European Case Law Identifier: ECLI:AT:OGH0002:2013:E104669
Spruch:
Der Revision wird nicht Folge gegeben.
Die beklagte Partei ist schuldig, der klagenden Partei die mit 1.329,84 EUR (darin 221,64 EUR USt) bestimmten Kosten des Revisionsverfahrens binnen 14 Tagen zu ersetzen.
Entscheidungsgründe:
Die Beklagte betreibt eine Blutspendezentrale, in der seit 1. 1. 2008 etwa 40 teilzeitbeschäftigte Mitarbeiter tätig sind. Die mit diesen Mitarbeitern abgeschlossenen Dienstverträge enthalten folgende Bestimmung:
„Die durchschnittliche Wochenarbeitszeit beträgt 20 Stunden (in manchen Dienstverträgen: 25) und verteilt sich wie folgt: flexibel laut Dienstplan. Diese wöchentliche Durchschnittsarbeitszeit kann in einzelnen Wochen eines Zeitraums von 52 Wochen im Rahmen der gesetzlichen Grenzen und Möglichkeiten über‑ oder unterschritten werden. Der Durchrechnungszeitraum beginnt jeweils am 1. Jänner des Kalenderjahres und endet am 31. Dezember des Kalenderjahres. Ein allenfalls per 31. Dezember bestehender Saldo an Mehrstunden wird mit dem darauffolgenden Jännergehalt abgerechnet und ausbezahlt. Der Dienstnehmer verpflichtet sich, vom Dienstgeber angeordnete Mehr‑und/oder Überstunden zu leisten.“
Auf diese Dienstverhältnisse kommt weder ein Kollektivvertrag noch eine Betriebsvereinbarung zur Anwendung. Ein zwischen der Gewerkschaft der Privatangestellten und der Beklagten für die Feststellung der Bezüge des medizinischen Personals vereinbartes Gehaltsschema für das Pflegepersonal bei den Sozialversicherungsträgern Österreichs enthält weder Regelungen über Teilzeitbeschäftigte oder von diesen geleisteten Mehrarbeitsstunden noch über eine Durchrechnung der Arbeitszeit von Vollzeitbeschäftigten.
Die Dienstpläne bei der Beklagten werden für zwei Wochen erstellt und zwei Wochen im Vorhinein ausgehängt. Nur die für die Verteilung der Blutkonserven zuständigen Dienstnehmer haben Dienstpläne, die bereits einen Monat im Vorhinein feststehen. Dienstnehmer, die bereits vor dem 1. 1. 2008 einen Teilzeitarbeitsvertrag mit der Beklagten abgeschlossen haben, haben ein wohl erworbenes Recht, einzelne Tage nach ihren Wünschen frei zu haben. Die übrigen Dienstnehmer haben dieses Recht nicht, können jedoch ihre Wünsche anbringen. Die Beklagte versucht, bei der Erstellung der Dienstpläne auf diese Wünsche Rücksicht zu nehmen. Nach Vorliegen des Dienstplans durch die Beklagte haben die Mitarbeiter noch die Möglichkeit, untereinander Dienste zu tauschen. Der Dienstplan unterliegt oft kurzfristigen Änderungen infolge Erkrankung eines Mitarbeiters oder höheren Bedarfs an Blutkonserven durch Krankenhäuser. Der Anfall von Mehrstunden im Rahmen des Durchrechnungszeitraums ist betriebsbedingt.
Die Abrechnung des Durchrechnungszeitraums für sämtliche Teilzeitmitarbeiter erfolgt bezogen auf ein Kalenderjahr. Der tatsächliche Zeitausgleich im Rahmen der vereinbarten Wochenarbeitszeit findet bei Teilzeitkräften durch die Einteilung im Dienstplan ihre Umsetzung. Die am Ende eines Kalenderjahres anfallenden Mehrstunden der Mitarbeiter werden zum Teil zu Beginn des Folgejahres ausbezahlt, zum Teil durch Zeitausgleich konsumiert.
