OGH 6Ob216/13b

OGH6Ob216/13b16.12.2013

Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofs Hon.‑Prof. Dr. Pimmer als Vorsitzenden und durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofs Dr. Schramm, Dr. Gitschthaler, Univ.‑Prof. Dr. Kodek und Dr. Nowotny als weitere Richter in der Rechtssache der klagenden Partei I***** R*****, vertreten durch Mag. Joachim Weingartner, Rechtsanwalt in Wien, gegen die beklagte Partei I***** GmbH, *****, vertreten durch Graf Patsch Taucher Rechtsanwälte GmbH in Wien, sowie der Nebenintervenientin auf Seiten der beklagten Partei H***** Z***** GmbH, *****, vertreten durch Dr. Robert Müller und Mag. Gregor Riess LL.M, Rechtsanwälte in Hainfeld, wegen 23.904 EUR sA, Unterlassung und Feststellung (Gesamtstreitwert 43.904 EUR sA, Revisionsstreitwert 27.374 EUR) über die Revision der klagenden Partei gegen das Urteil des Oberlandesgerichts Wien als Berufungsgericht vom 4. September 2013, GZ 15 R 111/13y‑62, womit das Urteil des Landesgerichts für Zivilrechtssachen Wien vom 28. März 2013, GZ 6 Cg 88/11x‑54, abgeändert wurde, in nichtöffentlicher Sitzung den

Beschluss

gefasst:

European Case Law Identifier: ECLI:AT:OGH0002:2013:0060OB00216.13B.1216.000

 

Spruch:

Der Revision wird Folge gegeben.

Das angefochtene Urteil, das in seinem Punkt 1 als nicht in Beschwerde gezogen unberührt bleibt, wird in den Punkten 2 bis 5 sowie im Kostenpunkt aufgehoben.

Die Rechtssache wird zur neuerlichen Entscheidung an das Berufungsgericht zurückverwiesen.

Die Kosten des Revisionsverfahrens sind weitere Verfahrenskosten.

Begründung:

Das Haus der Klägerin liegt an der Westseite der Z*****gasse ca 150 m von der Baustelleneinfahrt bzw vom Grundstück der beklagten Partei entfernt. Etwa ab dem Haus der Klägerin steigt die Z*****gasse zur südlich querenden T*****gasse an. Das Haus der Klägerin besteht aus zwei Geschossen und dem Dachboden und ist nicht unterkellert. Es befand sich im Jahr 2009 in einem sehr gepflegten Zustand.

Ab dem Jahr 2006 ließ die beklagte Partei auf den ihr gehörigen Grundstücken das „Forum S*****“ bestehend aus einem Bürohaus aus fünf‑ bis sechsgeschossigen Gebäudeteilen, Wohngebäude und Tiefgarage errichten. Zur Sicherung der reibungslosen Baustellenzufahrt, die sich im Sackgasseneinmündungsbereich der Z*****gasse befand, wurde mit Bescheid die Nutzung der öffentlichen Verkehrsflächen im Zeitraum 25. 6. 2007 bis 28. 9. 2008 bewilligt und die Errichtung von Halte‑ und Parkverbotsbereichen vorgesehen. Im Zusammenhang mit der Errichtung des Bauteils 1 wurden erstmals Ende 2007/Anfang 2008 Haarrisse im Verputz an den Wänden des Hauses der Klägerin sichtbar. Die Risse verschlimmerten sich massiv mit den Bauarbeiten am Bauteil 2, die im Herbst 2009 begannen. Wiederum wurde mit Bescheid die Bewilligung zur Benützung der öffentlichen Verkehrsflächen für private Zwecke erteilt. Überdies wurden mehrere Auflagen erteilt. In der Z*****gasse wurden auf beiden Seiten Halte‑ und Parkverbote verordnet.

