OGH 10ObS108/13z

OGH10ObS108/13z12.9.2013

Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht in Arbeits‑ und Sozialrechtssachen durch den Senatspräsidenten Dr. Hradil als Vorsitzenden, die Hofräte Dr. Fellinger und Dr. Hoch sowie die fachkundigen Laienrichter Dr. Martin Gleitsmann (aus dem Kreis der Arbeitgeber) und KR Karl Frint (aus dem Kreis der Arbeitnehmer) als weitere Richter in der Sozialrechtssache der klagenden Partei F*****, vertreten durch Dr. Sabine Hauer, Rechtsanwältin in Wien, diese vertreten durch Mag. Nora Huemer‑Stolzenburg, Rechtsanwältin in Wien, gegen die beklagte Partei Pensionsversicherungsanstalt, 1021 Wien, Friedrich‑Hillegeist‑Straße 1, wegen Pflegegeld, über die Revision der klagenden Partei gegen das Urteil des Oberlandesgerichts Wien als Berufungsgericht in Arbeits‑ und Sozialrechtssachen vom 26. Februar 2013, GZ 10 Rs 16/13s‑22, womit infolge Berufung der beklagten Partei das Urteil des Arbeits‑ und Sozialgerichts Wien vom 9. November 2012, GZ 38 Cgs 156/12b‑18, abgeändert wurde, in nichtöffentlicher Sitzung zu Recht erkannt:

 

Spruch:

Der Revision wird Folge gegeben.

Das angefochtene Urteil wird dahin abgeändert, dass die Entscheidung des Erstgerichts mit folgender Maßgabe wiederhergestellt wird:

„Die beklagte Partei ist schuldig, der klagenden Partei das Pflegegeld der Stufe 2 in Höhe von 284,30 EUR monatlich für den Zeitraum vom 1. 5. 2012 bis 30. 6. 2013 zu gewähren.

Das Mehrbegehren auf Zahlung eines höheren Pflegegeldes wird abgewiesen.“

Die beklagte Partei ist weiters schuldig, der klagenden Partei die mit 373,68 EUR (darin enthalten 62,28 EUR USt) bestimmten Kosten des Revisionsverfahrens binnen 14 Tagen zu ersetzen.

Text

Entscheidungsgründe:

Der am 29. 5. 1981 geborene Kläger ist albanischer Staatsbürger und lebt seit 13. 9. 2004 in Wien. Er stellte am 22. 10. 2004 einen Asylantrag. Mit Erkenntnis des Asylgerichtshofs vom 9. 6. 2011 wurde ihm der Status eines subsidiär Schutzberechtigten zuerkannt. Der Kläger verfügt seit diesem Zeitpunkt über eine befristete (gemäß § 8 Abs 4 AsylG 2005 jeweils jährlich verlängerbare) Aufenthaltsberechtigung bis 9. 6. 2013, sodass er sich seit 22. 10. 2004 durchgehend rechtmäßig in Österreich aufhält.

Mit Bescheid des Magistrats der Stadt Wien vom 10. 11. 2006 wurde dem Kläger für die Dauer einer aufrechten Aufenthaltsbewilligung Nachsicht von der Voraussetzung des Besitzes der österreichischen Staatsbürgerschaft gemäß § 3 Abs 4 Wiener Pflegegeldgesetz (WPGG) gewährt. Er bezog vom 1. 7. 2006 bis 30. 4. 2012 aufgrund mehrerer Bescheide des Magistrats der Stadt Wien (jeweils befristet) Pflegegeld der Stufe 4 nach dem WPGG, wobei ihm zuletzt mit Bescheid des Magistrats der Stadt Wien vom 27. 5. 2011 unter Berufung auf die bereits erteilte Nachsicht von der Voraussetzung der österreichischen Staatsbürgerschaft für die Dauer einer aufrechten Aufenthaltsbewilligung über den 30. 4. 2011 hinaus Pflegegeld der Stufe 4 befristet bis 30. 4. 2012 gewährt wurde.

Im Rechtsmittelverfahren ist nicht mehr strittig, dass beim Kläger jedenfalls seit 1. 5. 2012 ein monatlicher Pflegebedarf von 109 Stunden nach den entsprechenden Bestimmungen des BPGG besteht.

