OGH 7Ob145/13v

OGH7Ob145/13v13.11.2013

Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht durch die Vizepräsidentin Dr. Huber als Vorsitzende und die Hofrätinnen und Hofräte Dr. Hoch, Dr. Kalivoda, Mag. Dr. Wurdinger und Mag. Malesich als weitere Richter in der Rechtssache der klagenden Parteien 1. J***** N*****, 2. D***** E*****, 3. G***** O*****, und 4. H***** P*****, alle vertreten durch MMMag. Dr. Franz Josef Giesinger, Rechtsanwalt in Götzis, gegen die beklagte Partei MMag. Dr. T***** G*****, als Insolvenzverwalter im Insolvenzverfahren über das Vermögen der Gemeinschuldnerin I***** GmbH, *****, vertreten durch Dr. Paul Sutterlüty und andere Rechtsanwälte in Dornbirn, wegen 95.536,96 EUR sA (erstklagende Partei), 88.235,40 EUR sA und Feststellung (zweitklagende Partei), 83.705,90 EUR sA und Feststellung (drittklagende Partei), 98.169,72 EUR sA und Feststellung (viertklagende Partei), über die Revision der klagenden Parteien gegen das Urteil des Oberlandesgerichts Innsbruck als Berufungsgericht vom 30. April 2013, GZ 10 R 23/13b‑131, womit das Urteil des Landesgerichts Feldkirch vom 14. Jänner 2013, GZ 8 Cg 198/09h‑126, bestätigt wurde, in nichtöffentlicher Sitzung zu Recht erkannt:

European Case Law Identifier: ECLI:AT:OGH0002:2013:0070OB00145.13V.1113.000

 

Spruch:

 

Der Revision wird nicht Folge gegeben.

Die klagenden Parteien sind jeweils schuldig, der beklagten Partei 861,46 EUR (darin enthalten 134,58 EUR an USt) der insgesamt mit 3.445,84 EUR bestimmten Kosten des Revisionsverfahrens binnen 14 Tagen zu ersetzen.

 

Entscheidungsgründe:

Die W***** AG, FN *****, firmierte in den Folgejahren unter W***** AG V***** Insurance G*****, V***** AG und zuletzt unter V***** AG W***** G*****. In weiterer Folge wird diese Gesellschaft ‑ je nach Kontext ‑ als W***** bzw V***** bezeichnet.

Die Kläger investierten im Jahr 2005 erhebliche Geldbeträge in ein Finanzprodukt der V***** L***** AG (Liechtenstein) und der V***** AG, das von der Gemeinschuldnerin I***** GmbH (in Folge: Gemeinschuldnerin) vermittelt worden war. Die V***** L***** AG ist eine Tochterfirma der V*****. Sie ist ein eigenständiges Unternehmen und kein Produktpartner, sondern Mitbewerberin der V*****.

Die Gemeinschuldnerin hat im Zeitraum vom 10. 12. 1998 bis 2. 12. 2010 das Gewerbe der Versicherungsvermittlung in der Form des Versicherungsagenten angemeldet. Eine Gewerbeberechtigung für Vermögensberatung ohne Berechtigung zur Vermittlung von Lebens‑ und Unfallversicherungen und Vermittlung von Personalkrediten lag vom 5. 7. 2000 bis 22. 2. 2010 vor. Die Gewerbeberechtigung für Versicherungsvermittlung in der Form Versicherungsmakler und Berater in Versicherungsangelegenheiten lag seit 1. 7. 2003 bis zuletzt vor, war aber ruhend gestellt. Am 28. 7. 2004 schloss die Gemeinschuldnerin mit der W***** einen Agenturvertrag ab, der unter anderem folgende Regelungen enthält:

„1. Aufgaben und Rechtsstellung

Sie sind berechtigt, das Gewerbe eines Versicherungsagenten auszuüben, und weisen uns dies durch die Vorlage eines gültigen, zur Vermittlung von Versicherungsverträgen berechtigten Gewerbescheins nach. Verlust und Ruhendstellung des Gewerbescheins sind uns unverzüglich zu melden. Sie werden als selbständiger Versicherungsagent im Sinne des § 43 Versicherungsvertragsgesetz (ausgenommen Abs 2 Z 4 ‑ Inkassoberechtigung) für die W***** Aktiengesellschaft (kurz W*****) tätig.

[...]

8. Ausschließlichkeit

Während der Dauer dieses Vertragsverhältnisses dürfen Sie weder mittelbar noch unmittelbar Verträge an eine andere Gesellschaft der Finanzdienstleistungsbranche vermitteln.

Sollten Sie während der Vertragsdauer für eine andere Gesellschaft der Finanzdienstleistungsbranche tätig werden, so bedarf es hiezu der ausdrücklichen schriftlichen Zustimmung der W *****.“

Zwischen der Gemeinschuldnerin und der W***** besteht seit 28. 10. 2004 eine Vermögensschaden‑Haftpflichtversicherung. Der Haftpflichtversicherungsvertrag enthält unter anderem nachstehende Bestimmungen:

Versichert ist:

Tätigkeit als Versicherungsagent.

EUR 1.000.000,00 Versicherungssumme je Versicherungsfall

[...]

Vertragsgrundlagen

B00‑Händische Beilage

07V‑Allgemeine Versicherungsbedingungen zur Haftpflichtversicherung für Vermögensschäden (AVBV 1995)

Der Versicherungspolizze waren auch die Besonderen Bedingungen für die Berufshaftpflichtversicherung von Versicherungsagenten der W***** angeschlossen, die unter anderem folgenden Inhalt haben:

„1. Der Versicherungsschutz bezieht sich auf die berufliche Tätigkeit des Versicherungsnehmers als Versicherungsagent im Rahmen seines Agenturverhältnisses mit der W ***** Aktiengesellschaft und der hiefür geltenden gesetzlichen Bestimmungen sowie der bei Vertragsabschluss geltenden Gewerbeberechtigung.