Im Zusammenhang mit der Errichtung des Bauteils 2 (Bürogebäude) wurde ab Ende Oktober 2009 der Gebäudealtbestand geräumt. Dabei anfallende Möbel und Sperrmüll wurden in Mulden abtransportiert, was ca drei Wochen dauerte. Daran anschließend wurden von Mitte November bis 18. 12. 2009 die eigentlichen Abbrucharbeiten des Gebäudes selbst durchgeführt. Der Abtransport erfolgte mit schweren mehrachsigen Lkws, die Beladen bis zu 40 Tonnen erreichen. Dafür waren zumindest in den letzten 14 Tagen dieser Arbeiten 10 Lkw erforderlich. Es fiel auch weiterhin Sperrmüll an, der in Mulden auf Lkw abtransportiert wurde. Von 11. 1. 2010 bis 26. 2. 2010 erfolgten die Baugrubenaushubarbeiten. Allein der Abtransport des Erdaushubmaterials erforderte 30 Lkw pro Tag.

Während der gesamten Bautätigkeit auf der Baustelle erfolgte der Baustellenverkehr, der regelmäßig auch mit schweren mehrachsigen Lkws geführt wurde, sowohl über die R*****gasse als auch über die Z*****gasse. Durch die Z*****gasse fuhren nahezu täglich mit Abbruch‑ und Aushubmaterial oder großen und schweren Baumaschinen beladene und unbeladene Lkw, manchmal nahezu im Minutentakt. Der Baustellenverkehr verursachte Erschütterungen, die über das Ausmaß des bis dahin passierenden üblichen Verkehrs hinausgingen und ab November 2009 am Haus der Klägerin zu zahlreichen Rissschäden größeren Ausmaßes sowohl im Innenbereich als auch an der Außenfassade führten.

Die klagende Partei begehrte Unterlassung, Schadenersatz in Höhe von 23.904 EUR sA und die Feststellung der Haftung für künftige Schäden.

Ausgehend von dem im vorigen wiedergegebenen Sachverhalt wies das Erstgericht das Unterlassungsbegehren ab, gab jedoch dem Zahlungs‑ und Feststellungsbegehren ‑ abgesehen von der Abweisung eines geringfügigen Mehrbegehrens von 1.530 EUR sA ‑ statt.

Die beklagte Partei hafte gemäß § 364 Abs 2 ABGB als bis 12. 8. 2010 im Grundbuch eingetragene Eigentümerin der Liegenschaft und Bauherrin der Baustelle. Da die Immissionen das nach den örtlichen Verhältnissen gewöhnliche Ausmaß überschritten, könne die Klägerin Ersatz der Schadensbehebungskosten verlangen.

Das Berufungsgericht änderte dieses Urteil im klagsabweisenden Sinn ab. Der Ausgleichsanspruch nach §§ 364, 364a ABGB bestehe nicht zu Recht, weil der bloße Gemeingebrauch zur Benützung des öffentlichen Gutes die erforderliche rechtliche Sonderbeziehung zum Grundeigentümer nicht herstelle. Die gegenteilige Auffassung würde zu einer unzulässigen und unabsehbaren Weiterung der nachbarrechtlichen Ausgleichsverpflichtung nach § 364a ABGB führen. Überspitzt formuliert müsste dann jeder Benützer einer öffentlichen Straße für etwaige aufgrund des Straßenverkehrs und der damit verbundenen Emissionen und Immissionen auftretende Gesundheitsbeeinträchtigungen der Nachbarn haften, sobald sich die Benutzungsart der gegenständlichen Straße erheblich geändert hätte.

Die ordentliche Revision sei zulässig, weil gesicherte Rechtsprechung dazu fehle, ob eine Haftung des Straßenbenützers für eigene Fahrten bzw Fahrten in seinem Auftrag auf öffentlichen Straßen dann in Betracht komme, wenn diese Nutzung in einer stets allen Verkehrsteilnehmern offenstehenden Weise und ohne Hinzutreten weiterer Umstände erfolge.

