalls unzulässig sei und ließ den ordentlichen Revisionsrekurs gegen Punkt 2. gemäß § 528 Abs 1 ZPO mangels Rechtsfrage von grundsätzlicher Bedeutung nicht zu.

Gegen den Beschluss ON 87 richtet sich der Rekurs der Beklagten wegen unrichtiger rechtlicher Beurteilung mit einem Aufhebungsantrag; hilfsweise wird ein Abänderungsantrag gestellt.

Die Klägerin begehrt in der Rekursbeantwortung, den Rekurs abzuweisen.

Gegen Punkt 1. im Beschluss ON 88 erhob die Beklagte einen „außerordentlichen Revisionsrekurs gemäß § 528 ZPO“ mit dem Begehren, ihrem Antrag Folge zu geben oder den zweitinstanzlichen Beschluss, hilfsweise die Beschlüsse der Vorinstanzen aufzuheben. Gleichzeitig brachte sie gegen Punkt 2. des genannten Beschlusses einen „Rekurs gemäß § 519 Abs 1 ZPO“ mit einem Aufhebungs‑, in eventu einem Abänderungsantrag ein.

Die Klägerin erstattete dazu eine als „Rekursbeantwortung“ bezeichnete Revisionsrekurs‑ beantwortung mit dem Begehren, das Rechtsmittel der Prozessgegnerin abzuweisen.

Rechtliche Beurteilung

I. Zum Rekurs gegen den Beschluss ON 87:

Der Rekurs der Beklagten ist gemäß § 519 Abs 1 Z 1 ZPO zulässig; er ist jedoch nicht berechtigt.

1. Vorerst ist darauf einzugehen, dass die Rechtsmittelwerberin nicht nur einen Rekurs, sondern auch einen Antrag auf Wiedereinsetzung in den vorigen Stand (verbunden mit der Berufung gegen das erstinstanzliche Urteil) eingebracht hat, ohne die Reihenfolge der Erledigung ihrer Anträge vorzugeben, und dass das Erstgericht den Rekurs dem Obersten Gerichtshof noch vor einer Entscheidung über den Wiedereinsetzungsantrag vorgelegt hat. Nimmt eine Partei keine ausdrückliche Reihung ihrer Anträge vor, ist nach der Rechtsprechung grundsätzlich zunächst über das den weitergehenden Schutz gewährende (aufsteigende) Rechtsmittel zu entscheiden. Dies findet seine Begründung darin, dass gemäß § 152 ZPO der Antrag auf Wiedereinsetzung den Fortgang des Prozesses nicht hindert und das erfolgreiche Rechtsmittel dem Wiedereinsetzungsantrag den Boden entzieht (1 Ob 254/09y mwN).

2. Die beklagte Gesellschaft mit beschränkter Haftung wurde am 28. 11. 2012 gemäß § 40 FBG von Amts wegen im Firmenbuch gelöscht (siehe FN 38079 z des Handelsgerichts Wien). Eine Kapitalgesellschaft verliert mit der Vollbeendigung ihre Parteifähigkeit (RIS‑Justiz RS0021209 [T1]; RS0049388 [T2]; RS0050186 [T13, T17]). Voraussetzung dafür ist ihre Vermögenslosigkeit, also der Mangel an Aktivvermögen; die Löschung im Firmenbuch hat insofern nur deklarativen Charakter (RIS‑Justiz RS0050186). Bis zum Beweis des Gegenteils ist anzunehmen, dass eine im Firmenbuch gelöschte Kapitalgesellschaft vermögenslos und damit nicht (mehr) parteifähig ist (RIS‑Justiz RS0050186 [T14]). Entgegen der vom Berufungsgericht vertretenen Rechtsansicht steht nach ständiger jüngerer Rechtsprechung (9 ObA 17/98k = SZ 71/50; 8 ObA 2344/96f = SZ 71/175 [verstärkter Senat], jeweils mwN; vgl RIS‑Justiz RS0035347) ein möglicher Kostenersatzanspruch im Verfahren der Vollbeendigung der Beklagten nicht entgegen.