Der klagende Betriebsrat begehrt mit der vorliegenden Klage die Feststellung, dass ein 52‑wöchiger Durchrechnungszeitraum für geleistete Mehrarbeit bei Teilzeitbeschäftigung aufgrund fehlender kollektivvertraglicher Rechtsgestaltung unzulässig sei und an Teilzeitbeschäftigte für geleistete Mehrarbeit gemäß § 19d Abs 3a Arbeitszeitgesetz (AZG) ein Mehrarbeitszuschlag in Höhe von 25 % zu bezahlen sei, sofern die Mehrarbeitsstunden nicht innerhalb eines Kalendervierteljahres oder eines anderen festgelegten Zeitraums innerhalb von drei Monaten, in dem sie angefallen sind, durch Zeitausgleich 1:1 ausgeglichen werden. Mehrarbeitsstunden seien nur dann nicht zuschlagspflichtig, wenn sie innerhalb eines Kalendervierteljahres oder eines anderen festgelegten Zeitraums von drei Monaten durch Zeitausgleich im Verhältnis 1:1 ausgeglichen würden. Ein längerer Durchrechnungszeitraum könne nur durch Kollektivvertrag vorgesehen werden. Die in den Einzelvereinbarungen vorgesehene Durchrechnung über 52 Wochen sei unzulässig. Den Teilzeitbeschäftigten gebühre daher nach jedem Zeitraum von drei Monaten der gesetzlich vorgesehene Mehrarbeitszuschlag.
Die Beklagte bestritt das Klagebegehren, beantragte dessen Abweisung und vertrat die Rechtsansicht, die Vereinbarung über die Verteilung der Normalarbeitszeit mit einem Durchrechnungszeitraum von 52 Wochen sei zulässig. Eine unregelmäßige Verteilung der Arbeitszeit könne auf einzelne Tage und Wochen im Vorhinein vereinbart werden. Solange die Teilzeitbeschäftigten ihre Arbeitsleistung innerhalb der vereinbarten Grenzen erbringen würden, liege noch keine zuschlagspflichtige Mehrarbeit vor.
Das Erstgericht gab dem Klagebegehren statt. Eine jährliche Durchrechnung der Arbeitszeit bei Teilzeitbeschäftigten sei nicht zulässig. Deren Arbeitszeit müsse regelmäßig sein oder bereits im Vorhinein für einzelne Tage oder Wochen vereinbart werden. Ständig wechselnde Vereinbarungen über die Lage der Arbeitszeit würden den Zweck der Zuschlagsregelung unterlaufen. Nur durch Kollektivvertrag könnten vom Gesetz abweichende Vereinbarungen getroffen werden.
Das Berufungsgericht gab der Berufung der Beklagten nicht Folge und bestätigte das Ersturteil mit der Maßgabe, dass festgestellt werde, dass eine Durchrechnung der Arbeitszeit der teilzeitbeschäftigten Mitarbeiter in der Blutspendezentrale der Beklagten über mehr als drei Monate ohne kollektivvertragliche Rechtsgestaltung unzulässig sei und somit für geleistete Mehrarbeitsstunden gemäß § 19d Abs 3a AZG ein Anspruch auf einen Mehrarbeitszuschlag in Höhe von 25 % bestehe, sofern die Mehrarbeitsstunden nicht innerhalb eines Kalendervierteljahres oder eines anderen festgelegten Zeitraums innerhalb von drei Monaten, in dem sie angefallen seien, durch Zeitausgleich 1:1 ausgeglichen würden. Die Vereinbarung einer Durchrechnung der Arbeitszeit von Teilzeitbeschäftigten über einen Zeitraum von mehr als drei Monaten hinaus würde schon der Absicht des Gesetzgebers widersprechen, weil der Mehrarbeitszuschlag die Flexibilität des Arbeitnehmers abgelten solle. Auch würden die Bestimmungen der §§ 19d Abs 3a und 19f AZG jeglichen Anwendungsbereich verlieren. Eine vom gesetzlichen Durchrechnungszeitraum von drei Monaten (§ 19d Abs 3b Z 1 AZG) abweichende Vereinbarung könne daher nicht wie im vorliegenden Fall einzelvertraglich, sondern nur kollektivvertraglich vereinbart werden. Der Spruch des Ersturteils sei lediglich präziser zu fassen gewesen.
Gegen die Berufungsentscheidung richtet sich die Revision der Beklagten wegen unrichtiger rechtlicher Beurteilung mit dem Antrag, die angefochtene Entscheidung im Sinne einer vollinhaltlichen Klagsabweisung abzuändern.