Die Revision ist aus dem vom Berufungsgericht angeführten Grund zulässig; sie ist im Sinne des Aufhebungsantrags auch berechtigt.

Rechtliche Beurteilung

1.1. Nach § 364 Abs 2 ABGB kann der Eigentümer eines Grundstücks dem Nachbarn die von dessen Grund ausgehenden Einwirkungen durch Abwässer, Rauch, Gase, Wärme, Geruch, Geräusch, Erschütterung und ähnliche insoweit untersagen, als sie das nach den örtlichen Verhältnissen gewöhnliche Maß überschreiten und die ortsübliche Benutzung des Grundstücks wesentlich beeinträchtigen.

1.2. Nach § 364a ABGB ist jedoch, wenn die Beeinträchtigung durch eine behördlich genehmigte Anlage verursacht wird, der Grundbesitzer nur berechtigt, den Ersatz des zugefügten Schadens gerichtlich zu verlangen, auch wenn der Schaden durch Umstände verursacht wird, auf die bei der behördlichen Verhandlung keine Rücksicht genommen wurde. Eine öffentliche Straße gilt als behördlich genehmigte Anlage iSd § 364a ABGB (SZ 63/133 mwN; ausführlich Kerschner/Wagner in F enyves/Kerschner/Vonkilch , Klang 3 § 364a Rz 91 ff).

1.3. Erschütterungen durch Bauarbeiten, soweit diese nicht aus einer unzulässigen Vertiefung resultieren, sind Immissionen iSd § 364 Abs 2 ABGB. Solche sind in einem schadensträchtigen Ausmaß in der Regel ortsunüblich ( Kerschner/Wagner aaO § 364 Rz 160). Dies gilt auch für das Zu‑ und Abfahren von Baufahrzeugen des Werkunternehmers ( Kerschner/Wagner aaO). Dazu wird in der Literatur vertreten, dass der Umstand, dass das Zu‑ und Abfahren von Baufahrzeugen auf der öffentlichen Straße erfolgt, die Zurechnung an den Bauführer nicht hindert, sofern die Einwirkung eine adäquate und typische Folge der Baustelle darstellt und notwendig mit dieser verbunden ist ( Kerschner/Wagner aaO § 364 Rz 160; vgl auch 3 Ob 2413/96s RdU 1997/42 [ E. Wagner ]).

2.1. Der Anspruch nach § 364 ABGB kann sich gegen den dinglich Berechtigten, den Bestandnehmer oder gegen jeden, der den Grund sonst für eigene Zwecke nützt, richten ( Koziol , Haftpflichtrecht II 2 320; 6 Ob 608/95). Als sogenannter „Handlungsstörer“ (vgl dazu Kerschner/Wagner in Fenyves/Kerschner/Vonkilch , Klang 3 § 364 Rz 285 f; RIS‑Justiz RS0010586; RS0010519) ist derjenige passiv legitimiert, der die Beeinträchtigung durch positives Tun oder pflichtwidriges Unterlassen adäquat verursacht ( Kerschner/Wagner aaO § 364 Rz 285). Das Untersagungsrecht nach § 364 Abs 2 ABGB richtet sich daher nicht nur gegen den Grundeigentümer, sondern gegen jeden, der durch Vorkehrungen auf dem Nachbargrundstück unzulässige Störungen hervorruft (RIS‑Justiz RS0010586, Oberhammer in Schwimann/Kodek , ABGB 4 § 364 Rz 12).

2.2. Für von einer Anlage iSd § 364a ABGB ausgehende Immissionen haftet nicht nur der Eigentümer des Nachbargrundstücks, im vorliegenden Fall also die Gemeinde als Rechtsträgerin des öffentlichen Gutes, sondern jeder, der die Beeinträchtigung durch eine wenn auch behördlich genehmigte Anlage herbeiführt, der also das Grundstück für eigene Zwecke benützt und dadurch Störungen hervorruft (6 Ob 608/95, RdU 1996/133 [ Kerschner ]). Dass ein Liegenschaftseigentümer schädigendes Verhalten des von ihm mit einer Bauführung beauftragten Baumeisters und dessen Leuten zu vertreten hat, entspricht ständiger Rechtsprechung (RIS‑Justiz RS0010519 [T3]).