Mit Bescheid vom 25. 5. 2012 lehnte die beklagte Pensionsversicherungsanstalt den Antrag des Klägers vom 18. 4. 2012 auf Weitergewährung des Pflegegeldes über den 30. 4. 2012 hinaus mit der Begründung ab, der Kläger gehöre als subsidiär Schutzberechtigter mit einer lediglich befristeten Aufenthaltsgenehmigung gemäß § 8 Abs 4 AsylG nicht zum anspruchsberechtigten Personenkreis nach dem BPGG.

Gegen diesen Bescheid erhob der Kläger rechtzeitig Klage mit dem Begehren auf Gewährung von Pflegegeld nach dem BPGG im gesetzlichen Ausmaß ab 1. 5. 2012. Es liege analog § 3 Abs 4 WPGG eine Härtefallkonstellation vor, die ein Nachsehen vom Erfordernis des Vorliegens der österreichischen Staatsbürgerschaft rechtfertige. Durch den Kompetenzübergang vom Land Wien auf den Bund habe sich daran nichts geändert.

Die beklagte Partei beantragte die Abweisung des Klagebegehrens und wendete im Wesentlichen ein, der Status des Klägers als subsidiär Schutzberechtigter rechtfertige nicht den Bezug von Pflegegeld nach dem BPGG. Für die vom Kläger begehrte Nachsicht zur Vermeidung sozialer Härten lasse das BPGG keinen Raum.

Das Erstgericht gab dem Klagebegehren insoweit statt, als es die beklagte Partei verpflichtete, dem Kläger Pflegegeld der Stufe 2 „im gesetzlichen Ausmaß“ für den Zeitraum vom 1. 5. 2012 bis 30. 6. 2013 zu gewähren. Es beurteilte den bereits eingangs wiedergegebenen Sachverhalt in rechtlicher Hinsicht im Wesentlichen dahin, dass Anspruch auf Pflegegeld nur Bezieher bestimmter Grundleistungen (§ 3 BPGG) oder österreichische Staatsbürger und ihnen gleichgestellte Personen (§ 3a BPGG) hätten. Beide Voraussetzungen lägen beim Kläger nicht vor. Die geltende Rechtslage sehe auch die vom Kläger begehrte Nachsicht vom Erfordernis der österreichischen Staatsbürgerschaft, die nach § 3 Abs 4 WPGG zur Vermeidung einer sozialen Härte noch möglich gewesen sei, nicht (mehr) vor. Allerdings sei dem Kläger diese Nachsicht bereits rechtskräftig gewährt worden. Gemäß § 48c Abs 10 BPGG seien die Abs 1 bis 4 zur Vermeidung einer sozialen Härte sinngemäß auf Pflegegeld, das Personen zum 31. 12. 2011 aufgrund landesgesetzlicher Vorschriften zur Vermeidung einer sozialen Härte geleistet wurde, anzuwenden. Der Gesetzgeber habe gerade darauf Bedacht genommen, dass aufgrund der Kompetenzverschiebung zum Bund keine Unterbrechung im Pflegegeldbezug eintrete. Daher bestehe eine Bindung an den Bescheid über die erteilte Nachsicht von der Voraussetzung des Besitzes der österreichischen Staatsbürgerschaft für die Dauer einer aufrechten Aufenthaltsbewilligung, sodass diese Voraussetzung für die Gewährung des Pflegegeldes (auch nach dem BPGG) vorliege. Auch die übrigen Voraussetzungen seien erfüllt, sodass der festgestellte Pflegebedarf von 109 Stunden pro Monat Pflegegeld der Stufe 2 rechtfertige. Aufgrund der Besserungsmöglichkeit und der Nachsichtgewährung von der Voraussetzung der österreichischen Staatsbürgerschaft für die Dauer des Vorliegens einer Aufenthaltsbewilligung sei die Leistung jedoch nur befristet bis 30. 6. 2013 zuzuerkennen gewesen.

