OGH 3Ob165/12d

OGH3Ob165/12d19.9.2012

Der Oberste Gerichtshof hat durch den Senatspräsidenten Dr. Prückner als Vorsitzenden sowie den Hofrat Hon.‑Prof. Dr. Neumayr, die Hofrätin Dr. Lovrek und die Hofräte Dr. Jensik und Dr. Roch als weitere Richter in der Rechtssache der klagenden Partei J*****, vertreten durch Mag. Werner Landl, Rechtsanwalt in Vöcklabruck, gegen die beklagte Partei V***** reg. Gen. mbH, *****, vertreten durch Dr. Norbert Schmid, Rechtsanwalt in Vöcklabruck, wegen Feststellung (Streitwert 25.000 EUR), über die außerordentliche Revision der klagenden Partei gegen das Urteil und die Beschlüsse des Landesgerichts Wels als Berufungsgericht vom 6. Juni 2012, GZ 22 R 85/12z‑52, womit über Berufung und Rekurs der klagenden Partei das Urteil und die Beschlüsse des Bezirksgerichts Frankenmarkt vom 23. Jänner 2012, GZ 2 C 864/05b‑47, bestätigt wurden, den

Beschluss

gefasst:

 

Spruch:

Der Revisionsrekurs des Klägers gegen den Punkt 2. der Entscheidung des Gerichts zweiter Instanz wird als jedenfalls unzulässig zurückgewiesen.

Im Übrigen werden die außerordentliche Revision und der außerordentliche Revisionsrekurs des Klägers mangels der Voraussetzungen des § 502 Abs 1 ZPO bzw des § 528 Abs 1 ZPO zurückgewiesen.

Der Antrag der beklagten Partei auf Zuspruch von Kosten für ihre Revisionsrekurs- und Revisionsbeantwortung wird abgewiesen.

Text

Begründung

Der Kläger ist Eigentümer mehrerer Liegenschaften im Sprengel des Erstgerichts. Laut Pfandurkunde vom 16. Oktober 1990 hat ihm die beklagte Partei ein Darlehen in Höhe von 1.600.000 ATS zugezählt. Zur Sicherstellung dieses Darlehens samt Nebengebühren hat der Kläger vier Liegenschaften zum Pfand bestellt. Mit Notariatsakt vom 16. Oktober 1990 erteilte der Kläger seine ausdrückliche Einwilligung, dass die von ihm in der Pfandurkunde übernommene und anerkannte Schuld an Kapital und Nebenverbindlichkeiten iSd §§ 3, 3a NO gleich einem vor Gericht abgeschlossenen Vergleich sofort vollstreckbar sein soll.

Auf der Grundlage dieses vollstreckbaren Notariatsakts hat das Erstgericht am 29. Dezember 1995 die Zwangsversteigerung bewilligt.

Im nunmehrigen Verfahren begehrt der Kläger

1. die Feststellung, dass dem Notariatsakt vom 16. Oktober 1990 keine Exekutionskraft zukomme,

in eventu die Feststellung, dass der Notariatsakt und die diesem angeschlossenen Privaturkunden nichtig und rechtsunwirksam seien,

2. die beklagte Partei schuldig zu erkennen, in die Löschung des zu ihren Gunsten einverleibten Pfandrechts einzuwilligen,

in eventu die bewilligte Einverleibung des Pfandrechts für unwirksam zu erklären.

Das Erstgericht hat unter Punkt I. seiner Entscheidung die Anträge des Klägers

a) auf Unterbrechung des Verfahrens bis zum Vorliegen des Umbestellungsbeschlusses des zur Verfahrenshilfe für den Kläger bestellten Vertreters (wegen Fehlens eines eine Unterbrechung rechtfertigenden Grundes) und

b) auf Unterbrechung des Verfahrens bis zur Erledigung des Ablehnungsantrags des Klägers gegen den erkennenden Richter (im Hinblick auf die häufige Abweisung von zahllosen unbegründeten Ablehnungsanträgen durch den Kläger)

abgewiesen sowie

c) den Antrag auf Beischaffung näher bezeichneter Akten und auf Vernehmung näher bezeichneter Zeugen wegen verspäteten Vorbringens (§ 179 ZPO) zurückgewiesen.