Der Kläger beantragt, der Revision, so diese als zulässig erachtet werde, nicht Folge zu geben.
Rechtliche Beurteilung
Die Revision der Beklagten ist gemäß § 502 Abs 1 ZPO zulässig, aber nicht berechtigt.
1. Mit der am 1. 1. 2008 in Kraft getretenen Novelle BGBl I 2007/61 wurde das Arbeitszeitgesetz (AZG) in mehreren Bereichen geändert. Wesentlicher Inhalt der AZG‑Novelle 2007 war die Novellierung des § 19d AZG, der die Teilzeitarbeit regelt. Herzstück dieser Novelle war die erstmalige Einführung einer Zuschlagspflicht für die Mehrarbeit von Teilzeitbeschäftigten. Damit sollte die Kostengerechtigkeit zwischen Teilzeitarbeit und Vollzeitarbeit gefördert, die Zerlegung von Vollzeitarbeitsplätzen in Teilzeitarbeitsplätze hintangehalten sowie die Vereinbarkeit von Familie und Beruf gefördert werden (RV 141 BlgNR 23. GP 2). Im Zuge dessen wurden auch die Regelungen über die Vereinbarung der Lage und die Änderung des Ausmaßes der Arbeitszeit modifiziert.
2. § 19d AZG („Teilzeitarbeit“) lautet auszugsweise wie folgt:
(1) Teilzeitarbeit liegt vor, wenn die vereinbarte Wochenarbeitszeit die gesetzliche Normalarbeitszeit oder eine durch Normen der kollektiven Rechtsgestaltung festgelegte kürzere Normalarbeitszeit im Durchschnitt unterschreitet. Einer Norm der kollektiven Rechtsgestaltung ist gleichzuhalten, wenn eine durch Betriebsvereinbarung festgesetzte kürzere Normalarbeitszeit mit anderen Arbeitnehmern, für die kein Betriebsrat errichtet ist, einzelvertraglich vereinbart wird.
(2) Ausmaß und Lage der Arbeitszeit und ihre Änderung sind zu vereinbaren, sofern sie nicht durch Normen der kollektiven Rechtsgestaltung festgesetzt werden. Die Änderung des Ausmaßes der regelmäßigen Arbeitszeit bedarf der Schriftform. § 19c Abs 2 und 3 sind anzuwenden. Eine ungleichmäßige Verteilung der Arbeitszeit auf einzelne Tage und Wochen kann im Vorhinein vereinbart werden.
(3) Teilzeitbeschäftigte Arbeitnehmer sind zur Arbeitsleistung über das vereinbarte Arbeitszeitausmaß (Mehrarbeit) nur insoweit verpflichtet, als
1. gesetzliche Bestimmungen, Normen der kollektiven Rechtsgestaltung oder der Arbeitsvertrag dies vorsehen,
2. ein erhöhter Arbeitsbedarf vorliegt oder die Mehrarbeit zur Vornahme von Vor‑ und Abschlussarbeiten (§ 8) erforderlich ist, und
3. berücksichtigungswürdige Interessen des Arbeitnehmers der Mehrarbeit nicht entgegenstehen.
(3a) Für Mehrarbeitsstunden gemäß Abs 3 gebührt ein Zuschlag von 25 %. § 10 Abs 3 ist anzuwenden.
(3b) Mehrarbeitsstunden sind nicht zuschlagspflichtig, wenn
1. sie innerhalb des Kalendervierteljahrs oder eines anderen festgelegten Zeitraums von drei Monaten, in dem sie angefallen sind, durch Zeitausgleich im Verhältnis 1:1 ausgeglichen werden;
2. bei gleitender Arbeitszeit die vereinbarte Arbeitszeit innerhalb der Gleitzeitperiode im Durchschnitt nicht überschritten wird. § 6 Abs 1a ist sinngemäß anzuwenden.
...
(3f) Der Kollektivvertrag kann Abweichungen von Abs 3a bis 3e zulassen.
...
3. Zunächst kann dahingestellt bleiben, ob die zwischen den Arbeitsvertragsparteien abgeschlossene Arbeitszeitvereinbarung in Einklang mit § 19d Abs 2 und 3 AZG steht, weil der Kläger nicht die Unzulässigkeit dieser Vereinbarung geltend macht, sondern mit seiner Klage nur die Vergütung der von den Teilzeitbeschäftigten auf Basis der konkreten Arbeitszeitvereinbarung erbrachten Mehrleistungen mit dem Mehrarbeitszuschlag gemäß § 19d Abs 3a AZG anstrebt.