Das Berufungsgericht wies in Stattgebung der Berufung der beklagten Partei das Klagebegehren ab. Es führte in rechtlicher Hinsicht im Wesentlichen aus: Da nach der Kompetenzbereinigung durch das Pflegegeldreformgesetz 2012 (BGBl I 2011/58) nur Bezieher einer bundes‑ oder landesgesetzlichen Grundleistung (§ 3 BPGG) oder österreichische Staatsbürger ohne Grundleistung (§ 3a BPGG) Anspruch auf Pflegegeld hätten und beide Voraussetzungen beim Kläger nicht vorlägen, könne er seinen Anspruch auf Pflegegeld im Ergebnis nur aus einer (analogen) Weitergeltung der Härteklausel im Sinn des § 3 Abs 4 WPGG ableiten. Danach konnte die Voraussetzung der österreichischen Staatsbürgerschaft nachgesehen werden, wenn es die persönlichen, familiären oder wirtschaftlichen Verhältnisse des Fremden zur Vermeidung einer sozialen Härte geboten erscheinen ließen. Durch den Zuständigkeitswechsel vom Land zum Bund bzw vom Landespflegegeld zum Bundespflegegeld mit 1. 1. 2012 allein solle zwar niemand schlechtergestellt werden. Es sei allerdings im vorliegenden Fall zu berücksichtigen, dass dem Kläger nach dem WPGG Pflegegeld lediglich befristet bis 30. 4. 2012 gewährt worden sei, sodass sich auch die Rechtskraftwirkung dieser Entscheidung nicht darüber hinaus entfalten könne. Durch die Übergangsbestimmung des § 48c Abs 1 bis 4 und Abs 10 BPGG sei der Anspruch des Klägers auf Pflegegeld daher über den 31. 12. 2011 hinaus lediglich bis zum Ende dieser Befristung geschützt worden, weil dieser zeitlich begrenzte Anspruch nach Ablauf der Befristung automatisch weggefallen sei, ohne dass es eines weiteren behördlichen Akts bedurft hätte. Ob nach Ablauf der Befristung weiterhin Pflegegeld gebühre, sei nicht durch Vergleich mit dem seinerzeitigen Zustand, sondern unabhängig von der früheren Einschätzung neu zu prüfen. Der Anspruch auf Weitergewährung des Pflegegeldes hänge daher ganz allgemein davon ab, ob die Anspruchsvoraussetzungen nach Ablauf der Frist noch, erstmals oder wieder vorliegen, ohne dass eine Änderung der Verhältnisse erforderlich wäre.

Da die vom Kläger begehrte Weitergewährung des Pflegegeldes ab 1. 5. 2012 somit unabhängig von dem ihm nach landesgesetzlichen Vorschriften befristet gewährten Pflegegeld im Sinne einer Neuzuerkennung zu beurteilen sei, komme es somit ausschließlich auf die Anspruchsvoraussetzungen des BPGG an. Da das BPGG jedoch keine Härtefallregelung vorsehe, könne dem Kläger nach Ablauf der Befristung des letzten (nach dem WPGG) zu beurteilenden Gewährungsbescheids ‑ selbst bei Vorliegen einer sozialen Härte ‑ kein Pflegegeld mehr gewährt werden. Das Berufungsgericht sprach aus, dass die ordentliche Revision zulässig sei, weil zur Frage, ob ein nach landesgesetzlichen Vorschriften zur Vermeidung einer sozialen Härte befristet gewährtes Pflegegeld eine Weitergewährung nach dem BPGG rechtfertige, noch keine Rechtsprechung des Obersten Gerichtshofs vorliege.

Gegen diese Entscheidung richtet sich die Revision des Klägers wegen unrichtiger rechtlicher Beurteilung mit dem Antrag, das angefochtene Urteil im Sinne einer vollinhaltlichen Stattgebung des Klagebegehrens abzuändern. Hilfsweise wird ein Aufhebungsantrag gestellt.

Die beklagte Partei hat sich am Revisionsverfahren nicht beteiligt.

Rechtliche Beurteilung

Die Revision ist aus dem vom Berufungsgericht genannten Grund zulässig. Sie ist auch rechtzeitig, weil im Fall einer Umbestellung des Rechtsanwalts zur Verfahrenshilfe durch die Rechtsanwaltskammer die ‑ bis dahin nicht abgelaufene ‑ Rechtsmittelfrist erst ab Zustellung des Umbestellungsbeschlusses und der anzufechtenden Entscheidung an den neu bestellten Rechtsanwalt läuft (vgl RIS‑Justiz RS0041649) und im Sinne einer Wiederherstellung des klagestattgebenden Ersturteils auch berechtigt.

