OGH 3Ob2413/96s

OGH3Ob2413/96s18.12.1996

Der Oberste Gerichtshof hat durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Dr.Hofmann als Vorsitzenden und durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr.Angst, Dr.Graf, Dr.Pimmer und Dr.Zechner als weitere Richter in der Rechtssache der klagenden Partei Wilhelm T*****, vertreten durch Dr.Gerhard Kornek, Rechtsanwalt in Wien, wider die beklagte Partei V***** AG, ***** vertreten durch Dr.Josef Bock und Dr.Thomas Wiesinger, Rechtsanwälte in Wien, wegen Zuhaltung eines Bestandvertrages, infolge außerordentlicher Revisionen beider Parteien gegen das Urteil des Landesgerichtes für Zivilrechtssachen Wien als Berufungsgerichtes vom 21.Juni 1995, GZ 41 R 284/95‑57, berichtigt mit Beschluß vom 29.Oktober 1996, GZ 41 R 284/95‑69, womit infolge Berufungen beider Parteien das Urteil des Bezirksgerichtes Innere Stadt Wien vom 21.Februar 1995, GZ 41 C 97/91d‑48, teilweise abgeändert wurde, in nichtöffentlicher Sitzung den

Beschluß

gefaßt:

 

Spruch:

Den Revisionen wird Folge gegeben; das angefochtene Urteil wird aufgehoben; die Rechtssache wird an das Berufungsgericht zur neuerlichen Entscheidung zurückverwiesen.

Die Kosten des Revisionsverfahrens sind weitere Kosten des Rechtsmittelverfahrens.

Begründung

Die beklagte Partei ist Eigentümerin des Hauses W*****, H*****gasse 5. Der Kläger ist Mieter der im ersten Stock gelegenen Wohnung top 2, unter der im Erdgeschoß seit November 1990 eine Gastwirtschaft (Cafe‑Pub "M*****") betrieben wird. Bei Anmietung der Wohnung durch den Kläger im Jahr 1979 befand sich in diesem Lokal ein Motorradhändler, danach ein Reisebüro.

Der im Erdgeschoß gelegene Barraum ist bis zur nachträglich eingezogenen Zwischendecke, die den Raum jedoch nicht zur Gänze abschließt, 2,80 m hoch. Im oberen Teil des Lokales (zwischen Zwischendecke und Decke zur Wohnung des Klägers) befinden sich ebenfalls einige Tische und Sessel. Die Deckenhöhe ist dort unterschiedlich, meist etwa 2,20 m. Im oberen Raum befinden sich seit Jänner 1991 keine Musikboxen, jedoch ist dort ein Flipperautomat aufgestellt. Bei der Trenndecke zwischen Lokal und Wohnung des Klägers handelt es sich um eine Ziegelkappendecke zwischen Stahlträgern, mit Brettelboden auf Beschüttung. An der Unterseite wurde bereits eine Gipskartonvorsatzschale zur Verbesserung der Luftschalldämmung der Decke angebracht. Bei dem flankierenden, aufgehenden Mauerwerk handelt es sich um Vollziegelmauerwerk unterschiedlicher Stärke.

Im Erdgeschoß befindet sich eine Musikanlage, bestehend aus einem Verstärker, einem Limiticer, einer Box (Mittelhochtuner) und einer Bose‑Box (Basshoover), die seit 3.3.1994 amtlich plombiert ist. Die Toiletten sind mit Gummitürdichtungen ausgestattet; zwei Türbremser sind vorhanden. Durch die Türbremser fallen beide Türen langsam zu; dadurch entsteht auch nahezu kein Geräusch. Wenn man die Tür gegen den Widerstand der Türbremser mit der Hand schließt, entstehen jedoch hörbare Geräusche.

Das Lokal wird vorwiegend von Personen besucht, die mit Harley‑Davidson‑Maschinen zufahren; es befindet sich daher vor dem Lokal während der Öffnungszeiten immer eine große Anzahl derartiger Motorräder.

In der unmittelbaren Umgebung dieses Wohnhauses in W*****, H*****gasse 5, liegen hauptsächlich Wohnungen, Büros und Verkaufsgeschäftsräume, vereinzelt auch einige Gastgewerbelokale. Insgesamt liegt das Wohnhaus in einer relativ ruhigen Wohngegend.

Der Kläger bewohnt seine Wohnung gemeinsam mit seiner Ehefrau Margarete T***** und seiner im Jahr 1987 geborenen Tochter. Die Tochter des Klägers leidet an einem Gehirntumor, befindet sich in regelmäßiger ärztlicher Behandlung und ist äußerst ruhe‑ und schonungsbedürftig. Die Ehefrau des Klägers ist Kindergartenleiterin; sie verläßt um 6,00 Uhr morgens die Wohnung und kommt um 17,00 Uhr von der Arbeit nach Hause. Der Kläger befindet sich tagsüber meist zu Hause, und pflegt seine kranke Tochter.

Der Kläger und seine Familie sind Lärmbelästigungen während der Öffnungszeit des Lokales M***** ausgesetzt. Das Lokal öffnet täglich um 17,00 Uhr, die Lärmbelästigungen dauern üblicherweise bis 2,00 Uhr, 3,00 Uhr morgens, fallweise auch bis 6,00 Uhr. Ab 17,00 Uhr wird die Musikanlage in Betrieb gesetzt, der Motorradlärm beginnt üblicherweise um etwa 18,00 Uhr.

Der Kläger erstattete zwischen 4.12.1991 und 20.1.1994 (im Ersturteil offenbar unrichtig 20.4.1994) 30 Lärmanzeigen bei der Polizei, zuletzt am 20.1.1994, als im Lokal Live‑Musik gespielt wurde. Seit der Plombierung der Musikanlage am 3.3.1994 fühlt sich der Kläger durch Musik vom Band nicht mehr gestört. Seither hört man die Musik in der Wohnung des Klägers wesentlich leiser als zuvor, hingegen ist der Geräuschlärm durch die Lokalgäste dadurch deutlicher zu hören.

