OGH 4Ob13/14m

OGH4Ob13/14m25.3.2014

Der Oberste Gerichtshof hat durch die Senatspräsidentin Dr. Schenk als Vorsitzende und durch die Hofräte Dr. Vogel, Dr. Jensik, Dr. Musger und Dr. Schwarzenbacher als weitere Richter in der Rechtssache der klagenden Partei Weidegenossenschaft A*****, vertreten durch Dr. Josef Kattner, Rechtsanwalt in Amstetten, wider die beklagte Partei Dr. H***** M*****, vertreten durch Mag. Dr. Marlene Wintersberger, Rechtsanwältin in Mödling, wegen Räumung, infolge Rekurses der klagenden Partei gegen den Beschluss des Landesgerichts St. Pölten als Berufungsgericht vom 11. September 2013, GZ 7 R 100/13f‑15, womit infolge Berufung der beklagten Partei das Urteil des Bezirksgerichts Scheibbs vom 13. Mai 2013, GZ 2 C 387/13v‑11, aufgehoben wurde, folgenden

Beschluss

gefasst:

 

Spruch:

Dem Rekurs wird Folge gegeben.

Der angefochtene Beschluss wird aufgehoben. Dem Berufungsgericht wird die Fortsetzung des Berufungsverfahrens durch Erledigung der Beweisrüge aufgetragen.

Die Kosten des Rekursverfahrens sind weitere Verfahrenskosten.

Text

Begründung

Die klagende Weidegenossenschaft als Eigentümerin begehrte die Räumung einer näher bezeichneten Pachtfläche, auf der sich zwei Fischteiche befinden. Der zwischen ihr und dem Vater des Beklagten am 20. 7. 1977 abgeschlossene Pachtvertrag sei 2005 kurz vor dem Tod des Pächters von diesem aufgekündigt worden. Mit der Witwe des Pächters sei kein neues Bestandverhältnis begründet worden. Nach dem Tod des Pächters sei kein Pachtzins mehr entrichtet worden. Zwar hätten Gespräche zwischen Vertretern der Klägerin und dem Beklagten (dem Sohn des bisherigen Pächters) über den allfälligen Abschluss eines neuen Pachtvertrags stattgefunden, es sei jedoch kein Konsens erzielt worden. Der Beklagte behaupte zu Unrecht, als Pächter in den Vertrag nach dem Tod seines Vaters eingetreten zu sein, er benutze die Grundstücke der Klägerin titellos. Eine satzungsgemäße Zustimmung der Klägerin für einen Pachtvertrag mit dem Beklagten liege nicht vor, da die Klägerin gemeinsam durch ihren Obmann und den Obmannstellvertreter vertreten werde.

Der Beklagte beantragte die Abweisung des Klagebegehrens. Zwar habe sein Vater vor seinem Ableben den Pachtvertrag aufgekündigt, er habe jedoch diese Kündigung wieder zurückgenommen, womit die Klägerin einverstanden gewesen sei. Nach dem Tod des Pächters sei mündlich zwischen dem Beklagten und dem damaligen Obmann der Klägerin vereinbart worden, dass der Beklagte anstelle seines Vaters in dessen Pachtvertrag zu den gleichen Konditionen eintreten könne bzw sei ein inhaltsgleicher Vertrag mündlich abgeschlossen worden. Die Zustimmung der Klägerin zum Pachtvertrag mit dem Beklagten sei schlüssig erteilt worden.

Das Erstgericht gab dem Klagebegehren statt. Aus den ‑ im Berufungsverfahren zum Teil bekämpften ‑ Feststellungen schloss es in rechtlicher Hinsicht, es liege zwischen den Streitteilen keine verbindliche und abschließende Einigung über den Pachtzins vor, weshalb zwischen ihnen auch kein Pachtvertrag abgeschlossen worden sei und der Beklagte die betreffenden Grundstücksflächen titellos benütze.

