OGH 4Ob75/13b

OGH4Ob75/13b18.6.2013

Der Oberste Gerichtshof hat als Rekursgericht durch die Vizepräsidentin Dr. Schenk als Vorsitzende und die Hofräte Dr. Vogel, Dr. Jensik, Dr. Musger und Dr. Schwarzenbacher als weitere Richter in der Rechtssache der klagenden Partei S***** E*****, vertreten durch Dr. Leonhard Ogris, Rechtsanwalt in Deutschlandsberg, gegen die beklagte Partei Mag. S***** U*****, vertreten durch Dr. Werner Poms, Rechtsanwalt in Wolfsberg, wegen (restlich) 473,86 EUR sA, über den Rekurs der klagenden Partei gegen den Beschluss des Landesgerichts Leoben als Berufungsgericht vom 7. Februar 2013, GZ 1 R 36/13f‑20, mit welchem aus Anlass der Berufung der beklagten Partei das Urteil des Bezirksgerichts Judenburg vom 28. November 2012, GZ 2 C 1311/11p‑16, samt dem vorangegangenen Verfahren als nichtig aufgehoben wurde, den

Beschluss

gefasst:

European Case Law Identifier: ECLI:AT:OGH0002:2013:0040OB00075.13B.0618.000

 

Spruch:

Dem Rekurs wird nicht Folge gegeben.

Die klagende Partei ist schuldig, der beklagten Partei binnen 14 Tagen die mit 188,02 EUR bestimmten Kosten der Rekursbeantwortung (darin 31,34 EUR Umsatzsteuer) zu ersetzen.

 

Begründung:

Die Klägerin ist zu einem Drittel, die Beklagte zu zwei Dritteln Eigentümer einer landwirtschaftlich genutzten Liegenschaft. Die Verwaltung obliegt der Beklagten.

Die Klägerin begehrt (zuletzt) 473,86 EUR als ihr (weiters) zustehenden Anteil am Gewinn des Jahres 2011. Sie brachte unter anderem vor, dass Aufwendungen für eine Motorsäge und eine Schnittschutzausrüstung nicht betriebsnotwendig gewesen seien. Soweit die Beklagte die diesbezügliche „Forderung“ (gemeint: Aufwendung) in die Abrechnung aufnehme und „einbehalte“ (gemeint: von den Einnahmen abziehe), sei sie zu „zu 1/3 aus dieser Forderung bereichert“. Daher sei die Sache im streitigen Verfahren zu erledigen.

Die Beklagte steht (nach während des Verfahrens geleisteten Zahlungen) auf dem Standpunkt, die Einnahmen und Ausgaben korrekt abgerechnet zu haben.

Das Erstgericht gab dem Klagebegehren statt.

Das Berufungsgericht hob aus Anlass der dagegen gerichteten Berufung der Beklagten das Urteil samt dem vorangegangenen Verfahren als nichtig auf und sprach aus, dass der Sachantrag der Klägerin im außerstreitigen Verfahren zu erledigen sei. Nach § 838a ABGB seien alle Streitigkeiten zwischen den Teilhabern über die mit der Verwaltung und Benutzung der gemeinschaftlichen Sache unmittelbar zusammenhängenden Rechte und Pflichten im Verfahren außer Streitsachen zu entscheiden. Dazu gehöre insbesondere die Verteilung der Erträge. Nur Ansprüche, die nicht nur auf das Miteigentumsverhältnis, sondern darüber hinaus auch noch auf weitere Rechtsgrundlagen gestützt würden, seien weiterhin im streitigen Verfahren geltend zu machen. Nach dem Vorbringen der Klägerin liege hier eine Streitigkeit zwischen Miteigentümern über die Verteilung des Ertrags nach § 830 erster Satz ABGB vor, worüber nach der dargelegten Gesetzeslage im außerstreitigen Verfahren zu entscheiden sei. Da die Klägerin ihren Anspruch auf keine weitere Rechtsgrundlage als auf das Miteigentumsverhältnis gründe, sei der streitige Rechtsweg unzulässig.

Rechtliche Beurteilung

Der gegen diese Entscheidung gerichtete Rekurs der Klägerin ist zulässig, aber nicht berechtigt.