4. Keine der Parteien hat sich auf die Anwendbarkeit eines Kollektivvertrags berufen (vgl RIS‑Justiz RS0085629; zuletzt 8 ObA 14/12k). Vielmehr ist zwischen den Parteien unstrittig, dass für die Beantwortung der hier maßgeblichen Rechtsfragen keine anwendbaren kollektivvertraglichen Normen bestehen.
5. Zur Frage, ob § 19d Abs 2 letzter Satz, Abs 3b Z 1 AZG, wonach eine ungleichmäßige Verteilung der Arbeitszeit auf einzelne Tage und Wochen im Vorhinein vereinbart werden kann und geleistete Mehrarbeitsstunden innerhalb eines Zeitraums von drei Monaten durch Zeitausgleich im Verhältnis 1:1 auszugleichen sind, so auszulegen ist, dass das Gesetz damit einen (maximalen) Durchrechnungszeitraum von drei Monaten festgelegt hat, liegt noch keine höchstgerichtliche Rechtsprechung vor. Es gibt aber zahlreiche Stellungnahmen im Schrifttum und in der Lehre, wobei folgende hervorzuheben sind:
5.1. Schrank (AZG² § 19d Rz 40; weiters in Mehrarbeitszuschläge bei Langfristdurchrechnung von Teilzeitbeschäftigten?, ZAS 2007/40, und auch in Tomandl/Schrammel, Aktuelle Arbeitszeitprobleme 43 f) ist der Ansicht, dass § 19d Abs 2 letzter Satz AZG nur klarstellenden Charakter habe und insbesondere keine der nach den §§ 4, 4a und 4b AZG möglichen und nach § 19c Abs 1 bis 3 AZG zulässigen Vorausgestaltungen der Lage der Arbeitszeit einschränke. Die in § 19d Abs 2 letzter Satz AZG genannten „einzelnen Wochen“ seien nicht anders oder enger zu verstehen als in § 4 Abs 3, 4 und 6 AZG, wo sie im Regelungskontext von Einarbeitungen und Durchrechnungen vorkämen, zu deren Wesen es gehöre, dass die Normalarbeitszeit in einzelnen Wochen des jeweiligen Einarbeitungs‑ oder Durchrechnungszeitraums unterschiedliche Ausmaße habe. § 19d Abs 2 letzter Satz AZG verlange daher für Teilzeit‑Durchrechnungsvereinbarungen keine Gleichmäßigkeit in einzelnen Wochen, unabhängig von der Länge der Durchrechnungszeiträume. Nur dieses Verständnis passe auch in das Wertungsgefüge der Altersteilzeit (Zulässigkeit von Teilzeit‑Durchrechnungen bis zu einem Jahr), die arbeitszeitrechtlich eine Teilzeit sei wie jede andere. Auch nach den Materialien zur AZG‑Novelle 2007 solle durch die Regelung des Mehrarbeitszuschlags die derzeit mögliche Flexibilität nicht ausgeschaltet werden. Dem Gesetzgeber gehe es auch nicht vorrangig um den Zuschlag. Ziel sei vielmehr die vertragliche Normalzeitanpassung an die faire Wirklichkeit und entsprechende Vorhersehbarkeit der Entgelthöhe. Der Gesetzgeber habe in die Möglichkeiten der Vereinbarung flexibler Verteilungen des fairen Teilzeitvolumens nicht eingreifen wollen. Eine Durchrechnung der Normalarbeitszeit werde daher auch bei Teilzeit nicht ausgeschlossen. Teilzeitdurchrechnungsvereinbarungen müssten weder auf die in § 19d Abs 3b Z 1 AZG genannten drei Monate beschränkt noch dürften längere Normalzeit‑Durchrechnungen nur bei gleitender Arbeitszeit (wegen Z 2 leg cit) und bei besonderen Abweichungsregelungen im KollV (§ 19d Abs 3f AZG) zugelassen sein. Die ‑ von Heilegger/Schwarz hervorgehobene ‑ besondere Schutzbedürftigkeit von Teilzeitbeschäftigten widerspreche diesem Ergebnis nicht, weil es zweifellos zahlreiche Lebenssituationen gebe, in denen angemessene Durchrechnungsvereinbarungen auch für Arbeitnehmer wichtig und von Vorteil seien.