Gegenstand des Rechtsstreits ist die von der klagenden Bestandgeberin auf § 1118 zweiter Fall ABGB gestützte Räumung des (unstrittig dem MRG unterliegenden) Bestandobjekts. Nach der Rechtsprechung werden zwar Mietrechte der Gesellschaft grundsätzlich als einer Vollbeendigung entgegenstehendes Vermögen angesehen (7 Ob 645/80 = MietSlg 32.027; 7 Ob 116/05t = wobl 2006/49, 128 [ Prader ]; 1 Ob 166/06b; 2 Ob 166/08p). Ein Mietrecht einer Gesellschaft kann aber in bestimmten Fällen bei gebotener kaufmännisch‑wirtschaftlicher Betrachtungsweise auch kein verwertbares und verteilungsfähiges Vermögen sein (6 Ob 262/02a; 5 Ob 168/08d = immolex 2009/101, 279 [ Malaun ]; 6 Ob 246/12p).

Während des anhängigen Rechtsstreits wurde das im Bestandobjekt betriebene Unternehmen der Beklagten vom Masseverwalter an eine andere GmbH verkauft (mit der beabsichtigten Rechtsfolge der gesetzlichen Vertragsübernahme nach § 12a Abs 1 MRG). Diese erst nach Streitanhängigkeit bewirkte (allfällige) Mietrechtsnachfolge hat nach der Anordnung des § 234 ZPO keine Auswirkungen auf die Passivlegitimation der Beklagten. Unter der „in Streit verfangenen Sache“ sind nämlich auch Rechte zu verstehen, insbesondere Mietrechte (5 Ob 250/09i mwN; RIS‑Justiz RS0039291). Dass nach der Aufhebung des Konkurses über das Vermögen der Beklagten im Bestandobjekt noch ein ihr gehöriges Inventar verblieb, steht nicht fest. Das Erstgericht gab dem Räumungsbegehren statt, weil es die vor Eröffnung des Konkursverfahrens eingetretenen Voraussetzungen für die Auflösung des Mietvertrags nach § 1118 zweiter Fall ABGB und ein grobes Verschulden der beklagten Mieterin bejahte.

Die Rechtsfolgen des § 12a Abs 1 MRG treten auch nach Zustellung einer noch abwendbaren Auflösungserklärung des Vermieters ein. Da die beklagte Bestandnehmerin im Anwendungsbereich des § 33 Abs 2 und 3 MRG die rechtsgestaltende Wirkung der Auflösungserklärung unter den im Gesetz genannten Voraussetzungen entkräften kann, kann sich nach einhelliger Rechtsprechung (RIS‑Justiz RS0020939) während des kraft Gesetzes bestehenden Schwebezustands kein Vertragsteil seinen Vertragspflichten entziehen. Diese Verpflichtung besteht unabhängig davon, ob dem Mieter letztlich die Entkräftung der Auflösungserklärung gelingt oder nicht und wird nicht rückwirkend dadurch beseitigt, dass der Mieter im Prozess unterliegt. Dass die Rechtsfolgen des § 12a Abs 1 MRG auch nach Zustellung der Räumungsklage nach § 1118 zweiter Fall ABGB (oder nach dem Kündigungstermin bei einer Kündigung nach § 30 Abs 2 Z 1 MRG) eintreten können, zeigt sich aus § 33 Abs 2 und 3 MRG. Bis zur dort angeordneten Beschlussfassung aufgelaufene Zinsrückstände sind festzustellen („geschuldeter Betrag“). Verneinte man das Mietverhältnis ab Zugang der Auflösungserklärung, wäre danach weiterer Mietzins nicht mehr geschuldet und wären Zinsrückstände entgegen bisheriger Rechtsprechung und Lehre (Nachweise bei Würth/Zingher/Kovanyi , Miet‑ und Wohnrecht I 22 § 33 MRG Rz 30) auch nicht in den Beschluss aufzunehmen. Dass die Auflösung des Bestandvertrags bereits mit der Aufhebungserklärung und nicht erst mit der Rechtskraft des über die Erklärung ergehenden Urteils eintritt, wird eben auch materiell durch die Kündigungsschutzbestimmungen des § 33 Abs 2 und 3 überlagert. Geht zeitlich nachfolgend ein wegen der durch die Räumungsklage bewirkten aufschiebend bedingten Auflösungserklärung schwebendes Mietverhältnis auf den Unternehmenserwerber über, endet es jedenfalls mit der Rechtskraft des auf Räumung gerichteten Urteils im Verfahren gegen die beklagte Unternehmensveräußerin (so zutreffend LGZ Wien MietSlg 60.249). Das Mietrecht zählt während des Schwebezustands ‑ hier des noch nicht rechtskräftigen erstinstanzlichen Räumungsurteils ‑ im Verhältnis zur klagenden Vermieterin nach wie vor zum Vermögen der beklagten Unternehmensveräußerin (vgl zur schwebend unwirksamen Mietrechtsabtretung an minderjährige Angehörige des Hauptmieters RIS‑Justiz RS0108924). Da das Mietrecht ‑ wie die Veräußerung des im Geschäftslokal betriebenen Unternehmens um 700.000 EUR zuzüglich 20 % USt zeigt ‑ grundsätzlich ein bei kaufmännisch‑wirtschaftlicher Betrachtung verwertbares Recht ist und damit einen Vermögenswert bildet, dessen Auflösung Gegenstand des Rechtsstreits über das Räumungsbegehren ist, blieb die Beklagte schon mangels Vermögenslosigkeit im Zeitpunkt der amtswegigen Löschung und danach bei der Zustellung des erstinstanzlichen Urteils parteifähig. Solange ihr Bestandverhältnis nicht endgültig abgewickelt ist, vermag die bloße Löschung der Gesellschaft ihre Parteifähigkeit nicht zu beenden (7 Ob 116/05t mwN).