In ihrem Gutachten vom 11.11.1991 hielt die MA 15/Gesundheitsamt fest, daß die Störgeräusche in eine besonders sensible und vulnerable Periode im zirkadianen Ablauf von Personen mit durchschnittlichem Tagesrhythmus fallen. Die Störgeräusche sind geeignet, die Schlafqualität zu beeinflussen, wobei das mögliche Auswirkungsspektrum auf den menschlichen Organismus von verzögertem und erschwertem Einschlafen zu einer verringerten Schlaftiefe und Weckreaktionen führen. Diese Störerlebnisse sind vom Organismus einige Zeit kompensierbar, auf lange Sicht gesehen kann es jedoch zur Summierung der Schlafdefizite kommen, so daß in weiterer Folge das Auftreten gesundheitlicher Störungen möglich wird.

Der Kläger beantragte zuletzt das Urteil, die beklagte Partei sei schuldig, durch geeignete Maßnahmen dafür Sorge zu tragen, daß die durch den Betrieb des unter den Wohn‑ bzw Schlafräumen der klagenden Partei gelegenen Lokales M***** durch Musik, Gäste und technischen Betriebslärm sowie lokal‑bezogenen Motorradverkehr hervorgerufene Lautstärke den Grundgeräuschpegel von 23 dB(A) bei geschlossenem Fenster in der Zeit von 22,00 Uhr bis 6,00 Uhr in der Früh nicht übersteigt; er stellte weiters das Eventualbegehren, die beklagte Partei sei schuldig, darin einzuwilligen, daß die klagende Partei auf Kosten der beklagten Partei schalldichte Böden und Schallwände ebenso wie schalldichte Fenster zum völligen Ausschluß einer weiteren Lärmbelästigung durch den Barbetrieb M*****, untergebracht als Mieter der beklagten Partei unterhalb der Wohnräume des Klägers top 2, in Auftrag gibt; bzw der beklagten Partei werde aufgetragen, den Mietvertrag des Lokales aufzukündigen. Der Kläger brachte vor, es sei Sache der beklagten Partei als Vermieterin, dafür Sorge zu tragen, daß seine Bestandrechte nicht gestört würden; sie habe jedoch dem Mieter des Geschäftslokals hinsichtlich der Schallemission vollkommen freie Hand gegeben. In diesem Lokal verwende man Lautsprecherboxen mit extrem hoher Leistungsfähigkeit; die Lärmbelästigung habe zu zahlreichen Anzeigen bei der Polizei geführt. Eine ‑ jedenfalls unzumutbare ‑ Überschreitung eines Grundgeräuschpegels von 23 dB solle mit der Klage verhindert werden. Der Mieter betreibe die Bar als "Harley‑Davidson‑Club", wer die ratternden Motoren der großvolumigen Maschinen je gehört habe, wisse, was sich bei der Zu‑ und Abfahrt inklusive genüßlichem "Motorenspiel" geräuschmäßig ereigne. Die beklagte Partei habe es zu verantworten, daß durch die sich zwangsweise ergebenden Zu‑ und Abfahrten der schweren Motorräder ständig erhebliche Ruhestörungen die Folge seien.

Die beklagte Partei wendete ein, es liege keine über das ortsübliche Ausmaß hinausgehende Lärmbelästigung vor; in dieser Gegend gäbe es viele Bar‑ und Gaststättenbetriebe. Nach Vorliegen einer Konzession und einer Betriebsanlagengenehmigung könne nur auf Schadenersatz gemäß § 364 ABGB geklagt werden. Es sei schon möglich, daß ein Gastronomiebetrieb einen gewissen Lärm erzeuge. In der Nähe befänden sich viele Bar‑ und Gaststättenbetriebe. Wenn der Mieter dem Gesetz entsprechend handle, könne ihm nicht verboten werden, einen Restaurationsbetrieb zu führen. Der Kläger müsse sich die ortsüblichen Geräusche gefallen lassen. Im übrigen sei die beklagte Partei nicht in der Lage, eine Reduzierung des Straßen‑ bzw Motorradlärms durchzusetzen, weil dies eine Angelegenheit des öffentlichen Verkehrs darstelle. Das Eventualbegehren entspreche überhaupt nicht der Gesetzeslage, weil § 364 ABGB auch bei Klagen aus einem Mietverhältnis anzuwenden sei.

Das Erstgericht gab der Klage teilweise statt und sprach aus, die beklagte Partei sei schuldig, durch geeignete Maßnahmen dafür Sorge zu tragen, daß die durch den Betrieb des unter den Wohn‑ bzw Schlafräumen der klagenden Partei (W*****, H*****gasse 5) gelegenen Lokales M***** durch Musik, Gäste und technischen Betriebslärm sowie lokalbezogenen Motorradverkehr hervorgerufene Lautstärke den Grundgeräuschpegel von 26 dB(A) zuzüglich 5 dB(A), insgesamt somit den Geräuschpegel von 31 dB(A), bei geschlossenem Fenster in der Zeit von 22,00 Uhr bis 6,00 Uhr in der Früh nicht übersteigt. Das darüber hinausgehende Klagebegehren, die beklagte Partei sei schuldig, durch geeignete Maßnahmen dafür Sorge zu tragen, daß die durch diesen Betrieb hervorgerufene Lautstärke den Grundgeräuschpegel von 23 dB (A) bei geschlossenem Fenster in der Zeit von 22,00 Uhr bis 6,00 Uhr in der Früh nicht übersteigt, wurde abgewiesen. Das Erstgericht stellte neben dem bereits eingangs dargestellten Sachverhalt fest, der Grundgeräuschpegel, das ist jener Pegel, bei dessen Einwirken Ruhe zu herrschen scheint, betrage im Schlafzimmer des Klägers bei geschlossenem Fenster 23 bis 26 dB (A), wobei der niedrigst gemessene Grundgeräuschpegel 22,6 dB (A) betrage, der höchst gemessene Wert 27,2 dB (A). Der durchschnittliche Grundgeräuschpegel betrage 26 dB. Dieser Grundgeräuschpegel ergebe sich, wenn das Lokal geschlossen sei. Bei normalem Lokalbetrieb (mit reinem Gästelärm) liege der äquivalente Dauerschallpegel stets über 30 dB, die mittleren Spitzenpegel um 12 bis 14 dB darüber, der Maximalpegel um etwa weitere 4 bis 6 dB über dem mittleren Spitzenpegel. Durch Zu‑ und Abfahrten von Motorrädern (Harley Davidson‑Maschinen) ergebe sich eine Anhebung des äquivalenten Dauerschallpegels im Durchschnitt auf 35 dB. Die mittleren Schallpegelspitzen lägen dabei im Durchschnitt bei 53 dB, als Maximalpegel würden Werte von 55 dB und darüber erreicht. Als Höchstwert sei 71 dB gemessen worden, wobei es auch Harley‑Bewegungen mit Spitzenpegeln um 40 dB gegeben habe.

