OGH 10Ob48/12z

OGH10Ob48/12z16.4.2013

Der Oberste Gerichtshof hat durch den Senatspräsidenten Dr. Hradil als Vorsitzenden und die Hofräte Dr. Fellinger, Dr. Hoch, Dr. Schramm und die Hofrätin Dr. Fichtenau als weitere Richter in der Rechtssache der klagenden Partei E*****, vertreten durch Mag. Johann Meisthuber, Rechtsanwalt in Salzburg, gegen die beklagte Partei Dr. N*****, vertreten durch Hochsteger, Perz Wallner & Warga, Rechtsanwälte in Hallein, wegen Unterlassung und Abgabe einer Erklärung, über die Revision der klagenden Partei gegen das Urteil des Landesgerichts Salzburg als Berufungsgericht vom 11. Mai 2012, GZ 21 R 128/12p-13, womit infolge Berufung der klagenden Partei das Urteil des Bezirksgerichts Salzburg vom 16. Jänner 2012, GZ 17 C 1235/11x-9, bestätigt wurde, in nichtöffentlicher Sitzung den

Beschluss

gefasst:

 

Spruch:

Die Revisionsbeantwortung wird zurückgewiesen.

Das Revisionsverfahren wird bis zur Rechtskraft der Entscheidung über den Ablehnungsantrag der klagenden Partei gegen den Erstrichter unterbrochen.

Die Akten werden dem Erstgericht zur Entscheidung über den Ablehnungsantrag und Wiedervorlage nach Rechtskraft dieser Entscheidung zurückgestellt.

Begründung

Rechtliche Beurteilung

1. Das Berufungsgericht sprach zunächst aus, die ordentliche Revision sei nicht zulässig, weil erhebliche, über den Einzelfall hinausgehende Fragen nicht zu lösen seien. Diesen Ausspruch änderte es mit Beschluss vom 25. 9. 2012 über Antrag der Klägerin gemäß § 508 ZPO dahin ab, dass es die Revision doch für zulässig erklärte.

2. Der Beschluss des Berufungsgerichts, womit es dem Beklagten die Beantwortung der Revision binnen vier Wochen freistellte, wurde seinem Vertreter am 1. 10. 2012 zugestellt, der die Rechtsmittelbeantwortung auf elektronischem Weg am 15. 10. 2012 beim Erstgericht einbrachte. Der Schriftsatz langte am 26. 11. 2012 beim Berufungsgericht ein.

2.1. Die Revisionsbeantwortung wäre im Fall des § 508 Abs 5 ZPO (wenn - wie hier - das Berufungsgericht dem Revisionsgegner die Rechtsmittelbeantwortung freigestellt hat) bei diesem Gericht einzubringen gewesen (§ 507a Abs 3 Z 1 ZPO). Die Anwendung des § 89 GOG hat zur Voraussetzung, dass die Anschrift der Postsendung an jenes Gericht lautet, bei dem die Eingabe gesetzmäßig zu überreichen ist, andernfalls entscheidet nur der Tag ihres Einlangens bei dem zuständigen Gericht (RIS-Justiz RS0041608; RS0041653). Dieser Grundsatz gilt auch bei ERV-Übermittlung (RIS-Justiz RS0041608 [T22]). Die in den Gesetzesmaterialien zu § 89d GOG vorgesehene Funktion der Bundesrechenzentrum GmbH als „vorgelagerte Einlaufstelle des Gerichts“ ändert nichts daran, dass ein im Wege des ERV übermitteltes Schriftstück - unter Nichteinrechnung des Postenlaufs - nur dann als rechtzeitig eingebracht angesehen werden kann, wenn es durch Angabe des jeweils zutreffenden „Dienststellenkürzels“ an das richtige Gericht adressiert war. Wurde hingegen die Dienststellenkennzeichnung des Adressatgerichts anlässlich der Eingabe des Rechtsmittels unrichtig angegeben und langte der Schriftsatz deshalb beim falschen Gericht ein, das ihn (mit Zeitverzögerung) an das zuständige Gericht übermitteln musste, so ist die Eingabe nur dann als rechtzeitig anzusehen, wenn sie noch innerhalb der Rechtsmittelfrist beim zuständigen Gericht einlangt (RIS-Justiz RS0124533).

3. Nach diesen Grundsätzen war die vierwöchige Frist zur Erstattung der Revisionsbeantwortung (§ 507a Abs 1 ZPO) am 26. 11. 2012 schon abgelaufen (§ 507a Abs 2 Z 2 ZPO), weshalb die verspätete Revisionsbeantwortung des Beklagten zurückzuweisen ist (2 Ob 238/12g mwN).

4. Die Revisionswerberin macht unter anderem auch erhebliche Bedenken gegen die Unbefangenheit des Richters erster Instanz geltend. Sie habe erst zu einem Zeitpunkt, als ihr die Berufungsentscheidung noch nicht zugestellt war, erfahren, dass der Erstrichter ein Patient des Beklagten sei. Der Richter hätte dieses besondere Vertrauensverhältnis kundgeben und von sich aus seine Befangenheit erklären müssen.

5. Die Geltendmachung der Befangenheit ist noch nach der Erlassung der erstgerichtlichen Entscheidung bis zur Rechtskraft zulässig und kann im Rechtsmittelschriftsatz oder in einem gesonderten Schriftsatz erfolgen (2 Ob 86/12d; RIS-Justiz RS0042028; RS0041933). Eine sofortige Entscheidung über ein Rechtsmittel - auch wenn darin ein Ablehnungsantrag gestellt wird - ist nur dann zulässig, wenn keine konkreten Befangenheitsgründe ins Treffen geführt werden oder die Ablehnung offenkundig rechtsmissbräuchlich ist (RIS-Justiz RS0042028 [T7; T15; T18]).

5.1. Da keine offenkundig rechtsmissbräuchliche Ablehnung vorliegt, ist das Rechtsmittelverfahren (hier das Revisionsverfahren) bis zur rechtskräftigen Entscheidung über den Ablehnungsantrag zu unterbrechen (RIS-Justiz RS0042028 [T5; T7; T8; T10; T14; T17]).

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