[...]“

Im Rahmen des Agenturvertrags durften nur firmeneigene Produkte der W***** vermittelt werden. Für den Abschluss von Lebensversicherungen außerhalb der Firmengruppe der W***** bedurfte es der ausdrücklichen Zustimmung der W*****. Um die Möglichkeit zu eröffnen, auch Verträge an andere Gesellschaften der Finanzdienstleistungsbranche zu vermitteln, gab es eine gesonderte Gesellschaft als Tochtergesellschaft der W*****, die S***** GmbH. Davon wurde mit Schreiben vom 7. 9. 2004 auch die Gemeinschuldnerin verständigt:

Im zeitlichen Zusammenhang mit der Novellierung der Gewerbeordnung (in Kraft ab 15. 1. 2005) teilte die Gemeinschuldnerin am 11. 4. 2005 der Bezirkshauptmannschaft F***** mit, dass sie als Inhaberin der Gewerbeberechtigung für Versicherungsagenten beabsichtige, ab dem 15. 1. 2005 die Vermittlung von Versicherungsverträgen weiterhin in der bisherigen Form vorzunehmen. Im dafür vorgesehenen Formular zeigte sie an, dass sie die Tätigkeit der Versicherungsvermittlung hauptberuflich in der Form als Versicherungsagent (§ 94 Z 76 GewO) ausüben werde, und dass mit der W***** und der S***** GmbH Agenturverträge bestünden. Sie beabsichtige, in sämtlichen anderen EU/EWR‑Mitgliedstaaten Versicherungsvermittlungs‑ tätigkeiten auszuüben, jedoch keine Vermittlung von Lebens‑ und Unfallversicherungen im Rahmen der gewerblichen Vermögensberatung.

Die W***** bestätigte, dass für die Gemeinschuldnerin eine Versicherung ab 15. 1. 2005 mit dem örtlichen Geltungsbereich EWR/EU besteht und als Vertragsgrundlage die AVBV 2005 sowie die Besonderen Bedingungen für die Berufshaftpflichtversicherung von Versicherungsagenten der W***** vereinbart wurden. In der Haftungsabsicherung wurde unter „Betrifft“ angeführt:

„Versicherungsbestätigung gemäß § 137c Gewerbeordnung zur Haftpflichtversicherung für Versicherungsvermittler.“

Das von der Gemeinschuldnerin den Klägern angebotene und vermittelte Produkt wurde als S***** S***** Garantie (in Hinkunft SSLG) bezeichnet. Es handelte sich um Einmalerläge zur Veranlagung in eine Lebensversicherung. Die durch einen Kredit bei der V***** AG, aufgebrachten Fremdmittel wurden zusammen mit den von den Klägern eingebrachten Eigenmitteln in einen Lebensversicherungsvertrag bei der V***** L***** AG eingebracht. Das Kapital wurde in der Folge in Form einer Wertpapieranlage in einen Zerobond und den sogenannten S***** S***** Fund investiert, der wiederum aus mehreren Subfonds besteht.

Das Produkt SSLG wurde von M***** D*****, der an der Gemeinschuldnerin beteiligt war, entwickelt. Bevor dieses Produkt auf dem Markt angeboten wurde, fanden in den Jahren 2004 und 2005 Gespräche zwischen M***** D***** und Mitarbeitern der W***** über indexgebundene Lebensversicherungen mit einer Einmalprämie statt. Ein Produkt unter Miteinbeziehung einer fonds‑ oder indexgebundenen Lebensversicherung der W***** kam aber nicht zustande.

Im April 2005 ersuchte M***** D***** einen Mitarbeiter der Gemeinschuldnerin, W***** G*****, bei der W***** anzufragen, ob Einmalerläge, die an die V***** L***** (LIE) vermittelt werden, in der Vermögensschaden‑Haftpflichtversicherung mitversichert sind.

Mag. M***** M***** antwortete, dass der EWR (damit auch Liechtenstein und natürlich Österreich) und explizit auch die Schweiz und einige andere Staaten mitgedeckt seien. Weiters teilte er mit: „Konzession der V***** L***** für den Verkauf in Österreich habe ich nicht nachgesehen, aber die liegt wohl sicher vor, und es liegt ja auch in derer und nicht in eurer Verantwortung.“

Die anschließende Anfrage von W***** G***** war, ob die V***** L***** Einmalerlagverträge mitgedeckt seien oder nicht.

Darauf antwortete Mag. M***** M*****:

„Ja! Genau das sollte der Inhalt meiner letzten Nachricht sein. Ich habe das Gefühl, wir schreiben aneinander vorbei ... Bei den V***** L*****‑Verträgen handelt es sich doch um LV‑Verträge oder? Dann ist ja ein Verkauf, wie geschrieben, in jedem der genannten Länder gedeckt. Wenn du etwas anderes wissen wolltest, ruf mich bitte an.“

Mag. M***** M***** war damals der Agenturbetreuer und Leiter des Agenturvertriebs bei der W*****. Es kann nicht festgestellt werden, dass er befugt war, die Zustimmung zur Vermittlung von Verträgen an eine andere Gesellschaft der Finanzdienstleistungsbranche zu erteilen.

Das Missverständnis im E‑Mail‑Verkehr am 19. 4. 2005 lag darin, dass W***** G***** eine Bestätigung für die Deckung des Produkts der V***** L***** bei der liechtensteinischen V***** L***** AG durch die Vermögensschaden‑Haftpflichtversicherung bei der W***** wollte. Mag. M***** M***** hingegen war der Meinung, dass es um eine geographische Frage ging. Weder Mag. M***** M***** noch W***** G***** kannten das Produkt SSLG, in das die V***** L***** einfließen sollte.

Mag. M***** M***** war der Auffassung, dass eine solche Versicherung aber als ausländische Lebensversicherung ‑ und damit kein Produkt der österreichischen W***** ‑ über die S***** GmbH eingereicht werden müsste und ging davon aus, dass W***** G***** das wusste. W***** G***** hingegen war der Meinung, dass der Abschluss einer Lebensversicherung der V***** L***** AG mit der S***** GmbH nichts zu tun hatte.