Das Erstgericht führte in rechtlicher Hinsicht aus, nach § 1096 ABGB sei der Vermieter unter anderem verpflichtet, den Mieter in dem bedungenen Gebrauch oder Genuß der Bestandsache nicht zu stören. Der Vermieter habe dem Mieter jenen Gebrauch und jene Nutzung zu gewährleisten, die ausdrücklich oder nach dem Zweck des Vertrages oder nach der Verkehrssitte bedungen seien. Bei der Miete von Räumen zu Wohnzwecken könne auch eine Lärmeinwirkung eine Störung des bedungenen Gebrauches bilden. Sei vertraglich nicht ausdrücklich etwas anderes bedungen, könne in der Regel, insbesondere bei der Miete einer Wohnung in einem Miethaus, nicht die Beseitigung jeder Lärmeinwirkung vom Vermieter verlangt werden. Beim Zusammenwohnen mehrerer Personen in einem Haus müßten dadurch bedingte Unannehmlichkeiten in Kauf genommen werden.

Gemäß § 364 Abs 2 ABGB könne der Eigentümer eines Grundstücks dem Nachbarn die von dessen Grund ausgehenden Einwirkungen durch Abwässer, Rauch, Gas, Wärme, Geruch, Geräusch, Erschütterung oder ähnliches insoweit untersagen, als diese das nach den örtlichen Verhältnissen gewöhnliche Maß überschreiten und die ortsübliche Benützung des Grundstücks wesentlich beeinträchtigen. Diese Grundsätze seien auch analog auf das Verhältnis zwischen Vermieter und Mieter anzuwenden. Der Liegenschaftseigentümer hafte daher, wenn er die Einwirkung durch den Dritten dulde, obwohl er sie zu hindern berechtigt und imstande gewesen wäre. Bei diesen Normen handle es sich zwar um dispositives Recht; anderslautende Vereinbarungen zwischen den Parteien hätten jedoch nicht festgestellt werden können.

Ein Verbot, einen bestimmten Geräuschpegel gemessen nach dB zu überschreiten, werde von der Rechtsprechung anerkannt. Ein solches Verbot sei auch konsequent, es müsse der beklagten Partei überlassen bleiben, wie sie diese Beschränkung einhalte. Das (modifizierte) Klagebegehren sei daher ausreichend bestimmt und (mit der vorgenommenen Einschränkung) auch zulässig.

Lärmeinwirkungen seien eindeutig mittelbare Immissionen, die nur insoweit, als sie das ortsübliche Ausmaß überschreiten und die ortsübliche Benützung wesentlich beeinträchtigen, verboten werden könnten. Ob eine Immission ortsüblich sei, hänge grundsätzlich vom Zeitpunkt der Beurteilung ab. Es sei daher nicht von ausschlaggebender Bedeutung, seit wann die Immission vorkommt oder ob der Kläger beim Erwerb des Grundstückes (hier bei Anmietung des Bestandobjektes) mit ihr rechnen mußte. Dies wäre nur dann beachtlich, wenn es sich um eine Immission handelt, deren Ursache für den Charakter der Umgebung von Bedeutung ist, etwa bei der Immission durch den Bahnbetrieb. Hier sei die Errichtung eines Lokals für den Charakter der Umgebung des Wohnhauses unbedeutend; es sei daher unwesentlich, ob der Kläger bei Anmietung der Wohnung damit rechnen mußte oder nicht.

Nach der ÖAL‑Richtlinie Nr 33 "Schalltechnische Grundlage für die Errichtung von Gastgewerbebetrieben, insbesondere Diskotheken", die der Österreichische Arbeitsring für Lärmbekämpfung herausgegeben habe, sei dieses Lokal in Geräuschstufe II mit einem zu erwartenden mittleren Spitzenpegel von L = 90 dB einzuordnen. Nach dieser Richtlinie betrage die mindesterforderliche Schallpegeldifferenz für die Trenndecke zwischen dem Lokal und der Wohnung D = 75 dB. Die festgestellte Normalschallpegeldifferenz von D = 59 bis 60 dB der Trenndecke zwischen Wohnung des Klägers und Lokal entspreche bei weitem nicht der erforderlichen Normalschallpegeldifferenz nach der ÖAL‑Richtlinie Nr 33.

