OGH 8Ob101/13f

OGH8Ob101/13f28.10.2013

Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofs Dr. Spenling als Vorsitzenden sowie den Hofrat Hon.‑Prof. Dr. Kuras, die Hofrätin Dr. Tarmann‑Prentner und die Hofräte Mag. Ziegelbauer und Dr. Brenn als weitere Richter in der Rechtssache der klagenden Partei KR Ing. K***** H*****, vertreten durch die Dr. Philipp Pelz Rechtsanwalts Gesellschaft mbH in Wien, gegen die beklagte Partei DI H***** H*****, vertreten durch DDr. Harald Schröckenfuchs, Rechtsanwalt in Wien, wegen 175.000 EUR sA, über die Revision der klagenden Partei gegen das Urteil des Oberlandesgerichts Wien als Berufungsgericht vom 29. Juli 2013, GZ 5 R 125/13h‑23, mit dem das Urteil des Handelsgerichts Wien vom 21. Mai 2013, GZ 18 Cg 42/12h‑19, abgeändert wurde, in nichtöffentlicher Sitzung den

Beschluss

gefasst:

 

Spruch:

Der Revision wird Folge gegeben.

Das angefochtene Urteil wird aufgehoben und die Rechtssache zur neuerlichen Entscheidung an das Berufungsgericht zurückverwiesen.

Die Kosten des Revisionsverfahrens sind weitere Verfahrenskosten.

Text

Begründung

Der Kläger und der Beklagte waren im Jänner 2011 Geschäftsführer einer GmbH, an der sie über zwei andere GmbHs mittelbar beteiligt waren. Die GmbH hatte einen dringenden Geldbedarf in Höhe von 700.000 EUR. Aus diesem Grund nahm der Kläger bei seinem Bankinstitut persönlich einen Kredit über den genannten Betrag auf und überwies diesen auf das Konto der GmbH.

Am 14. Jänner 2011 akzeptierte der Beklagte einen vom Kläger ausgestellten Wechsel, der am 14. Jänner 2012 zahlbar war. Der Wechsel ist vollständig ausgefüllt. Der Geldbetrag wird sowohl in Ziffern als auch in Buchstaben angegeben. Diese Angaben lauten wie folgt:

„€ ATS 175.000,--

nicht zutreffendes durchstreichen

Schilling einhundertfünfundsiebzigtausend“.

Gleichzeitig unterfertigte der Beklagte eine Wechselverpflichtungserklärung mit folgendem Inhalt:

„Ich bestätige den Erhalt von Euro 175.000 (Euro einhundertfünfundsiebzigtausend) und verpflichte mich, diesen Betrag bis zum 14. Jänner 2012 zurückzuzahlen. Als Sicherheit dient der Wechsel über Euro 175.000 (Euro einhunderfünfundsiebzigtausend). Das Darlehen wird zu den Zinsen der Raiffeisenbank Wien NÖ verzinst. Betrag dankend erhalten.“

Der Kläger begehrte mit Wechselmandatsklage vom 16. 4. 2012 unter Vorlage des Originalwechsels vom 14. 1. 2011 die Erlassung eines Wechselzahlungsauftrags über 175.000 EUR sA gegen den Beklagten. Er habe dem Beklagten im Zusammenhang mit dem Finanzierungsbedarf der GmbH ein Darlehen in Höhe von 175.000 EUR gewährt, das durch den Wechsel sichergestellt worden sei. Der Beklagte habe das Darlehen nicht zurückgezahlt.

Der Beklagte erhob Einwendungen gegen den vom Erstgericht am 18. 4. 2012 antragsgemäß erlassenen Wechselzahlungsauftrag und begehrte dessen Aufhebung. Der Wechsel entspreche nicht dem Grundsatz der formellen Wechselstrenge und weise nicht die zwingenden Gültigkeitserfordernisse auf. So laute der Wechsel nicht auf eine bestimmte Geldsumme, weil sich in der dritten Zeile ein €‑Zeichen befinde, während in der vierten Zeile „Schilling“ angeführt sei. Das Klagebegehren über 175.000 EUR sei daher nicht von der Wechselurkunde gedeckt. Außerdem habe es ein Darlehen in der vom Kläger behaupteten Höhe nie gegeben.

