OGH 9ObA147/13b

OGH9ObA147/13b26.2.2014

Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht in Arbeits- und Sozialrechtssachen durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofs Dr. Hopf als Vorsitzenden und die Hofräte des Obersten Gerichtshofs Hon.‑Prof. Dr. Kuras und Mag. Ziegelbauer sowie die fachkundigen Laienrichter Dr. Peter Zeitler und Mag. Manuela Majeranowski als weitere Richter in der Arbeitsrechtssache der klagenden Partei G***** S*****, vertreten durch Dr. Christian Mahringer, Rechtsanwalt in Salzburg, gegen die beklagte Partei O***** GmbH, *****, vertreten durch Dr. Peter Perner, Rechtsanwalt in Salzburg, wegen 41.330,67 EUR sA, über die Revision der beklagten Partei gegen das Urteil des Oberlandesgerichts Linz als Berufungsgericht in Arbeits- und Sozialrechtssachen vom 28. August 2013, GZ 11 Ra 55/13g‑16, mit dem über Berufung der klagenden Partei das Urteil des Landesgerichts Salzburg als Arbeits- und Sozialgericht vom 15. Mai 2013, GZ 20 Cga 227/12b‑12, teilweise abgeändert wurde, in nichtöffentlicher Sitzung zu Recht erkannt:

 

Spruch:

Der Revision wird nicht Folge gegeben.

Die beklagte Partei ist schuldig, der klagenden Partei die mit 1.819,08 EUR (darin enthalten 303,18 EUR an USt) bestimmten Kosten des Revisionsverfahrens binnen 14 Tagen zu ersetzen.

Entscheidungsgründe:

Rechtliche Beurteilung

Die rechtliche Beurteilung des Berufungsgerichts, dass als Berufsjahre für die Einstufung in die Gehaltstafel des Kollektivvertrags für kaufmännische Angestellte bei Zeitschriftenverlagen nach Punkt A 6 der Gehaltsordnung als „Jahre der praktischen Angestelltentätigkeit“ alle Jahre einer praktischen Angestelltentätigkeit, unabhängig von der konkreten Branche, in der die Angestelltentätigkeit ausgeübt wurde, heranzuziehen sind, ist zutreffend. Es reicht daher, insoweit auf die Begründung des Berufungsgerichts zu verweisen (§ 510 Abs 3 ZPO).

Ergänzend ist den Ausführungen der Revision Folgendes entgegenzuhalten:

Punkt 6 des Allgemeinen Teils der Gehaltsordnung lautet wie folgt:

„Als Berufsjahre für die Einstufung in die Gehaltstafeln gelten nur die Jahre der praktischen Angestelltentätigkeit sowie die Jahre selbständiger Tätigkeit im Verlagswesen.

Lehrzeiten oder die drei Angestelltendienstjahre, die die Lehrzeit ersetzen, fallen nicht darunter. Die Zeiten der Wehrdienstleistung, Notdienstverpflichtung und Arbeitsdienst werden nur dann als Berufsjahre gewertet, wenn zur Zeit der Einberufung ein Angestellten‑ bzw Lehrverhältnis bestanden hat. Bei Arbeitnehmern, die vor Einbeziehung zum Wehrdienst in keinem Dienstverhältnis standen, aber eine Handelsschule oder eine entsprechende höhere kaufmännische Schule vollendet hatten, ist der Wehrdienst mindestens zur Hälfte nach einjähriger Dauer des Dienstverhältnisses anzurechnen. Die erfolgreich abgeschlossene Handelsakademie ersetzt zwei Berufsjahre.“

Der normative Teil eines Kollektivvertrags ist nicht nach den §§ 914, 915 ABGB, sondern gemäß den Grundsätzen der §§ 6, 7 ABGB nach seinem objektiven Inhalt auszulegen. Maßgeblich ist, welchen Willen des Normgebers der Leser dem Text entnehmen kann (vgl RIS-Justiz RS0010088; RS0008782 ua). Dabei darf den Kollektivvertragsparteien zumindest im Zweifel unterstellt werden, dass sie eine vernünftige, zweckentsprechende und praktisch durchführbare Regelung treffen sowie einen gerechten Ausgleich der sozialen und wirtschaftlichen Interessen herbeiführen und daher eine Ungleichbehandlung der Normadressaten vermeiden wollten (RIS-Justiz RS0008897).

Strittig ist hier ausschließlich die Frage, ob auch die „praktischen Angestelltentätigkeiten“ im Verlagswesen geleistet werden müssen, um für die Berufsjahre angerechnet zu werden. Das Berufungsgericht hat nun zutreffend darauf verwiesen, dass der Oberste Gerichtshof bereits in seiner Entscheidung vom 12. 2. 1992 zu 9 ObA 3/92 zur ähnlichen Bestimmung des Punktes A 6 der Gehaltsordnung des Kollektivvertrags für Handelsangestellte Österreichs ausgeführt hat, dass unter praktischen Angestelltentätigkeiten nicht nur einschlägige, artverwandte, branchenspezifische Angestelltentätigkeiten zu berücksichtigen sind, sondern tatsächlich Angestelltentätigkeiten im Sinne des Angestelltengesetzes, auf deren Ausübung der Kollektivvertrag auch Bezug genommen hat. Auch damals wurde bereits zwischen der unselbständigen Tätigkeit als Angestellter und der nach dem Kollektivvertrag ebenfalls anrechenbaren selbständigen Tätigkeit als Kaufmann unterschieden. Dass bei den selbständigen Tätigkeiten eine spezifische Zuordnung zum Verlagswesen erforderlich ist, erklärt sich auch daraus, dass bei diesen Tätigkeiten ja ein vergleichbarer Maßstab wie das Angestelltengesetz nicht besteht.

Nach dem KV haben aber bei der Anrechnung von Berufsjahren für die Einstufung alle praktischen Erfahrungen im Rahmen einer Angestelltentätigkeit Berücksichtigung zu finden, auch wenn diese nicht im Verlagswesen geleistet wurden. Dies entspricht dem Begriffsverständnis, das zur weitgehend ähnlichen Bestimmung des Handels-KV entwickelt wurde, bei dem ebenfalls nicht nur auf Angestelltentätigkeiten in einem Handelsbetrieb abgestellt wird ( Maska/Steinlechner , Kollektivvertrag für Angestellte und Lehrlinge in Handelsbetrieben 221 ff; Löschnigg/Heinrich-Rainer/Urleb , Handelsangestellten-KV 280; 9 ObA 3/92). Dafür spricht aber auch die Breite der insgesamt im Kollektivvertrag geregelten Tätigkeiten, die teilweise überhaupt keinen Zusammenhang mit konkreten verlagsspezifischen Tätigkeiten haben. Auch die völlig ohne Bezug auf eine konkrete Tätigkeit im Verlagswesen vorgenommene Anrechnung von Wehrdienstzeiten, wenn davor nur irgendein Angestellten- oder Lehrverhältnis lag, unterstützt dieses Ergebnis.

Es war daher der Revision der Beklagten nicht Folge zu geben.

Die Kostenentscheidung gründet sich auf die §§ 2 ASGG, 50 und 41 ZPO. Der Einheitssatz gebührt aber nur im Ausmaß von 50 % (§ 23 Abs 4 RATG).

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