Die Kläger begehren die Zahlung von Schadenersatzbeträgen (95.536,96 EUR ‑ Erstkläger; 88.235,40 EUR ‑ Zweitkläger; 83.705,90 EUR ‑ Drittkläger und 98.169,72 EUR ‑ Viertkläger). Die Zweit‑ bis Viertkläger begehren darüber hinaus die Feststellung der Haftung der Gemeinschuldnerin für sämtliche künftigen Schäden und Nachteile, die ihnen aus dem Abschluss eines von der Gemeinschuldnerin vermittelten Anlageprodukts entstehen. Die Gemeinschuldnerin habe ein grob fehlerhaftes Hebelprodukt (SSLG) vermittelt. Wegen dieser Fehlberatung sei sie schadenersatzpflichtig. Durch die Mehrfachverrechnung von Provisionen und Gebühren habe man die Anleger um ihre Eigenmittel gebracht. Vermittler, Finanzierer und Lebensversicherer hätten arglistig und kollusiv zusammengearbeitet, um möglichst viel selbst „mitzuschneiden“. Über die Funktion des Hebels und die Kosten der Veranlagung seien die Kläger nicht ordnungsgemäß aufgeklärt und auch arglistig getäuscht worden.

Am 8. 11. 2010 wurde über das Vermögen der Gemeinschuldnerin das Konkursverfahren eröffnet und das Verfahren unterbrochen.

Mit Schriftsatz vom 16. 12. 2010 beantragten die Kläger die Fortsetzung des Verfahrens unter Hinweis darauf, dass nunmehr gemäß § 157 VersVG ein Absonderungsrecht (§ 48 IO) in den Deckungsanspruch der Gemeinschuldnerin gegen ihre Haftpflichtversicherung, nunmehr die V*****, geltend gemacht werde. Die Gemeinschuldnerin verfüge über eine Pflichtversicherung bei der V*****. Gemäß § 158c VersVG könne die Leistungsfreiheit eines Versicherers einem Dritten (hier den Klägern) nicht entgegengehalten werden, sodass das Innenverhältnis zwischen dem Versicherungsunternehmen und der Versicherungsnehmerin (Gemeinschuldnerin) belanglos sei. Die Gemeinschuldnerin sei zur Vermittlung von fondsgebundenen Lebensversicherungen wie jener bei der V***** L***** AG als Versicherungsagentin befugt gewesen. Die V***** L***** AG (Liechtenstein) sei eine 100%ige Tochter der V*****. Die Vermittlung von Lebensversicherungen von Konzernmitgliedern der W*****‑G***** sei Teil des Agenturvertrags der Gemeinschuldnerin gewesen.

Die W***** habe von der Vermittlung der Gemeinschuldnerin an die V***** L***** AG gewusst, habe diese geduldet und erlaubt. Die W*****, nunmehr V*****, hafte sowohl als Versicherer im Agenturvertrag als auch als Haftpflichtversicherer. Bei den von der Gemeinschuldnerin vermittelten Veranlagungen handle es sich um keine Finanz‑ oder Vermögensberatung, sondern um die Vermittlung einer Versicherung, da dem Gesamtkonzept eine Lebensversicherung zu Grunde gelegen sei. Die zum Zeitpunkt des Agenturvertrags geltende Gewerbeberechtigung habe sich generell auf die Vermittlung von Lebensversicherungen bezogen, sodass dieser Tätigkeitsbereich von der Haftpflichtversicherung durch die V***** umfasst sei. § 137c GewO beabsichtige einen lückenlosen Schutz des Verbrauchers, sodass die von der W***** abgegebene Haftpflichtversicherung losgelöst vom Agenturvertrag zu sehen sei und die Haftpflicht für alle Versicherungsvermittlungen der Gemeinschuldnerin gelte. Die Gemeinschuldnerin habe über die S***** GmbH Versicherungsleistungen vermitteln dürfen, darüber hinaus habe sie der Zustimmung der W***** bedurft. Der für derartige Zustimmungen zuständige Agenturleiter Mag. M***** M***** habe mit E‑Mail‑Verkehr vom 19. 4. 2005 generell die Zustimmung zur Vermittlung von Lebensversicherungsverträgen an die V***** L***** AG erteilt, und zwar sowohl für ‑ in Zukunft als auch bereits in der Vergangenheit ‑ vermittelte Lebensversicherungen. Auch habe er mit diesem E‑Mail‑Verkehr den Versicherungsschutz aus der Haftpflichtversicherung der W***** für diese Lebensversicherungsverträge konstitutiv anerkannt. Durch seine Bestätigung sei bei der Gemeinschuldnerin ein Gutglaubensschutz entstanden.

Der beklagte Insolvenzverwalter hielt dem zusammengefasst entgegen, dass die bei der W***** abgeschlossene Berufshaftpflichtversicherung im Zusammenhang mit dem Agenturvertrag zu sehen sei und nur die Tätigkeit der Gemeinschuldnerin als deren Versicherungsagentin versichert gewesen sei. Der E‑Mail‑Verkehr mit Mag. M***** M***** vom 19. 4. 2005 enthalte keine Willenserklärungen.

Das Erstgericht wies das Klagebegehren ab. Der Haftpflichtversicherungsvertrag beziehe sich auf den Agenturvertrag vom 28. 7. 2004. Dieser Agenturvertrag habe sich nur auf Produkte der W***** bezogen. Es hätte der Zustimmung der W***** bedurft, damit Versicherungsschutz im Rahmen des Haftpflichtversicherungsvertrags mit ihr in Anspruch genommen werden könne. Der objektive Erklärungswert der Angaben des Mag. M***** M***** sei zu unbestimmt. Der Wille der beiden Beteiligten könne nicht in Übereinstimmung gebracht werden. Eine Zustimmung der W***** zu den Verträgen liege nicht vor, sodass die Lebensversicherungsverträge bei der V***** L***** AG (Liechtenstein) vom Deckungsschutz des Haftpflichtversicherungsvertrags ausgenommen seien.

