OGH 3Ob182/13f

OGH3Ob182/13f19.12.2013

Der Oberste Gerichtshof hat durch den Senatspräsidenten Dr. Prückner als Vorsitzenden sowie den Hofrat Univ.-Prof. Dr. Neumayr, die Hofrätin Dr. Lovrek und die Hofräte Dr. Jensik und Dr. Roch als weitere Richter in der Rechtssache der klagenden Parteien 1. B***** GmbH Montagebau, *****, Deutschland, und 2. A***** Versicherung AG, *****, Deutschland, beide vertreten durch Mag. Gernot Strobl, Rechtsanwalt in Salzburg, gegen die beklagten Parteien 1. D***** Gesellschaft m.b.H. & Co. KG, *****, 2. D***** Ges.m.b.H., *****, und 3. J*****, alle vertreten durch Dr. Franz Gütlbauer, Dr. Siegfried Sieghartsleitner und Dr. Michael Pichlmair, Rechtsanwälte in Wels, und ihres Nebenintervenienten Dipl.-Ing. J*****, Deutschland, vertreten durch MMag. Christoph Doppelbauer, Rechtsanwalt in Wels, wegen 28.641,80 EUR sA und Feststellung (200.000 EUR), infolge außerordentlicher Revision der beklagten Parteien gegen das Teilzwischenurteil des Oberlandesgerichts Linz als Berufungsgericht vom 26. Juni 2013, GZ 3 R 62/13b-44, womit infolge Berufung der klagenden Parteien das Teilurteil des Landesgerichts Wels vom 17. Jänner 2013, GZ 26 Cg 235/10b-37, abgeändert wurde, den

Beschluss

gefasst:

 

Spruch:

Die außerordentliche Revision der beklagten Parteien wird gemäß § 508a Abs 2 ZPO mangels der Voraussetzungen des § 502 Abs 1 ZPO zurückgewiesen.

Der Antrag der klagenden Parteien auf Zuspruch der Kosten der Revisionsbeantwortung wird abgewiesen.

Text

Begründung

Am 7. Februar 2006 stürzte in T***** in Bayern das Dach eines in den Jahren 2000/2001 erbauten Verbrauchermarktes ein. Die erstklagende Partei hatte seinerzeit im Auftrag einer Generalunternehmerin die Dachkonstruktion des Verbrauchermarktes errichtet; die erstbeklagte Partei hatte als System-Lieferant die von der erstklagenden Partei vor Ort zu montierenden Dachbauteile konstruiert und geliefert. Die zweitklagende Partei ist die Betriebshaftpflichtversicherung der erstbeklagten Partei; die zweit- und drittbeklagten Parteien sind persönlich haftende Gesellschafter der erstbeklagten Partei. Der Nebenintervenient führte im Auftrag der erstbeklagten Partei die statischen Berechnungen der Dachkonstruktion durch.

Gemäß Punkt 12. der von der erstklagenden Partei gegengezeichneten Allgemeinen Verkaufs- und Lieferbedingungen der erstbeklagten Partei ist auf das Vertragsverhältnis zwischen der erstklagenden und der erstbeklagten Partei ausschließlich österreichisches Recht - mit Ausnahme des UN-Kaufrechts - anzuwenden.

Die Generalunternehmerin machte im Jahr 2006 gegen die (hier) erstklagende Partei vor dem Landgericht Traunstein Schadenersatzansprüche geltend; die erstbeklagte Partei trat dem Verfahren als Streithelferin bei. Mit Teil-Grundurteil und Teil-Endurteil vom 24. April 2008 sprach das Landgericht Traunstein aus, dass der Anspruch der Generalunternehmerin gegen die (hier) erstklagende Partei auf Ersatz ihres Schadens sowie der Mängelbeseitigungskosten wegen des Einsturzes des Verbrauchermarktgebäudes begründet ist, und stellte fest, dass die (hier) erstklagende Partei zum Ersatz sämtlicher weiterer Schäden aus dem Schadensereignis vom 7. Februar 2006 verpflichtet ist. Die dagegen an das Oberlandesgericht München erhobene Berufung blieb laut dessen Entscheidung vom 25. November 2008 erfolglos.

Mit der am 23. November 2010 eingebrachten Klage verlangt nunmehr die erstklagende Partei von den beklagten Parteien die von ihr in dem Verfahren vor dem Landgericht Traunstein getragenen Verfahrenskosten in Höhe von 28.641,60 EUR sA ersetzt. Weiters begehren die klagenden Parteien die Feststellung, dass die beklagten Parteien zur ungeteilten Hand schuldig seien, sämtliche Schäden zu ersetzen, die den klagenden Parteien aufgrund des Einsturzes der Dachkonstruktion des Verbrauchermarktes am 7. Februar 2006 entstünden.

