OGH 7Ob242/13h

OGH7Ob242/13h26.2.2014

Der Oberste Gerichtshof hat durch die Vizepräsidentin Dr. Huber als Vorsitzende und die Hofrätinnen und Hofräte Dr. Hoch, Dr. Kalivoda, Mag. Dr. Wurdinger und Mag. Malesich als weitere Richter in der Rechtssache der klagenden Partei M***** S*****, vertreten durch Mag. Martin Kaufmann, Rechtsanwalt in Melk, gegen die beklagten Parteien 1. M***** und 2. A***** H*****, vertreten durch Dr. Gerhard Taufner und andere Rechtsanwälte in Melk, wegen 10.233,90 EUR sA und Feststellung, über die Revision der zweitbeklagten Partei gegen das Urteil des Landesgerichts St. Pölten vom 19. September 2013, GZ 21 R 152/13f‑34, womit das Urteil des Bezirksgerichts Melk vom 31. Mai 2013, GZ 12 C 43/12w‑27, teilweise abgeändert wurde, den

Beschluss

gefasst:

European Case Law Identifier: AT:OGH:2014:E107028

 

Spruch:

Die Revision wird zurückgewiesen.

Die zweitbeklagte Partei ist schuldig, der klagenden Partei die mit 768,24 EUR (darin enthalten 128,04 EUR an USt) bestimmten Kosten der Berufungsbeantwortung binnen 14 Tagen zu ersetzen.

Text

Begründung

Das Berufungsgericht erklärte die ordentliche Revision für zulässig, weil zwar die Beurteilung von Verkehrssicherungspflichten grundsätzlich eine Frage des Einzelfalls sei, allerdings krasse Fehlbeurteilungen vom Obersten Gerichtshof aufzugreifen seien.

Rechtliche Beurteilung

Entgegen dem ‑ den Obersten Gerichtshof nicht bindenden ‑ Ausspruch des Berufungsgerichts ist die ordentliche Revision mangels Vorliegens einer erheblichen Rechtsfrage unzulässig. Die Entscheidung kann sich auf die Ausführung der Zurückweisungsgründe beschränken (§ 510 Abs 3 ZPO).

Wie bereits das Berufungsgericht und die Parteien erkennen, ist der konkrete Inhalt einer Verkehrssicherungspflicht von den Umständen des Einzelfalls abhängig. Entscheidend ist vor allem, welche Maßnahmen zur Vermeidung einer Gefahr möglich und zumutbar sind (RIS‑Justiz RS0110202). Derartige Einzelentscheidungen sind für den Obersten Gerichtshof nur dann überprüfbar, wenn im Interesse der Rechtssicherheit ein grober Fehler bei der Auslegung der anzuwendenden Rechtsnorm, konkret bei der Auslegung des unbestimmten Gesetzesbegriffs der Unzumutbarkeit korrigiert werden müsste (RIS‑Justiz RS0078150). Schon die allgemeine Verkehrssicherungspflicht verlangt Sicherungsmaßnahmen zum Schutz aller Personen, deren Rechtsgüter durch die Schaffung einer Gefahrenlage verletzt werden können. Das bezieht sich auch auf Gefahren, die erst durch den unerlaubten und vorsätzlichen Eingriff eines Dritten entstehen. Voraussetzung ist, dass die Verletzung von Rechtsgütern Dritter bei objektiver sachkundiger Betrachtung zu erkennen ist (RIS‑Justiz RS0023801).

Dass den Zweitbeklagten auf Grund des Bewirtungsvertrags gegenüber der Klägerin vertragliche Schutzpflichten treffen (vgl RIS‑Justiz RS0020753, RS0023421), ist nicht strittig. Der Gastwirt muss auch Sicherungsmaßnahmen im Außenbereich, soweit dies zumutbar ist, treffen. Voraussetzung sind Verfügungsmacht und Einflussnahmemöglichkeit des Gastwirts auf den Gefahrenbereich (2 Ob 60/08z; RIS‑Justiz RS0023355 [T28]). In zeitlicher Hinsicht endet die Schutzpflicht eines Gastwirts aus dem Bewirtungsvertrag nicht schon mit der Konsumation des Getränks oder der Speise und der Bezahlung durch den Gast, sondern erst mit der Beendigung des Naheverhältnisses (RIS‑Justiz RS0019248). Er hat den Schutzpflichten gegenüber seinen Gästen persönlich zu entsprechen. Er kann sich zwar Gehilfen bedienen, nur haftet er für ein schuldhaftes Verhalten derselben nach Vertragsgrundsätzen, somit gemäß der Erfüllungsgehilfenhaftung des § 1313a ABGB (1 Ob 150/09d; RIS‑Justiz RS0016407, RS0016966).

Die Rechtsansicht des Berufungsgerichts, dass dem Zweitbeklagten eine Verletzung seiner Schutz- und Sorgfaltspflichten anzulasten sei, hält sich im Rahmen der Judikatur und ist im Einzelfall nicht zu beanstanden. Zu bedenken ist, dass sich der Unfall erst am dritten und letzten Veranstaltungstag (Jet‑Ski‑Europameisterschaft) ereignete und bereits an den beiden Vortagen Heurigenbänke aus dem Gastlokal (Zelt) des Zweitbeklagten in die nur rund 10 bis 20 m entfernte (ihm als solche bekannte) Gefahrenzone am Ufer gebracht wurden, wodurch seine Gäste angelockt wurden, dort Platz zu nehmen. Der Zweitbeklagte, den nach § 1298 ABGB die Beweislast trifft (RIS‑Justiz RS0016402), konnte nicht beweisen, dass ihm die Entfernung der Heurigenbänke aus seinem Gastzelt in die Gefahrenzone nicht bekannt wurde. Die Rechtsansicht des Berufungsgerichts, der Zweitbeklagte hätte eine Organisation schaffen müssen, die einerseits ihn über Vorkommnisse und Gefahren im Bereich seines Betriebs informiert und andererseits die Verbringung der Bänke verhindert hätte, ist nicht zu beanstanden. Der Zweitbeklagte hat sich vielmehr auf Grund seiner anderen Verpflichtungen nicht um seinen Gastgewerbebetrieb gekümmert. Der Ordnerdienst war gar nicht beauftragt, Sicherungsmaßnahmen hinsichtlich des Betriebs des Zweitbeklagten vorzunehmen. Andernfalls würde der Zweitbeklagte ohnehin für ein Versehen des Ordnerdienstes seinen Gästen gegenüber nach § 1313a ABGB haften.

Soweit der Zweitbeklagte ein Mitverschulden der Klägerin einwendet, geht er nicht von den Feststellungen des Erstgerichts aus. Es steht nicht fest, dass der Klägerin durch den Ordnerdienst oder durch Lautsprecherdurchsagen bekannt wurde, dass sie sich im Gefahrenbereich aufgehalten hat.

Es werden keine erheblichen Rechtsfragen geltend gemacht.

Die Kostenentscheidung gründet sich auf § 50, 41 ZPO. Der Klägerin steht nur 50 % Einheitssatz zu (§ 23 RATG).

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