Das Erstgericht hielt den Wechselzahlungsauftrag vom 18. 4. 2012 aufrecht. Der Wechsel laute auf einen Eurobetrag, weil die Buchstabenfolge „ATS“ durchgestrichen worden sei. Der Umstand, dass vor dem Betrag in Buchstaben das Wort „Schilling“ stehe, schade nicht, weil es zum Zeitpunkt der Ausstellung des Wechsels nicht mehr möglich gewesen sei, ein Zahlungsmittel in Schilling zu begeben. Zudem sei aus den Begleitumständen und der Wechselverpflichtungserklärung klar ersichtlich, dass der Wechsel zur Sicherung eines Darlehens in Höhe von 175.000 EUR gewährt worden sei. Damit erfülle der vorgelegte Wechsel alle Formvoraussetzungen und sei daher gültig.

Das Berufungsgericht gab der Berufung der Beklagten Folge, hob den Wechselzahlungsauftrag auf und wies das Klagebegehren ab. Das Wechselgesetz trage der Rechtssicherheit und der Umlauffähigkeit des Wechsels durch den Grundsatz der formellen Wechselstrenge Rechnung. Dementsprechend stelle eine Urkunde nur dann einen gültigen Wechsel dar, wenn sie alle vom Gesetz vorgesehenen Formerfordernisse erfülle. Die formale Gültigkeit eines Wechsels müsse sich eindeutig aus der Urkunde ergeben. Auch für die Auslegung sei allein die Urkunde maßgebend. Auf außerhalb der Urkunde liegende Umstände dürfe daher grundsätzlich nicht, auch nicht im Weg der Auslegung, zurückgegriffen werden. Im vorliegenden Fall schienen auf dem Wechsel zwei Währungen auf, von denen eine nicht mehr als Zahlungsmittel zugelassen sei. Da es für die Gültigkeit des Wechsels nur auf das äußere Erscheinungsbild, nicht aber auf eine Auslegung nach dem erkennbaren Parteiwillen ankomme, gehe das Berufungsgericht davon aus, dass die Anführung von zwei Währungen zur Unbestimmtheit und damit zur Unwirksamkeit des Wechsels führe. Auf die weiteren vom Beklagten relevierten Berufungsgründe müsse nicht mehr eingegangen werden. Die ordentliche Revision sei zulässig, weil es zur Frage der Gültigkeit eines Wechsels, in dem zwei verschiedene Währungen angeführt seien, an einer höchstgerichtlichen Rechtsprechung fehle.

Gegen diese Entscheidung richtet sich die Revision des Klägers, die auf eine Wiederherstellung der Entscheidung des Erstgerichts abzielt.

Mit ihrer Revisionsbeantwortung beantragt die Beklagte, dem Rechtsmittel der Gegenseite den Erfolg zu versagen.

Rechtliche Beurteilung

Die Revision ist zulässig, weil die Entscheidung des Berufungsgerichts einer Korrektur durch den Obersten Gerichtshof bedarf. Dementsprechend ist sie, allerdings nur im Sinn des subsidiären Aufhebungsantrags, berechtigt.

1. Aus der Umlauffunktion eines Wechsels folgt der Grundsatz der formellen Wechselstrenge. Dazu gehören vor allem die bei Ausstellung eines Wechsels zu beachtenden Formerfordernisse (Art 1 und 2 WG), deren Einhaltung zwingend ist. Fehlt ein zwingendes Erfordernis, so gilt die Urkunde nicht als Wechsel (Baumbach/Hefermehl/Casper, Wechselgesetz und Scheckgesetz²³ Einleitung WG Rz 13 und 25).