Der Grundgeräuschpegel werde als der geringste an einem Ort während eines bestimmten Zeitraumes A‑bewertete Schalldruckpegel in dB, der durch entfernte Geräusche, wie Verkehr, verursacht werde und bei dessen Einwirkung Ruhe empfunden werde, definiert. Erhebe sich der Lärmpegel über diesen Schallpegel, so werde der Lärm hörbar, bei größerer Erhebung störend. Nach der ÖAL‑Richtlinie Nr 33 ergebe sich für das gegenständliche Wohnhaus der für einen Raum bei geschlossenem Fenster anzustrebende nächtliche Grundgeräuschpegel von L = 20 dB. Bei den Messungen sei ein Durchschnittsgrundgeräuschpegel von 26 dB erhoben worden. Diesen Grundgeräuschpegel als ortsüblich im Sinn des § 364 Abs 2 ABGB zu bezeichnen, wäre jedoch zu einschränkend. Eine Überschreitung des Grundgeräuschpegels um 5 dB sei zulässig und ortsüblich; daher sei erst eine Erhöhung des Grundgeräuschpegels auf über 31 dB eine wesentliche Beeinträchtigung der ortsüblichen Benützung. Nach der ÖAL‑Richtlinie Nr 3 (Beurteilung von Schallimmissionen, Lärmstörung im Nachbarschaftsbereich) liege die Zumutbarkeitsgrenze der Überschreitung des Grundgeräuschpegels bei 10 dB. Auch damit ergebe sich ein Grundgeräuschpegel von 30 dB, der bei weitem überschritten worden sei.

Bei der Ermittlung der Lautstärke komme es zwar nicht nur auf die objektiv meßbare Lautstärke, sondern auch auf die subjektive Lästigkeit an, wobei aber nicht auf eine besondere Empfindlichkeit der betroffenen Person, sondern auf das Empfinden eines durchschnittlichen Bewohners des betroffenen Grundstückes bzw der Wohnung abzustellen sei. Dem bedauernswerten Zustand der Tochter des Klägers komme daher rechtlich keine Bedeutung zu, doch lasse allein die Beurteilung des Gesundheitsamtes den Schluß zu, daß die festgestellte Lärmbeeinträchtigung selbst für einen durchschnittlich empfindlichen Menschen jedenfalls gesundheitsfährdend sei.

Soweit es um die Lärmerregung zur Nachtzeit gehe, komme für die Beurteilung der ortsüblichen Immission auch den öffentlich‑rechtlichen Vorschriften, die der Erregung störenden Lärms entgegenwirken sollen, wesentliche Bedeutung zu. Im Regelfall könne nicht angenommen werden, daß die Erregung (hier die Nachtruhe) störenden Lärms das den örtlichen Verhältnissen gewöhnliche Maß nicht überschreite und die ortsübliche Benützung der Wohnung nicht beeinträchtige, obwohl sie nach den einschlägigen polizeilichen Vorschriften verboten und mit Strafe bedroht ist. Nach dem in Wien nach vor in Geltung stehenden Artikel VIII zweiter Fall EGVG 1950 (idF Nov BGBl 1977/232) begehe eine Verwaltungsübertretung, wer ungebührlicherweise störenden Lärm errege. Dies treffe stets dann zu, wenn einerseits der Lärm nach Art bzw Intensität das Wohlbefinden normal empfindender Menschen zu beeinträchtigen geeignet sei und andererseits die Erregung eines solchen Lärms nicht dem beim Zusammenleben von Menschen gebotenen Verhalten entspreche, also jene Rücksichtnahme vermissen lasse, die die Umwelt verlangen könne. Dabei genüge es schon, daß die Lärmerregung objektiv, also von unbeteiligten Personen als störend und ungebührlich empfunden zu werden geeignet sei. Es komme also nicht bloß auf die Lautstärke an, zu beachten sei ferner auch, ob die Beeinträchtigung häufig und langandauernd erfolgte. Maßgeblich sei aber auch die Tageszeit, weil der Lärm einer bestimmten Intensität mitunter tagsüber noch nicht, wohl aber zur Nachtzeit von unbeteiligten Personen im besonderen Maß als störend empfunden werde. Wenn auch gesetzliche Vorschriften darüber fehlten, so könne es doch als Richtschnur dienen, daß die Bevölkerung vorwiegend die Zeit von 22,00 Uhr bis 6,00 Uhr für die Nachtruhe in Anspruch nehme. Auch die Tatsache, daß ein möglicherweise sonst zulässiges Geräusch infolge Bauart des Hauses (namentlich der mangelnden Schalldichtheit) weitergeleitet werde, gehe zu Lasten des Lärmerregers. Werde - wie im vorliegenden Fall ‑ die Nachtruhe von Hausbewohnern wiederholt empfindlich gestört, so könne darin in aller Regel keine ortsübliche Immission mehr erkannt werden.