Das Berufungsgericht bestätigte dieses Urteil unter Berichtigung eines Schreibfehlers des Erstgerichts. Bei der hier zu beurteilenden Vermögensschaden‑Haftpflicht‑ versicherung handle es sich seit dem 15. 1. 2005 um eine Pflichtversicherung, auf die die Bestimmungen der §§ 158b bis 158i VersVG anzuwenden seien. Nach § 158c Abs 1 VersVG bleibe die Verpflichtung des Versicherers in Ansehung des Dritten (hier der Kläger) auch dann bestehen, wenn er von der Verpflichtung zur Leistung dem Versicherungsnehmer gegenüber (Gemeinschuldnerin) ganz oder teilweise frei bleibe. Nach dem Wortlaut des Punktes 1. der Besonderen Bedingungen für die Berufshaftpflichtversicherung von Versicherungsagenten der W***** beziehe sich der Versicherungsschutz auf die berufliche Tätigkeit des Versicherungsnehmers als Versicherungsagent im Rahmen seines Agenturverhältnisses mit der W***** und der hiefür geltenden gesetzlichen Bestimmungen sowie der bei Vertragsabschluss geltenden Gewerbeberechtigung. Auf Grund der primären Risikoabgrenzung sei die Vermittlung von Versicherungen an andere Gesellschaften von der Berufshaftpflichtversicherung nicht umfasst gewesen.

Aus der Richtlinie 2002/92/EG könne nicht gefolgert werden, dass ein Versicherer, wenn er die Haftpflichtversicherung eines Versicherungsagenten übernommen habe, unabhängig von jeder primären Risikoabgrenzung für sämtliche Verstöße in Kontakt mit Kunden Deckungsschutz zu gewähren habe. Daran ändere auch die Versicherungsbestätigung gemäß § 137c GewO vom 10. 3. 2005 nichts, da hier nur bestätigt werde, dass Vertragsgrundlage die „Besonderen Bedingungen für die Berufshaftpflichtversicherung von Versicherungsagenten der W*****“ seien und auf §§ 158d ff VersVG verwiesen werde.

Versicherungsschutz für an eine andere Gesellschaft vermittelte Versicherungsgeschäfte könnte denkmöglich nur dann gegeben sein, wenn eine Zustimmung vorgelegen sei. Ob eine derartige Zustimmung vorliege, sei an § 863 Abs 1 ABGB zu messen. Nach dieser Bestimmung sei für das Vorliegen und den Inhalt einer Willenserklärung nicht der wahre Wille des Erklärenden, sondern ‑ entsprechend der Vertrauenstheorie ‑ der Empfängerhorizont maßgeblich. Die Erklärung gelte so, wie sie ein redlicher Empfänger verstehen durfte. Liege objektiv eine Willenserklärung vor und habe der Empfänger auf sie vertraut, schade grundsätzlich sogar fehlendes Erklärungsbewusstsein des Erklärenden nicht. An schlüssige Willenserklärungen lege § 863 ABGB einen strengen Maßstab an: Für den Empfänger dürfe kein vernünftiger Grund für Zweifel an einen Rechtsfolgewillen des Erklärenden in bestimmter Richtung bestehen.

Ausgehend von diesen Grundsätzen müsse das Vorliegen einer konkludenten Zustimmung zur Vermittlung von Lebensversicherungen an die V***** L***** AG (Liechtenstein) und die Erweiterung der Haftpflicht verneint werden. Bei objektiver Betrachtung des Erklärungswerts der E‑Mail‑Mitteilungen des Mag. M***** M***** lägen nämlich deutlich erkennbare Zweifel an einer derartigen Erklärung und dem diesbezüglichen Erklärungswillen vor. Mag. M***** M***** habe objektiv erkennbar nur unter Wiedergabe des Haftpflichtversicherungsvertrags, ohne Bezug auf dessen Auslegung oder Erweiterung geantwortet. Er habe sich in seiner abschließenden Antwort nur auf die umfassten „Länder“ bezogen. Er habe klar zu erkennen gegeben, dass er andere Fragen keiner Prüfung zugeführt habe. Wie sich aus der nochmaligen Nachfrage des W***** G***** ergebe, sei diesem vollkommen klar gewesen, dass die geographische Frage sekundär gewesen sei. Das Problem habe darin bestanden, dass es sich um die liechtensteinische V***** L***** gehandelt habe und um ‑ im Versicherungswesen an sich nicht typische ‑ Einmalerläge. Ein redlicher Erklärungsempfänger habe bei sorgfältiger Deutung der Erklärungen des Mag. M***** erkennen müssen, dass dessen Antworten eben nicht auf diese zentralen Fragen gerichtet gewesen seien. Dazu komme, dass der Erklärungsempfänger nicht irgendein Versicherungsnehmer gewesen sei. Ausgehend von dessen Empfängerhorizont habe klar sein müssen, dass mit einer Vermittlung an eine andere Gesellschaft ein Provisionsverlust einhergehen und die Erweiterung der Haftpflicht auch Auswirkungen auf die Prämiengestaltung haben müsste. Dementsprechend vorsichtig sei auch von Anfang an die Anfrage des W***** G***** gewesen, sodass sich die Gemeinschuldnerin letztlich nicht auf eine konkludente Zustimmung und die damit einhergehende Erweiterung der Haftpflicht berufen könne.

Auf allfällige Schadenersatzansprüche der Gemeinschuldnerin gegenüber dem Versicherer könnten sich die Kläger nicht berufen. Gegenstand des geltend gemachten Absonderungsanspruchs nach § 157 VersVG sei nämlich nur der Deckungsanspruch aus der Vermögensschaden‑Haftpflichtversicherung, nicht aber ein allfälliger Schadenersatzanspruch der Gemeinschuldnerin gegenüber dem Versicherer wegen allfälliger Vertragsverletzungen.

Das Berufungsgericht sprach aus, dass die ordentliche Revision zulässig sei, weil eine höchstgerichtliche Rechtsprechung zum Haftungsumfang einer Pflichthaftpflichtversicherung von Versicherungsagenten fehle.

Gegen dieses Urteil wendet sich die Revision der Kläger mit einem Abänderungsantrag. Hilfsweise wird ein Aufhebungsantrag gestellt.

Der Beklagte begehrt, die Revision zurückzuweisen; hilfsweise ihr keine Folge zu geben.

Rechtliche Beurteilung

Die Revision ist aus dem vom Berufungsgericht aufgezeigten Grund zulässig, sie ist aber nicht berechtigt.