In der Tagsatzung vom 21. November 2012 (ON 34) hat das Erstgericht den Beschluss gefasst, über den Anspruch auf Zahlung von 28.641,60 EUR sA getrennt zu verhandeln und fällte infolge Verjährung ein klageabweisendes (Teil-)Urteil über das Feststellungsbegehren. Allein die Frage der Verjährung des Feststellungsanspruchs bildet den Gegenstand des Revisionsverfahrens.

Die Verjährung des Feststellungsanspruchs begründete das Erstgericht zusammengefasst wie folgt:

Die erstklagende Partei sei bereits Ende März 2006 einem vor dem Landgericht Traunstein anhängigen Beweissicherungsverfahren als Streithelferin beigetreten und habe Kenntnis von den gutachterlichen Schlussfolgerungen des vom Gericht beigezogenen Sachverständigen vom 10. Juli 2006 erlangt. Dieses Gutachten sei auch der am 24. November 2006 beim Landgericht Traunstein erhobenen Klage der Generalunternehmerin gegen die erstklagende Partei beigelegt gewesen. Die erstklagende Partei habe in ihrer Streitverkündung an die erstbeklagte Partei vom 12. Dezember 2006 selbst darauf Bezug genommen; sie sei daher schon im Dezember 2006 vom Kausalzusammenhang zwischen dem schädigenden Ereignis und dem eingetretenen Schaden in Kenntnis gewesen. Zu diesem Zeitpunkt sei ihr auch die Höhe des Schadens großteils bekannt gewesen, weil in der Klage der Generalunternehmerin die Forderung von 461.378,33 EUR aufgeschlüsselt gewesen sei. Somit seien ihr zu diesem Zeitpunkt alle Voraussetzungen für eine erfolgversprechende Anspruchsverfolgung bekannt gewesen. Die hier anzuwendende dreijährige Verjährungsfrist habe demnach spätestens im Dezember 2006 zu laufen begonnen, weshalb die am 23. November 2010 eingebrachte Klage wegen Verjährung abzuweisen sei.

Das Berufungsgericht änderte das Teilurteil des Erstgerichts ab und sprach mit Teilzwischenurteil nach § 393a ZPO aus, dass die den Gegenstand des Feststellungsbegehrens der klagenden Parteien bildenden Ansprüche nicht verjährt seien.

Den Gegenstand des Feststellungsbegehrens der klagenden Parteien bildeten nicht etwa eigene Schäden (im engeren Sinn) der erstklagenden Partei; vielmehr begehren die klagenden Parteien von den beklagten Parteien den Rückersatz von Schäden, die einerseits dem Liegenschaftseigentümer, andererseits dem Betreiber des Lebensmittelmarktes entstanden seien. Für den Ersatz dieser Schäden werde die erstklagende Partei selbst im Rahmen der Gehilfenkette in Anspruch genommen.

Nach ständiger Rechtsprechung sei Voraussetzung für das Entstehen des Regressanspruchs des Geschäftsherrn gemäß § 1313 Satz 2 ABGB nicht der Schadenseintritt oder die Geltendmachung von Schadenersatzansprüchen, sondern die Zahlung des Regressberechtigten an den Dritten, frühestens aber bei endgültiger Verurteilung zur Ersatzleistung der Zeitpunkt, zu dem die Zahlungspflicht des Gläubigers gegenüber dem Dritten unverrückbar feststehe. Dies gelte auch in den Fällen, in denen der Regressanspruch gleichzeitig Schadenersatzcharakter habe.

Im vorliegenden Fall sei zwar die erstklagende Partei bereits im März 2006 dem Beweissicherungsverfahren beigezogen worden und habe deshalb Kenntnis vom Gutachtensinhalt gehabt. Dieser Umstand führe allerdings nicht zu einer Situation eines „unverrückbaren Feststehens“ einer Ersatzpflicht der erstklagenden Partei, weil - wie die gerichtliche Praxis zeige - nicht auszuschließen gewesen sei, dass nachfolgende Sachverständige zu anderen Ergebnissen kommen. Die erstklagende Partei habe auch die von dem im Beweissicherungsverfahren beigezogenen Sachverständigen erhobenen Ursachen nicht bedingungslos zur Kenntnis genommen. Im konkreten Fall sei davon auszugehen, dass die klagenden Parteien für die den Gegenstand des Feststellungsbegehrens bildenden Ansprüche noch keine Zahlung geleistet hätten. Derartige Verbindlichkeiten der erstklagenden Partei gegenüber ihrer Auftraggeberin stünden dem Grunde nach auch erst seit dem das erstinstanzliche Teil-Grundurteil bestätigenden Endurteil des Oberlandesgerichtes München vom 25. November 2008 „unverrückbar“ fest. Schon aus diesen Erwägungen seien zum Zeitpunkt der Klageeinbringung am 23. November 2010 allfällige Regressansprüche der erstklagenden Partei sowie allfällige von ihr abgeleitete Ansprüche der zweitklagenden Partei noch nicht verjährt gewesen. Auf weitere Argumente, die ebenfalls gegen den Eintritt der Verjährung sprächen, müsse daher nicht mehr eingegangen werden.