5.2. Nach Rauch (Diskussionspunkte zum neuen Mehrarbeitszuschlag, ASoK 2008, 92) spreche ‑ unter Hinweis auf Schrank ‑ nichts dagegen, Durchrechnungsmodelle (§ 4 Abs 4f, § 4 Abs 7 Z 3 AZG) auch auf Teilzeitbeschäftigte anzuwenden. Der Teilzeitbeschäftigte müsse nur letztlich im Durchrechnungszeitraum auf die mit ihm vereinbarte wöchentliche Anzahl an Arbeitsstunden kommen. Damit werde im Rahmen eines Durchrechnungsmodells mit teilzeitbeschäftigten Arbeitnehmern nur jene Flexibilität vereinbart, die auch mit Vollzeitbeschäftigten geregelt werden könne. Abgesehen davon könne laut ausdrücklicher gesetzlicher Bestimmung eine ungleichmäßige Verteilung der Arbeitszeit auf einzelne Tage und Wochen im Vorhinein vereinbart werden (§ 19d Abs 2 AZG).
5.3. Risak (Der Mehrarbeitszuschlag ‑Überlegungen zu den Neuerungen in § 19d AZG, ZAS 2007/42, und in Aktuelle Rechtsprobleme des Mehrarbeitszuschlags ‑ Zeitausgleich ‑ Durchrechnung‑ Differenzstunden, ZAS 2009/49) verweist darauf, dass der Mehrarbeitszuschlag auf individueller Ebene ‑ anders als der Überstundenzuschlag ‑ vor allem der Abgeltung der Flexibilität von Teilzeitbeschäftigten diene. Er stelle keinen Belastungsausgleich dar und sei demnach ‑ worauf seine Höhe hinweisen könnte ‑ auch kein „halber Überstundenzuschlag“, sondern ein Zuschlag mit einer eigenen Zwecksetzung. Sehe man in der „Teilzeitdurchrechnung“ (auch) ein gesetzlich zugelassenes Durchrechnungsmodell, so führe dies zu Konsequenzen, die sich mit der Intention des Gesetzgebers, einen Ausgleich zwischen Arbeitgeber‑ und Arbeitnehmerinteressen herbeizuführen, weit besser harmonisieren ließen: Der nach § 19d Abs 3b Z 1 AZG zulässige mehrmonatige Durchrechnungszeitraum stelle ja eine „ungleichmäßige Verteilung der Arbeitszeit“ dar. Damit erscheine eine Einschränkung auf „wenige Wochen“ unzulässig. Dass längere Durchrechnungszeiträume ohne weitere zeitliche Einschränkungen durch Kollektivvertrag eröffnet werden könnten, ergebe sich aus § 19d Abs 3f AZG, wonach der Kollektivvertrag Abweichungen von § 19d Abs 3a bis 3e AZG zulassen könne. Auch wenn man aus dem letzten Satz des § 19d Abs 2 AZG Einschränkungen ableiten wolle, sei diese Bestimmung kollektivvertragsdispositiv.
5.4. Heilegger (Keine Durchrechnung bei Teilzeitbeschäftigten, DRdA 2008, 283) und Heilegger/Schwarz (in Heilegger/Klein/Schwarz, AZG³ § 19d 453 f) leiten aus dem ihres Erachtens klaren Gesetzeswortlaut des § 19d Abs 2 letzter Satz AZG ab, dass eine Durchrechnung der Arbeitszeit bei Teilzeitbeschäftigten nicht zulässigsei, was in Hinblick auf deren besondere Schutzwürdigkeit durchaus konsequent und sachgerecht erscheine. Die Arbeitszeit müsse regelmäßig sein oder bereits im Vorhinein für die einzelnen Tage und Wochen vereinbart werden. Auch wäre der zuschlagsbefreiende Konsum von Mehrstunden bei Durchrechnung gar nicht möglich, da Zeitausgleich nach § 19d Abs 3b Z 1 AZG vereinbart werden müsse, also eine Anordnung durch den Arbeitgeber nicht zulässig sei (aA sei offenbar Schrank). Auch Risak übersehe, dass gemäß § 19d Abs 3f AZG zwar Abweichungen von § 19d Abs 3a bis 3e AZG möglich seien ‑ nicht jedoch von § 19d Abs 2 AZG. Die Bestimmung stelle klar, dass eine ungleichmäßige Verteilung der Arbeitszeit im Vorhinein auf die einzelnen Tage und Wochen vereinbart werden müsse, andernfalls der Mehrarbeitszuschlag anfalle.
