OGH 9Ob39/12v

OGH9Ob39/12v24.4.2013

Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht durch den Hofrat des Obersten Gerichtshofs Hon.‑Prof Dr. Kuras als Vorsitzenden und den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofs Dr. Hopf, den Hofrat des Obersten Gerichtshofs Mag. Ziegelbauer, die Hofrätin des Obersten Gerichtshofs Dr. Dehn und den Hofrat des Obersten Gerichtshofs Dr. Hargassner als weitere Richter in der Rechtssache der klagenden Partei D***** C*****, vertreten durch die Vogl Rechtsanwalt GmbH in Feldkirch, gegen die beklagte Partei V***** BetriebsgmbH, *****, vertreten durch Dr. Rolf Philipp und Dr. Frank Philipp, Rechtsanwälte in Feldkirch, wegen 6.050 EUR sA, über die Revision der klagenden Partei gegen das Urteil des Oberlandesgerichts Innsbruck als Berufungsgericht vom 5. Juli 2012, GZ 10 R 48/12b‑22, womit das Urteil des Landesgerichts Feldkirch vom 26. März 2012, GZ 6 Cg 133/11p‑18, bestätigt wurde, in nichtöffentlicher Sitzung den

Beschluss

gefasst:

European Case Law Identifier: ECLI:AT:OGH0002:2013:0090OB00039.12V.0424.000

 

Spruch:

Die Revision der klagenden Partei wird zurückgewiesen.

Die klagende Partei ist schuldig, der beklagten Partei die mit 559,15 EUR (darin 93,19 EUR USt) bestimmten Kosten der Revisionsbeantwortung binnen 14 Tagen zu ersetzen.

Text

Begründung

Die ordentliche Revision wurde vom Berufungsgericht mit der Begründung zugelassen, dass zur Frage, unter welchen Voraussetzungen ein ärztlicher Behandlungsvertrag vorzeitig beendet werden könne, noch keine höchstgerichtliche Rechtsprechung vorliege. Die Klägerin schloss sich dieser Begründung der Zulässigkeit der Revision an. Ergänzend machte sie noch geltend, dass auch keine abschließende Rechtsprechung zum „Mitwirkungsrecht“ des Patienten bestehe. Auch zur Rechtzeitigkeit des ärztlichen Rücktritts fehle noch eine Rechtsprechung. Schließlich sei durch die Nichteinvernahme einer bestimmten Zeugin eine Mangelhaftigkeit des Verfahrens verursacht worden. Dem gegenüber bestritt die Beklagte ausdrücklich das Vorliegen einer erheblichen Rechtsfrage und beantragte die Zurückweisung der Revision der Klägerin.

Rechtliche Beurteilung

Der Oberste Gerichtshof ist bei der Prüfung der Zulässigkeit der Revision an den Ausspruch des Berufungsgerichts nach § 500 Abs 2 Z 3 ZPO nicht gebunden (§ 508a Abs 1 ZPO). Gegen das Urteil des Berufungsgerichts ist die Revision nach § 502 Abs 1 ZPO nur dann zulässig, wenn die Entscheidung von der Lösung einer erheblichen, in ihrer Bedeutung über den Einzelfall hinausgehenden Rechtsfrage des materiellen Rechts oder des Verfahrensrechts abhängt. Dies ist hier nicht der Fall; die geforderte „Präjudizialität“ liegt nicht vor (vgl Kodek in Rechberger , ZPO³ § 508a Rz 1 mwN ua). Die Zurückweisung der ordentlichen Revision kann sich auf die Ausführung der Zurückweisungsgründe beschränken (§ 510 Abs 3 Satz 4 ZPO):

Nach den Feststellungen wurde die Klägerin, begleitet von einem ersten Aufklärungsgespräch, in das Krankenhaus der Beklagten stationär aufgenommen, um am nächsten Tag operiert zu werden. Diese Operation konnte allerdings am nächsten Tag nicht vorgenommen werden, weil die Klägerin das Krankenhaus nach der stationären Aufnahme wieder für etwa fünf Stunden verlassen hatte und deshalb nicht bei der Visite, der für eine Stunde vorgesehenen fachärztlichen Aufklärung, der für etwa 20 Minuten veranschlagten Anzeichnung durch den Operateur und der bis 16:00 Uhr vorzunehmenden Festlegung des Operationsplanes für den nächsten Tag anwesend war. Der für die Klägerin vorgesehene Operationstermin, der etwa 2 ½ bis 3 Stunden beansprucht hätte, wurde deshalb an einen anderen Patienten vergeben. Die Klägerin kehrte am Aufnahmetag erst gegen 17:00 Uhr in das Krankenhaus zurück. Sie ließ die Operation in der Folge in einem anderen Krankenhaus vornehmen.

Mit der vorliegenden Klage begehrt die Klägerin von der Beklagten Schadenersatz in der Höhe von 6.050 EUR sA wegen Nichtdurchführung der Operation. In der Zeit, in der sie auf den neuen Operationstermin habe warten müssen, habe sie zusätzliche Schmerzen erlitten (Schmerzengeld 5.000 EUR) und Haushaltshilfekosten (1.000 EUR) sowie pauschale Unkosten gehabt (50 EUR).