Das Berufungsgericht bewertete den Entscheidungsgegenstand mit jeweils 30.000 EUR übersteigend und ließ die Revision im Hinblick auf die gesicherte höchstgerichtliche Rechtsprechung nicht zu.

In ihrer außerordentlichen Revision stellen die beklagten Parteien in den Vordergrund, dass die erstklagende Partei keinen Regressanspruch geltend gemacht, sondern die Feststellung der Haftung der beklagten Parteien für ihre eigenen Schäden begehrt habe. Die erstklagende Partei habe bereits im Beweissicherungsverfahren vor dem Landgericht Traunstein Kenntnis von ihrer Haftung bzw einer allfälligen Haftung der beklagten Parteien gehabt und diesen den Streit verkündet und überdies dort auch anerkannt, dass sie für den entstandenen Schaden zumindest im Rahmen einer Mitschuld hafte. Daher seien auch die den klagenden Parteien allenfalls zustehenden Regressansprüche verjährt. Die von der erstklagenden Partei am 22. Dezember 2009 beim Landgericht Traunstein gegen die (hier) erst- und drittbeklagten Parteien eingebrachte und wegen fehlender internationaler Zuständigkeit zurückgewiesene Klage sei nicht geeignet gewesen, die Verjährung zu unterbrechen, da die Verjährung zu diesem Zeitpunkt bereits eingetreten gewesen sei und diese Klage einen anderen Anspruch betreffe.

Rechtliche Beurteilung

Damit wird keine erhebliche Rechtsfrage dargestellt.

1. Anders als die beklagten Parteien meinen geht aus dem gesamten, im Zusammenhang zu lesenden Vorbringen der klagenden Partei hervor, dass sie mit ihrem Feststellungsbegehren nicht den Ersatz „eigener Schäden“ begehren, sondern den Ersatz von Beträgen, mit denen sie im Regressweg in der Gehilfenkette konfrontiert werden. Die Ausführungen, dass dem nicht so sei, können nicht geteilt werden. Wohl haben die klagenden Parteien zur Verjährungsfrage nur mit dem für einen Schadenersatzanspruch ganz allgemein maßgeblichen, noch nicht ausreichend feststellbar gewesenen Kausalzusammenhang und nicht mit dem für Regressansprüche entscheidenden Zeitpunkt einer Zahlung des Regressberechtigten argumentiert und weiters durch die weite Fassung des Klagebegehrens den Eindruck erweckt, es ginge nicht um Regressansprüche. Es ist aber schon in der Klage von der Haftung der Erstklägerin gegenüber dem Generalunternehmer und von an sie herangetragenen Ansprüche die Rede. Im Schriftsatz ON 32 wird ihre Schadenersatzpflicht gegenüber ihrem Vertragspartner (dem Generalunternehmer) und eine drohende Verurteilung im schon anhängigen Verfahren vor dem Landesgericht Traunstein ins Treffen geführt (S 2 f) und mit diesem Vorbringen auch das Feststellungsinteresse begründet (S 4). Die Qualifizierung der Klage als Regressklage trifft demnach zu.

2. Auf die zentrale Begründung des Berufungsgerichts in seinem Teilzwischenurteil, dass die Verjährungsfrist erst ab Zahlung des Regressberechtigten an den Dritten, frühestens aber mit endgültiger Verurteilung zur Ersatzleistung, wenn die Zahlungspflicht des Gläubigers unverrückbar feststehe, gehen die beklagten Parteien nur insoweit ein, als sie argumentieren, aus dem Verhalten der erstklagenden Partei (namentlich aus dem Inhalt ihrer Klageerwiderung vom 9. Jänner 2007) ergebe sich ein (schlüssiges) Anerkenntnis ihrer Haftung jedenfalls im Sinne eines Mitverschuldens, weshalb die Verjährungsfrist mit dem unverrückbaren Feststehen der Haftung im Jänner 2007 zu laufen begonnen habe. Richtigerweise wären die klagenden Parteien nach Ansicht der beklagten Parteien allerdings schon spätestens seit Sommer 2006 in der Lage gewesen, eine (Feststellungs-)Klage gegen die beklagten Parteien einzubringen; dazu wären sie zur Vermeidung der Verjährung auch verpflichtet gewesen.

