OGH 4Ob28/14t

OGH4Ob28/14t25.3.2014

Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht durch die Vizepräsidentin Dr. Schenk als Vorsitzende und durch die Hofräte Dr. Vogel, Dr. Jensik, Dr. Musger und Dr. Schwarzenbacher als weitere Richter in der Rechtssache der klagenden Partei V*****, vertreten durch Kosesnik‑Wehrle & Langer Rechtsanwälte KG in Wien, wider die beklagte Partei H***** AG, *****, vertreten durch Dr. Peter Zöchbauer und Dr. Andreas Frauenberger, Rechtsanwälte in Wien, wegen Unterlassung (Streitwert 30.500 EUR) und Urteilsveröffentlichung (Streitwert 5.500 EUR), über die außerordentliche Revision der klagenden Partei gegen das Urteil des Oberlandesgerichts Wien als Berufungsgericht vom 29. November 2013, GZ 3 R 33/13i‑13, den

Beschluss

gefasst:

European Case Law Identifier: ECLI:AT:OGH0002:2014:0040OB00028.14T.0325.000

 

Spruch:

Die außerordentliche Revision wird gemäß § 508a Abs 2 ZPO mangels der Voraussetzungen des § 502 Abs 1 ZPO zurückgewiesen.

Begründung

Rechtliche Beurteilung

1. Der Senat hat bereits ausgesprochen, dass das Angebot der Zugabe eines hochwertigen Mobiltelefons zu einem Versicherungsprodukt mit langfristiger Bindung beim durchschnittlich informierten und verständigen Verbraucher, der eine dem Anlass angemessene hohe Aufmerksamkeit aufwendet, nicht dazu führt, dass er sich allein wegen der Zugabe, also unter Ausschluss rationaler Erwägungen, für dieses Produkt entscheidet (4 Ob 100/13d).

2. Von dieser Rechtsprechung ist das Berufungsgericht bei Beurteilung der beanstandeten Ankündigung (Koppelung eines langfristig gebundenen Finanzprodukts mit hochwertigem Smartphone oder Tabletcomputer) nicht abgewichen.

3. Die Klägerin macht als erhebliche Rechtsfrage geltend, die angefochtene Entscheidung berücksichtige die Entscheidung des EuGH vom 19. 12. 2013, C‑281/12 ‑ Trento Sviluppo, nicht. Der EuGH definiert dort den Begriff der „geschäftlichen Entscheidung“ weit und versteht darunter nicht nur die Entscheidung über den Erwerb oder Nichterwerb eines Produkts, sondern auch sämtliche mit dem Erwerb oder Nichterwerb unmittelbar zusammenhängende Entscheidungen, wie insbesondere das Betreten des Geschäfts (Rn 36, 38).

4. Im Anlassfall konnte das Versicherungsprodukt samt Zugabe erst nach einem persönlichen Beratungsgespräch vertraglich erworben werden, das man durch Registrierung im Internet oder telefonisch vereinbaren musste. Der Klägerin ist zuzugestehen, dass schon diese dem Erwerb unmittelbar vorgeschaltete Verbraucherentscheidung, sich als Interessent registrieren und zu einem Gespräch einladen zu lassen, in die Beurteilung der Unlauterkeit der beanstandeten Ankündigung einzubeziehen ist. Dies ändert aber nichts am vom Berufungsgericht gewonnenen Ergebnis.

5. Es ist nämlich nicht zu erkennen, dass das hier zu beurteilende Koppelungsangebot beim durchschnittlich informierten und verständigen Verbraucher, der eine dem Anlass angemessene hohe Aufmerksamkeit aufwendet, so attraktiv ist, dass es geeignet ist, beim Verbraucher jede rationale Entscheidung auszuschalten. Es ist nämlich nicht unlauter, einen Verbraucher durch Zugabe zu veranlassen, sich mit dem eigenen Angebot zu beschäftigen.

6. Dass das beanstandete Angebot nicht nur das wirtschaftliche Verhalten der besonders schutzbedürftigen Gruppe unerfahrener und leichtgläubiger Jugendlicher und junger Erwachsener zu beeinflussen geeignet und daher aus deren Sicht zu beurteilen ist (§ 1 Abs 2 UWG), hat das Berufungsgericht, gestützt auf die Umstände des Einzelfalls, vertretbar begründet. Der durchschnittlich informierte und verständige Verbraucher wird sich bei der gebotenen hohen Aufmerksamkeit auch nicht durch die Ankündigung unter Zeitdruck setzen lassen, dass „schon hunderte Bestellungen“ vorliegen, sondern dies als übliche reklamehafte Wendung verstehen, die den Absatz des beworbenen Produkts fördern soll.

7.1. Die Wiederholungsgefahr kann unter Umständen dann ausgeschlossen sein, wenn der Wettbewerbsverstoß der Beklagten auf einem Irrtum beruhte und der Beklagte von sich aus ‑ etwa durch Berichtigung des Fehlers ‑ eine Handlung gesetzt hat, die seine Sinnesänderung nach außen klar erkennen lässt. Die Vermutung spricht für das Bestehen einer Wiederholungsgefahr; es ist Sache des Verletzers, diese Vermutung zu widerlegen (RIS‑Justiz RS0079652).

7.2. Hier hat das Berufungsgericht Wiederholungsgefahr zu einem bestimmten Begehren deshalb verneint, da der Verstoß auf einem Irrtum als einmaliger Sondersituation beruhe (Übersehen einer Gesetzesänderung), nach Erkennen des Irrtums die durch Gesetzesänderung unrichtig gewordene Angabe im Internet berichtigt und die unrichtige Angabe im Prozess nicht als rechtmäßig verteidigt worden sei. Eine durch gegenteilige Sachentscheidung zu behebende krasse Fehlbeurteilung liegt in diesem Punkt nicht vor (ähnlich schon 4 Ob 199/03y).

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