1. Bei der Haftpflichtversicherung ist der Versicherer gemäß § 149 VersVG verpflichtet, dem Versicherungsnehmer die Leistung zu ersetzen, die dieser auf Grund seiner Verantwortlichkeit für eine während der Versicherungszeit eintretende Tatsache an einen Dritten zu bewirken hat. Der Versicherungsnehmer hat damit gegenüber dem Versicherer ‑ im Rahmen des abgeschlossenen Vertrags ‑ einen Befreiungsanspruch, der ihn vor den Folgen der Inanspruchnahme durch den geschädigten Dritten schützen soll. Durch derartige Schadenersatzforderungen eines Geschädigten wird das Vermögen des Haftpflichtigen belastet; der mit dem Versicherer abgeschlossene Versicherungsvertrag gibt dem Versicherungsnehmer den Anspruch, ihn von dieser Schuld zu befreien (7 Ob 144/99y; Voit/Knappmann in Prölss/Martin , VersVG 27 § 149 Rz 1, 2).

2. Nach Klagseinbringung, am 8. 11. 2010, wurde über das Vermögen der Gemeinschuldnerin das Insolvenzverfahren eröffnet. Die Kläger behaupten, dass ihre Forderungen durch Absonderungsrechte nach § 157 VersVG gedeckt seien. Ein solches Absonderungsrecht kann der Geschädigte nach Konkurseröffnung mit Klage gegen den Insolvenzverwalter geltend machen, eine Forderungsanmeldung ist dafür nicht notwendig (7 Ob 44/58, 4 Ob 125/12d, RIS‑Justiz RS0064068). Die Klage ist grundsätzlich auf Zahlung bei sonstiger Exekution in den Deckungsanspruch zu richten (4 Ob 125/12d, RIS‑Justiz RS0064068). Der Deckungsanspruch des Versicherungsnehmers gegen den Versicherer stellt ein Sondervermögen dar, das nicht in die Konkursmasse fällt, sondern zur Befriedigung des geschädigten Dritten dient (RIS‑Justiz RS0064041; Schauer Versicherungsvertragsrecht³, 410; Bruck/Möller/Sieg/Johannsen , Kommentar Versicherungsvertragsgesetz IVB 102 ff).

3. In der obligatorischen Haftpflichtversicherung genießt der Geschädigte zusätzlichen Schutz. Hier ist ihm der Versicherer im Rahmen des versicherten Risikos auch dann haftpflichtig, wenn im Verhältnis zum Versicherungsnehmer Leistungsfreiheit besteht (§ 158c VersVG). Zwar hat der Geschädigte in diesem Fall keinen unmittelbaren Ersatzanspruch gegen den Versicherer (§ 158c Abs 5 VersVG), er kann aber zur Hereinbringung seiner Schadenersatzforderung im Exekutionsverfahren den ‑ nur fingierten ‑ Anspruch des Versicherungsnehmers pfänden lassen und dann direkt gegen den Versicherer vorgehen (7 Ob 108/11z, 7 Ob 189/12p).

3.1. Nach § 158c Abs 1 VersVG bleibt die Verpflichtung des Versicherers in Ansehung des Dritten auch dann bestehen, wenn der Versicherer von der Verpflichtung zur Leistung dem Versicherungsnehmer gegenüber ganz oder teilweise frei ist. „Leistungsfreiheit des Versicherers“ bedeutet allgemein seine einseitige Befreiung von seiner Einstandspflicht für einen Versicherungsfall. Gemäß § 158c Abs 1 VersVG wird ungeachtet der Leistungsfreiheit des Versicherers im Verhältnis zum Versicherungsnehmer oder Mitversicherten im Verhältnis zwischen Versicherer und geschädigtem Dritten das Bestehen eines Versicherungsanspruchs des Versicherungsnehmers oder Mitversicherten fingiert (7 Ob 108/11z, 7 Ob 189/12p).

3.2. Der Versicherer haftet aber nur im Rahmen der von ihm übernommenen Gefahr; die örtlichen, zeitlichen und sachlichen Grenzen der Gefahrenübernahme, also auch die zwischen dem Versicherer und dem Versicherungsnehmer zulässig vereinbarten Ausschlüsse gelten gegenüber dem Dritten, der sich insoweit nicht auf § 158c VersVG stützen kann. Das heißt, die Leistungspflicht des Versicherers kann nicht weiter als bei einem ordnungsgemäßen Versicherungsverhältnis gehen ( Knappmann in Prölss/Martin , Versicherungsvertragsgesetz 27 § 158c Rz 18; Beckmann in Berliner Kommentar zum Versicherungsvertragsgesetz § 158c Rz 34). § 158c VersVG führt demnach nicht zu einer Erweiterung der versicherten Gefahr ( Schauer aaO 412 f).

4. Entscheidungswesentlich für das Bestehen des behaupteten Absonderungsanspruchs der Kläger ist damit vorerst, ob die geltend gemachten Schadenersatzansprüche vom Versicherungsverhältnis der Gemeinschuldnerin und ihrer Haftpflichtversicherung umfasst sind.

4.1. Die durch Erlassung der Richtlinie 2002/92/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 9. 12. 2002 über Versicherungsvermittlung (in Hinkunft: RL) herbeigeführte Koordinierung der einzelstaatlichen Vorschriften über berufliche Anforderungen an die die Versicherungsvermittlung ausübenden Personen und über die Eintragung dieser Personen in ein öffentliches Register soll einerseits zur Vollendung des Binnenmarkts für Finanzdienstleistungen, andererseits zur Verbesserung des Verbraucherschutzes in diesem Bereich beitragen. Die Umsetzung der Richtlinie erfolgte durch Art I des Bundesgesetzes, mit dem die Gewerbeordnung 1994, das Versicherungsvertragsgesetz, das Versicherungsaufsichts‑ gesetz und das Bankengesetz geändert wurden (GewRNov 2004 BGBl I 2004/131; Grabler/Stolzlechner/ Wendl , Kommentar zur Gewerbeordnung [2011] § 137 Rz 1).

4.2. § 137c GewO (in Kraft getreten am 15. 1. 2005) sieht für Versicherungsvermittler eine Verpflichtung zum Abschluss einer Haftpflichtversicherung vor, die die Haftpflicht bei Verletzung beruflicher Sorgfaltspflichten abdeckt. Es handelt sich um eine gesetzliche Haftpflichtversicherung im Sinne der §§ 158b ff VersVG ( Grabler/Stolzlechner/Wendl aaO § 137c Rz 2).