2.3. Die Haftung des unmittelbaren Störers, der nicht Grundstücksnachbar ist, setzt voraus, dass das Handeln des Störers zumindest in irgendeiner rechtlichen Beziehung zum Grundstückseigentümer steht, sodass das Handeln deshalb als „in Ausübung des Eigentumsrechtes“ im Sinne des § 364 Abs 1 ABGB qualifiziert werden kann (6 Ob 608/95). Der Störer wird ersatzpflichtig, dem die Immission wegen seiner Beziehung zum emittierenden Grundstück zuzurechnen ist (SZ 61/241, in welcher Entscheidung die Haftung des vom Grundeigentümer verschiedenen Betreibers der Anlage bejaht wurde). Schon in der in EvBl 1964/239 veröffentlichten Entscheidung wurde darauf verwiesen, dass Ansprüche nach §§ 364, 364a ABGB gegen jeden Dritten geltend gemacht werden können, der durch Vorkehrungen auf dem Nachbargrundstück unzulässige Störungen hervorruft, sofern letzerer mit dem Eigentümer des Grundstücks in einem Rechtsverhältnis bezüglich dessen Benützung für seine eigenen Zwecke steht. Am Erfordernis des Vorliegens einer solchen Beziehung zwischen dem Störer und dem Eigentümer des Nachbargrundstücks hat der Oberste Gerichtshof auch in neuerer Zeit festgehalten (6 Ob 608/95).

2.4. Einzelne Stimmen in der Literatur kritisieren das Erfordernis einer Sonderbeziehung, weil dies dem Charakter der Immissionsabwehrklage als Eigentumsfreiheitsklage widerspreche ( Oberhammer in Schwimann/Kodek , ABGB 4 § 364 Rz 12). Nach Holzner in Kletečka/Schauer , ABGB‑ON § 364 Rz 6; ähnlich Spielbüchler in Rummel , ABGB 3 § 364 Rz 5) gelte dieses Kriterium nur für die Zurechnung der Störung an „mittelbare Störer“. Auch Holzner verlangt einen gewissen Zusammenhang zwischen Sachherrschaft und Immission. Nach Kerschner/Wagner (aaO § 364 Rz 285 und 279) sprechen demgegenüber historische Argumente sowie allenfalls der Wortlaut des § 364 Abs 2 ABGB für dieses Erfordernis. Jedenfalls sollte der Nutzungszusammenhang sehr weit gefasst werden. Als Beispiel führen diese Autoren den Fall pfeifenrauchender Besucher eines öffentlichen Parks an, die diesen für eigene Zwecke nutzen und passiv legitimiert wären, wenn der Rauch die ortsübliche Nutzung einer Nachbarliegenschaft erheblich beeinträchtigt.

3.1. Auf diese Auffassungen ist im vorliegenden Fall jedoch nicht abschließend einzugehen, weil hier ohnedies von einer derartigen Sonderbeziehung auszugehen ist. Der Oberste Gerichtshof hat bereits ausgesprochen, dass § 364a auch bei Befahren einer öffentlichen Straße in Fällen greift, in denen über den Gemeingebrauch der Straße hinausgehende Beziehungen zwischen dem Straßenerhalter und dem Störer vorliegen (6 Ob 608/95). In dieser Entscheidung hat der Oberste Gerichtshof in einem vergleichbaren Fall, in dem eine Gemeindestraße mit schweren Baufahrzeugen befahren wurde, in der Aufhebung von zuvor verfügten Gewichtsbeschränkungen für das Befahren zweier Brücken und der dadurch herbeigeführten Möglichkeit, für die Dauer der Bauarbeiten im Berggelände (Seilbahnbau) Schwertransporte über die am Haus der Klägerin vorbeiführende Gemeindestraße durchführen zu können, eine haftungsbegründende Sonderbeziehung bejaht (6 Ob 608/95). Die Liegenschaftseigentümerin hat nach dieser Entscheidung das Befahren der Gemeindestraße mit schweren Baufahrzeugen schon wegen des von ihr erteilten Auftrags an die Bauunternehmungen zu vertreten (6 Ob 608/95).