Der Kläger macht ‑ zusammengefasst ‑ geltend, aufgrund der Übergangsbestimmung des § 48c Abs 10 BPGG bestehe für die Dauer einer aufrechten Aufenthaltsbewilligung eine Bindung an den Bescheid über die erteilte Nachsicht. Eine durch die Kompetenzverschiebung zum Bund bestehende Unterbrechung im Pflegegeldbezug sei nicht in der Absicht des Gesetzgebers gelegen. Es würde eine Verletzung des Gleichheitssatzes darstellen, würde eine von der Behörde im Einzelfall bereits rechtskräftig zuerkannte Nachsicht bloß deswegen bedeutungslos, weil der zuständige Entscheidungsträger gewechselt habe. Es würde auch eine Verletzung der Gleichheit vor dem Gesetz bzw der Gleichheit von Fremden vorliegen, wenn einerseits österreichische Staatsbürger bzw Fremde, denen Asyl gewährt worden sei, und andererseits Fremde, die subsidiär schutzberechtigt seien, unterschiedlich behandelt würden. Das Klagebegehren sei daher schon aufgrund der gebotenen verfassungskonformen Auslegung der Übergangsbestimmung des § 48c Abs 1 und 10 BPGG berechtigt.

Weiters macht der Kläger im Einzelnen noch geltend, es stehe ihm auch aufgrund des Art 30 Abs 2 der RL 2011/95/EU des Rates vom 13. 12. 2011 („Statusrichtlinie“) der Anspruch auf Pflegegeld zu bzw stehe eine nationale Regelung, welche subsidiär Schutzberechtigte vom Anspruch auf Pflegegeld (= Versorgungsleistung im Krankheitsfall) ausschließe, im Widerspruch zum Diskriminierungsverbot nach Art 21 Abs 1 der Charta der Grundrechte der Europäischen Union (GRC) bzw zu Art 30 Abs 2 der RL 2011/95/EU des Rates vom 13. 12. 2011 („Statusrichtlinie“) bzw zu den entsprechenden Bestimmungen der RL 2000/43/EG des Rates vom 26. 9. 2000 zur Anwendung des Gleichbehandlungsgrundsatzes ohne Unterschied der Rasse oder ethnischen Herkunft. In diesem Zusammenhang regt der Kläger auch die Einholung einer Vorabentscheidung des EuGH an.

Der erkennende Senat hat dazu Folgendes erwogen:

1. Vor dem Inkrafttreten des Pflegegeldreformgesetzes 2012, BGBl I 2011/58, mit 1. 1. 2012 konnte Personen, denen der Status eines subsidiär Schutzberechtigten zukam, nach landesgesetzlichen Härtefallbestimmungen, wonach die Voraussetzung der österreichischen Staatsbürgerschaft zur Vermeidung einer sozialen Härte nachgesehen werden konnte, Pflegegeld zuerkannt werden (vgl dazu Liebhart, Pflegegeld und Staatsbürgerschaft ÖZPR 2011/12, 13 mwN). Der Status eines subsidiär Schutzberechtigten bedeutet, dass zwar kein Asylgrund im Sinne der Genfer Flüchtlingskonvention vorliegt, aber dass eine Abschiebung in das Herkunftsland des Betroffenen rechtlich nicht zulässig ist, weil diese Abschiebung gegen Bestimmungen der Europäischen Menschenrechtskonvention (EMRK) verstoßen würde. Mit der Zuerkennung des subsidiären Schutzes wird daher zwar nicht der Flüchtlingsstatus zuerkannt, vielfach kommt diesem Schutz doch praktisch eine ähnliche Bedeutung zu. Die Aufenthaltsberechtigung als subsidiär Schutzberechtigter wird nicht unbefristet erteilt, sondern jeweils für ein Jahr zuerkannt. Sie kann aber auf Antrag verlängert werden, wenn eine Abschiebung nach wie vor nicht möglich ist. In den meisten Fällen ist dieser Status faktisch dauerhaft, weil sich an der Nichtabschiebbarkeit in der Regel nichts ändert (vgl Peyrl, Der Anspruch von Subsidiär Schutzberechtigten auf Pflegegeld, ÖZPR 2013/77, 111).