3.1. Wer für fremdes Handeln Ersatz leistet, kann gemäß § 1313 Satz 2 ABGB Rückersatz verlangen. So kann der Geschäftsherr, der nach § 1313a ABGB für seinen Gehilfen einstehen muss, vom Gehilfen Ersatz fordern. Die Regel des § 1313 Satz 2 ABGB ergibt sich daraus, dass der Gehilfe seine Pflichten gegenüber dem Geschäftsherrn aus dem Innenverhältnis verletzt hat (Schacherreiter in ABGB-ON1.01 § 1313 Rz 2). Ein bedeutender Anwendungsfall ist die Mangelhaftigkeit der von einem Subunternehmer erbrachten Leistungen (2 Ob 168/01x = SZ 74/119; 1 Ob 40/02t; 3 Ob 313/01b; RS0017479).

3.2. Für das Entstehen des Regressanspruchs nach § 1313 Satz 2 ABGB wird nach der insofern völlig gefestigten Rechtsprechung grundsätzlich an den Zeitpunkt der Zahlung (RIS-Justiz RS0017558; zweifelnd Reischauer in Rummel3 § 1313 Rz 4), frühestens aber an die endgültige Verurteilung zur Ersatzleistung angeknüpft, wenn die Zahlungspflicht des Gläubigers gegenüber dem Dritten unverrückbar feststeht (3 Ob 279/06k = RIS-Justiz RS0017447 [T4]).

3.3. In diesem Zeitpunkt beginnt regelmäßig auch die Verjährungsfrist zu laufen (RIS-Justiz RS0028394 [T1]; 3 Ob 186/10i; 8 Ob 26/10x; 3 Ob 182/11b), und zwar unabhängig davon, ob zwischen dem Geschäftsherrn und dem Erfüllungsgehilfen bzw Subunternehmer ein Gesamthandschuldverhältnis besteht oder bestanden hat (RIS-Justiz RS0017495 [T5]). Die Verjährungsfrist beträgt drei Jahre (RIS-Justiz RS0017447; Mader/Janisch in Schwimann3 § 1489 Rz 28).

3.4. Die zitierte Rechtsprechung zeigt, dass das „unverrückbare Feststehen“ für sich allein die Verjährungsfrist nicht auslöst (ebenso Mader/Janisch in Schwimann3 § 1489 Rz 29), weil der Regressanspruch erst mit der Zahlung entstehen kann. Die Ausführungen der beklagten Parteien, dass der Regressanspruch der klagenden Parteien bereits im Jänner 2007 „unverrückbar festgestanden“ sei, entfernen sich von dieser Rechtsprechung.

3.5. Selbst wenn man zugunsten der beklagten Parteien zuließe, dass das Entstehen der Regressforderung keine Zahlung voraussetzt und es für den Beginn der Verjährungsfrist allein auf ein „unverrückbares Feststehen“ einer Zahlungspflicht ankäme, wäre für sie nichts gewonnen, weil die Zahlungspflicht der klagenden Parteien gegenüber ihrer Gläubigerin frühestens erst durch das Urteil des Oberlandesgerichts München vom 25. November 2008 „unverrückbar feststand“.

4. Insgesamt hält sich die Entscheidung des Berufungsgerichts im Rahmen der Rechtsprechung zu § 1313 Satz 2 ABGB und § 1489 ABGB; eine vom Obersten Gerichtshof aus Gründen der Rechtssicherheit aufzugreifende Fehlbeurteilung ist nicht zu erkennen.

Die außerordentliche Revision der beklagten Partei ist daher mangels erheblicher Rechtsfrage (§ 502 Abs 1 ZPO) zurückzuweisen.

In der Rechtsmittelbeantwortung befassen sich die klagenden Parteien zwar mit der Unzulässigkeit des Rechtsmittels der beklagten Parteien mangels erheblicher Rechtsfrage; da eine Rechtsmittelbeantwortung aber nicht freigestellt war, dient sie nicht der zweckentsprechenden Rechtsverfolgung (§ 508a Abs 2 Satz 2 ZPO).

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