Das Berufungsgericht gab den von beiden Parteien erhobenen Berufungen teilweise Folge und änderte das Ersturteil in seinem stattgebenden Punkt 1 dahin ab, daß die beklagte Partei schuldig erkannt wurde, binnen 14 Tagen durch geeignete Maßnahmen dafür zu sorgen, daß es in der Wohnung der klagenden Partei in ***** W*****, H*****gasse 5, bei geschlossenen Fenstern in der Zeit von 22,00 Uhr bis 6,00 Uhr wegen des vom darunterliegenden Lokal "M*****" ausgehenden Lärms (Musik, Gäste und technischer Betriebslärm) einschließlich des lokalbezogenen Motorradverkehrs weder zu einer Erhöhung des Grundgeräuschpegels um mehr als 10 dB (A) noch zu Lärmeinwirkungen mit einem mittleren Spitzenpegel (LA, 01) von mehr als 40 dB für den vom Inneren des Gebäudes ausgehenden Lärm (insbesondere Gäste‑ und Musiklärm) bzw 45dB für den von außerhalb des Gebäudes ausgehenden lokalbezogenen Lärm (insbesondere Schanigarten, Motorradverkehr) kommt. Das Berufungsgericht sprach aus, daß die ordentliche Revision nicht zulässig sei, weil sich diese Entscheidung im Rahmen der einhelligen Rechtsprechung des Obersten Gerichtshofs halte, dies insbesondere auch in der Frage, in welchem Maß der Mieter in analoger Anwendung der Grundsätze des § 364 Abs 2 ABGB gegenüber dem Vermieter Lärmbeeinträchtigungen hinnehmen muß; es übernahm die Feststellungen des Erstgerichtes, wobei es jedoch zur Feststellung des Erstgerichtes, daß der durchschnittliche Grundgeräuschpegel im Schlafzimmer des Klägers bei geschlosenen Fenstern 26 dB (A) betrage, ausführte, es sei ohne Bedeutung, ob dieser Meßwert allenfalls (noch) niedriger anzusetzen wäre. In rechtlicher Hinsicht führte das Berufungsgericht aus, bei der Beurteilung, inwieweit eine Lärmeinwirkung das nach den örtlichen Verhältnissen gewöhnliche Maß überschreite und die ortsübliche Benützung des Objektes wesentlich beeinträchtige, könnten anerkannte Richtlinien, auch wenn ihnen Verbindlichkeit gemäß § 5 NormenG 1971 nicht zukomme, als Beurteilungsmaßstab herangezogen werden. Wesentlich sei weiters, daß Erhöhungen bis 5 dB (A) kaum wahrgenommen werden, während solche von 10 dB (A) vom menschlichen Ohr als etwa doppelt so laut empfunden würden. Die Störintensität eines Geräusches hänge aber nicht nur von der Lautstärke, sondern auch von anderen Faktoren (etwa Frequenz und Art des Geräusches) ab. So habe der Oberste Gerichtshof schon eine Erhöhung des Geräuschpegels durch Tennislärm um mehr als 5 dB (A) als die ortsübliche Benützung von Gärten in der schönen Jahreszeit wesentlich beeinträchtigend angesehen. Der Oberste Gerichtshof habe hingegen eine maßgebliche Beeinträchtigung des klagenden Mieters durch die von einem Kühlaggregat (auch nachts) ausgehende Lärmentwicklung verneint, weil die dadurch bedingte Erhöhung des Grundgeräuschpegels nicht mehr als 10 dB(A) betragen habe. Hingegen habe der Oberste Gerichtshof einer Klage auf Unterlassung einer den Grundgeräuschpegel von 16 dB (A) um mehr als 10 dB (A) übersteigenden ‑ von einer Kegelbahn ausgehenden ‑ Lärmeinwirkung ab 20,00 Uhr stattgegeben.

Vor diesem Hintergrund und in Anlehnung an die ÖAL‑Richtlinie Nr 3 ("Beurteilung von Schallimmissionen, Lärmstörung im Nachbarschaftsbereich") erscheine es angebracht, unter Berücksichtigung der Lage des Bestandobjektes in der Wiener Innenstadt die vom darunter liegenden gastgewerblichen Betrieb ausgehende Erhöhung des Grundgeräuschpegels mit 10 dB (A) zu begrenzen. Mit dieser vom Kläger höchstens zu duldenden (relativen) Lärmvermehrung sei die der beklagten Partei auferlegte Verpflichtung inhaltlich hinreichend bestimmt, so daß die Festsetzung von absoluten Werten für den vorhandenen und höchstzulässigen Geräuschpegel entbehrlich sei. Zusätzlich seien allerdings (ebenfalls auf Grundlage der ÖAL‑Richtlinie Nr 3) Grenzwerte für maximal zulässige Immissions‑Pegelspitzen anzuführen. Diese stünden in Abhängigkeit vom Lokal zu erwartenden Grundgeräuschpegel, berücksichtigten die Nachtzeit und trügen dem besonderen Umstand Rechnung, daß die Lokalgäste vorwiegend mit Krafträdern der Marke Harley‑Davidson zu‑ und abfahren. Der vom Erstgericht festgesetzte Grundgeräuschpegel von 26 dB (A) als Ausgangswert für die Lärmerhöhung habe daher zu entfallen.

Entgegen der Ansicht der beklagten Partei sei das Klagebegehren ausreichend bestimmt. Die Wahl der Mittel, dem Mieter den ordnungsgemäßen Gebrauch des Bestandobjektes im Sinn des § 1096 ABGB zu erhalten oder wieder zu beschaffen, müsse grundsätzlich dem Vermieter überlassen bleiben. Der Kläger sei daher nicht berechtigt, bestimmte Vorkehrungen oder deren Vermeidung zu begehren. Gerade durch die Festsetzung einer in dB (A) angegebenen Lärmintensitätsgrenze sei die die beklagte Partei treffende Verpflichtung hinreichend deutlich umschrieben und durchsetzbar.

Mit Beschluß vom 29.10.1996, 41 R 284/95‑69, ergänzte das Berufungsgericht seinen Ausspruch nach § 500 Abs 2 Z 1 ZPO dahin, daß der Wert des Entscheidungsgegenstandes S 50.000,- übersteigt.

Beide Parteien wenden sich mit ihren Revisionen gegen die Fassung des Urteilsspruchs im Berufungsurteil. Nach Ansicht des Klägers ist es erforderlich, einen Grundgeräuschpegel und eine Obergrenze für den äquivalenten Dauerschallpegel festzulegen; die Festlegung bloß einer Überschreitungstoleranz reiche nicht aus. Die beklagte Partei bekämpft das Berufungsurteil, weil der Spruch nicht ausreichend bestimmt sei; es müsse ein alternatives Begehren erhoben werden, das auf eine oder mehrere bestimmt zu bezeichnende Leistungen oder auf eine gleich wirksame Leistung nach Wahl des Vermieters zu richten sei; darüber hinaus sei der Spruch des Berufungsurteils in der Festsetzung der nicht zu überschreitenden Lärmpegel unbestimmt und daher überhaupt nicht exekutierbar. So stelle die festgelegte Grenze der Erhöhung des Grundgeräuschpegels von mehr als 10 dB (A) kein einer Exekution zugängliches, ausreichend konkretisiertes Limit dar, weil der Grundgeräuschpegel als Verhältnisgröße im Spruch nicht aufgenommen sei. Weiters sei ohne Definition der Meßzeit eine bestimmte Festlegung der im Spruch zugelassenen mittleren Spitzenpegel nicht möglich.