1.1 Dem Kläger wurde zuletzt durch den Bescheid des Magistrats der Stadt Wien vom 27. 5. 2011 Pflegegeld der Stufe 4 befristet bis 30. 4. 2012 nach den Bestimmungen des WPGG gewährt. Da er nicht die österreichische Staatsbürgerschaft besitzt (§ 3 Abs 1 Z 1 WPGG) und österreichischen Staatsbürgern auch nicht gleichgestellt ist (Abs 3), wurde gemäß § 3 Abs 4 WPGG diese Voraussetzung zur Vermeidung einer sozialen Härte nachgesehen. Über diese Frage ist bescheidförmig zu entscheiden. Die Gewährung der Nachsicht liegt im Ermessen des Entscheidungsträgers (Pfeil, BPGG 73). Entscheidungen über das Nachsehen von dem Erfordernis der österreichischen Staatsbürgerschaft sind gemäß § 3 Abs 4 WPGG keine Sozialrechtssachen nach § 65 ASGG. Dies bedeutet freilich nicht, dass hier der Rechtsschutz gänzlich entfällt. § 19 Abs 1 WPGG eröffnete anstelle der Klage die Möglichkeit eines administrativen Rechtsmittels (Fink, Die sukzessive Zuständigkeit im Verfahren in Sozialrechtssachen 176).

2. Mit dem Pflegegeldreformgesetz 2012, BGBl I 2011/58, wurde die Gesetzgebungs‑ und Vollziehungskompetenz für das Pflegegeld mit Wirkung vom 1. 1. 2012 von den Ländern auf den Bund übertragen und damit das Pflegegeld beim Bund konzentriert. Aufgrund der Zuständigkeit des Bundes für alle Pflegegeldbezieher ab 1. 1. 2012 waren rund 74.000 Bezieher von Landespflegegeld in das System des Bundespflegegeldes überzuleiten. Unter Bedachtnahme auf den besonders schutzwürdigen Personenkreis wurde diese Überleitung einerseits verwaltungsökonomisch, andererseits aber ohne Belastung der Betroffenen mit Formalismen und ohne jede Unterbrechung des Pflegegeldbezugs gelöst. Zudem ist die Überleitung vom Grundsatz geprägt, dass niemand alleine aufgrund des Zuständigkeitswechsels vom Land zum Bund bzw vom Landespflegegeld zum Bundespflegegeld schlechtergestellt wird (Greifeneder, Pflegegeldreformgesetz 2012, ÖZPR 2011/90, 108 [109]).

2.1 Das nunmehr seit 1. 1. 2012 allein maßgebliche BPGG sieht die Möglichkeit der Nachsicht der Voraussetzung der österreichischen Staatsbürgerschaft nicht mehr vor. In den Übergangsbestimmungen wurde jedoch klargestellt, dass Personen, denen von den Ländern zum 31. 12. 2011 ein Pflegegeld zur Vermeidung einer sozialen Härte geleistet wird, von Amts wegen ab 1. 1. 2012 Bundespflegegeld gewährt wird, sie ihres Anspruchs somit nicht verlustig werden. So sieht § 48c Abs 10 BPGG vor, dass auf ein Pflegegeld, das Personen zum 31. 12. 2011 aufgrund landesgesetzlicher Vorschriften zur Vermeidung einer sozialen Härte geleistet wird, sowie auf Anträge in anhängigen Verfahren, die bis zu diesem Zeitpunkt gestellt werden, Abs 1 bis 4 sinngemäß anzuwenden sind.