Die Vereinbarung einer ungleichmäßigen Verteilung der Arbeitszeit nach § 19d AZG dürfe nicht mit den Durchrechnungsmöglichkeiten des § 4 AZG verwechselt werden. Diese würden nur die maximal zulässige tägliche und wöchentliche Normalarbeitszeit regeln, somit die Frage, ob Überstunden anfallen und ein entsprechender Überstundenzuschlag zustehe. § 19d AZGenthaltehingegen keine Bestimmungen über die maximal zulässige Normalarbeitszeit, sondern regle die Konsequenzen der Überschreitung der individuell vereinbarten Arbeitszeit. Dabei handle es sich nicht um die gesetzliche „Normalarbeitszeit“. Im ersten Absatz des § 19d AZG werde in der Definition von Teilzeitarbeit vielmehr die „vereinbarte Wochenarbeitszeit“ der gesetzlichen oder kollektivvertraglichen, bei Vorliegen eines entsprechenden Ermächtigungstatbestands auch einer aus Betriebsvereinbarung stammenden Normalarbeitszeit gegenübergestellt. Nur kollektive Rechtsquellen (und Einzelvereinbarungen im wohl äußerst seltenen Spezialfall des § 19d Abs 1 letzter Satz AZG) könnten die Normalarbeitszeit festlegen. Gehe es hingegen um die Folgen einer Überschreitung des individuell vereinbarten, geringeren Arbeitszeitausmaßes, dh um den Mehrarbeitszuschlag, so sei dies nicht etwa nach den Regelungen über die Normalarbeitszeit (§ 4 AZG) zu beurteilen, sondern ausschließlich nach § 19d AZG. Dementsprechend finde sich § 19d AZG auch in Abschnitt 6a des AZG, der vertragsrechtliche Bestimmungen enthalte.
5.5. Schindler (in Resch, Das neue Arbeitszeitrecht 53 f) sieht in der Vorkehrung des Gesetzgebers, wonach eine ungleichmäßige Verteilung der Arbeitszeit nur mehr auf einzelne Tage und Wochen zulässig sei und nur mehr im Vorhinein vereinbart werden könne, Vereinbarungen über die Durchrechnung der Normalarbeitszeit von Teilzeitbeschäftigten massiv beschränkt. „Einzelne“ Wochen könnten wohl äußerstenfalls ‑ und im Wesentlichen um einen Gleichklang mit dem 3‑Monatszeitraum des § 19d Abs 3b Z 1 AZG herzustellen ‑ bis zu einer Höchstzahl von 13 Wochen, also drei Monaten angenommen werden. Jeder längere „Durchrechnungszeitraum“ sei für Teilzeitarbeit seit 1. 1. 2008 unzulässig. Dies sei auch im Hinblick auf die §§ 4 bis 4c AZG von Bedeutung: Die Teilzeitarbeit werde von der „ungleichen Verteilung der Normalarbeitszeit“ nach diesen Gesetzesstellen nicht erfasst. Dieses Normen würden nur Voraussetzungen und Grenzen der ungleichen Verteilung der Normalarbeitszeit, nicht aber einer kürzeren, vereinbarten Arbeitszeit erfassen. Dieses Ergebnis sei auch wegen der Verdrängung der §§ 4 bis 4c AZG durch die speziellere Norm des § 19d Abs 2 letzter Satz AZG unbestreitbar und würde auch durch die gesetzlichen Regeln zur gleitenden Arbeitszeit bekräftigt.
5.6. Thöny (Die Teilzeitbeschäftigung 51) hält zusammenfassend fest, dass echte Durchrechnungen mit Teilzeitbeschäftigten den Schutzbestimmungen widersprächen.