3. Zudem ist Folgendes zu beachten: Seit der Entscheidung des verstärkten Senats 8 ObA 2344/96f (= SZ 71/175) vertritt der Oberste Gerichtshof die Auffassung, dass eine vollbeendete Kapitalgesellschaft grundsätzlich nicht mehr parteifähig ist, es aber mit dem Grundrecht auf ein faires Verfahren nach Art 6 EMRK unvereinbar ist, wenn die Beklagte durch rechtliche Änderungen in ihrer Sphäre, auf die der Kläger keinen Einfluss hat und die er auch nicht durchschauen kann, eine Entscheidung über den vom Kläger rite geltend gemachten, mit erheblichem Aufwand an Geld, Zeit und Mühe vor Gericht verfolgten zivilrechtlichen Anspruch vereiteln könnte. Wird eine Kapitalgesellschaft während eines gegen sie anhängigen Passivprozesses gelöscht, so ist das Verfahren auf Begehren des Klägers fortzusetzen. Strebt der Kläger hingegen die Fortsetzung des Verfahrens gegen die gelöschte Gesellschaft nicht an, so ist die Klage zurückzuweisen und das bisherige Verfahren für nichtig zu erklären (RIS‑Justiz RS0035195 [T11]; RS0035204 [T6]; RS0109397 [T1]; RS0110979).

Die Klägerin hat somit ein Wahlrecht. Wird ihr die Tatsache der Auflösung der beklagten Kapitalgesellschaft nach § 40 FBG bekannt, hat sie binnen angemessener Frist dem Gericht bekannt zu geben, dass sie von der Verfahrensfortsetzung abstehe, widrigenfalls ihr Fortsetzungswille unterstellt wird (RIS‑Justiz RS0035195 [T13]; RS0035204 [T8]; RS0117480 ua). Die Klägerin begehrte nach der von ihr nach Zustellung des erstinstanzlichen Urteils erlangten Kenntnis von der Löschung der Beklagten gemäß § 40 FBG am 20. 3. 2014 die Fortsetzung des Verfahrens. Dieser Schriftsatz ging gemäß § 112 ZPO auch dem Beklagtenvertreter zu. Unabhängig davon, ob nicht aufgrund der gänzlichen Stattgebung des Klagebegehrens der Fortsetzungswille der Klägerin schon zuvor zu vermuten war, steht er jedenfalls seit diesem Zeitpunkt fest.

