OGH 11Os68/13d

OGH11Os68/13d18.6.2013

Der Oberste Gerichtshof hat am 18. Juni 2013 durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofs Dr. Zehetner als Vorsitzenden sowie die Hofräte des Obersten Gerichtshofs Dr. Schwab, Mag. Lendl, Mag. Michel und Dr. Oshidari als weitere Richter, in Gegenwart der Richteramtsanwärterin MMag. Wagner-Haase als Schriftführerin, in der Strafsache gegen Hasan G***** wegen des Verbrechens der Vergewaltigung nach § 201 Abs 1 StGB und weiterer strafbarer Handlungen über die Nichtigkeitbeschwerde und die Berufung des Angeklagten sowie die Berufung der Staatsanwaltschaft gegen das Urteil des Landesgerichts Wiener Neustadt als Schöffengericht vom 8. Februar 2013, GZ 37 Hv 159/12g-151, nach öffentlicher Verhandlung in Anwesenheit der Vertreterin der Generalprokuratur, Generalanwältin Dr. Brenner, des Privatbeteiligtenvertreters Dr. Duran, des Angeklagten und seiner Verteidiger Mag. Hirsch, Dr. Leiningen-Westerburg und MMag. Dr. Dohr, LL.M, LL.M zu Recht erkannt:

 

Spruch:

In teilweiser Stattgebung der Nichtigkeitbeschwerde wird das angefochtene Urteil, das im Übrigen unberührt bleibt, in der Subsumtion des Schuldspruchs II unter die Qualifikation des § 87 Abs 2 erster Fall StGB ersatzlos und demgemäß auch im Strafausspruch (einschließlich der Vorhaftanrechnung) sowie im Zuspruch an den Privatbeteiligten Ecevid K***** aufgehoben.

Für die Verbrechen der Vergewaltigung nach § 201 Abs 2 StGB idF BGBl I 2001/130, der Vergewaltigung nach § 201 Abs 1 StGB und nach §§ 15, 201 Abs 1 StGB, das Vergehen der gefährlichen Drohung nach § 107 Abs 1 StGB und das Verbrechen der absichtlichen schweren Körperverletzung nach § 87 Abs 1 StGB wird Hasan G***** unter Anwendung von § 28 StGB nach § 201 Abs 1 StGB zu einer Freiheitsstrafe von fünf Jahren und neun Monaten verurteilt.

Die Vorhaftanrechnung wird dem Erstgericht überlassen.

Der Angeklagte hat dem Privatbeteiligten Ecevid K***** binnen 14 Tagen 5.000 EUR zu bezahlen.

Im Übrigen wird die Nichtigkeitbeschwerde verworfen.

In teilweiser Stattgebung der Berufung des Angeklagten wird der Durdane Ö***** zu ersetzende Betrag auf 4.000 EUR reduziert.

Mit ihren darüber hinausgehenden Ansprüchen werden die Privatbeteiligten K***** und Ö***** auf den Zivilrechtsweg verwiesen.

Mit ihren Berufungen gegen den Ausspruch über die Strafe werden die Staatsanwaltschaft und der Angeklagte auf diese Entscheidung verwiesen, letzterer auch mit seiner Berufung gegen den Zuspruch an den Privatbeteiligten Ecevid K*****.

Dem Angeklagten fallen die Kosten des Rechtsmittelverfahrens zur Last.

Text

Gründe:

Mit dem angefochtenen Urteil (des zweiten Rechtsgangs, vgl 11 Os 118/12f) wurde Hasan G***** des Verbrechens der Vergewaltigung nach § 201 Abs 2 StGB idF BGBl I 2001/130 (I./A./1./) und des Verbrechens der Vergewaltigung nach § 201 Abs 1 StGB (I./A./2./) sowie - unter Zugrundelegung des in Rechtskraft erwachsenen Schuldspruchs wegen des Verbrechens der absichtlichen schweren Körperverletzung nach § 87 Abs 1 StGB - der Qualifikation nach § 87 Abs 2 erster Fall StGB (II./) schuldig erkannt.