5.7. Nach Felten (in Grillberger, AZG3 § 19d Rz 14) lasse sich eine eigenständige Möglichkeit der Durchrechnung der Arbeitszeit aus dem Hinweis auf die Zulässigkeit einer ungleichmäßigen Verteilung der Arbeitszeit nicht ableiten. Auch eine Durchrechnung gemäß § 4 Abs 4 und Abs 6 AZG sowie § 4a AZG komme (mit Hinweis auf Heilegger und Schindler) nicht in Betracht.
6. Das Revisionsgericht hat dazu Folgendes erwogen:
Nach § 19d Abs 3 letzter Satz AZG kann eine ungleichmäßige Verteilung der Arbeitszeit auf einzelne Tage und Wochen im Vorhinein vereinbart werden. Nach den Materialien handelt es sich dabei nur um eine Klarstellung. Solange sich diese unregelmäßige Verteilung innerhalb dieser im Vorhinein vereinbarten Grenzen befinde, liege schon definitionsgemäß keine Mehrarbeit vor und könne demzufolge auch kein Zuschlag anfallen. Im Umkehrschluss ergebe sich daraus aber auch eindeutig, dass eine ungleichmäßige Verteilung der Arbeitszeit zu einem Mehrarbeitszuschlag führen könne, wenn sie nicht im Vorhinein vereinbart sei (RV 141 BlgNR 23. GP 6).
Die Frage, ob Mehrarbeit vorliegt, ist von der Frage zu trennen, ob für die geleistete Mehrarbeit ein Zuschlag nach § 19d Abs 3a AZG gebührt. Ob Mehrarbeitsstunden mit dem Mehrarbeitszuschlag zu vergüten sind, regelt § 19d Abs 3a bis 3f AZG. Nach § 19d Abs 3a AZG gebührt für Mehrarbeitsstunden gemäß Abs 3 grundsätzlich ein Zuschlag von 25 %. Regelungen zur Vermeidung des Mehrarbeitszuschlags finden sich in den Bestimmungen des § 19d Abs 3b bis 3d AZG. Nach § 19d Abs 3b Z 1 AZG sind Mehrarbeitsstunden zuschlagsfrei, wenn sie innerhalb des Kalendervierteljahres oder eines anderen festgelegten Zeitraums von drei Monaten, in dem sie angefallen sind, durch Zeitausgleich im Verhältnis 1:1 ausgeglichen werden. Keine Zuschlagspflicht besteht nach § 19d Abs 3b Z 2 AZG ferner, wenn bei gleitender Arbeitszeit die vereinbarte Arbeitszeit innerhalb der Gleitzeitperiode im Durchschnitt nicht überschritten wird. Ebenfalls zuschlagsfrei sind gemäß § 19d Abs 3c AZG jene Mehrarbeitsstunden, welche der Differenz zwischen der kollektivvertraglichen und gesetzlichen Normalarbeitszeit für Vollzeitbeschäftigte entsprechen (sog „Differenzstunden“). In § 19d Abs 3d AZG wird für den Fall des Aufeinandertreffens mehrerer gesetzlicher oder kollektivvertraglicher Mehrarbeitszuschläge vorgesehen, dass keine Kumulierung erfolgt, sondern nur der höchste Zuschlag gebührt. § 19d Abs 3f AZG normiert schließlich die Kollektivvertragsdispositivität für alle den Mehrarbeitszuschlag betreffenden Regelungen. Es ist daher sowohl zulässig, einen niedrigeren als den gesetzlichen Zuschlag als auch die Verlängerung der Durchrechnungszeiträume (so ausdrücklich RV 141 BlgNR 23. GP 6) zu vereinbaren.