Rechtliche Beurteilung

Die Revisionen sind zulässig und berechtigt.

Der Kläger stützt seinen Anspruch als Mieter gegen die beklagte Partei als Vermieterin auf § 1096 Abs 1 ABGB, wonach der Vermieter verpflichtet ist, das Bestandstück auf eigene Kosten in brauchbarem Stande zu übergeben und zu erhalten und den Mieter in dem bedungenen Gebrauche oder Genusse nicht zu stören. Der Vermieter ist verpflichtet, seinen Mieter im Gebrauch des Bestandgegenstandes gegen Störungen durch Dritte, insbesondere auch durch im selben Haus wohnende Mitmieter, zu schützen (SZ 63/220; RZ 1985/54; MietSlg 35.170; EvBl 1971/5, SZ 15/101 uva; Würth in Rummel, ABGB2, Rz 9 zu § 1096; Binder in Schwimann, ABGB, Rz 54 zu § 1096).

Die Wahl der Mittel, um dem Mieter den ordnungsgemäßen Gebrauch des Bestandobjektes zu erhalten oder wieder zu beschaffen, muß grundsätzlich dem Vermieter überlassen bleiben (RZ 1985/54; MietSlg 35.170, 25.117, 24.136, 22.123; SZ 15/101 uva; Würth aaO; Binder aaO).

Ein auf ein einziges oder nur auf bestimmte Mittel gerichtetes Klagebegehren, zB auf Kündigung und Unterlassung, kann nur dann erfolgreich sein, wenn nach den im einzelnen Fall gegebenen Umständen tatsächlich nur dieses oder diese Mittel in Frage kommen, so daß hiedurch eine Einschränkung des Vermieters in der ihm zustehenden Wahl der Mittel nicht eintritt (MietSlg 36.134). So führte der Oberste Gerichtshof bei einer Schallbelästigung durch Gesang in einer anderen Mietwohnung aus, ein derartiges Begehren auf Kündigung des Mieters und auf Unterlassung reiche nicht aus, weil es nach den Erfahrungen des täglichen Lebens technisch sehr wohl möglich sei, Sicherungen gegen Schalleinwirkungen, zB durch Abdämmung zu schaffen; auch in der Ergreifung dieser Möglichkeiten dürfe der Vermieter aber nicht gehindert werden (MietSlg 36.134).

Bei dem hier vom Kläger gewählten Begehren handelt es sich zwar nicht um ein alternatives Begehren, das entweder auf eine bestimmt zu bezeichnende Leistung oder auf eine andere gleich wirksame nach Wahl des Vermieters gerichtet ist, wie dies in den Entscheidungen RZ 1985/54, MietSlg 35.170, 25.117, 24.136 gefordert wurde. Den Erfordernissen, einerseits die Wahl der Mittel dem beklagten Vermieter zu überlassen, und andererseits dem aus § 226 ZPO entspringenden Gebot der Bestimmtheit des Klagebegehrens zu genügen, wird jedoch ausreichend Rechnung getragen, weil die in Frage kommenden, vom Beklagten zu setzenden Maßnahmen insofern genau beschrieben werden, als der Erfolg, nämlich die Erreichung einer bestimmten Maximallautstärke, ausgedrückt in dB (A), in einer bestimmten Zeit, in den Spruch aufgenommen wird. In einem solchen Fall ist es nicht erforderlich, darüber hinaus in Form eines Alternativbegehrens bestimmte Maßnahmen aufzuzählen. Für die exekutive Durchsetzung des Urteils ist die ausreichende Bestimmtheit gegeben, weil objektiv beurteilt werden kann, ob bestimmte Werte, die im Spruch angeführt sind, erreicht werden.

Richtig zeigen jedoch beide Parteien auf, daß die vom Berufungsgericht ‑ von Amts wegen ohne Erörterung mit den Parteien ‑ gewählte Formulierung des Urteilsspruchs nicht ausreichend bestimmt ist und darüber hinaus damit über die Berechtigung des Klagebegehrens nicht zur Gänze abgesprochen wurde.

Bei Geräuschimmissionen wird ein Verbot an den Lärmverursacher, einen bestimmten Geräuschpegel (gemessen nach dB) zu überschreiten, von der Rechtsprechung anerkannt; es bleibt dem Beklagten überlassen, wie er sich an die Beschränkung hält (NZ 1996, 118; SZ 65/145; SZ 50/99; SZ 48/15; SZ 45/98; 7 Ob 576/94 ua). Dies hat der Oberste Gerichtshof insbesondere bei Lärmemissionen beim Betrieb einer Diskothek ausgesprochen (NZ 1996, 118).

Entgegen dem Klagebegehren hat das Berufungsgericht einen derartigen Geräuschpegel, dessen Überschreitung die beklagte Partei durch geeignete Maßnahmen zu verhindern hat, nicht in den Urteilsspruch aufgenommen. Dadurch ist dem Urteil nicht klar zu entnehmen, ab welcher Grenze unzulässige Lärmimmissionen vorliegen. Ausgehend von seiner unrichtigen Rechtsansicht, die Festsetzung von absoluten Werten für den vorhandenen und höchstzulässigen Geräuschpegel sei entbehrlich, hat sich das Berufungsgericht auch nicht mit der Tatsachenrüge der beklagten Partei betreffend die Feststellungen zum durchschnittlichen Grundgeräuschpegel auseinandergesetzt.