1. Hat sich das Erstgericht ‑ wie hier ‑ mit der Frage der Zulässigkeit des streitigen Rechtswegs in seiner Entscheidung nicht auseinandergesetzt, ist der Beschluss des Berufungsgerichts, mit dem das Ersturteil als nichtig aufgehoben und die Rechtssache zur Entscheidung in das außerstreitige Verfahren überwiesen wurde, auch ohne Zulassungsausspruch des Berufungsgerichts mit Rekurs an den Obersten Gerichtshof anfechtbar (RIS-Justiz RS0043890; RS0116348; zuletzt etwa 5 Ob 17/12d mwN; Zechner in Fasching / Konecny 2 § 519 Rz 81; E. Kodek in Rechberger , ZPO 3 § 519 Rz 10).

2. § 40a JN ist auch dann anzuwenden, wenn sich die Unzulässigkeit des streitigen Rechtswegs erst im Rechtsmittelverfahren herausstellt (RIS-Justiz RS0046245, RS0045584). Die Heilung nach § 104 Abs 3 JN bezieht sich nach dem eindeutigen Wortlaut dieser Bestimmung nur auf die fehlende inländische Gerichtsbarkeit und die (prorogable oder unprorogable) Unzuständigkeit, nicht auf die hier zu prüfende Unzulässigkeit des streitigen Rechtswegs.

3. § 838a ABGB (idF FamErbRÄG 2004 BGBl I 2004/58) sieht vor, dass über alle „Streitigkeiten zwischen Miteigentümern über die mit der Verwaltung und Benützung der gemeinschaftlichen Sache unmittelbar zusammenhängenden Rechte und Pflichten“ im Verfahren außer Streitsachen zu entscheiden ist. Darunter fallen Ansprüche aus der Verwaltung der gemeinschaftlichen Sache durch einen Miteigentümer (RIS-Justiz RS0122986), insbesondere auf anteilige Herausgabe von Erträgen (4 Ob 75/12a).

4. Die Abgrenzung zwischen streitigem und außerstreitigem Rechtsweg bestimmt sich nach dem Wortlaut des Entscheidungsbegehrens und den zu seiner Begründung vorgebrachten Sachverhaltsbehauptungen (RIS-Justiz RS0013639; RS0005861). Im vorliegenden Fall besteht kein Zweifel, dass die Klägerin die Beklagte aufgrund ihrer Tätigkeit als (faktische) Verwalterin der gemeinschaftlichen Liegenschaft in Anspruch nimmt. Dass sie dabei ‑ zu einer einzelnen Position ‑ die Formulierung verwendet, die Beklagte wäre bei Nichtzahlung des geforderten Betrags „bereichert“, hilft ihr nicht weiter. Zwar ist richtig, dass „Bereicherungsansprüche“ nach den Gesetzesmaterialien nicht unter § 838a ABGB fallen sollen (ErlRV 471 BlgNR 22. GP 33). Die anteilige Herausgabe der Erträge gehört jedoch zum Kernbereich der „mit der Verwaltung [...] der gemeinschaftlichen Sache unmittelbar zusammenhängenden [...] Pflichten“ des verwaltenden Miteigentümers (ErlRV aaO; vgl etwa Sailer in KBB 3 § 838a Rz 2; Egglmeier / Gruber / Sprohar in Schwimann / Kodek , ABGB Praxiskommentar § 838a Rz 1; H. Böhm in Kletečka / Schauer , ABGB-ON 1.00 § 838 Rz 11). Damit hat es auch dann beim außerstreitigen Verfahren zu bleiben, wenn ein solcher Anspruch allenfalls (auch) bereicherungsrechtlich begründet werden könnte. Es kann nicht in der Hand des Klägers liegen, durch bloße Verwendung eines Rechtsbegriffs die eindeutige Anordnung des § 838a ABGB zu unterlaufen.

5. Aus diesen Gründen muss der Rekurs der Klägerin scheitern. Die Kostenentscheidung gründet sich auf § 52 Abs 1 Satz 3 ZPO. Über den Kostenersatzanspruch ist bei Beschlüssen nach § 40a JN nach den Regeln jenes Verfahrens zu entscheiden, das der das Hauptverfahren Einleitende in seinem Rechtsschutzantrag gewählt hat (RIS-Justiz RS0046245). Durch Rekurs und Rekursbeantwortung ist ein Zwischenstreit über die Zulässigkeit des streitigen Rechtswegs entstanden, in dem die Beklage obsiegt hat.

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