Die mit der AZG‑Novelle BGBl I 2007/61 eingeführten Bestimmungen zur Teilzeitarbeit lassen somit schon aufgrund der detaillierten Regelungen darauf schließen, dass der Gesetzgeber die Absicht hatte, damit die Teilzeitarbeit abschließend und umfassend zu regeln. Eine Durchrechnung der Arbeitszeit von Teilzeitbeschäftigten, die diesen Voraussetzungen nicht entspricht, ist daher unzulässig. Sie wäremit der Zielsetzung des Novellengesetzgebers, die Flexibilität der Teilzeitbeschäftigten mit dem Mehrarbeitszuschlag abzugelten, auch nicht vereinbar. Die gegenständliche Arbeitszeitvereinbarung erhöht zwar auch die Flexibilität der Beklagten als Arbeitgeberin im Hinblick auf schwankende Auslastungen, fordert zum anderen aber auch von den Teilzeitbeschäftigten ein hohes Maß an Flexibilität. Dem Vorteil der Beklagten beim vorliegenden Durchrechnungsmodell stünde hier ohne Abgeltung der Mehrstunden mit dem Mehrarbeitszuschlag nur ein Nachteil der teilzeitbeschäftigten Arbeitnehmer gegenüber. Soweit die Revisionswerberin ihren Ausführungen zugrunde legt, dass sie die Verteilung der Arbeitszeit über einen Zeitraum von 52 Wochen im Vorhinein vereinbart hat, ist die Rechtsrüge nicht gesetzmäßig ausgeführt, weil sie nicht vom festgestellten Sachverhalt, dass die Dienstpläne für zwei Wochen (bzw einem Monat) erstellt und zwei Wochen im Vorhinein ausgehängt werden, ausgeht (RIS‑Justiz RS0042663 [T1] und RS0043603 [T2, T8]; Kodek in Rechberger³ Rz 9 zu § 471 ZPO).
Auch das Argument der Revisionswerberin, § 19d Abs 3f AZG regle nur die Rechtsfolgen bereits entstandener Mehrarbeit, weshalb kein Umkehrschluss auf das Entstehen von Mehrarbeit gezogen werden könne, versagt. Sie lässt die zur Erreichung des oben dargelegten Gesetzeszwecks erforderliche Beurteilung der mit der AZG‑Novelle 2007 eingeführten Bestimmungen zur Teilzeitarbeit in einer Gesamtschau außer Betracht. Dass durch eine kollektivvertragliche Regelung der Durchrechnungszeitraum verlängert und damit ein Mehrarbeitszuschlag vermieden werden kann (§ 19d Abs 3f AZG), ‑ so weiters die Revisionswerberin ‑ ist richtig. Auf eine kollektivvertragliche Regelung hat sich die Beklagte aber gerade nicht berufen.
Wie insbesondere von Heilegger/Schwarz zutreffend ausgeführt wird, darf die Vereinbarung einer ungleichmäßigen Verteilung der Arbeitszeit nach § 19d AZG auch nicht mit den Durchrechnungsmöglichkeiten des § 4 AZG verwechselt werden. Diese regeln unter Bezugnahme auf die maximal zulässige tägliche und wöchentliche Normalarbeitszeit die Frage, ob Überstunden anfallen und ein entsprechender Überstundenzuschlag zusteht.
Soweit Schrank auf das Wertungsgefüge der Altersteilzeit abstellt, ergibt sich ‑ worauf bereits das Berufungsgericht zutreffend hingewiesen hat ‑ die Zulässigkeit längerfristiger Vereinbarungen bei Altersteilzeit aus der speziellen Regelung des § 27 Abs 5 AlVG. Damit ist auch die in der Revision herangezogene Entscheidung 9 ObA 21/07i, wonach ein in der Vollzeitphase (Blockvariante) durch erbrachte Arbeitsleistung erworbenes Zeitguthaben, das zufolge vorzeitigen Austritts aus dem Arbeitsverhältnis nicht mehr verbraucht werden konnte, keine „Mehrarbeit“ darstellt, nicht einschlägig.
Zusammengefasst ist eine Durchrechnung der Arbeitszeit von teilzeitbeschäftigten Arbeitnehmern, die keine Gleitzeitvereinbarung haben, über mehr als drei Monate ohne kollektivvertragliche Rechtsgestaltung nicht geeignet, den Mehrarbeitszuschlag zu vermeiden. Für geleistete Mehrarbeitsstunden besteht daher gemäß § 19d Abs 3a AZG ein Anspruch auf einen Mehrarbeitszuschlag in Höhe von 25 %, sofern die Mehrarbeitsstunden nicht innerhalb eines Kalendervierteljahres oder eines anderen festgelegten Zeitraums innerhalb von drei Monaten, in dem sie angefallen sind, durch Zeitausgleich 1:1 ausgeglichen wurden (§ 19d Abs 3b Z 1 AZG).
Insgesamt ist der Revision damit ein Erfolg zu versagen.
Die Kostenentscheidung gründet sich auf die §§ 41, 50 ZPO.
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