4.3. Der neue gewerberechtliche Überbegriff der Versicherungsvermittler (§ 94 Z 76 GewO) umfasst sowohl „Versicherungsagenten“ als auch „Versicherungsmakler und Berater in Versicherungsangelegenheiten“. Es ist nach der neuen Rechtslage möglich, eine umfassende Berechtigung zu erlangen. Zulässig ist es aber auch weiterhin, das Gewerbe des Versicherungsvermittlers in der Form „Versicherungsagent“ oder in der Form „Versicherungsmakler und Berater in Versicherungsangelegenheiten“ anzumelden (§ 137 Abs 2 GewO; Grabler/Stolzlechner/Wendl aaO § 137 Rz 1; Hanusch , Gewerbeordnung 18 § 137 Rz 2).

4.4. Gemäß § 43 VersVG ist Versicherungsagent, wer von einem Versicherer ständig damit betraut ist, für diesen Versicherungsverträge zu vermitteln oder zu schließen. Versicherungsagenten stehen in vertraglicher Bindung (Agenturverhältnis) zu einem oder mehreren bestimmten Versicherungsunternehmen. Gemäß § 26 Abs 1 MaklerG ist Versicherungsmakler, wer als Handelsmakler Versicherungsverträge vermittelt.

5. Allgemeine Vertragsbedingungen sind nach ständiger Rechtsprechung nach den Grundsätzen der Vertragsauslegung (§§ 914, 915 ABGB) auszulegen, und zwar orientiert am Maßstab des durchschnittlich verständigen Versicherungsnehmers und stets unter Berücksichtigung des erkennbaren Zwecks einer Bestimmung (RIS‑Justiz RS0050063; RS0112256 [T10]). Es findet deshalb auch die Unklarheitenregelung des § 915 ABGB Anwendung. Unklarheiten gehen daher zu Lasten der Partei, von der die diesbezüglichen Formulare stammen; das heißt im Regelfall zu Lasten des Versicherers (RIS‑Justiz RS0050063 [T3]). Die Klauseln sind, wenn sie nicht Gegenstand und Ergebnis von Vertragsverhandlungen waren, objektiv unter Beschränkung auf den Wortlaut auszulegen (RIS‑Justiz RS0008901; 7 Ob 69/13t mwN).

5.1. Die allgemeine Umschreibung des versicherten Risikos erfolgt durch die primäre Risikoabgrenzung. Durch sie wird in grundsätzlicher Weise festgelegt, welche Interessen gegen welche Gefahren und für welchen Bedarf versichert sind.

Nach der Systematik der vorliegenden AVB wird zunächst festgehalten, dass die „Tätigkeit als Versicherungsagent“ versichert ist. In Punkt 1 der Besonderen Bedingungen für die Berufshaftpflichtversicherung von Versicherungsagenten der W***** wird die primäre Risikobeschreibung weiters dahin konkretisiert, dass sich der Versicherungsschutz auf die berufliche Tätigkeit des Versicherungsnehmers als Versicherungsagent im Rahmen seines Agenturverhältnisses mit der W***** und die hiefür geltenden gesetzlichen Bestimmungen sowie die bei Vertragsabschluss geltende Gewerbeberechtigung bezieht. Nach diesem eindeutigen Wortlaut wird damit die Deckung für Tätigkeiten des gewerblichen Versicherungsvermittlers in Form des Versicherungsagenten ausschließlich im Rahmen des Agenturverhältnisses zur W***** geregelt.

Entgegen der Ansicht der Kläger kann aus dem Verweis auf die Gewerbeberechtigung keine Erweiterung der Deckung über das Agenturverhältnis mit der W***** hinaus abgeleitet werden, zumal sich die Gewerbeberechtigung der Gemeinschuldnerin gleichfalls nur auf die Versicherungsvermittlung in der Form „Versicherungsagent“ unter Hinweis auf die Agenturverhältnisse zur W*****/V***** und der S***** bezieht.

5.2. An diesem Ergebnis ändert auch der Verweis der Kläger auf das Schreiben der W***** vom 10. 3. 2005, wonach letztere das Bestehen einer Haftpflichtversicherung für Versicherungsvermittler, welche den gesetzlichen Anforderungen entspreche, bestätigt habe, nichts. Dieses Schreiben wurde der Anzeige an die Gewerbebehörde betreffend die Überleitung einer bestehenden Gewerbeberechtigung der Gemeinschuldnerin angeschlossen. Aus dieser Anzeige ist ersichtlich, dass die Gemeinschuldnerin die Tätigkeit der Versicherungsvermittlung in Form des Versicherungsagenten im Rahmen der beiden bereits genannten Agenturverhältnisse auszuüben beabsichtigt. Dies lässt im Zusammenhang mit dem ausdrücklichen Hinweis auf die Geltung der Besonderen Bedingungen für die Berufshaftpflichtversicherung von Versicherungsagenten der W***** in der genannten Versicherungsbestätigung ebenfalls nicht auf die Erweiterung der Deckung über das Agenturverhältnis hinaus schließen.

6. Weiters ist die Zulässigkeit der vorgenommenen Einschränkung des Deckungsschutzes der Haftpflichtversicherung der Gemeinschuldnerin auf ihre Tätigkeit im Rahmen des Agenturverhältnisses zu prüfen.

6.1. Bei der Bestimmung des § 137c GewO handelt es sich um eine Vorschrift mit unmittelbar zivilrechtlicher Relevanz. Die Tätigkeiten der Versicherungsvermittler müssen durch eine der zur Verfügung stehenden Arten von Haftungsabsicherungen gedeckt sein. Aus § 137c GewO ergibt sich, dass eine Berufshaftpflichtversicherung, eine inhaltsgleiche Deckungsgarantie (Abs 1) oder eine unbeschränkte Haftungserklärung des/der vertretenen Versicherungsunternehmen (Abs 2) als Haftungsabsicherung zur Verfügung stehen.