2.2 Nach § 48c Abs 1 BPGG gelten rechtskräftige Entscheidungen, die aufgrund landesgesetzlicher Vorschriften ergangen sind, als Entscheidungen nach diesem Bundesgesetz. In § 48c Abs 2 BPGG wird nochmals klargestellt, dass ein aufgrund landesgesetzlicher Regelungen zum 31. 12. 2011 rechtskräftig zuerkanntes Pflegegeld ab 1. 1. 2012 als nach diesem Bundesgesetz zuerkannt gilt. Personen, denen zum 31. 12. 2011 ein Pflegegeld nach den bisherigen landesgesetzlichen Regelungen rechtskräftig zuerkannt wurde, haben ab 1. 1. 2012 einen Pflegegeldanspruch nach den Vorschriften dieses Bundesgesetzes in Höhe der bisher nach landesgesetzlichen Vorschriften gewährten Stufe; Bescheide darüber sind nicht nochmals zu erlassen. § 48b Abs 1 bis 4 ist sinngemäß anzuwenden. Nach § 48c Abs 3 BPGG gilt das Pflegegeld nach den bisherigen landesgesetzlichen Regelungen mit Ablauf des 31. 12. 2011 als eingestellt. Die im vorliegenden Fall nicht relevante Übergangsbestimmung des § 48c Abs 4 BPGG betrifft eine Regelung bezüglich aller am 1. 1. 2012 noch nicht rechtskräftig abgeschlossenen Pflegegeldverfahren.

2.3 Die zitierte Regelung des § 48c Abs 1 und 2 BPGG bedeutet auch, dass jede Änderung, insbesondere eine Herabsetzung der Pflegegeldstufe oder ein gänzlicher Entzug eines landesgesetzlich gewährten Pflegegeldes nur dann möglich ist, wenn ‑ etwa im Rahmen einer ärztlichen Nachuntersuchung ‑ eine derartige wesentliche Änderung seit der letzten bescheidmäßigen Feststellung des Pflegebedarfs im Sinn des § 9 Abs 4 BPGG festgestellt wird, dass nunmehr eine andere Pflegegeldstufe zu gewähren ist (Greifeneder/Liebhart, Pflegegeld³ Rz 148 mwN).

2.4 Die in § 48c Abs 2 letzter Satz BPGG ausdrücklich angeordnete sinngemäße Anwendung des § 48b Abs 1 bis 4 BPGG bedeutet unter anderem, dass eine Minderung oder Entziehung eines rechtskräftig zuerkannten Pflegegeldes wegen der gesetzlichen Änderungen der Anspruchsvoraussetzungen gemäß § 4 Abs 2 in der Fassung des BudgetbegleitG 2011, BGBl I 2010/111, nur dann zulässig ist, wenn auch eine wesentliche Veränderung im Ausmaß des Pflegegeldes eingetreten ist und dieser Grundsatz auch in den Fällen einer befristeten Gewährung des Pflegegeldes gemäß § 9 Abs 2 BPGG gelten soll. Diese Bestimmung gilt gemäß § 48b Abs 4 BPGG auch für gerichtliche Verfahren.

3. Das Pflegegeld ist gemäß § 9 Abs 2 BPGG im Regelfall unbefristet zuzuerkennen. Eine Befristung ist nur ausnahmsweise dann zulässig, wenn im Zeitpunkt der Entscheidung der Wegfall einer Voraussetzung für die Gewährung eines Pflegegeldes mit Sicherheit oder sehr hoher Wahrscheinlichkeit festgestellt werden kann. Ein befristet zuerkanntes Pflegegeld fällt nach Ablauf der Frist weg, ohne, dass es eines behördlichen Akts (Bescheid) bedarf. Eine Weitergewährung erfolgt nur über Antrag. Liegen die Voraussetzungen für die Weitergewährung eines Pflegegeldes auch nach Ablauf der Frist vor, so ist das Pflegegeld gemäß § 9 Abs 2 BPGG mit Beginn des auf den Ablauf der Frist folgenden Monats weiterzugewähren, sofern der darauf gerichtete Antrag innerhalb von drei Monaten nach Ablauf der Befristung gestellt wird. Die Frage, ob nach Ablauf der Befristung weiterhin Pflegegeld gebührt, ist unabhängig von der früheren Einschätzung neu zu prüfen. Es hängt der Anspruch auf Weitergewährung des Pflegegeldes somit nur davon ab, ob die Anspruchsvoraussetzungen nach Ablauf der Frist entweder noch, erstmals oder wieder vorliegen (Greifeneder/Liebhart, Pflegegeld³ Rz 265 ff mwN).

