OGH 3Ob192/13a

OGH3Ob192/13a19.12.2013

Der Oberste Gerichtshof hat durch den Senatspräsidenten Dr. Prückner als Vorsitzenden sowie den Hofrat Univ.-Prof. Dr. Neumayr, die Hofrätin Dr. Lovrek und die Hofräte Dr. Jensik und Dr. Roch als weitere Richter in der Rechtssache der klagenden Partei J*****, vertreten durch Dr. Angela Lenzi, Rechtsanwältin in Wien, gegen die beklagte Partei V***** reg. Gen. mbH, *****, wegen Nichtigerklärung der Urteile des Bezirksgerichts Frankenmarkt vom 23. Jänner 2012, GZ 2 C 864/05b-47, und des Landesgerichts Wels als Berufungsgericht vom 6. Juni 2012, AZ 22 R 85/12z, infolge Rekurses der klagenden Partei gegen den Beschluss des Landesgerichts Wels vom 5. März 2013, GZ 23 Nc 37/12g-7, den

Beschluss

gefasst:

 

Spruch:

Dem Rekurs wird nicht Folge gegeben.

Text

Begründung

1. Der Kläger ist Eigentümer mehrerer Liegenschaften. Laut Pfandurkunde vom 16. Oktober 1990 hat ihm die beklagte Partei ein Darlehen in Höhe von 1.600.000 ATS zugezählt. Zur Sicherstellung des Darlehens von 1.600.000 ATS samt Nebengebühren hat der Kläger vier Liegenschaften zum Pfand bestellt. Mit Notariatsakt vom 16. Oktober 1990 erteilte der Kläger seine ausdrückliche Einwilligung, dass die von ihm in der Pfandurkunde übernommene und anerkannte Schuld an Kapital und Nebenverbindlichkeiten im Sinne der §§ 3, 3a NO gleich einem vor Gericht abgeschlossenen Vergleich sofort vollstreckbar sein soll. Auf der Grundlage dieses vollstreckbaren Notariatsakts wurde gegen den nunmehrigen Kläger am 29. Dezember 1995 zur Hereinbringung einer vollstreckbaren Kapitalforderung von 2.081.297 EUR sA die Zwangsversteigerung aller pfandrechtlich belasteten Liegenschaften bewilligt.

2.1. Im Verfahren 2 C 864/05b des Bezirksgerichts Frankenmarkt begehrte der Kläger

a) die Feststellung, dass dem Notariatsakt vom 16. Oktober 1990 keine Exekutionskraft zukomme,

in eventu die Feststellung, dass der Notariatsakt und die diesem angeschlossenen Privaturkunden nichtig und rechtsunwirksam seien,

b) die beklagte Partei schuldig zu erkennen, in die Löschung des zu ihren Gunsten einverleibten Pfandrechts einzuwilligen,

in eventu die bewilligte Einverleibung des Pfandrechts für unwirksam zu erklären.

Zur Begründung seines Begehrens brachte der Kläger im Wesentlichen vor, in dem Notariatsakt sei der Leistungsumfang in zeitlicher Hinsicht weder durch den Notariatsakt selbst noch durch die beigeschlossene Pfandurkunde festgelegt. Aufgrund der Titelurkunde könne nicht beurteilt werden, wie hoch die einzelnen Raten seien und wann der Verpflichtete diese zu entrichten habe, weshalb es an einer wesentlichen Voraussetzung für die Exekutionsfähigkeit des Notariatsakts fehle. Darüber hinaus könne aus dem Notariatsakt nicht beurteilt werden, ob bereits Fälligkeit eingetreten sei. Ebenso wenig sei zu entnehmen, in welcher Höhe die Kreditsumme aushafte. Im Laufe des Verfahrens wurde auch die inhaltliche Unrichtigkeit des Notariatsakts und der diesem angeschlossene Pfandurkunde releviert.

2.2. Unter Punkt II. seiner Entscheidung vom 23. Jänner 2012, 2 C 864/05b-47, hat das Bezirksgericht Frankenmarkt das Klagebegehren mit der Begründung abgewiesen, dass der Kläger die fehlende Vollstreckbarkeit des Notariatsakts allein mit Rekurs gegen die Exekutionsbewilligung relevieren hätte können.

2.3. Das vom Kläger angerufene Landesgericht Wels als Berufungsgericht verwarf am 6. Juni 2012 zu 22 R 85/12z, die Berufung wegen Nichtigkeit und gab der Berufung im Übrigen nicht Folge. Diese Entscheidung wurde dem damaligen Vertreter des Klägers am 11. Juli 2012 zugestellt.