Das Berufungsgericht hob dieses Urteil auf und verwies die Sache an das Erstgericht zur neuerlichen Verhandlung und Entscheidung zurück; es sprach aus, dass der Wert des Entscheidungsgegenstands zwar 5.000 EUR, nicht aber 30.000 EUR überschreite und der Rekurs an den Obersten Gerichtshof zulässig sei. Das Berufungsgericht erledigte die Beweisrüge nicht, weil als Vorfrage vor dem Erstgericht zu erörtern und zu klären sei, ob überhaupt eine wirksame Auflösungserklärung hinsichtlich des Pachtvertrags mit dem Vater des Beklagten vorliege. Die Beweisrüge bleibe deshalb aus prozessökonomischen Gründen zunächst unerledigt; sollte sich nämlich im weiteren Verfahren herausstellen, dass es keine wirksame Kündigung gegeben habe, bedürfe es der bekämpften Feststellungen zum Neuabschluss eines Pachtvertrags mit dem Beklagten nicht mehr.

Das Erstgericht habe zur Aufkündigung lediglich festgestellt, dass der Pächter unter Einhaltung einer Kündigungsfrist von einem Jahr das Bestandverhältnis zur Aufkündigung bringen könne, sowie dass der Pächter gegenüber dem Obmann der Klägerin geäußert habe, die Fischteiche nicht mehr haben zu wollen, die Klägerin könne darüber verfügen, womit der Obmann einverstanden gewesen sei. Aus diesen Feststellungen könne nicht abgeleitet werden, zu welchem Termin und unter Einhaltung welcher Frist eine allfällige Aufkündigung stattfinden solle. Aus derzeitiger Sicht könne damit nicht abschließend beurteilt werden, ob überhaupt eine rechtsgestaltende wirksame Auflösungserklärung vorliege. Dieser Umstand sei im erstinstanzlichen Verfahren bislang unerörtert geblieben und führe zur Aufhebung des angefochtenen Urteils, um diese Frage mit den Parteien zu erörtern und ihnen die Möglichkeit zu ergänzendem Vorbringen und Beweisanbot einzuräumen. Der Vollständigkeit halber sei für den Fall, dass das Erstgericht zur Auffassung gelange, es liege keine wirksame Auflösungserklärung vor, Folgendes festzuhalten: Nach § 1116a ABGB werde ein Pachtvertrag durch den Tod des Pächters nicht aufgehoben; der Beklagte könne daher diesfalls seine Nutzung von der Erbin des Pächters (seiner Mutter) ableiten und würde den Pachtgegenstand daher nicht titellos benützen.

Rechtliche Beurteilung

Der Rekurs der Klägerin ist zulässig und im Sinne seines Eventualantrags der Rückverweisung der Rechtssache an das Berufungsgericht berechtigt.

Die Klägerin macht geltend, dass die vom Berufungsgericht für erörterungsbedürftig gehaltene Frage der Wirksamkeit der Kündigung des Pachtverhältnisses durch den Vater des Beklagten zwischen den Parteien unstrittig sei, weil die wirksame Auflösung des Pachtverhältnisses außer Streit gestellt worden sei. Jedenfalls unzutreffend seien die Überlegungen des Berufungsgerichts, wonach der Beklagte seine Nutzung von der Erbin des Pächters (also seiner Mutter) ableiten könne; solches habe der Beklagte im Verfahren erster Instanz nicht behauptet.

1.1. Das Berufungsgericht ist davon ausgegangen, dass der Beklagte im Fall des Fehlens einer wirksamen Kündigung des Pachtvertrags durch seinen Vater „seine Nutzung von der Erbin des Pächters (seiner Mutter) ableiten könnte, diesfalls daher nicht titellos benutzen würde“. Im Hinblick auf diese Auffassung hat es dem Erstgericht die Erörterung der Wirksamkeit der Kündigung mit den Parteien aufgetragen und eine Behandlung der Beweisrüge für entbehrlich erachtet. Dieser Vorgangsweise kann nicht beigepflichtet werden.