Die neuerliche (ersichtlich bloß deklarative) Aufnahme bereits nach dem ersten Rechtsgang rechtskräftiger Schuldsprüche in den nunmehrigen Urteilstenor (§ 260 Abs 1 Z 1, Z 2 StPO) ist zwar verfehlt (Ratz, WK-StPO § 289 Rz 12, § 293 Rz 6; RIS-Justiz RS0100041 [T4, T5, T7, T10]), erfolgte aber ohne Nachteil für den Angeklagten (vgl US 17 ff).

Danach hat er

I./ die Durdane Ö*****

A./ in B***** genötigt, und zwar

1./ am 1. Jänner 2004 dadurch, dass er sie zu Boden schleuderte, entkleidete, fixierte und mit seinem Glied in ihre Scheide eindrang, sie sodann ins Badezimmer ihres Hauses zerrte, die Türe versperrt, sie festhielt und seinen Penis in ihren Anus einführte, außer dem Fall des § 201 Abs 1 StGB idF BGBl 60/1974, zuletzt geändert durch BGBl I 130/2001, mit Gewalt und Entziehung der persönlichen Freiheit zur Duldung des Beischlafs und einer dem Beischlaf gleichzusetzenden geschlechtlichen Handlung;

2./ zu einem nicht mehr feststellbaren Zeitpunkt im Zeitraum von Dezember 2004 bis 2006, indem er ihr zahlreiche (Faust-)Schläge gegen den Kopf, die Oberarme und den Oberkörper versetzte, sie an ihren Haaren riss, sie zu Boden brachte, entkleidete, sodann auf ein Sofa zerrte, sich gegen ihren Rücken presste und mit seinem Glied in ihre Scheide eindrang, mit Gewalt zur Duldung des Beischlafs;

B./ ...

II./ am 3. Mai 2011 in L***** dem Ecevid K***** durch die im bereits rechtskräftigen Teil des Schuldspruchs des ersten Rechtsgangs beschriebene Tathandlung (vier Stiche mit einem Fixiermesser mit ca 15 cm langer Klinge) eine schwere Körperverletzung absichtlich zugefügt, wobei die Tat eine schwere Dauerfolge (§ 85 StGB), nämlich eine bestehen bleibende Gefühllosigkeit des Kleinfingers und der Handkante nach sich zog.

Rechtliche Beurteilung

Dagegen richtet sich die Nichtigkeitbeschwerde des Angeklagten aus § 281 Abs 1 Z 4, 5, 9 lit a, 10 und 11 StPO.

Entgegen der Verfahrensrüge (Z 4) wurden die mit mehrfach modifizierter Begründung gestellten Anträge des Angeklagten auf Beischaffung und Verlesung der Akten AZ 2 St 150/11x der Staatsanwaltschaft Wiener Neustadt (ON 147 S 11, 12 f, 14 f) zum Beweis dafür, dass die Zeugin Durdane Ö***** nicht geeignet sei, einen konkreten Tatzeitpunkt anzugeben, der gegenständliche Tatzeitraum im beizuschaffenden Akt von der Zeugin mit „2004 beginnend“ angegeben wurde und dass die Genannte den Angeklagten ebenso wie weitere Personen bereits einmal fälschlich einer Vergewaltigung sowie anderer Straftaten bezichtigt habe, ohne Verletzung von Verteidigungsrechten (Art 6 MRK) abgewiesen (ON 147 S 12, 14, 15).

Auch wenn eine Beweisführung über die Beweiskraft von schulderheblichen Beweismitteln, etwa zur Glaubwürdigkeit von Zeugen, durch sogenannte Kontrollbeweise angezeigt sein kann (RIS-Justiz RS0028345, RS0120634) und bestimmte Umstände unter dem Gesichtspunkt der Glaubwürdigkeitsbeurteilung erhebliche Tatsachen darstellen können (vgl Ratz, WK-StPO § 281 Rz 340; RIS-Justiz RS0120109), sind Voraussetzung einer solchen Erheblichkeit Anhaltspunkte für eine habituelle und demzufolge Aussagen im Strafverfahren erschütternde Falschbezichtigungstendenz des Zeugen (vgl 14 Os 83/00) oder für einen Zusammenhang früherer falscher Angaben mit dem aktuellen Verfahrensgegenstand (14 Os 30/05a).