Die uneingeschränkte Haftungserklärung nach § 137c Abs 2 GewO kann eine Berufshaftpflichtversicherung oder eine umfassende Deckungsgarantie nach § 137c Abs 1 GewO für die Tätigkeit der Versicherungsvermittlung ersetzen, wenn die Versicherungsvermittlung nur für ein Versicherungsunternehmen oder für mehrere Versicherungsunternehmen ausgeübt wird, die Versicherungsprodukte jedoch zueinander nicht in Konkurrenz stehen, und die Haftungserklärung eine wirtschaftlich und rechtlich mindestens gleichwertige Deckung bietet. Die Haftungserklärung muss uneingeschränkt sein und von einem Versicherungs- oder von Rückversicherungsunternehmen stammen, in dessen Namen der Versicherungsvermittler handelt oder zu handeln befugt ist. Die uneingeschränkte Haftungserklärung ist demnach nur für Versicherungsagenten als Haftungsabsicherung denkbar, da nur sie im Namen eines (Rück‑)Versicherungsunternehmen handeln oder zu handeln befugt sind. Dabei ist es möglich, die Haftungserklärung auf bestimmte Agenturverhältnisse zu beschränken, falls mehrere Agenturverhältnisse bestehen (vgl Grabler/Stolzlechner/Wendl aaO § 137c Rz 8 f; Hanusch aaO § 137c Rz 4; Funk‑Leisch , Das Recht der Versicherungsvermittlung in Österreich, 127;  Trojer/Eltner/Gottschamel/Neumayer/Gleißner/Derudder/Bohrn/Muschik/Sippl/Weigelt , Das neue österreichische Versicherungsvermittlerrecht, 31).

Daraus, dass dem Versicherungsvermittler in Form des Versicherungsagenten die Möglichkeit einer auf das Agenturverhältnis beschränkten Haftungserklärung nach § 137c Abs 2 GewO offen steht, ist abzuleiten, dass die von ihm anstelle der Haftungserklärung gewählte Berufshaftpflichtversicherung nach § 137c Abs 1 GewO gleichfalls auf die Tätigkeit eines Versicherungsagenten im Rahmen eines bestimmten Agenturverhältnisses eingeschränkt werden kann.

6.2. Die Umsetzungsbestimmung des § 137c GewO widerspricht auch nicht der RL. Diese geht von einer funktionalen Definition der Versicherungsvermittlung aus. Nach Art 2 Abs 3 RL ist „Versicherungsvermittlung“ das Anbieten, Vorschlagen oder Durchführen einer Vorbereitungsarbeit zum Abschließen von Versicherungsverträgen oder das Abschließen von Versicherungsverträgen oder das Mitwirken bei der Verwaltung und Erfüllung insbesondere im Schadensfall. Im Erwägungsgrund 9 wird festgehalten, dass Versicherungsprodukte von verschiedenen Kategorien von Personen oder Einrichtungen wie Versicherungsagenten, Versicherungsmaklern und Allfinanzunternehmen vertrieben werden können, wobei sich die RL aus Gründen der Gleichbehandlung dieser Akteure und des Kundenschutzes auf all diese Personen oder Einrichtungen beziehen sollte.

Art 2 Abs 7 RL definiert den „vertraglich gebundenen Versicherungsvermittler“ als jede Person, die eine Tätigkeit der Versicherungsvermittlung im Namen oder für Rechnung eines Versicherungsunternehmens oder ‑ wenn die Versicherungsprodukte nicht in Konkurrenz zueinander stehen ‑ mehrerer Versicherungsunternehmen ausübt, die jedoch weder die Prämien noch die für die Kunden bestimmten Beträge in Empfang nimmt und hinsichtlich der Produkte der jeweiligen Versicherungsunternehmen unter deren uneingeschränkter Verantwortung handelt. Der Erwägungsgrund 10 hält fest, dass die RL eine Definition des vertraglich gebundenen Versicherungsvermittlers enthält, die den Besonderheiten bestimmter Märkte der Mitgliedstaaten Rechnung trägt und darauf abzielt, die auf derartige Vermittlung anwendbaren Eintragungsbedingungen festzulegen. Diese Definition soll ähnlichen Definitionen von Versicherungsvermittlern in den Mitgliedstaaten nicht entgegenstehen, die zwar für Rechnung und im Namen eines Versicherungsunternehmens und unter dessen uneingeschränkter Verantwortung handeln, jedoch berechtigt sind, Prämien und Beträge, die gemäß den in dieser RL vorgesehenen finanziellen Garantien für die Kunden bestimmt sind, entgegenzunehmen.

Nach Art 3 Abs 2 RL können die Mitgliedstaaten mehr als ein Register einrichten, sofern sie Kriterien für die Eintragung der Vermittler festlegen.

All dies zeigt bereits, dass die RL unterschiedliche Versicherungsvermittler kennt und zulässt.

Nach Art 3 des Abs 4 (Berufliche Anforderungen) RL schließen Versicherungs‑ und Rückversicherungsvermittler eine für das gesamte Gebiet der Gemeinschaft geltende Berufshaftpflichtversicherung oder eine gleichwertige, die Haftpflicht bei Verletzung beruflicher Sorgfaltspflichten abdeckende Garantie ab, soweit eine solche Versicherung oder gleichwertige Garantie nicht bereits von einem Versicherungsunternehmen/Rückversicherungs‑ unternehmen oder von anderen Unternehmen gestellt wird, in dessen Namen der Versicherungs‑ oder Rückversicherungsvermittler handelt oder für das der Versicherungs‑ oder Rückversicherungsvermittler zu handeln befugt ist oder dieses Unternehmen die uneingeschränkte Haftung für das Handeln des Vermittlers übernommen hat.