2.1 Zu den Erfordernissen eines Wechsels gehört unter anderem die Wechselsumme. Der Wechsel muss auf die Zahlung in Geld gerichtet sein. Geld ist im Allgemeinen das gesetzliche Zahlungsmittel. Der Wechsel kann also auf Euro, aber auch auf eine sonstige (gültige) ausländische Währung lauten (Baumbach/Hefermehl/Casper, Art 1 WG Rz 9 f; Bühlow, Wechselgesetz und Scheckgesetz5 Art 1 Rz 11 ff). Baumbach/Hefermehl/Casper (Art 1 WG Rz 9) vertreten dazu die Ansicht, dass die Verwendung einer nicht mehr gültigen Währung oder einer Kunstwährung unzulässig sei, weil es sich um ein gültiges (existentes) gesetzliches Zahlungsmittel handeln müsse.

2.2 Die Geldsumme muss einheitlich der Währung und der Höhe nach bestimmt angegeben sein (Wagner, Wechsel und Protest 30). Der einzige und einheitliche Betrag muss sich unmittelbar aus der Wechselurkunde ergeben. Es genügt aber, wenn aus dem gesamten Wechselinhalt hervorgeht, um welche Währung es sich handelt (Kapfer, Handkommentar zum Wechselgesetz 33). Die Angabe der Geldsumme kann in Buchstaben und/oder Ziffern erfolgen.

2.3 Art 6 Abs 1 WG betrifft eine betragsmäßige Abweichung der Wechselsumme in Ziffern von jener in Buchstaben. Sind die Währungen verschieden, also etwa Euro und Schweizer Franken, so ist der Wechsel wegen Unbestimmtheit unwirksam (Baumbach/Hefermehl/Casper, Art 6 WG Rz 2). Art 41 WG bezieht sich auf Fremdwährungswechsel, das heißt auf Wechsel, die auf Zahlung einer am Zahlungsort nicht geltenden, aber sonst existenten fremden Währung gerichtet sind (Baumbach/Hefermehl/Casper, Art 41 WG Rz 1).

3. Aus dem Grundsatz der formellen Wechselstrenge folgt, dass sich die Auslegung der Wechselurkunde im Allgemeinen daran zu orientieren hat, wie sie von einem am Wechselbegebungsvertrag nicht beteiligten Dritten nachvollzogen werden kann (8 Ob 78/03h; 8 Ob 18/09v). Dementsprechend sind für die Auslegung einer Wechselerklärung außer der Wechselurkunde nur solche äußeren Umstände heranzuziehen, die einem am Begebungsvertrag nicht beteiligten Dritten mutmaßlich bekannt sind oder von ihm ohne Schwierigkeiten erkannt werden können. Bei der Auslegung muss der Zusammenhang der ganzen Wechselurkunde und der erkennbare Zweck der Wechselerklärung berücksichtigt werden, sofern der Wortlaut und die Form eine eindeutige Auslegung gestatten (Baumbach/Hefermehl/Casper, Einleitung WG Rz 63 ff). Stehen sich allerdings die Parteien des Wechselbegebungsvertrags im Prozess gegenüber, so kann zur Auslegung auch auf außerhalb der Urkunde liegende Umstände zurückgegriffen werden, aus denen sich der Parteiwille in Bezug auf die Wechselverpflichtung ergibt (RIS‑Justiz RS0082501; 8 Ob 18/09v; vgl auch RIS‑Justiz RS0082498).

4.1 Im Anlassfall handelt es sich weder um einen Fall des Art 6 Abs 1 WG noch um einen Fremdwährungswechsel nach Art 41 WG. Ebenso wenig liegt der Fall vor, dass die im Wechsel angegebene Währung nach der Ausstellung außer Kraft getreten ist (vgl Bühlow Art 41 WG Rz 6 und Art 1 WG Rz 14a). Schließlich handelt es sich auch nicht um den Fall, dass im Wechsel zwei verschiedene gültige Währungen angegeben sind. Die Besonderheit liegt vielmehr darin, dass die Ziffernangabe in der gültigen Landeswährung (Euro) und im Betrag eindeutig bestimmt ist, wobei im Wechselformular die Bezeichnung „ATS“ als „nicht zutreffende“ Währung durchgestrichen ist und eindeutig die Währungsbezeichnung „€“ als gültig bestimmt wurde. Der Geldbetrag in Buchstaben stimmt mit jenem in Ziffern überein. Vor dem Geldbetrag in Buchstaben ist jedoch der Formularvordruck „Schilling“ stehen geblieben.

