OGH 8ObA2/13x

OGH8ObA2/13x4.3.2013

Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht in Arbeits- und Sozialrechtssachen durch den Senatspräsidenten Dr. Spenling als Vorsitzenden, den Hofrat Hon.-Prof. Dr. Kuras, die Hofrätin Dr. Tarmann-Prentner sowie die fachkundigen Laienrichter Mag. Dr. Rolf Gleißner und Peter Schönhofer als weitere Richter in der Arbeitsrechtssache der klagenden Partei Land Niederösterreich, *****, vertreten durch Mag. Thomas Reisch, Rechtsanwalt in Wien, gegen die beklagte Partei M***** T*****, vertreten durch Mag. Wolfgang Kofler, Mag. Helmut Holzer, Mag. Klaus Mikosch, Dr. Peter Kasper, Rechtsanwälte in Klagenfurt, wegen (Revisionsinteresse) 21.808,80 EUR sA, über die außerordentliche Revision der beklagten Partei gegen das Urteil des Oberlandesgerichts Wien als Berufungsgericht in Arbeits- und Sozialrechtssachen vom 26. November 2012, GZ 7 Ra 85/12i-25, in nichtöffentlicher Sitzung den

Beschluss

gefasst:

 

Spruch:

Die Revision wird gemäß § 508a Abs 2 ZPO mangels der Voraussetzungen des § 502 Abs 1 ZPO zurückgewiesen (§ 510 Abs 3 ZPO).

Begründung

Rechtliche Beurteilung

Die außerordentliche Revision des Beklagten zeigt keine erhebliche Rechtsfrage im Sinn des § 502 Abs 1 ZPO auf (§ 510 Abs 3 ZPO).

1. Nach ständiger Rechtsprechung kann eine Partei die Einleitung eines Gesetzesprüfungsverfahrens vor dem Verfassungsgerichtshof nur anregen, ein subjektives Antragsrecht besteht nicht (RIS-Justiz RS0058452). Ob die dargelegten Bedenken gegen die Verfassungsmäßigkeit einer Norm stichhaltig sind und eine Vorlage an den Verfassungsgerichtshof geboten ist, hat das Gericht von Amts wegen zu beurteilen (RIS-Justiz RS0058452 [T19], zuletzt etwa 10 ObS 67/12v).

Im vorliegenden Fall besteht kein Anlass, der Anregung auf Anfechtung des § 94 NÖ-LBG näherzutreten. Dem § 94 NÖ-LBG entsprechende Bestimmungen über den Ausbildungskostenersatz finden sich auch im Dienstrecht des Bundes (§ 20 Abs 4 BDG und § 30 Abs 5 VBG); im Rahmen privatrechtlicher Dienstverhältnisse können inhaltlich entsprechende Vereinbarungen geschlossen werden (§ 2d AVRAG).

Gesetzliche Kostenersatzregelungen dienen dem legitimen Zweck, einem finanziellen Verlust des Bundes oder Landes durch frustrierten Ausbildungsaufwand entgegenzusteuern (vgl 8 ObA 211/94, 8 ObA 210/00s, 9 ObA 235/02b, zum entsprechenden § 64 Abs 5 Sbg L-VBG siehe 8 ObA 82/04y). Unter Berücksichtigung seines rechtspolitischen Gestaltungsspielraums ist der Gesetzgeber durch den Gleichheitssatz verpflichtet, an gleiche Tatbestände gleiche Rechtsfolgen zu knüpfen, sodass nur sachlich gerechtfertigte Differenzierungen zulässig sind; gegen diesen Grundsatz verstößt der Landesgesetzgeber aber nicht, wenn er die Grundausbildung von Spitalsärzten von der Rückzahlungspflicht ausgenommen hat.

Die vom Revisionswerber gewünschte Gleichstellung der Ausbildungswege zum Allgemeinmediziner und Facharzt mit den Sonderausbildungen diplomierter Gesundheits- und Krankenpfleger scheitert schon daran, dass der Ausbildungszweck bei Turnus- und angehenden Fachärzten gerade den Inhalt des - regelmäßig zu diesem Zweck nur befristet abgeschlossenen - Dienstvertrags bildet. Diplomierte Gesundheits- und Krankenpfleger verfügen bereits über eine abgeschlossene Berufsausbildung, die sie für fast alle Einsatzbereiche im Spital qualifiziert. § 17 Abs 7 Z 2 GuKG normiert nur eine Nachschulungspflicht. Die spezialisierte Tätigkeit kann - wie auch im vorliegenden Fall geschehen - bereits vorher aufgenommen und fünf Jahre lang ausgeübt werden. Der Beklagte hat auch gar nicht behauptet, dass die Begründung oder der Fortbestand seines unbefristeten Vertragsbedienstetenverhältnisses vom Erwerb der Zusatzqualifikation abhängig gewesen wären, oder dass sein Einsatz in anderen Abteilungen nicht in Frage gekommen wäre.