Der Oberste Gerichtshof hat zwar in der Entscheidung SZ 67/138 ausgesprochen, daß eine präzise Anführung von Meßeinheiten zur deutlichen Kennzeichnung der Unterlassungspflicht weder notwendig noch zielführend sei. In diesem Fall hat aber der Kläger sein Begehren in jedenfalls zulässiger Weise ausdrücklich auf die Unterlassung von die nächtliche Ruhe störenden Lärm im Haus gerichtet.

Das Verfahren vor dem Berufungsgericht ist daher mangelhaft geblieben, weil es sich - ausgehend von seiner unrichtigen Rechtsansicht ‑ mit der Tatsachenrüge (Feststellungen über die Höhe des durchschnittlichen Grundgeräuschpegels, des Spitzenpegels, des Dauerschallpegels und ähnlichen ‑ somit über die objektiv nachgewiesene Geräuschimmission) nicht auseinandergesetzt hat. Eine abschließende Beurteilung durch das Revisionsgericht ist somit in diesem Verfahrensstadium noch nicht möglich.

Die Ausführungen in der Revision der beklagten Partei, die Lärmbelästigung durch Benützer zugelassener Kraftfahrzeuge sei (auch von den Mietern des Hauses) zu dulden, das gelte insbesondere dann, wenn der Gastronomiebetrieb aufgrund einer, wenn auch noch nicht rechtskräftigen Betriebsanlagenbewilligung betrieben werde, sollte die beklagte Partei auch urteilsmäßig gehalten sein, durch geeignete Maßnahmen dafür Sorge zu tragen, daß auch die durch lokalbezogenen Motorradverkehr hervorgerufene Lautstärke eine bestimmte Meßeinheit nicht übersteige, erfolge dadurch eine unzulässige Überwälzung von Pflichten des Betreibers von Kraftfahrzeugen auf dritte Personen, geben zu folgenden Ausführungen Anlaß:

Bei der Miete von Räumen zu Wohnzwecken kann auch eine Lärmeinwirkung eine Störung des bedungenen Gebrauches bilden (EvBl 1983/171; JBl 1957, 158 mwN). So wurde etwa im Fall der letztgenannten Entscheidung der Mieter schuldig erkannt, das Lärmen und Poltern von Jugendlichen in einer als Pfadfinderheim benützten Wohnung "zu beseitigen". Seit der Entscheidung des verstärkten Senates vom 14.12.1989, 7 Ob 654/89 = SZ 62/204, steht einem Bestandnehmer einer unbeweglichen Sache neben der auf § 1096 ABGB gestützten Klage gegen den Vermieter jedenfalls auch eine Unterlassungsklage gegen jeden Störer zu. Der auf Vertragszuhaltung geklagte Vermieter kann das Begehren nicht dadurch abwehren, daß er den Mieter auf eine Klage gegen den Störer verweist (so schon Miet 22.123 mwN; Würth in Rummel2 Rz 9 zu § 1096 ABGB). Da der Beurteilungsmaßstab für aus dem Gesetz abgeleitete Klagen gegen den Störer und gegen den Vermieter gerichtete Begehren auf Vertragszuhaltung ident sein muß, sind auch bei den letztgenannten Klagen zur Beurteilung, welche Lärmbeeinträchtigung der Mieter noch hinnehmen muß, die Grundsätze des § 364 Abs 2 ABGB analog heranzuziehen (EvBl 1983/171; SZ 15/101; Binder in Schwimann Rz 45 zu § 1096 ABGB). Nach § 364 Abs 2 ABGB müssen unter anderem zwei Voraussetzungen gegeben sein: Die Einwirkung muß vom Grund des Nachbarn ausgehen, sie hat das nach örtlichen Verhältnissen gewöhnliche Maß zu überschreiten und die ortsübliche Benützung des Grundstückes wesentlich zu beeinträchtigen.

Aicher, Die zivilrechtliche Stellung der Nachbarn in Stolzlechner/Wendl/Zitta, Die gewerbliche Betriebsanlage2 Punkt 5.8 in Rz 235 vertritt ohne weitere Begründung die Ansicht, daß gegen Störungen, die von Benützern und Kunden außerhalb der Betriebsanlage (und damit von einem anderen Grundstück) ausgehen, ein Unterlassungsanspruch gegen den Unternehmer besteht. Der erkennende Senat folgt diesem Ergebnis aus folgenden Erwägungen: Die Vorschrift des § 906 BGB war Vorbild für das durch die 3.Teilnovelle geschaffene zivilrechtliche Nachbarrecht (Klang in Klang2 II 168). Während das deutsche Reichsgericht in RGZ 57, 239, 240 in einer Eventualbegründung davon ausging, daß Geräusche, die durch das Zu‑ und Abfahren von Wagen bei Benützung eines Bordells verursacht werden, nicht vom Grundstück des Betreibers des Bordells ausgehen, welche Meinung offenbar Augustin in BGB‑RGRK12 Rz 27 zu § 906 noch aufrecht hält, vertritt der Bundesgerichtshof in LM § 906 Nr 17 die entgegengesetzte Ansicht: Es mache im Ergebnis keinen Unterschied, ob diese Geräusche auf dem Grundstück der Beklagten selbst oder in dessen Umgebung auf der Straße erzeugt werden. Der Lärm, der von den Besuchern des Clubs auf dem Betriebsgrundstück und in dessen naher Umgebung, vor allem auf der Straße beim An‑ und Abfahren verursacht werde, sei eine adäquate Folge des Clubbetriebs. Er sei mit einem derartigen Unternehmen notwendig verbunden und ihm zuzurechnen. Der Unternehmer sei deshalb für die das ortsübliche Maß übersteigenden störenden Einwirkungen verantwortlich, auch soweit diese nicht auf seinem Grundstück selbst erzeugt werden, sondern auf der Straße in dessen Nähe. Wohl sei der Verkehr, der sich auf der Straße vom und zum Grundstück der Beklagten abspiele, ebenso wie das Be‑ und Entladen von Fahrzeugen vor dem Grundstück und das Parken von Clubbesuchern auf der Straße Ausübung des an dieser bestehenden und kraft der Widmung der Straße für den öffentlichen Verkehr vom Eigentümer der Straßenfläche zu duldenden Gemeingebrauchs. Das hindere aber nicht, auch diese Einwirkungen dem Clubbetrieb zuzurechnen. Der gestörte Kläger könne weder gegen die einzelnen Clubbesucher mit Aussicht auf Erfolg vorgehen, soweit diese nur den mit dem Kraftwagenverkehr und mit selbst lauter Unterhaltung auf der Straße verbundenen Lärm verursachen, noch könne er vom Eigentümer der Straße Abhilfe erreichen. Er könne nur dadurch geschützt werden, daß auch die belästigenden Einwirkungen, die infolge des Clubbetriebs auf der Straße in der Umgebung des Anwesens der Beklagten erzeugt werden und sein Grundstück erreichten, dem Clubbetrieb zugerechnet werden. Diese Ansicht kann nun in der Bundesrepublik Deutschland als herrschend bezeichnet werden (Herbert Roth in Staudinger13 Rz 102 zu § 906 mwN; Soergel/J.F.Baur Rz 32, 55 zu § 906). Daß die durch Zu‑ und Abfahren zu einem Unternehmen bewirkte Lärmimmissionen dem Unternehmen zuzurechnen sind, entspricht auch der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes in Gewerberechtssachen (verstärkter Senat VwSlg 9943/A). Da ein Unternehmen, insbesondere ein Gastronomiebetrieb, ohne Zu‑ und Abfahren von Kunden bzw Gästen heute nicht betrieben werden könnte, er daher den Nutzen aus dem Kundenverkehr zieht, hat sich der Eigentümer eines Grundstückes und auch der Mieter des auf diesem Grundstück betriebenen Unternehmens (Lokales) diese Lärmimmissionen zurechnen zu lassen. Sie gehen damit mittelbar vom Grundstück (vom Lokal) aus.