Unter Punkt II. seiner Entscheidung hat das Erstgericht das Klagebegehren mit der Begründung abgewiesen, dass der Kläger die fehlende Vollstreckbarkeit des Notariatsakts allein mit Rekurs gegen die Exekutionsbewilligung relevieren hätte können.

Das vom Kläger angerufene Berufungs‑ bzw Rekursgericht setzte folgende Schritte:

1. Es verfasste über den auch im Rechtsmittelschriftsatz ausgeführten Ablehnungsantrag, der unter anderem die Mitglieder des Rekurssenats betraf, einen Aktenvermerk über das Unterbleiben einer beschlussmäßigen Erledigung (ON 51).

2. Es wies den Rekurs gegen die Abweisung der beantragten Verfahrensunterbrechung (bis zum Vorliegen eines Umbestellungsbeschlusses des Verfahrenshelfers bzw bis zur Erledigung des Ablehnungsantrags) zurück, weil es sich dabei um unanfechtbare Anordnungen handle.

3. Es wies den Rekurs gegen die Zurückweisung der Beweisanträge ab, weil weitere Beweisaufnahmen aus rechtlichen Gründen entbehrlich gewesen seien.

4. Es verwarf die Berufung wegen Nichtigkeit und gab der Berufung im Übrigen nicht Folge.

Den Entscheidungsgegenstand bewertete es mit 30.000 EUR übersteigend. Weiters sprach es aus, dass Revision und Revisionsrekurs teilweise nicht zulässig, teilweise jedenfalls unzulässig seien.

Gegen diese Entscheidung richtet das als außerordentliche Revision und außerordentlicher Revisionsrekurs bezeichnete Rechtsmittel des Klägers, in dem als Rechtsmittelgründe Nichtigkeit, Mangelhaftigkeit des Verfahrens, Aktenwidrigkeit und unrichtige rechtliche Beurteilung geltend gemacht werden.

Zusammengefasst wird ausgeführt:

(a) Alle Senatsmitglieder des Berufungs‑ bzw Rekursenats seien ebenso wie der Erstrichter aufgrund von vom Kläger gegen sie erhobenen Vorwürfen befangen. Mehrere Entscheidungen dieser Richter seien aufgehoben bzw berichtigt worden, was ebenfalls ihre Unbefangenheit in Frage stelle. Die Entscheidung durch befangene Richter begründe die Nichtigkeit der von ihnen gefällten Entscheidung.

(b) Zu Unrecht hätten die Vorinstanzen die Aufnahme der vom Kläger beantragten Beweise abgelehnt.

(c) Der Notariatsakt sei ebenso „mangelhaft“ (unbestimmt) wie jener Notariatsakt, dessen Mangelhaftigkeit in einem Verfahren vor dem Landesgericht Salzburg als Rekursgericht festgestellt worden sei. Im konkreten Fall sei die nach § 3 Abs 1 lit b NO erforderliche Leistungsverpflichtung in betraglicher und zeitlicher Hinsicht weder durch den Notariatsakt, noch durch die Pfandurkunde festgelegt, weshalb es an einer wesentlichen Voraussetzung für die Exequierbarkeit des Notariatsakts fehle.

Zu Unrecht habe das Berufungsgericht die vom Kläger begehrte Feststellung, dass der Notariatsakt nicht exequierbar sei, nicht getroffen, obwohl sich die begehrte Feststellung aus seiner Aussage wie auch aus verlesenen Zeugenaussagen eindeutig ergebe.

(d) Eine Aktenwidrigkeit liege darin, dass sich das Berufungsgericht nicht mit den vorgelegten Urkunden auseinandergesetzt habe. Im Sinne der Einheitlichkeit der Rechtsprechung hätte das Berufungsgericht eine gleichlautende Entscheidung wie seinerzeit das Landesgericht Salzburg als Rekurgericht treffen müssen.