Dass aus den Akten der Staatsanwaltschaft Wiener Neustadt AZ 2 St 150/11x die zur Einstellung dieses Ermittlungsverfahrens führenden Erwägungen der Staatsanwaltschaft ersichtlich wären, wurde (trotz der diesbezüglich verneinenden Stellungnahme des Vertreters der Anklagebehörde ON 147 S 11) nicht dargetan. Die begehrte Beweisführung ist daher nicht geeignet, die (allfällige) Annahme der Falschbelastung des Hasan G***** sowie der weiteren Beschuldigten durch Durdane Ö***** oder eine gewohnheitsmäßige Falschbezichtigungsneigung dieser Zeugin zu erschließen. Dass nachfolgend ein Ermittlungsverfahren gegen Durdane Ö***** wegen Verleumdung eingeleitet worden wäre, hat der Antragsteller nicht einmal behauptet.

Im Übrigen handelt es sich bei Durdane Ö***** zu I./A./1./ und 2./ nicht um die einzige Belastungszeugin, sondern gründete das Erstgericht die bezughabenden Feststellungen überdies auf die Aussagen der Zeuginnen Nazmiye D***** (US 15) und Hatice Ka***** (US 11), die angaben, dass ihnen Durdane Ö***** - schon Jahre vor dem gegenständlichen Strafverfahren - von den beiden Vergewaltigungen erzählt habe (ON 44, ON 79 II S 46 ff).

Zu dem zu I./A./2./ angenommenen Tatzeitraum hat das Schöffengericht das im Antrag bezeichnete Beweisthema, dass Durdane Ö***** keinen konkreten Tatzeitpunkt angeben könne, im Urteil ohnehin als erwiesen angesehen, sodass der Beweis nicht mehr aufzunehmen war (vgl Ratz, WK-StPO § 281 Rz 342). Die Tatrichter gingen nämlich bereits aufgrund der im gegenständlichen Verfahren erfolgten, jeweils abweichenden Aussagen der genannten Zeugin zum Tatzeitpunkt davon aus, dass Durdane Ö***** „schlicht keine genaue zeitliche Zuordnung mehr treffen konnte“ (US 12 ff, insbesondere US 13).

Der Umstand wiederum, dass die genannte Zeugin in einer weiteren Aussage den gegenständlichen Tatzeitraum „mit 2004 beginnend“ angegeben haben soll, war im Lichte der übrigen Verfahrensergebnisse daher nicht geeignet, die zur Feststellung entscheidender Tatsachen anzustellende Beweiswürdigung maßgeblich zu beeinflussen (vgl Ratz, WK-StPO § 281 Rz 341).

Entgegen dem Vorbringen der Mängelrüge (Z 5 zweiter Fall) zu I./A./1./ war das Erstgericht aufgrund des Gebots zu gedrängter Darstellung der Begründung getroffener Feststellungen in den Entscheidungsgründen (Ratz, WK-StPO § 281 Rz 428) nicht zur Erörterung des vollständigen Inhalts der Aussage der Zeugin Durdane Ö***** verpflichtet. Mit der isolierten Darstellung einzelner Teile der Aussage dieser Zeugin im Rahmen ihrer kontradiktorischen Vernehmung (ON 42) stellt der Beschwerdeführer der tatrichterlichen Annahme der Anwendung von Gewalt zur Erzwingung des Beischlafs am 1. Jänner 2004 (US 9 f) lediglich eigene Auffassungen und Erwägungen gegenüber und bekämpft damit die Beweiswürdigung des Schöffengerichts nach Art einer im kollegialgerichtlichen Verfahren nicht zulässigen Berufung wegen des Ausspruchs über die Schuld.