4. Die beiden Rechtsvertreter der Beklagten (darunter der Beklagtenvertreter) beriefen sich im erstinstanzlichen Verfahren nach Aufhebung des Konkursverfahrens auf die ihnen von der Beklagten ‑ offenbar von deren verbliebener Geschäftsführerin, die nach den erstgerichtlichen Feststellungen alleine vertritt ‑ erteilte Prozessvollmacht. Da das vorliegende Verfahren vor Löschung der Beklagten eingeleitet worden ist, kommt § 35 ZPO zur Anwendung (6 Ob 182/10y mwN). § 35 Abs 1 ZPO, wonach die Prozessvollmacht weder durch den Tod des Vollmachtgebers noch durch die Veränderung in Betreff seiner Prozessfähigkeit oder seiner gesetzlichen Vertretung aufgehoben wird, ist auch auf den Fall der Auflösung der machtgebenden juristischen Person ‑ jedenfalls wenn sie über Vermögen verfügt oder von ihr oder gegen sie vermögensrechtliche Ansprüche geltend gemacht werden ‑ anzuwenden (3 Ob 24/95; vgl Fucik in Rechberger 3 § 35 ZPO Rz 2; Zib in Fasching/Konecny 2 § 35 ZPO Rz 36; 5 Ob 64/61 = EvBl 1961/251). Damit bestand die erteilte Vollmacht jedenfalls fort, sodass die Zustellung des erstinstanzlichen Urteils am 1. 3. 2013 rechtswirksam an die Rechtsvertreter der Beklagten erfolgte. Abgesehen davon, dass nachfolgend die weitere Rechtsvertreterin der Beklagten die Vollmacht nicht widerrief, gab der Beklagtenvertreter im Schreiben vom 11. 3. 2013 nicht den Widerruf seiner Vollmacht gemäß § 36 ZPO bekannt, sondern seine (unzutreffende) Rechtsansicht, das Vollmachtsverhältnis sei „ex lege“ beendet. Im Zeitpunkt der Erklärung des Fortsetzungswillens der Klägerin war die Beklagte nach wie vor durch ihre beiden Rechtsvertreter rechtswirksam vertreten.

5. Infolge aufrechter Prozessvollmacht wurde der Zivilprozess weder ‑ selbst wenn Vollbeendigung der beklagten GmbH unterstellt wurde ‑ im Sinn des § 155 Abs 1 ZPO ( Gitschthaler in Rechberger 3 §§ 155 - 157 ZPO Rz 2 mwN) noch gemäß § 158 ZPO (vgl dazu 2 Ob 611/84 = SZ 58/168) unterbrochen. Die von der Beklagten nach Ablauf der vierwöchigen Berufungsfrist (§ 464 Abs 1 ZPO) am 18. 4. 2013 eingebrachte Berufung wurde daher vom Berufungsgericht zutreffend als verspätet zurückgewiesen. Der dagegen erhobene Rekurs muss daher erfolglos bleiben.

Die Kostenentscheidung gründet sich auf §§ 41, 50 ZPO.

II. Zum „außerordentlichen“ Revisionrekurs und „Rekurs“ gegen den Beschluss ON 88:

Ein Revisionsrekurs ist gemäß § 528 Abs 2 Z 2 ZPO jedenfalls unzulässig, wenn der angefochtene erstrichterliche Beschluss vom Rekursgericht zur Gänze bestätigt worden ist, es sei denn, dass die Klage ohne Sachentscheidung aus formellen Gründen zurückgewiesen wurde. Dieser Ausnahmefall ist hier nicht gegeben.

Schon deshalb ist der gegen Punkt 1. gerichtete Revisionsrekurs ohne weitere inhaltliche Prüfung zurückzuweisen.

Im Übrigen wird hinsichtlich der Ausführungen im gesamten Rechtsmittel auf die dieses Verfahren abschließende Entscheidung in Punkt I. verwiesen.

Die Klägerin erstattete eine teils unzulässig ausgeführte, jedenfalls ohne Zustellung der Mitteilung nach § 508a Abs 2 Satz 1 ZPO eingebrachte Revisionsrekursbeantwortung, die nicht zu honorieren ist.

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