Die Klägerin vertrat in erster Instanz den Standpunkt, dass sie sich erst nach der Vornahme sämtlicher Untersuchungen und Aufklärungen aus dem Krankenhaus entfernt habe. Die zwischen den Parteien strittige Frage, ob die Klägerin tatsächlich einer Krankenschwester vom Verlassen des Krankenhauses zur Vornahme von Besorgungen Mitteilung gemacht habe, kann auf sich beruhen. Keinesfalls steht nämlich fest ‑ wie von der Klägerin zugrundegelegt ‑, dass in Bezug auf die Operationsvorbereitung ohnehin nichts mehr zu tun gewesen sei und die Operation am nächsten Tag „problemlos“ hätte durchgeführt werden können. Die Klägerin behauptete nicht, dass sie beim „Abmelden“ aus dem Krankenhaus habe erkennen lassen, dass sie vorhabe, für fünf Stunden fernzubleiben, sodass sie die vor der Operation noch ausständige Visite die ausführliche Aufklärung und das Anzeichnen des Operationsbereichs versäumen könne. Die Klägerin berief sich auch nicht darauf, dass dem Krankenhauspersonal auffallen musste, dass sie den Zweck und die Gegebenheiten eines stationären Krankenhausaufenthalts nicht verstanden habe.

Ob man nun in Bezug auf die Operationsvorbereitung von einer Mitwirkungsverpflichtung oder einer bloßen Mitwirkungsobliegenheit des Patienten ausgeht, ist im vorliegenden Fall nicht relevant. Entscheidend ist, dass die Klägerin bei der unabdingbaren Vorbereitung der Operation nicht anwesend und für das Krankenhauspersonal trotz intensiver Versuche nicht erreichbar war, sodass die für den nächsten Tag geplante mehrstündige Operation nicht vorbereitet und daher auch nicht durchgeführt werden konnte. Dass die Beklagte nicht bereit war, die Operation der Klägerin ohne vorhergehende Visite, ohne ausführliche Aufklärung und ohne erforderliche Anzeichnung des Operationsbereichs vorzunehmen, kann der Beklagten nicht vorgeworfen werden. In diesem Zusammenhang genügt der Hinweis, dass der mit dem Träger eines Krankenhauses abgeschlossene Behandlungsvertrag auch die Pflicht umfasst, den Patienten über die möglichen Gefahren und schädlichen Folgen der Behandlung zu unterrichten (RIS‑Justiz RS0038176 ua). Die Beurteilung der Vorinstanzen, dass der Beklagten auch nicht die Abwesenheit der Klägerin von der Vorbereitung der Operation angelastet werden könne, ist nach der Lage des Falls vertretbar. Die Klägerin machte in erster Instanz gar nicht geltend, dass sie im Zuge der von ihr behaupteten „Abmeldung“ habe erkennen lassen, dass sie vorhabe, für mehrere Stunden abwesend zu sein, woraus sich ein Versäumen der Operationsvorbereitung ergeben könne.

Der Behandlungsvertrag zwischen Patienten und Krankenhaus ist ein gemischter Vertrag sui generis, der auch Elemente eines Werkvertrags enthalten kann (vgl 1 Ob 341/99z; RIS‑Justiz RS0021338, RS0025546 ua). Vor dem Hintergrund, dass die Operation der Klägerin ohne gehörige Vorbereitung nicht wie geplant durchgeführt werden konnte, erübrigen sich weitere rechtliche Überlegungen, ob der Behandlungsvertrag nach dem Scheitern des geplanten Operationstermins hinfällig war oder ob es eines Rücktritts einer Partei unter Nachfristsetzung bedurft hätte oder ob bei aufrechtem Behandlungsvertrag von den Parteien nur ein neuer Operationstermin zu vereinbaren gewesen wäre. Für das (mangelnde) Bestehen der auf die Verzögerung der Operation gestützten Klageforderung ist nur relevant, dass nach den Feststellungen die Operation der Klägerin an einem neuen Termin im Krankenhaus der Beklagten aus terminlichen Gründen nicht vor der von der Klägerin in einem anderen Krankenhaus vorgenommenen Operation hätte durchgeführt werden können. Da die ursprünglich geplante Operation infolge Abwesenheit der Klägerin von der Operationsvorbereitung nicht durchführbar war, ohne dass dies der Beklagten nach der Lage des Falls angelastet werden kann, können der Beklagten auch nicht die aus der Verschiebung der Operation resultierenden Schmerzen und finanziellen Aufwendungen der Klägerin als ersatzfähiger Schaden zugerechnet werden.

Der Vorwurf in der Revision, das Verfahren sei wegen Nichtvernehmung einer von der Klägerin geführten Zeugin mangelhaft, ist ebenfalls unbegründet. Das Berufungsgericht hat ohnehin zugunsten der Klägerin deren Abmeldung bejaht und keine besondere Aufklärung über Anwesenheitspflichten angenommen. Dies wurde - wie oben dargestellt - der rechtlichen Begründung zugrundegelegt.

Mangels Vorliegens einer für den Verfahrensausgang präjudiziellen erheblichen Rechtsfrage iSd § 502 Abs 1 ZPO ist die Revision der Klägerin zurückzuweisen.

Die Kostenentscheidung gründet sich auf die §§ 41, 50 Abs 1 ZPO. Die Beklagte hat in ihrer Revisionsbeantwortung ausdrücklich auf die Unzulässigkeit der Revision der Klägerin hingewiesen (RIS‑Justiz RS0035979 ua).

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