Dazu wurde erwogen:

Rechtliche Beurteilung

1. Zum Ablehnungsantrag hat der Rechtsmittelsenat einen Aktenvermerk über das Unterbleiben einer beschlussmäßigen Erledigung verfasst (ON 51). Rechtsmissbräuchlich ständig wiederholte Ablehnungsanträge müssen nicht zum Gegenstand einer gerichtlichen Entscheidung gemacht werden (RIS‑Justiz RS0046015 [T2]). Die Beurteilung, ob im konkreten Fall die Voraussetzungen für das Unterbleiben einer beschlussmäßigen Erledigung eines Ablehnungsantrags vorlagen, kann nur einzelfallbezogen getroffen werden (RIS‑Justiz RS0046015 [T4]); eine vom Obersten Gerichtshof aufzugreifende Fehlbeurteilung ist nicht erkennbar.

2. Gegen die Entscheidung über einen Ablehnungsantrag gegen den erstinstanzlichen Richter ist ein Revisionsrekurs an den Obersten Gerichtshof jedenfalls unzulässig (RIS‑Justiz RS0016522 [T4], RS0074402).

3. Der Nichtigkeitsgrund nach § 477 Abs 1 Z 1 ZPO setzt voraus, dass ein ausgeschlossener oder erfolgreich abgelehnter Richter das Urteil gefällt oder als Senatsmitglied an der Urteilsfällung mitgewirkt hat (RIS‑Justiz RS0007462, RS0109254). Wurde dagegen eine Ablehnung nicht für gerechtfertigt erkannt, liegt der Nichtigkeitsgrund des § 477 Abs 1 Z 1 ZPO nicht vor (RIS‑Justiz RS0007462 [T1]).

4. Eine Bindung des Berufungsgerichts an die vom Kläger zitierte Entscheidung des Landesgerichts Salzburg als Rekursgericht in einem nach Ansicht des Klägers vergleichbaren Fall ist dem österreichischen Recht fremd.

5. Der Notariatsakt vom 16. Oktober 1990 war bereits Gegenstand der Entscheidung 3 Ob 135/08m. Der Oberste Gerichtshof hat in dieser Entscheidung ausgesprochen, dass die mangelnde Bestimmtheit des Exekutionstitels (§ 7 Abs 1 EO) nur mit Rekurs geltend zu machen ist (RIS-Justiz RS0000327).

6. Eine in der Berufung geltend gemachte und vom Berufungsgericht verneinte Mangelhaftigkeit des erstinstanzlichen Verfahrens kann nicht mehr an die dritte Instanz herangetragen werden (RIS‑Justiz RS0042963). Der Fall, dass sich das Berufungsgericht in seiner Entscheidung nicht mit der Mängelrüge des Berufungswerbers befasst hat (dazu RIS‑Justiz RS0042963 [T9]) oder dass das Berufungsgericht die geltend gemachte Mangelhaftigkeit des erstinstanzlichen Verfahrens mit einer unhaltbaren rechtlichen Beurteilung verworfen hätte (RIS‑Justiz RS0042963 [T37]), liegt nicht vor.

7. Abgesehen davon, dass die Frage der Exequierbarkeit des Notariatsakts eine solche der rechtlichen Beurteilung darstellt, ist eine Aktenwidrigkeit nur dann gegeben, wenn Feststellungen auf aktenwidriger Grundlage getroffen werden, und nicht schon dann, wenn das Gericht einem Beweisergebnis nicht gefolgt ist (RIS‑Justiz RS0043347]).

8. Soweit die an den Obersten Gerichtshof gerichteten Rechtsmittel des Klägers nicht jedenfalls unzulässig sind (in Bezug auf die Ablehnung des Richters erster Instanz sowie wegen Bestätigung der erstinstanzlichen Entscheidung), ist es mangels erheblicher Rechtsfrage iSd § 502 Abs 1 ZPO bzw § 528 Abs 1 ZPO unzulässig.

9. In der Rechtsmittelbeantwortung befasst sich die beklagte Partei zwar mit der Unzulässigkeit des Rechtsmittels des Klägers mangels erheblicher Rechtsfrage; da eine Rechtsmittelbeantwortung aber nicht freigestellt war, dient sie nicht der zweckentsprechenden Rechtsverfolgung.

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