4. Durch das BudgetbegleitG 2011, BGBl I 2010/111, wurde der für die Pflegegeldstufen 1 und 2 erforderliche Pflegebedarf mit 1. 1. 2011 auf mehr als 60 bzw mehr als 85 Stunden pro Monat angehoben, während davor ein solcher von mehr als 50 bzw 75 ausreichend war. Den bereits wiedergegebenen Übergangsbestimmungen des § 48b Abs 2 und 4 BPGG zum BudgetbegleitG 2011, BGBl I 2010/111, ist insgesamt der Grundsatz zu entnehmen, dass alleine aufgrund dieser Gesetzesänderung ein Entzug oder eine Herabstufung nicht erfolgen soll. In diesem Sinne kann eine zur Herabsetzung bzw zum Entzug des Pflegegeldes berechtigende „wesentliche Veränderung im Ausmaß des Pflegebedarfs“ nur dann angenommen werden, wenn diese Veränderung auch nach der Rechtslage vor dem 1. 1. 2011 zu Entzug oder Herabsetzung des Pflegegeldes berechtigt hätte. Dies gilt auch in den Fällen der Weitergewährung eines gemäß § 9 Abs 2 BPGG rechtskräftig befristet gewährten Pflegegeldes sowie im gerichtlichen Verfahren (vgl Greifeneder/Liebhart, Pflegegeld³ Rz 269 und 277).

5. Diese soeben zu den Übergangsbestimmungen des § 48b Abs 2 und 4 BPGG zum BudgetbegleitG 2011, BGBl I 2010/111, dargelegten Erwägungen gelten in gleicher Weise auch für die hier strittige Frage der Auslegung der Übergangsbestimmungen des § 48c BPGG zum Pflegegeldreformgesetz 2012, BGBl I 2011/58. Auch diesen Übergangsbestimmungen ist, wie dargelegt wurde, der Grundsatz zu entnehmen, dass alleine aufgrund dieser Gesetzesänderung ein Entzug oder eine Herabsetzung des Pflegegeldes nicht erfolgen soll. Es soll daher nach § 48c Abs 10 BPGG Personen, denen von den Ländern zum 31. 12. 2011 ein Pflegegeld zur Vermeidung einer sozialen Härte geleistet wird, von Amts wegen mit Wirkung vom 1. 1. 2012 anstelle des bisher gewährten Pflegegeldes ein Pflegegeld nach den Bestimmungen des BPGG geleistet werden. Dieses Verschlechterungsverbot gilt nach Ansicht des erkennenden Senats gemäß § 48c Abs 2 iVm § 48b Abs 2 und 4 BPGG auch in dem hier vorliegenden Fall der Weitergewährung eines rechtskräftig befristet gewährten Pflegegeldes in sogenannten Härtefällen. Diese Auslegung trägt dem den zitierten Übergangsbestimmungen zu entnehmenden Grundsatz Rechnung, dass alleine aufgrund des durch das Pflegegeldreformgesetz 2012, BGBl I 2011/58, erfolgten Zuständigkeitswechsels vom Land zum Bund bzw vom Landespflegegeld zum Bundespflegegeld ein Entzug oder eine Herabstufung nicht erfolgen soll.

6. Da somit der Kläger bereits aufgrund der Übergangsbestimmung des § 48c BPGG Anspruch auf Weiterbezug des Pflegegeldes ab 1. 5. 2012 in der nicht mehr strittigen Höhe der Stufe 2 hat, erübrigt sich ein Eingehen auf die in der Revision des Klägers insbesondere weiters relevierte Frage, ob subsidiär Schutzberechtigte nunmehr aufgrund der Neuformulierung der Anspruchsvoraussetzungen in § 3a BPGG bzw aufgrund sonstiger unionsrechtlicher Verpflichtungen im Fall der Pflegebedürftigkeit Anspruch auf Pflegegeld haben.

Es war somit in Stattgebung der Revision des Klägers die Entscheidung des Erstgerichts mit der Maßgabe der ziffernmäßigen Festsetzung des Pflegegeldanspruchs wiederherzustellen (vgl 10 ObS 393/98m, SSV‑NF 12/167 mwN).

Die Kostenentscheidung gründet sich auf § 77 Abs 1 Z 2 lit a ASGG. Ein Zuschlag gemäß Anm 5 zu TP 3 RATG war dem Kläger nicht zu gewähren, weil die in der Revision enthaltenen Ausführungen bezüglich der Anregung auf Einholung einer Vorabentscheidung durch den EuGH für die Entscheidung in der Sache nicht notwendig waren (vgl 8 ObS 5/11k mwN).

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