Dem Einwand der Scheinbegründung (Z 5 vierter Fall) zu I./A./1./ und 2./ zuwider hat das Erstgericht nicht die Urteilskonstatierungen zu den Vergewaltigungen I./A./ auf den Eindruck der nicht vor dem erkennenden Senat aussagenden Zeugin Hatice Ka***** gestützt, sondern lediglich die Erklärung des nicht entscheidenden Umstands, dass das Opfer die Übergriffe nicht unmittelbar zur Anzeige brachte (US 11).

Entgegen der Kritik der Mängelrüge (Z 5 vierter Fall) zu I./A./ wurden neben dem Hauptverhandlungsprotokoll vom 3. Oktober 2011 (ON 79 erster und zweiter Teil) auch das Protokoll über die kontradiktorische Einvernahme der Zeugin Durdane Ö***** (ON 42) sowie das die Aussagen des Zeugen Yüksel Ö***** und das Gutachten Dris. N***** enthaltende Hauptverhandlungsprotokoll vom 4. Mai 2012 (ON 119, insbes ON 119 S 2 ff, S 13 ff) durch Verlesung zum Gegenstand der Hauptverhandlung am 8. Februar 2013 (ON 147 S 4).

Gemäß § 252 Abs 1 Z 4 StPO dürfen - soweit hier von Interesse - amtliche Schriftstücke, in denen Aussagen von Zeugen festgehalten wurden, sowie Gutachten von Sachverständigen nur dann verlesen werden, wenn über die Vorlesung Ankläger und Angeklagter einverstanden sind.

Aus der ausdrücklichen Bezugnahme auf die genannte Gesetzesstelle und aus der Formulierung im Protokoll der Hauptverhandlung vom 8. Februar 2013 (ON 147 S 4) „Einverständlich gemäß § 252 Abs 1 Z 4 StPO werden die Hauptverhandlungsprotokolle ON 79 erster Teil, zweiter Teil, ON 81, ON 90, ON 119 sowie die KDV-Protokolle ON 42 und ON 44.“ geht die Verlesung der angeführten Protokolle hervor. Dem Vorbringen des Nichtigkeitswerbers zuwider ist aus dem Umstand, dass in der bezughabenden Protokollpassage - offenkundig infolge eines Schreibfehlers - das Verb „verlesen“ fehlt (ON 147 S 4), nicht abzuleiten, dass die Verlesung tatsächlich nicht stattfand.

Das Protokoll der kontradiktorischen Vernehmung der Durdane Ö***** ON 42 wurde im Übrigen ein weiteres Mal einverständlich gemäß § 252 Abs 1 Z 4 iVm Abs 2a StPO vorgetragen (ON 147 S 14).

Der die Bejahung der Entziehung der persönlichen Freiheit als Nötigungsmittel zu I./A./1./ kritisierenden Rechtsrüge (Z 9 lit a) ist grundsätzlich zu entgegnen, dass das Erstgericht zu diesem Faktum die Verwirklichung eines Verbrechens der Vergewaltigung nach § 201 Abs 2 StGB idF BGBl I 2001/130 annahm, woraus die nach dem Tatsachensubstrat (US 5 f) zutreffende Wertung beider sexuellen Angriffe des Angeklagten als eine von einheitlichem Vorsatz getragene tatbestandliche Handlungseinheit ersichtlich ist (vgl Ratz in WK² StGB Vorbem zu §§ 28 bis 31 Rz 104; RIS-Justiz RS0120233, RS0117038 [insbes T1]).