2. Dem Gesetzgeber steht es im Rahmen der verfassungsrechtlichen Vorgaben frei, den Umfang des Ausbildungskostenersatzes festzulegen (vgl 8 ObA 210/00s). Die Höhe wird durch die tatsächlich aufgewendeten Kosten limitiert, von denen sinnfällig ist, dass sie durch die Ausbildung entstehen und ohne die Ausbildung erspart werden (siehe 8 ObA 208/96).

Nach § 94 Abs 4 Z 1 NÖ-LBG ist fortgezahltes Entgelt in jenem Ausmaß zu ersetzen, in dem die Aus- und Weiterbildung durch Freistellung von der Dienstleistung ermöglicht wurde; durch die Vereinbarung eines Sonderurlaubs für die bestimmte Dauer der Ausbildung können Zweifel an der Dauer des Freistellungszeitraums nicht entstehen. Entsprechende Vereinbarungen wären auch in privatrechtlichen Dienstverhältnissen zulässig (RIS-Justiz RS0028912). Nach § 2d AVRAG ist darauf abzustellen, ob der Arbeitnehmer während der Ausbildung unter Fortzahlung des Entgelts von seinen üblichen betrieblichen Aufgaben gänzlich freigestellt war und sich stattdessen der Ausbildung gewidmet hat. Ob der Arbeitnehmer arbeitsvertraglich verpflichtet war, sich der Ausbildung zu unterziehen, ist nicht entscheidend (RIS-Justiz RS0126389 = 8 ObA 70/09s).

3. Im vorliegenden Verfahren ergab sich die Verpflichtung zum Ausbildungskostenersatz aus dem Gesetz und bedurfte daher keiner Vereinbarung (vgl Ziehensack, VBG, § 30 Rz 15). Nach § 2 ABGB ist grundsätzlich jeder verpflichtet, sich Kenntnis von den ihn betreffenden Gesetzen zu verschaffen (RIS-Justiz RS0013253, RS0008651 [T7], vgl auch RS0118363, RS0008652, RS0008663). Der Beklagte wurde in seinem Antrag ausdrücklich auf § 94 NÖ-LBG hingewiesen und hat diesen Hinweis mit seiner Unterschrift zur Kenntnis genommen. Damit war offensichtlich, dass diese Bestimmung für seine Rechtsstellung relevante Informationen enthält. Von deren Inhalt konnte er sich problemlos Kenntnis verschaffen, auch die gesetzliche Höhe des rückzuzahlenden Aufwands war für den Beklagten absehbar und bestimmbar, kannte er doch sowohl seine Bezüge, als auch die Kurskosten (vgl 8 ObA 208/96). Wenn das Berufungsgericht das Bestehen darüber hinausgehender Informations- und Fürsorge-obliegenheiten der Klägerin verneint hat, kann darin im Einzelfall keine die Revisionszulässigkeit begründende krasse Fehlbeurteilung erblickt werden.

4. Ob ein beurlaubter Dienstnehmer seine Ausbildung in Kursform oder durch praktische Tätigkeit in einem fremden Betrieb absolviert, macht aus Sicht des den Lohn fortzahlenden Dienstgebers keinen Unterschied. Nach den Feststellungen hat die Klägerin für jene Praktika, die der Beklagte in Krankenhäusern anderer Rechtsträger absolviert hat, keinen Aufwandersatz erhalten. Da ihr auch seine Arbeitsleistung nicht zugute gekommen ist, fällt das in diesem Zeitraum fortgezahlte Entgelt unter § 94 Abs 4 Z 1 NÖ-LBG.

Für den Zeitraum, in dem der Beklagte ein Praktikum an seinem Stammkrankenhaus absolvierte, macht die Klägerin ohnehin keinen Ersatz geltend. Nach dem für den Obersten Gerichtshof bindend festgestellten Sachverhalt fanden alle übrigen praktischen Ausbildungsblöcke in Krankenhäusern anderer Rechtsträger statt.

5. Soweit die Revision argumentiert, die Vereinbarung eines bezahlten Sonderurlaubs stehe einer Rückforderung der während seiner Dauer erhaltenen Bezüge entgegen, setzt sie sich mit dem Wortlaut des § 94 Abs 4 Z 1 NÖ-LBG in Widerspruch, der gerade auf diesen Fall abzielt.

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