OGH 7Ob78/13s

OGH7Ob78/13s23.5.2013

Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht durch die Vizepräsidentin Dr. Huber als Vorsitzende und die Hofrätinnen und Hofräte Dr. Hoch, Dr. Kalivoda, Mag. Dr. Wurdinger und Mag. Malesich als weitere Richter in der Rechtssache der klagenden Partei I***** K*****, vertreten durch Ing. Mag. Klaus Helm, Rechtsanwalt in Linz, gegen die beklagten Parteien 1. A***** M*****, und 2. M***** M*****, beide *****, vertreten durch Dr. Michael Metzler, Rechtsanwalt in Linz, wegen Feststellung und Einwilligung in die Einverleibung einer Dienstbarkeit, über die Revision der beklagten Parteien gegen das Urteil des Landesgerichts Linz als Berufungsgericht vom 11. Jänner 2013, GZ 14 R 183/12y‑23, mit dem das Urteil des Bezirksgerichts Linz vom 21. Juni 2012, GZ 9 C 934/10i‑18, bestätigt wurde, den

Beschluss

gefasst:

European Case Law Identifier: ECLI:AT:OGH0002:2013:0070OB00078.13S.0523.000

 

Spruch:

Die Revision wird zurückgewiesen.

Die klagende Partei hat die Kosten ihrer Revisionsbeantwortung selbst zu tragen.

Begründung

Rechtliche Beurteilung

1. Der Oberste Gerichtshof ist bei der Prüfung der Zulässigkeit der Revision an den Ausspruch des Berufungsgerichts nach § 500 Abs 2 Z 3 ZPO nicht gebunden (§ 508a Abs 1 ZPO). Die Revision ist nur dann zulässig, wenn die Entscheidung von der Lösung einer erheblichen, in ihrer Bedeutung über den Einzelfall hinausgehenden Rechtsfrage des materiellen oder des Verfahrensrechts abhängt. Dies ist hier nicht der Fall. Die Zurückweisung der Revision kann sich auf die Ausführung der Zurückweisungsgründe beschränken (§ 510 Abs 3 Satz 4 ZPO).

2. Die Klägerin begehrt die Feststellung, dass ihr und allen nachfolgenden Eigentümer näher bezeichneter (acht) Grundstücke die Dienstbarkeit des Geh‑ und Fahrtrechts ‑ mit dem dem vorgelegten Vermessungsplan entsprechenden Verlauf ‑ gegenüber den jeweiligen Eigentümern ebenfalls näher bezeichneter (drei) Grundstücke zustehe und die Beklagten schuldig seien, in die grundbücherliche Einverleibung dieser Dienstbarkeit einzuwilligen.

3. Die Beklagte bestreitet nicht mehr, dass die Dienstbarkeit des Geh‑ und Fahrtrechts ersessen wurde.

4. Nach ihrer Ansicht liegt aber eine gemessene Servitut vor, weil das Geh‑ und Fahrtrecht hinsichtlich sechs der (herrschenden) Grundstücke nur zur landwirtschaftlichen Nutzung im Ausmaß von maximal zehn Fahrten pro Jahr und hinsichtlich der beiden anderen Grundstücke nur im Rahmen der üblichen Nutzung eines Mehrgenerationenhaushalts ausgeübt worden sei.

4.1 Eine gemessene Dienstbarkeit liegt vor, wenn ihr Inhalt durch den Titel unzweifelhaft umschrieben ist; eine ungemessene Dienstbarkeit hingegen dann, wenn das Ausmaß und der Umfang der dem Berechtigten zustehenden Befugnisse im Titel nicht eindeutig begrenzt ist (RIS‑Justiz RS0011752).