2.4. Der Oberste Gerichtshof wies mit Beschluss vom 19. September 2012, 3 Ob 165/12d, die vom Kläger erhobene außerordentliche Revision mangels der Voraussetzungen des § 502 Abs 1 ZPO zurück.

3. Am 7. August 2012 (also - bezogen auf die Zustellung der zweitinstanzlichen Entscheidung - innerhalb der Frist des § 534 Abs 1 und Abs 2 Z 1 ZPO) überreichte der Kläger eine die Urteile erster und zweiter Instanz des Verfahrens 2 C 864/05b des Bezirksgerichts Frankenmarkt betreffende Nichtigkeitsklage, verbunden mit einem Antrag auf Bewilligung der Verfahrenshilfe im vollen Umfang. Er führt darin aus, dass „die Entscheidungen und Amtshandlungen I. und II. Instanz des Verfahrens … von befangenen, abgelehnten, geklagten, sich selbst für befangen erklärten und ausgeschlossenen Richtern gefällt“ worden seien, die namentlich angeführt sind. In der Folge wird im Einzelnen ausgeführt, warum diese Richter befangen (gewesen) seien. So habe er gegen diese Richter schon mehrfach Strafanzeigen erstattet, es sei auch schon mehrfach seinen „Befangenheitsanzeigen“ stattgegeben worden, sie hätten zudem die Urteile erster und zweiter Instanz in Voreingenommenheit gegen seine Person und in Parteilichkeit

gegenüber der im Anlassverfahren beklagten Partei gefällt. Aus diesem Grund seien sämtliche im Anlassverfahren in erster und zweiter Instanz gefällten Entscheidungen und Urteile nichtig.

„Vorsichtshalber“ wurde auch um die Bewilligung der Verfahrenshilfe angesucht, obwohl im Anlassverfahren die Verfahrenshilfe rechtskräftig bewilligt worden sei, und weiter: „Die Modifizierung des Klagsvorbringens und des Klags- und Urteilsbegehrens bleibt dem im Rahmen der Verfahrenshilfe zu bestellenden Verfahrenshelfer vor[behalten].“

4. Mit dem nunmehr angefochtenen Beschluss vom 5. März 2013 (ON 7) wies das Landesgericht Wels die Nichtigkeitsklage als zur Bestimmung einer Tagsatzung ungeeignet zurück und wies den Antrag auf Bewilligung der Verfahrenshilfe ab.

Der in der Nichtigkeitsklage geltend gemachte Anfechtungsgrund des § 529 Abs 1 Z 1 ZPO liege nur dann vor, wenn ein erkennender Richter von der Ausübung des Richteramts im Rechtsstreit kraft des Gesetzes ausgeschlossen gewesen sei. § 529 Abs 1 Z 1 ZPO sei also (bewusst) enger gefasst als § 477 Abs 1 Z 1 ZPO, wonach auch die Entscheidung durch einen rechtskräftig wegen Befangenheit abgelehnten Richter Nichtigkeit begründe. Selbst eine Entscheidung durch einen rechtskräftig abgelehnten Richter könne daher nicht mit Nichtigkeitsklage bekämpft werden. Umso weniger könne daher die Nichtigkeitsklage auf die bloße Behauptung einer Befangenheit gestützt werden. Das Vorliegen eines Ausschließungsgrundes gemäß § 20 JN werde vom Kläger nicht einmal angedeutet. Da die Klage damit nicht auf einen gesetzlichen Anfechtungsgrund gestützt werde, sei sie bereits im Vorprüfungsverfahren zurückzuweisen.

Die Einbringung einer nicht einmal auf gesetzliche Anfechtungsgründe gestützten Nichtigkeitsklage sei als offenbar aussichtslose Rechtsverfolgung zu qualifizieren, weshalb der Verfahrenshilfeantrag ohne weitere Prüfung abzuweisen gewesen sei.

Dieser Beschluss des Landesgerichts Wels wurde dem Kläger am 9. März 2013 zugestellt.

5. Am 20. März 2013 überreichte der Kläger beim Landesgericht Wels einen Antrag (ON 8), in dem er die an der Rechtsmittelentscheidung beteiligten Richter des Landesgerichts Wels ablehnte und weiters die Bewilligung der Verfahrenshilfe zur Rekurserhebung gegen den Beschluss (gemeint offenbar) vom 5. März 2013 sowie die Unterbrechung und Aussetzung des Rekurs- und Verfahrenshilfeverfahrens bis zur rechtskräftigen Erledigung von Befangenheitsanträgen beantragte. Darüber hinaus erhob er Rekurs gegen den Beschluss, mit dem die Bewilligung der Verfahrenshilfe abgelehnt wurde.