4.2 Bühlow (Art 6 WG Rz 3) führt aus, dass sich Art 6 Abs 1 WG nur auf die Geldsumme, nicht auf die Währung beziehe. Weiche diese in Buchstaben- und Zahlenangabe ab, so gelte nicht die Buchstabenangabe, vielmehr sei die Geldsumme unbestimmt, sodass der Wechsel gemäß Art 1 Nr 2, Art 2 Abs 1 WG nichtig sei. Gleiches gelte für die unterschiedliche Angabe der Geldsorte (Euro oder Cent). Auch nach Baumbach/Hefermehl/Casper (Art 1 WG Rz 2) und nach Kapfer (Handkommentar zum Wechselgesetz 34) macht eine unterschiedliche Angabe der Geldsorte (Ziffern in Euro, Buchstaben in Cent) den Wechsel ungültig.

4.3 Die zuletzt angeführten allgemeinen Grundsätze bei Abweichen der Währung in Buchstaben von jener bei der Zahlenangabe sind auf den vorliegenden Sonderfall nicht anwendbar. Zu beachten ist nämlich, dass sich im Prozess die Parteien des Wechselbegebungsvertrags gegenüberstehen, weshalb zur Auslegung des Wechsels auch auf außerhalb der Urkunde liegende Umstände, aus denen sich der Parteiwille in Bezug auf die Wechselverpflichtung ergibt, zurückgegriffen werden kann. In der Wechselverpflichtungserklärung wurde ausdrücklich festgehalten, dass der Beklagte einen Wechsel über 175.000 EUR unterfertigt. Dies wurde zwischen den Parteien auch so besprochen.

Davon abgesehen würde auch die Auslegung anhand der Wechselurkunde zum selben Ergebnis führen. Der Formularvordruck „Schilling“ vor dem Geldbetrag in Buchstaben lautet nämlich auf eine nicht mehr existente, ungültige Währung. Gleichzeitig ist beim Geldbetrag in Ziffern die korrespondierende Kurzbezeichnung „ATS“ durchgestrichen und das Zeichen „€“ als gültige Währung angegebenen. Schon aus diesem Inhalt der Wechselurkunde müsste jedem redlichen, am Wechselbegebungsvertrag nicht beteiligten Dritten klar sein, dass es sich beim Geldbetrag von 175.000 um einen Euro‑Betrag handelt.

5. Im Anlassfall besteht somit kein Zweifel daran, dass nach den zu Gebote stehenden Auslegungsmitteln ein gültiger Wechsel über den Betrag von 175.000 EUR vorliegt. Entgegen der Ansicht des Berufungsgerichts kann aus dem Grundsatz der formellen Wechselstrenge nicht ein anderes Ergebnis abgeleitet werden.

6. Das Berufungsgericht hat zwar die Berufung der Beklagten wegen Nichtigkeit verworfen (vgl RIS‑Justiz RS0043405; RS0043822), sonst aber die Berufung nicht vollständig erledigt. Insbesondere hat es die Mängelrüge nicht behandelt und sich auch mit der Beweisrüge und den geltend gemachten sekundären Feststellungsmängeln nicht befasst. Die geltend gemachten Verfahrensmängel sowie die Beweisrüge beziehen sich (auch) auf Einwände aus dem Grundgeschäft. Da sich im Wechselmandatsverfahren Gläubiger und Schuldner des (behaupteten) Grundgeschäfts gegenüberstehen, kann den entsprechenden Ausführungen in der Berufung die Relevanz nicht abgesprochen werden (vgl RIS‑Justiz RS0114336). Eine abschließende Beurteilung der Rechtssache ist daher noch nicht möglich.

In Stattgebung der Revision war das angefochtene Urteil aufzuheben und die Rechtssache an das Berufungsgericht zur neuerlichen Entscheidung über die Berufung des Beklagten zurückzuverweisen.

Der Kostenvorbehalt beruht auf § 52 Abs 1 ZPO.

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