3.2. Gegen diese Judikatur hat Spielbüchler (in Rummel , ABGB 3 § 364a Rz 4) eingewendet, diese Auffassung überspanne das private Nachbarrecht zur Korrektur des insoweit vielleicht unzulänglichen öffentlichen Rechts, und darauf verwiesen, dass dieselben Beeinträchtigungen auch dann hervorgerufen werden könnten, wenn allgemein mehr schwere Lkw fahren. Dem gegenüber vertreten Kerschner/Wagner (in F enyves/Kerschner/Vonkilch , Klang 3 § 364a Rz 115), dass im Sinne des Verursacherprinzips die Frage der Passivlegitimation des Straßenbenützers unabhängig davon auch dann zu bejahen wäre, wenn sich die Benützung im Rahmen des Gemeingebrauchs hält. Nach P. Bydlinski (Waldschäden durch Straßenverkehr, JBl 1990, 496) bestünden dem gegenüber in einem derartigen Fall wegen des minimalen Schadensbeitrags des einzelnen und mangelnder Rechtswidrigkeit der Straßenbenützung keine Ersatzansprüche.

3.3. Auf diese Kritik ist im vorliegenden Fall jedoch nicht näher einzugehen, weil die Schäden im vorliegenden Fall gerade nicht durch eine ‑ möglicherweise hinzunehmende ‑ Zunahme des allgemeinen Verkehrs hervorgerufen wurden. Im Übrigen wird ein Schädiger auch sonst nicht dadurch befreit, dass derselbe Schaden möglicherweise auch auf andere Weise hätte eintreten können.

3.4. Aufgrund der festgestellten behördlichen Maßnahmen (mehrfache Verordnung von Park‑ und Halteverbotszonen, Sperre für den allgemeinen Fahrzeugverkehr, Einrichtung einer Umkehrzone etc) ist im vorliegenden Fall zweifelsfrei davon auszugehen, dass eine Sondernutzung im Sinne der zitierten Judikatur vorliegt. Dass vergleichbar schwerwiegende Beeinträchtigungen auch durch eine Steigerung des allgemeinen Verkehrsaufkommens eintreten könnten, erscheint im Hinblick auf die konkrete Örtlichkeit (Sackgasse) denkunmöglich. Auch insoweit ist der vorliegende Fall dem der Entscheidung 6 Ob 608/95 zugrundeliegenden Sachverhalt (wenig befahrene Gemeindestraße) vergleichbar.

3.5. Die Auffassung des Berufungsgerichts, die geschilderten Maßnahmen dienten lediglich der straßenpolizeilichen Kontrolle, trägt dem Grund für die Anordnung dieser Maßnahmen nicht ausreichend Rechnung. Im Hinblick auf die in unmittelbarem Zusammenhang mit dem Bauvorhaben der beklagten Partei verordneten und dessen Ermöglichung dienenden straßenpolizeilichen Maßnahmen kann auch keine Rede davon sein, dass darin lediglich eine Beschränkung der im Rahmen des Gemeingebrauchs liegenden Nutzungsbefugnis liege. Vielmehr sollte durch diese Maßnahmen evident der beklagten Partei die zügige Abwicklung ihres Bauvorhabens ermöglicht werden. Daher kommt im vorliegenden Fall, sofern sich die Feststellungen des Erstgerichts ‑ deren Richtigkeit vom Berufungsgericht bisher aufgrund seiner vom Obersten Gerichtshof nicht gebilligten abweichenden Rechtsansicht nicht geprüft wurde ‑ als zutreffend erweisen, eine Haftung der beklagten Partei schon aufgrund ihrer Sondernutzung der Straße in Betracht.