Unter dieser Prämisse leitet der Beschwerdeführer nicht methodengerecht aus dem Gesetz ab, aus welchem Grund neben den mängelfreien Urteilskonstatierungen in Ansehung des mit Gewalt erzwungenen Vaginalverkehrs zu I./A./1./, wonach der Angeklagte Durdane Ö***** mit seinen Händen zu Boden warf, sie fixierte, indem er sich auf sie legte, mit seinem Glied in ihre Scheide eindrang und den Geschlechtsverkehr mit ihr vollzog, wobei er sie durch die angewendete Gewalt zur Duldung des Beischlafs nötigen wollte (US 5 f), der Entzug der persönlichen Freiheit als (weiteres) Nötigungsmittel und darüber hinaus zusätzlich in Ansehung des festgestellten Analverkehrs dessen Erzwingung durch Gewalt, Entziehung der persönlichen Freiheit oder Drohung zur Erfüllung des Tatbestands des § 201 Abs 2 StGB idF BGBl I 2001/130 erforderlich wäre, und verfehlt solcherart die prozessordnungsgemäße Darstellung materiell-rechtlicher Nichtigkeit.

In diesem Umfang war die Nichtigkeitsbeschwerde somit - wie bereits die Generalprokuratur zutreffend ausführte - zu verwerfen.

Zum Schuldspruch II./ zeigt die Subsumtionsrüge (Z 10) allerdings zu Recht auf, dass die Konstatierungen US 7 f die Unterstellung der vom Schuldspruch erfassten Tat unter die Qualifikation des § 87 Abs 2 erster Fall StGB nicht zu tragen vermögen.

Das Opfer erlitt nämlich ua eine Stichwunde streckseitig im oberen Drittel des rechten Oberarmes sowie eine Stichwunde an der Innenseite des rechten Oberarmes und Teildurchtrennungen des Ellbogenstreckmuskels und des Ellennervs mit konsekutiver Gefühllosigkeit des rechten Kleinfingers und der rechten Handkante und mit teilweiser Gefühllosigkeit beim Ringfinger. Die Gefühllosigkeit des Kleinfingers und der Handkante wird auf Dauer bestehen. Die vom Ellennerv innervierten sogenannten kurzen Handmuskeln können aufgrund der Schäden am Ellennerv auf Dauer nicht mehr innerviert und damit trainiert werden. Aufgrund dieser Verletzung trat eine dauerhafte Verschmächtigung bzw Atropie der kurzen Handmuskeln sowie eine damit in Zusammenhang stehende Herabsetzung der groben Kraft und der Feinmotorik ein. Eine Übernahme dieser Funktionen durch andere Muskeln und dadurch eine Verbesserung der eingetretenen Armschwäche ist möglich. Aktuell besteht eine deutlich herabgesetzte Armkraft und durch die Verletzungsfolge in ihrer Gesamtheit eine Einschränkung in den Verrichtungen des täglichen Lebens.

Ob ein Leiden schwer ist, hängt von der in einer Gesamtschau zu würdigenden Erheblichkeit und Wichtigkeit der Gesundheitsschädigung ab (Burgstaller/Fabrizy in WK² StGB § 85 Rz 14; Messner, SbgK § 85 Rz 35 - jeweils mit Judikaturnachweisen). Nur eine für immer oder doch für lange Zeit bestehende schwere Gesundheitsschädigung als Folge einer Körperverletzung entspricht dem schweren Leiden im Sinne des § 85 Z 3 StGB (RIS-Justiz RS0092696). Als schwere Dauerfolge im Sinne des § 85 StGB kommen nur solche lang dauernde Leiden in Betracht, die eine gewichtige, einer immerwährenden Folge nahekommende Beeinträchtigung des Daseinswertes für den Betroffenen bedeuten (RIS-Justiz RS0092616). Diesen durch die einschlägige Judikatur konkretisierten Anforderungen entspricht eine dauernde Gefühllosigkeit des rechten Kleinfingers und der rechten Handkante sowie eine (nur aktuell bestehende, aber verbesserbare) deutlich herabgesetzte Armkraft weder in qualitativer noch in zeitlicher Sicht.