Mit Beschluss vom 15. Juli 2013 (ON 11) wies das Landesgericht Wels die Anträge auf Bewilligung der Verfahrenshilfe zur Rekurserhebung sowie den Unterbrechungs- und Aussetzungsantrag ab; dieser Beschluss wurde dem Kläger am 20. Juli 2013 zugestellt.

6. Gegen die am 5. März 2013 (ON 7) beschlossene Zurückweisung der Nichtigkeitsklage richtet sich der am 2. August 2013 im Elektronischen Rechtsverkehr eingebrachte und daher rechtzeitige Rekurs des Klägers mit dem erkennbaren Antrag, den angefochtenen Beschluss aufzuheben und dem Landesgericht Wels die Durchführung des gesetzmäßigen Verfahrens aufzutragen. Als Rechtsmittelgründe werden Nichtigkeit und unrichtige rechtliche Beurteilung benannt.

Zusammengefasst wird ausgeführt, dass das Landesgericht Wels über die Nichtigkeitsklage bereits inhaltlich im Rahmen des Vorprüfungsverfahrens entschieden habe, ohne die Entscheidung über den Rekurs gegen den den Verfahrenshilfeantrag abweisenden Beschluss abzuwarten. Inhaltlich habe sich der Kläger in seiner Nichtigkeit ausdrücklich auf „Ausgeschlossenheit“ der erkennenden Richter erster und zweiter Instanz berufen. Dem Gericht komme im Vorprüfungsverfahren nur ein eingeschränktes Prüfungsrecht in Bezug auf den geltend gemachten Nichtigkeitsgrund zu; die im vorliegenden Fall vom Landesgericht vorgenommene inhaltliche Prüfung überschreite den Rahmen der Vorpüfung. Allenfalls wäre ein Verbesserungsauftrag zu erteilen gewesen.

Rechtliche Beurteilung

Der Rekurs ist zulässig (RIS-Justiz RS0043868 [T3]), aber nicht berechtigt.

7. Dazu wurde erwogen:

7.1. Nach Einlangen einer Nichtigkeitsklage hat das angerufene Gericht von Amts wegen eine Zulässigkeitsprüfung vorzunehmen (§ 538 Abs 1 ZPO), die auch die Geltendmachung eines gesetzlichen Anfechtungsgrundes umfasst. Dabei kommt es zu einer Schlüssigkeitsprüfung dahin, ob bei Zutreffen der aufgestellten Behauptungen der Klage stattzugeben gewesen wäre (RIS-Justiz RS0044631).

Der Rechtsansicht des Landesgerichts Wels, dass der Kläger kein taugliches Vorbringen erstattet hat, das den Nichtigkeitsklagegrund des § 529 Abs 1 Z 1 ZPO begründen könnte („wenn ein erkennender Richter von der Ausübung des Richteramtes in dem Rechtsstreit kraft des Gesetzes ausgeschlossen war“), ist zu folgen. Trotz der Verwendung des Wortes „Ausgeschlossenheit“ macht der Kläger in seinen umfangreichen inhaltlichen Ausführungen allein mögliche Befangenheitsgründe geltend, die aber gerade nicht geeignet sind, eine auf § 529 Abs 1 Z 1 ZPO gestützte Nichtigkeitsklage zu rechtfertigen (RIS-Justiz RS0042070). In diesem Fall ist die Nichtigkeitsklage bereits im Vorprüfungsverfahren zurückzuweisen (10 ObS 363/98z; RIS-Justiz RS0044627).

7.2. Das Rekursvorbringen des Klägers geht letztlich dahin, dass er sein - inhaltlich auf das Vorliegen von Befangenheitsgründen gestütztes - Klagevorbringen durch einen bestellten Verfahrenshelfer (im Rahmen einer Verbesserung des Klageschriftsatzes) verändert und Ausführungen zur Ausgeschlossenheit getätigt hätte. Abgesehen davon, dass er im Rekurs ausführen hätte müssen, worin eine Ausgeschlossenheit der Richter gelegen sein könnte (die Aktenlage gibt keinerlei Hinweise), dient das Verbesserungsverfahren nicht dazu, sachlich unrichtige oder unschlüssige Ausführungen zu korrigieren (5 Ob 86/01k; Gitschthaler in Rechberger 3 §§ 84, 85 ZPO Rz 12).

Das Rechtsmittel des Klägers muss daher erfolglos bleiben.

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