4.2 Beim Erwerb von Dienstbarkeiten durch Ersitzung kann von der Natur und dem Zweck der „Bestellung“ im wörtlichen Sinn nicht gesprochen werden. Bei der ersessenen Dienstbarkeit kommt es daher darauf an, zu welchem Zweck das dienstbare Gut während der Ersitzungszeit verwendet wurde, was also der Eigentümer des herrschenden Guts während dieser Zeit benötigt. Der Inhalt der ersessenen Dienstbarkeit bestimmt sich deshalb nach dem Zweck, zu dem das belastete Grundstück am Beginn der Ersitzungszeit verwendet wurde. Die Frage des Ausmaßes bzw Umfangs einer Dienstbarkeit und die Frage der Grenzen der zulässigen Erweiterung sind grundsätzlich einzelfallbezogen und stellen in der Regel keine erhebliche Rechtsfrage im Sinn des § 502 Abs 1 ZPO dar (RIS‑Justiz RS0011664 [T5, T8, T11]).

4.3 Nach dem festgestellten Sachverhalt dient der über die nunmehrigen Grundstücke der Beklagten führende „B*****weg“ seit 1907 der Klägerin und ihren Rechtsvorgängern, um zu Fuß oder mit ein‑ oder zweispurigen Fahrzeugen jeglicher Bauart zu ihrer Liegenschaft, bestehend aus den genannten Grundstücken, zu gelangen. Der Weg wurde und wird darüber hinaus vom jeweiligen Pächter der Grundstücke mehrmals pro Jahr mit diversen landwirtschaftlichen Fahrzeugen zum Zweck der Bewirtschaftung befahren.

Die von den Revisionswerbern gewünschte Umschreibung des Inhalts der Dienstbarkeit steht in Widerspruch zu diesen Feststellungen über die während der Ersitzungszeit bestandene und nach wie vor aufrechte Ausübung des Geh‑ und Fahrtrechts. Eine im Sinn der Behauptungen der Beklagten begrenzte Servitut liegt damit nicht vor.

5. Soll ein gerichtliches Urteil Grundlage für die Eintragung einer Servitut sein, muss es die erforderlichen Bestimmungsmerkmale der Dienstbarkeit, also den Umfang und ein allenfalls zu entrichtendes Entgelt enthalten (RIS‑Justiz RS0123635).

5.1 Für den Umfang und die Art der Ausübung einer ungemessenen Dienstbarkeit ist nicht das jeweilige Bedürfnis des herrschenden Gutes im Zeitpunkt der Entstehung der Dienstbarkeit, sondern dessen jeweiliges Bedürfnis innerhalb der Schranken des ursprünglichen Bestands und der ursprünglichen Bewirtschaftungsart maßgebend (RIS‑Justiz RS0016368, RS0011741, RS0097856).

5.2 Der Ansicht der Beklagten, selbst bei Annahme einer ungemessenen Dienstbarkeit müsste im Urteilsspruch ‑ um den Erfordernissen der §§ 12, 85 GBG zu genügen ‑ die bereits oben angeführte Einschränkung des Umfangs der Dienstbarkeit vorgenommen werden, steht gleichfalls entgegen, dass die gewünschte Einschränkung der Nutzung des Weges keine Deckung im festgestellten Sachverhalt findet. Der Weg wurde vielmehr sowohl zum Gehen als auch zum Fahren, und zwar mit verschiedenen Fahrzeugen und keineswegs nur zu landwirtschaftlichen Zwecken verwendet.

6. Der Verlauf des Geh‑ und Fahrtwegs ist im Urteil durch den Hinweis auf seine Lage im Bereich der nördlichen Grundstücksgrenzen der näher bezeichneten Grundstücke und durch die Bezugnahme auf den integrierten Vermessungsplan eindeutig umschrieben.

7. Die Klägerin hat in ihrer Revisionsbeantwortung nicht auf die Unzulässigkeit des gegnerischen Rechtsmittels hingewiesen, weshalb sie die Kosten der Rechtsmittelbeantwortung selbst zu tragen hat (RIS‑Justiz RS0035962).

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