Es war daher - neuerlich in Übereinstimmung mit dem Croquis - in teilweiser Stattgebung der Nichtigkeitsbeschwerde das angefochtene Urteil, das im Übrigen unberührt zu bleiben hatte, in der rechtlichen Unterstellung der zu II./ des Schuldspruchs festgestellten Tathandlung unter die Qualifikation des § 87 Abs 2 erster Fall StGB ersatzlos und demgemäß auch im Strafausspruch (einschließlich der Vorhaftanrechnung) sowie im Zuspruch an den Privatbeteiligten Ecevid K***** aufzuheben.

Zufolgedessen erübrigt sich ein Eingehen auf die (zu diesem Schuldspruch erhobene) Verfahrens- (Z 4) und die Sanktionsrüge (Z 11).

Bei der Strafneubemessung waren neben den bereits erwähnten Schuldsprüchen auch die im ersten Rechtsgang in Rechtskraft erwachsenen, nämlich wegen des Verbrechens der Vergewaltigung nach §§ 15, 201 Abs 1 StGB (I./B./1./) und wegen des Vergehens der gefährlichen Drohung nach § 107 Abs 1 StGB (I./B./2./) einzubeziehen.

Nach diesen hat Hasan G*****

B./ am 3. Mai 2011 Durdane Ö*****

1./ in H***** dadurch, dass er ihr unter Hinweis auf sein entblößtes Glied Schläge gegen Kopf und Körper versetzte, sie mit einem spitzen Gegenstand zu entkleiden und ihre Oberschenkel auseinander zu drücken trachtete, mit Gewalt zur Duldung des Beischlafs zu nötigen versucht;

2./ in W***** bzw H***** durch fernmündliche Ankündigung, sie neuerlich aufzusuchen, sobald ihre Kinder schliefen, und sie sodann zu „ficken“, zumindest mit einer Verletzung am Körper „und an der Ehre“ gefährlich bedroht, um sie in Furcht und Unruhe zu versetzen.

Erschwerend zu werten sind somit das Zusammentreffen von vier Verbrechen mit einem Vergehen und die einschlägige Vorstrafenbelastung (Körperverletzungen und Sachbeschädigung 2006 und 2007; zur Irrelevanz deren Tilgung während laufenden Verfahrens siehe 12 Os 119/06a, vS, EvBl 2007/130, 700) sowie die dauernden Folgen der Körperverletzung, mildernd hingegen das Verbleiben eines Verbrechens im Versuchsstadium.

Die Art der Taten und deren Abfolge lässt auf eine gegenüber rechtlich geschützten Werten ablehnende Haltung des Angeklagten schließen, durch die er rücksichtslos überwiegend Pflichten im Familienverband verletzte und gegen die - gerade wegen des zuletzt genannten Umstands - kaum Vorsicht gebraucht werden konnte.

Nach dem Tatschuldgehalt wären sechs Jahre Freiheitsstrafe angemessen. Davon waren jedoch drei Monate abzuziehen, um die durch unverhältnismäßig lange Verfahrensdauer (etwa ein halbes Jahr zwischen zwei Hauptverhandlungsterminen) in der Haftsache bewirkte Grundrechtsverletzung (Art 6 Abs 1 MRK, § 34 Abs 2 StGB) auszugleichen (RIS-Justiz RS0121600).

Die im Strafpunkt erhobenen Berufungen waren auf die Sanktionsneubemessung zu verweisen.

Dem Privatbeteiligten Ecevid K***** war aufgrund der vom Erstgericht festgestellten Schmerzperioden (US 8) und der Tatfolgen insgesamt 5.000 EUR an Schmerzengeld zuzuerkennen.

In teilweiser Stattgebung der Berufung gegen das Durdane Ö***** betreffende Privatbeteiligtenerkenntnis war (vor allem wegen Einflüssen, die nicht dem Angeklagten zuzurechnen sind - US 8) der zugesprochene Betrag von 8.000 EUR auf 4.000 EUR zu reduzieren.

Mit ihren darüber hinausgehenden Ansprüchen waren beide Privatbeteiligte gemäß § 366 Abs 2 StPO auf den Zivilrechtsweg zu verweisen.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 390a Abs 1 StPO.

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