Diese Anforderungen setzen das Anliegen des europäischen Gesetzgebers um, dass jeder, der durch Verletzung beruflicher Sorgfaltspflichten Schaden erlitten hat, entschädigt werden kann; Versicherungsvermittler müssen ihren Kunden einen Deckungsfonds zur Befriedigung ihrer Ansprüche zur Verfügung stellen. Vorrangiger Zweck dieser Bestimmung ist der Schutz geschädigter Personen ( Funk‑Leisch aaO 29). Zu diesem Zweck verlangt die Richtlinie als Eintragungsvoraussetzung eine Absicherung der Haftung, wobei sie nach ihrem Wortlaut drei Varianten zur Verfügung stellt: 1. Versicherungsvermittler schließen eine für das gesamte Gebiet der Gemeinschaft geltende Berufshaftpflichtversicherung oder eine gleichwertige, die Haftpflicht bei Verletzung beruflicher Sorgfaltspflichten abdeckende Garantie ab; 2. eine Berufshaftpflichtversicherung oder eine gleichwertige Garantie wird von einem Versicherungsunternehmen oder einem anderen Unternehmen gestellt, in dessen Namen der Vermittler handelt/zu handeln befugt ist; 3. das Unternehmen, in dessen Namen der Vermittler handelt/zu handeln befugt ist, übernimmt die uneingeschränkte Haftung für das Handeln des Vermittlers.

Diese drei Varianten sind dem nationalen Gesetzgeber zwingend vorgeschrieben, wobei der Richtliniengesetzgeber dem Versicherungsagenten die Möglichkeit eröffnen wollte, den Nachweis der ausreichenden Deckung des Berufsrisikos durch ein anderes, wirtschaftlich weniger belastendes Instrument als die Berufshaftpflichtversicherung oder eine gleichwertige Garantie zu erlangen (Fenyves, Zum Begriff der „gleichwertigen Garantie gemäß Art 4 Abs 3 der Vermittler-Richtlinie in Bork/Hoeren/Pöhlmann [Hrsg], FS Helmut Kollhosser 109). Als Ergebnis steht nur die erste Variante sämtlichen Versicherungsvermittlern offen. Die zweite und die dritte Variante sind auf Versicherungsagenten beschränkt. Nur sie können zwischen den Varianten wählen. Der nationale Gesetzgeber ist gehalten, dem Versicherungsagenten diese Wahlmöglichkeiten einzuräumen ( Funk‑Leisch aaO 35 ff). Daraus folgt, dass auch die RL vorsieht, dass Versicherungsagenten eine Absicherung der Haftung bei Verletzung ihrer beruflichen Sorgfaltspflichten nur im Rahmen ihrer Versicherungsagententätigkeit vornehmen können. In diesem Rahmen hat naturgemäß eine uneingeschränkte Absicherung zu erfolgen. Nichts anderes kann gelten, wenn der Versicherungsagent sich für den Abschluss einer Berufshaftpflichtversicherung entscheidet.

7. Als Zwischenergebnis ist festzuhalten, dass ‑ entgegen der Ansicht der Kläger ‑ der Versicherungsschutz vertraglich auf die Tätigkeit der Gemeinschuldnerin als Versicherungsagentin im Rahmen des Agenturverhältnisses zur W***** vereinbart war und dass diese „Einschränkung“ nach nationalem Recht und auch nach Gemeinschaftsrecht zulässig erfolgte.

8. Es ist nun zweifellos denkbar, dass ein Versicherer ‑ nachträglich ‑ zusagt, ein bestimmtes Risiko abweichend von dem sonst im Versicherungsvertrag zu Grunde gelegten Bedingungswerk abzudecken.

Soweit die Kläger ausführen, aus der E‑Mail‑Korrespondenz vom 19. 4. 2005 ergebe sich die Deckungspflicht der Haftpflichtversicherung, weil zum einen (zumindest konkludent) die Zustimmung zum Vertrieb der Lebensversicherung und zum anderen die Bestätigung hinsichtlich der Haftpflichtdeckung gegeben worden sei, werden sie auf die zutreffenden Ausführungen des Berufungsgerichts verwiesen. Dieses hat ausgehend von den getroffenen Feststellungen richtig eine ‑ konkludent zustande gekommene ‑ Erweiterung eines über das Agenturverhältnis hinausgehenden Versicherungsschutzes verneint (§ 510 Abs 3 ZPO).

9. Wird eine ‑ vorvertragliche ‑ Aufklärungs‑ pflicht und Informationspflicht schuldhaft verletzt, so muss der Versicherer dem Versicherungsnehmer alle Schäden ersetzen, die durch die Pflichtverletzung entstanden sind. Vielfach wird der Schaden des Versicherungsnehmers darin liegen, dass er sich ‑ entgegen seinen Vorstellungen über den Umfang der Versicherung ‑ nun plötzlich mit einer unerwarteten Deckungslücke konfrontiert sieht; der Schaden liegt also im Entgang der Versicherungsleistung. Hat der Versicherer diesen Schaden auszugleichen, so bedeutet dies, dass der Versicherungsnehmer im Ergebnis so gestellt wird, als wäre er von Anfang an entsprechend seiner Deckungserwartung „richtig“ versichert (RIS‑Justiz RS0106981, RS0080386).

Daraus ist für die Kläger nichts gewonnen. Nach § 157 VersVG wird der Deckungsanspruch des Versicherungsnehmers gegen den Versicherer als Sondervermögen normiert, das nicht in die Konkursmasse fällt, sondern zur Befriedigung ausschließlich des geschädigten Dritten dient, nicht aber auch ein allfälliger Schadenersatzanspruch des Versicherungsnehmers gegen den Versicherer.

10. Im Sinn der obigen Ausführungen besteht kein Anlass, der Anregung der Kläger auf Vorabentscheidung des EuGH im Zusammenhang mit der Frage nachzukommen, ob die Umsetzung der Richtlinie erfordere, dass „bei Bestehen einer Haftpflichtversicherung eines Versicherungsagenten die Haftpflichtversicherung uneingeschränkt für die Versicherungsvermittlung in ihrer gesamten Ausprägung als Versicherungsagent zu bestehen hat“.

Die Gemeinschuldnerin war im vorliegenden Fall gerade nicht als Versicherungsagentin im Rahmen des ‑ ohnedies uneingeschränkt versicherten ‑ Agenturverhältnisses tätig.

11. Die Kostenentscheidung gründet sich auf die §§ 41, 46 Abs 1, 50 ZPO. Den zum Kostenersatz verpflichteten, in der Hauptsache nicht solidarisch haftenden Klägern ist mangels einer erheblichen Verschiedenheit der Beteiligung am Rechtsstreit der Kostenersatz nach Kopfteilen aufzuerlegen.

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