OGH 5Ob6/13p

OGH5Ob6/13p21.3.2013

Der Oberste Gerichtshof hat durch den Senatspräsidenten Hon.‑Prof. Dr. Danzl als Vorsitzenden und die Hofrätinnen Dr. Hurch und Dr. Lovrek sowie die Hofräte Dr. Höllwerth und Mag. Wurzer als weitere Richter in der Grundbuchsache des Antragstellers M***** F***** M***** M*****, geboren am *****, wegen Einverleibung des Eigentumsrechts und weiterer Grundbuchhandlungen ob EZ 150 GB *****, über den „Rekurs“ (richtig: außerordentlichen Revisionrekurs) des F***** M*****, geboren am *****, vertreten durch Dr. Reinhard Armster, Rechtsanwalt in Maria Enzersdorf, gegen den Beschluss des Landesgerichts Wiener Neustadt als Rekursgericht vom 22. Oktober 2012, GZ 19 R 67/12g‑3, den

Beschluss

gefasst:

 

Spruch:

Der außerordentliche Revisionsrekurs wird mangels der Voraussetzungen des § 126 Abs 2 GBG iVm § 62 Abs 1 AußStrG zurückgewiesen (§ 126 Abs 3 GBG).

Begründung

Rechtliche Beurteilung

1. Vorauszuschicken ist, dass der Rechtsmittelwerber selbst die Zulässigkeit der Ersatzzustellung im vorliegenden Fall erkennt (§ 120 Abs 1 GBG iVm § 106 Abs 1 ZPO; vgl dazu auch Kodek in Kodek, Grundbuchsrecht § 120 GBG Rz 1) und überdies nicht bezweifelt, dass seine Gattin, welche das Zustellstück am „21. 03. 010“ (offensichtlich richtig: 21. 3. 2011) übernommen hat, grundsätzlich eine mögliche Ersatzempfängerin war (vgl § 16 Abs 2 ZustG bzw Art 138 Abs 2 Schweizerische ZPO).

2.1. Der Antragsteller erachtet § 120 Abs 1 GBG iVm § 82 GBG deshalb für verfassungswidrig, weil der Ausschluss der Wiedereinsetzung im Grundbuchverfahren eine gegenüber sonstigen Verfahrensordnungen unsachliche Sonderregelung sei.

2.2. Richtig ist, dass nach § 82 GBG wegen der Versäumung der in diesem Bundesgesetz bestimmten Fristen keine Wiedereinsetzung in den vorigen Stand zulässig ist (RIS‑Justiz RS0036629). Diese Regelung ist allerdings keine gegenüber anderen Verfahrensordnungen unsachliche Sonderregelung, weil diese Bestimmungen zur Wahrung des im Grundbuchsrecht herrschenden Rangprinzips erforderlich ist (vgl Kodek aaO § 82 GBG Rz 1). Im Übrigen steht dem Rechtsmittelwerber zur Durchsetzung seiner vermeintlichen Ansprüche ohnehin der streitige Rechtsweg offen.

3.1. Der Rechtsmittelwerber meint, sein Rekurs habe die Vermutung der Rechtzeitigkeit für sich gehabt und das Rekursgericht hätte ihm ‑ der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofs folgend (vgl VwGH 2006/15/0097; 2010/16/0033) ‑ die angenommene Verspätung vor seiner Entscheidung vorhalten und so die Möglichkeit der Stellungnahme eröffnen müssen.

3.2. Auch in Verfahren vor den ordentlichen Gerichten gilt der Grundsatz, dass ein Rechtsmittel die Vermutung der Rechtzeitigkeit in dem Sinn für sich hat, als es jedenfalls entgegenzunehmen und sachlich zu erledigen ist, solange nicht seine Verspätung durch die Aktenlage eindeutig ausgewiesen ist. Die Ergebnislosigkeit von Erhebungen über die Rechtzeitigkeit wirkt zum Vorteil des Rechtsmittelwerbers (RIS‑Justiz RS0006965).

3.3. Der Rechtssatz, dass ein Rechtsmittel bis zur sicheren Widerlegung von Zweifeln die Vermutung der Rechtzeitigkeit für sich habe, kann aber nicht auf Fälle angewendet werden, in denen bereits eine öffentliche Urkunde vorliegt, die zunächst vollen Beweis macht. In solchen Fällen muss der Rechtsmittelwerber den Gegenbeweis führen (RIS‑Justiz RS0006957). Auch der Verwaltungsgerichtshof verlangt nur dann, wenn Umstände auf einen Zustellmangel hinweisen, dass die belangte Behörde vor Zurückweisung einer Berufung als verspätet entweder von Amts wegen zu prüfen hat, ob ein Zustellmangel unterlaufen ist, oder dem Berufungswerber die offenbare Verspätung seines Rechtsmittels vorzuhalten hat (VwGH 2006/15/0097).

3.4. Im vorliegenden Fall lag ein formal und inhaltlich unbedenklicher internationaler Rückschein vor (vgl dazu Vertrag zwischen der Republik Österreich und der Schweizerischen Eidgenosschaft zur Ergänzung des Haager Übereinkommens betreffend das Verfahren in bürgerlichen Rechtssachen [betreffend Zivilprozeßrecht], BGBl 1969/354, Art 1 Abs 3; Bajons in Fasching/Konecny 2 Art 1 EuZVO Rz 7; 10 Ob 2148/96x; RIS‑Justiz RS0102032), welcher die am 21. 3. 2011 erfolgte und vom Rechtsmittelwerber auch als solche zugestandene Aushändigung des Zustellstücks an dessen Gattin ausweist. Beim Rekursgericht mussten daher keine Bedenken gegen die Wirksamkeit besagter Zustellung bestehen.

3.5. Dem Rechtsmittelwerber stand es allerdings dennoch frei, in seinem Rechtsmittel (als Neuerung [3 Ob 202/03g; 2 Ob 96/07t]) die Unwirksamkeit der Zustellung der anzufechtenden Entscheidung zu behaupten und zu beweisen. Der Rechtsvertreter des Antragsstellers hat auch noch vor Rekurserhebung gerade zum Zweck der Prüfung des Zustellvorgangs in den Akt Einsicht genommen und danach im Rekurs lediglich behauptet, von der allenfalls schon am 5. 11. 2011 erfolgten Zustellung keine Kenntnis erlangt zu haben. Sowohl die Zustellung am 5. 11. 2011 als auch jene ‑ vom Rekursgericht als wirksam erkannte ‑ am 21. 3. 2011 waren unter der Anschrift „*****“ erfolgt. Der Rechtsmittelwerber hat in seinem Rekurs mit keinem Wort behauptet, dass es sich dabei um keine taugliche Abgabestelle gehandelt habe. Diese erstmals im Revisionsrekurs aufgestellte Behauptung, für deren Nachweis überdies keinerlei Beweismittel angeboten werden, ist daher eine unzulässige und überdies inhaltlich unzulängliche Neuerung, die keinen Anlass zur Überprüfung des besagten Zustellvorgangs begründet (vgl auch RIS‑Justiz RS0036440 [T7]).

Der Revisionsrekurs ist mangels der Voraussetzungen des § 62 Abs 1 AußStrG unzulässig und daher zurückzuweisen.

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