OGH 3Ob141/13a

OGH3Ob141/13a21.8.2013

Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht durch den Senatspräsidenten Dr. Prückner als Vorsitzenden, den Hofrat Univ.‑Prof. Dr. Neumayr, die Hofrätin Dr. Lovrek sowie die Hofräte Dr. Jensik und Dr. Roch als weitere Richter in der Rechtssache der klagenden Partei G*, vertreten durch Mag. Marina Breitenecker, Dr. Christine Kolbitsch, Dr. Heinrich Vana, Rechtsanwältinnen und Rechtsanwalt in Wien, gegen die beklagten Parteien 1. C*, 2. M*, beide *, beide vertreten durch Dr. Karl Heinz Götz, Dr. Rudolf Tobler jun, Rechtsanwälte in Neusiedl am See, wegen Aufkündigung, über die außerordentliche Revision der beklagten Parteien gegen das Urteil des Landesgerichts für Zivilrechtssachen Wien als Berufungsgericht vom 13. Mai 2013, GZ 39 R 366/12f‑27, womit über Berufung der beklagten Parteien das Urteil des Bezirksgerichts Liesing vom 31. Juli 2012, GZ 7 C 477/11v‑23, bestätigt wurde, den

Beschluss

gefasst:

European Case Law Identifier: ECLI:AT:OGH0002:2013:E105123

Rechtsgebiet: Zivilrecht

 

Spruch:

Die außerordentliche Revision wird gemäß § 508a Abs 2 ZPO mangels der Voraussetzungen des § 502 Abs 1 ZPO zurückgewiesen.

Begründung:

Rechtliche Beurteilung

1. Die Klägerin hat in der Kündigung ausdrücklich den Kündigungsgrund des § 30 Abs 2 Z 3 zweiter Fall MRG ziffernmäßig angeführt und geltend gemacht, dass die Beklagten, die offenbar eine Abneigung gegen Hunde haben, Hundehalter in der Wohnhausanlage massiv belästigten, beschimpften und bedrohten. Es sei daher seit April 2011 zu 49 Einsätzen des Sicherheitsdienstes der Wohnhausanlage gekommen.

Der in der außerordentlichen Revision gerügte Verstoß gegen die Eventualmaxime (§ 33 Abs 1 Satz 3 MRG) liegt daher nicht vor (RIS‑Justiz RS0069069; 3 Ob 20/09a).

2. Insbesondere der Zweitbeklagte beschimpfte andere Bewohner der Wohnhausanlage nach den Feststellungen massiv; diese Beschimpfungen, die teilweise mit einem äußerst aggressivem Verhalten verbunden waren („an der Schulter packen“), dauerten während des gesamten Jahres 2011 an und wurden auch nach Zustellung der Aufkündigung am 18. November 2011 fortgesetzt. Erst nach einer zweiten Aufklärung durch die Richterin bei einer Verhandlungstagsatzung am 26. März 2012 stellte der Beklagte sein Verhalten ein.

Damit ist aber weder der in der außerordentlichen Revision erhobene Vorwurf, zum maßgeblichen Zustellzeitpunkt (Würth/Zingher/Kovanyi, Miet‑ und Wohnrecht Band I²² § 33 MRG Rz 27; RIS‑Justiz RS0070378) sei der Kündigungsgrund nicht verwirklicht gewesen, noch der Vorwurf berechtigt, die Klägerin habe auf den geltend gemachten Kündigungsgrund „konkludent verzichtet“:

Bei Dauertatbeständen liegt im Zuwarten mit der Kündigung kein Verzicht auf die Geltendmachung des Kündigungsgrundes.

Bei Prüfung des Kündigungsgrundes des § 30 Abs 2 Z 3 zweiter Fall MRG darf das Verhalten des Mieters nicht in Teilfakten zerlegt werden; entscheidend ist stets sein Gesamtverhalten, zu dessen Würdigung auch auf länger zurückliegende Ereignisse zurückzugreifen ist (6 Ob 129/04w; 7 Ob 200/04v je mwN).

3. Im Hinblick auf das festgestellte Verhalten des Zweitbeklagten auch nach Zustellung der Aufkündigung kann keine Rede davon sein, dass die Gefahr einer Wiederholung der Unzukömmlichkeiten mit hoher Wahrscheinlichkeit auszuschließen ist (Würth/Zingher/Kovanyi, Miet‑ und Wohnrecht Band I²² § 30 MRG Rz 18; RIS-Justiz RS0070340).

4. Sachverhaltsfremd ist schließlich die Behauptung in der außerordentlichen Revision, die Beklagten seien berechtigt, die in der Hausordnung der Wohnhausanlage festgelegte Leinen‑ und Beißkorbpflicht für Hunde und die Einhaltung des Rauchverbots durchzusetzen, soweit festgestellt wurde, dass der Zweitbeklagte andere Bewohner der Wohnhausanlage selbst dann aggressiv beschimpfte, wenn die von diesen Bewohnern gehaltenen Hunde angeleint waren und einen Beißkorb trugen.

5. Ob aber das Gesamtverhalten eines Mieters iSd § 30 Abs 2 Z 3 zweiter Fall MRG unleidlich ist und daher den Kündigungsgrund verwirklicht, stellt eine Frage der Abwägung im Einzelfall dar, die nur im Fall einer ‑ hier nicht vorliegenden ‑ erheblichen Fehlbeurteilung durch die zweite Instanz die Zulässigkeit der Revision rechtfertigt (RIS‑Justiz RS0042984).

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