Die Berufung der beklagten Partei auf eine dem Mieter angeblich erteilte Betriebsanlagengenehmigung versagt. Es kann dahingestellt werden, ob dann, wenn dem Nachbarn nur Ansprüche nach § 364a ABGB auf Ersatz des zugefügten Schadens, nicht aber auf Unterlassung nach § 364 Abs 2 ABGB zustünden, sich der nach § 1096 ABGB in Anspruch genommene Vermieter, durch geeignete Maßnahmen die Immissionen abzustellen, darauf berufen könnte, nicht schlechter als ein Nachbar gestellt zu werden. Nach der durch die Gewerberechtsnovelle 1988 geschaffenen Rechtslage ist nämlich der durch Kunden des Unternehmens außerhalb des Lokals hervorgerufene lokalbezogene Lärm im gewerblichen Betriebsanlagengenehmigungsverfahren nicht mehr zu berücksichtigen. So sprach der Verwaltungsgerichtshof aus, daß nach der Neufassung des § 74 Abs 3 GewO durch die Gewerberechtsnovelle 1988 die in VwSlg 9943/A vertretene Rechtsansicht insofern einzuschränken sei, daß zu den in § 74 Abs 3 GewO genannten Vorgängen nicht mehr jene zählen, die von Personen herrühren, die die Anlage der Art des Betriebes gemäß (somit als Kunden oder Gäste) in Anspruch nehmen (WBl 1992, 140). Diese Rechtsprechung wurde vom Verwaltungsgerichtshof in seiner Entscheidung vom 12.7.1994 Zl 92/04/0067, 0068 aufrechterhalten (vgl Aicher aaO; Stolzlechner/Wendl Lexikon des Betriebsanlagenrechts in Stolzlechner/Wendl/Zitta aaO ErgBd 1994 Rz 104; Kinscher, Der Begriff der Betriebsanlage in Stolzlechner/Wendl/Zitta aaO S 89 Punkt 5, VJ 1995,17). Sind diese Immissionen aber im Betriebsanlagengenehmigungsverfahren nicht zu berücksichtigen, ist damit der Weg für eine auf § 364 Abs 2 ABGB gestützte Unterlassungsklage jedenfalls offen (Aicher aaO).

Das Erstgericht hat unbekämpft festgestellt, daß das Haus H*****gasse 5 in einer relativ ruhigen Wohngegend liegt und daß das Lokal vorwiegend von Personen besucht wird, die mit Harley Davidson‑Maschinen zufahren und, was zu ergänzen sein wird, auch abfahren. Die beklagte Partei kann sich dann aber nicht darauf berufen, daß in einem gänzlich anderen Viertel des ersten Bezirkes (im sogenannten Bermuda‑Dreieck) derartige Immissionen durchaus ortsüblich wären. Wird durch diese Immissionen in einer relativ ruhigen Wohngegend die Nachtruhe von Hausbewohnern wiederholt empfindlich gestört, liegt jedenfalls keine Ortsüblichkeit mehr vor (SZ 67/138).

Da es dem Hauseigentümer anheimgestellt bleibt, diejenigen Mittel zu wählen, die geeignet erscheinen, einen ordnungsgemäßen Gebrauch des Mietobjektes durch den Mieter sicherzustellen bzw eine Störung dieses Gebrauchs durch Dritte hintanzuhalten und als solche Mittel etwa Vereinbarungen der beklagten Partei mit dem Betreiber des Lokals, gegen diese gerichtete Unterlassungsklagen, Änderung des Bestandvertrages, einvernehmliche Auflösung des Vertrages, sogar Aufkündigung in Betracht kommen und die beklagte Partei ersichtlich keine dieser Möglichkeiten bisher auch nur in Angriff genommen hat, kann keineswegs die Sachlage dahin beurteilt werden, die beklagte Partei sei nicht in der Lage, eine Reduktion des Motorradlärms durchzusetzen.

Die Kostenentscheidung gründet sich auf § 52 ZPO.

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