1.2. Der Beklagte hat nämlich nicht behauptet, dass ihm seine Mutter als Erbin (und Rechtsnachfolgerin des Vaters im Pachtvertrag) durch ausdrückliche oder schlüssige Erklärung irgendwelche Rechte am Pachtgegenstand eingeräumt oder auch nur dessen Nutzung gestattet hätte; solches lässt sich auch den erstgerichtlichen Feststellungen nicht entnehmen.

1.3. Der Beklagte leitet sein Nutzungsrecht ‑ seiner Behauptung nach ‑ vielmehr aus einem eigenen mündlichen Pachtvertrag mit der Klägerin ab. Ergänzend brachte er vor, seine Mutter habe gegenüber der Verpächterin in Ansehung des Pachtverhältnisses einen Verzicht auf ihre Rechte als Erbin zu seinen Gunsten im Hinblick auf seinen Eintritt in den Pachtvertrag abgegeben, seither bestehe der Bestandvertrag zwischen den Streitteilen aufrecht (Streitverhandlung 29. 4. 2013, S 2).

1.4. Dazu hat das Erstgericht ‑ bislang vom Berufungsgericht ungeprüft ‑ festgestellt, dass es keine Vereinbarung mit der Klägerin gegeben habe, wonach die Erbin zugunsten des Beklagten auf Pachtrechte verzichte. Einen Sachverhalt, aus dem sich ergeben könnte, dass ein derartiger Verzicht der Erbin ohne Einverständnis der Klägerin zu einem Vertragseintritt des Beklagten geführt habe (wie etwa ein Weitergaberecht des Pächters), hat der Beklagte nicht behauptet.

2. Das Berufungsgericht hat damit seiner rechtlichen Beurteilung einen Sachverhalt unterstellt, zu dem weder Vorbringen erstattet noch Feststellungen getroffen wurden. Das Gericht zweiter Instanz darf aber ein angefochtenes Urteil nicht zu dem Zweck aufheben, dass Feststellungen nachgeholt werden, die über das Parteivorbringen hinausgehen (RIS‑Justiz RS0040308, RS0042444), und es darf ergänzende Feststellungen nur nach Beweiswiederholung bzw Beweisergänzung treffen (vgl RIS‑Justiz RS0043026). Ein sekundärer Feststellungsmangel des Erstgerichts setzt ein entsprechendes Tatsachenvorbringen schon im Verfahren erster Instanz voraus (vgl RIS‑Justiz RS0053317).

3. Auf die vom Berufungsgericht zum Anlass seiner aufhebenden Entscheidung genommene Frage der wirksamen Kündigung des Pachtvertrags durch den Vater des Beklagten kommt es nicht weiter an: Selbst bei Unwirksamkeit dieser Kündigung wäre die Mutter des Beklagten als Erbin des Pächters gemäß § 1116a ABGB in den Bestandvertrag eingetreten. Einem mit der Klägerin vereinbarten Übergang der Nutzungsrechte von dessen Mutter auf den Beklagten stehen allerdings nach derzeitigem Verfahrensstand die ‑ vom Beklagten im Berufungsverfahren bekämpften ‑ gegenteiligen Feststellungen des Erstgerichts entgegen. Zu einer allfälligen Übertragung von Pachtrechten der Mutter des Beklagten auf diesen ohne Zustimmung der Klägerin oder auch zu einer ihm eingeräumten (bloßen) Gestattung der Nutzung des Pachtgegenstands durch seine Mutter als Pächterin fehlt entsprechendes Tatsachenvorbringen.

4. Die aufhebende Entscheidung des Berufungsgerichts ist daher nach der derzeitigen Verfahrenslage nicht gerechtfertigt. Das Berufungsgericht wird daher das Berufungsverfahren fortzusetzen und die Beweisrüge zu erledigen haben.

5. Der Kostenvorbehalt beruht auf § 52 Abs 1 zweiter Satz ZPO.

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