3.6. Die Entscheidung 6 Ob 168/06h ist demgegenüber nicht einschlägig. Diese Entscheidung betraf zwar gleichfalls Schäden durch die An‑ und Abfahrt von Lkws, wurde jedoch auf die ‑ zwischenzeitig mit BGBl I 2006/125 aufgehobene ‑ Bestimmung des § 19 Abs 2 EisbG gestützt, weil es sich dort um Schäden im Zuge des Eisenbahnbaus handelte.

4.1. Der beklagten Partei ist zuzugeben, dass nach ständiger Rechtsprechung in einem geschlossenen Siedlungsgebiet, in dem auch bei gleichbleibendem Charakter mit gelegentlichen baulichen Maßnahmen gerechnet werden muss, die von solchen baulichen Maßnahmen ausgehenden Immissionen grundsätzlich als ortsüblich anzusehen sind und ‑ soweit sie auch bei schonungsvoller, die Interessen der Anrainer berücksichtigender Bauführung unvermeidbar sind ‑ von jedem Nachbarn hinzunehmen sind (RIS‑Justiz RS0033674 [T1]; zu diesem „Baulärmprivileg“ auch ausführlich Kerschner/Wagner in F enyves/Kerschner/Vonkilch , Klang 3 § 364 Rz 157). Dieses „Baulärmprivileg“ umfasst grundsätzlich auch zu‑ und abfahrende Baufahrzeuge ( Kerschner/Wagner aaO; Kerschner/Wagner , Nachbarrecht, in Straube/Aicher , Handbuch Bauvertrags‑ und Bauhaftungsrecht 8: 41).

4.2. Diese Rechtsprechung wird von Kerschner/Wagner (aaO § 364 Rz 157) kritisiert, weil in der Frage der Ortsüblichkeit keinerlei Verwaltungsakzessorietät bestehe und die betreffenden Verwaltungsvorschriften gerade nicht auf Ortsüblichkeit abstellen (ebenso Kerschner/Wagner Nachbarrecht aaO 8: 42).

4.3. Auf diese Kritik ist im vorliegenden Fall jedoch nicht einzugehen. Die zitierte Rechtsprechung betrifft nämlich lediglich Baulärm, nicht aber andere von einer Baustelle ausgehenden Immissionen. Die Entscheidung 1 Ob 742/83 SZ 56/158 betraf zwar ‑ neben Lärm ‑ gleichfalls Erschütterungen; Gegenstand des Verfahrens waren jedoch nur Einnahmenausfälle aufgrund der Abreise von Gästen und des Buchungsausfalls, nicht hingegen Ersatz für Schäden an Gebäuden. Diese Rechtsansicht lässt sich aber auf Erschütterungen, die Schäden an Gebäuden hervorrufen, nicht übertragen. Solche schwerwiegenden Beeinträchtigungen sind nämlich niemals als ortsüblich anzusehen (vgl Kerschner/Wagner aaO § 364 Rz 160) und daher nicht entschädigungslos hinzunehmen.

5. Zusammenfassend kommt daher nach dem Vorbringen der klagenden Partei und den vom Erstgericht getroffenen Feststellungen ein Ausgleichsanspruch der Klägerin durchaus in Betracht. Endgültig lässt sich dies jedoch erst nach Behandlung der vom Berufungsgericht bisher aufgrund seiner abweichenden Rechtsansicht noch nicht erledigten Beweis‑ und Mängelrüge beurteilen. Aus diesem Grund war mit Aufhebung und Zurückverweisung an das Berufungsgericht vorzugehen.

6. Der Kostenvorbehalt gründet sich auf § 52 ZPO.

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