Spruch:
Der Revision wird Folge gegeben.
Die Urteile der Vorinstanzen werden aufgehoben. Die Rechtssache wird zur neuerlichen Verhandlung und Entscheidung an das Erstgericht zurückverwiesen.
Die Kosten des Rechtsmittelverfahrens sind weitere Verfahrenskosten.
Text
Begründung
Der Kläger erwarb am 5. 10. 2005 vier A*****-Genussscheine zum Gesamtkaufpreis von 9.604,96 EUR. Bei den A*****-Genussscheinen handelt es sich um ein sogenanntes Schneeballsystem (Pyramidenspiel). Bis zum Oktober 2008 kauften die A*****-Gesellschaften die Genussscheine zum jeweiligen Kurswert zurück, ab diesem Zeitpunkt nicht mehr. Im Mai 2010 wurden über die A***** AG und die A***** G***** AG die Konkursverfahren eröffnet.
Die Beklagte war Abschluss- und Konzernprüferin betreffend die Jahresabschlüsse 2000 bis 2008 der A***** AG, deren IAS-Konzernabschlüsse betreffend die Jahre 2004 bis 2008 und der Jahres- und Konzernabschlüsse 2001 bis 2008 der A***** G***** AG (bis 16. 2. 2007: A***** M***** AG). Bei sämtlichen Abschlüssen bis zum Jahr 2007 erteilte die Beklagte einen uneingeschränkten Bestätigungsvermerk, bei den Jahresabschlüssen des Jahres 2008 erteilte sie jeweils nur einen eingeschränkten Bestätigungsvermerk.
Mit seiner am 29. 9. 2011 bei Gericht eingelangten Klage begehrte der Kläger 9.604,96 EUR sA Zug um Zug gegen Übertrag von vier A*****-Genussscheinen. Ein Eventualbegehren ist auf Feststellung der Haftung der Beklagten für jenen Schaden gerichtet, der dem Kläger aus dem Ankauf von vier A*****-Genussscheinen im Gesamtwert von 9.604,96 EUR entstehe. Er warf der Beklagten vor, sie habe bei Prüfung der Jahres- und Konzernabschlüsse zumindest grob fahrlässig gehandelt, indem sie diverse - näher ausgeführte - Unrichtigkeiten in den Bilanzen nicht aufgedeckt und uneingeschränkte Bestätigungsvermerke erteilt habe. Sie wäre verpflichtet gewesen, die Bestätigungsvermerke zu versagen oder einzuschränken oder zumindest von ihrer Redepflicht Gebrauch zu machen. Bei gewissenhafter und pflichtgemäßer Durchführung der ihr auferlegten Aufgaben hätte die Beklagte insbesondere bemerken müssen, dass die Summe der ausgegebenen Genussscheine multipliziert mit dem angeblichen Wert dieser Scheine das tatsächliche Vermögen der A***** um ein Vielfaches überstiegen habe. Mit Wissen der Beklagten bzw ihr zurechenbarer Personen sei 1998 im Rahmen einer Kapitalmaßnahme ein Genussscheinsplit im Verhältnis von 1 zu 7 und ein teilweiser Rückkauf der Genussscheine durch die A***** AG erfolgt und damit eine „Verwässerung“ der Vermögensbeteiligung der Anleger erst möglich geworden. Ganz offensichtlich seien die Prüfberichte und testierten Jahresabschlüsse mit der Geschäftsführung der A***** AG abgestimmt und „geschönt“ worden. Das in den Jahren 1999/2000 den handelnden Wirtschaftsprüfern der Beklagten persönlich bekannt gewordene Wissen über die Malversationen rund um den umstrittenen Umtausch der Genussscheine mit Kapitalgarantie und die damit dubios wirkenden Vorgänge seien jedenfalls der Beklagten zuzurechnen. Der Kläger habe sich selbst regelmäßig über die Entwicklung der Genussscheine informiert und auf die Angaben auf der Homepage der A*****, deren Prospektunterlagen und monatlichen Aussendungen vertraut, in denen oftmals auf die besonders gute Ertragslage und positive Entwicklung der A***** und der Genussscheine hingewiesen worden sei. Diese Angaben hätten auf den von der Beklagten testierten Bilanzen und Jahresberichten aufgebaut. Die Beklagte hätte aufgrund ihrer schon davor bestehenden jahrelangen Tätigkeit als Abschlussprüfer der A***** erkennen müssen bzw habe erkannt, welcher wirtschaftlich und rechtlich relevante Sachverhalt hinsichtlich der Genussscheine tatsächlich bestehe. Wäre die Beklagte ihrer Warnpflicht nachgekommen, so hätte der Kläger keine Ankäufe getätigt. Allenfalls gehaltene Genussscheine hätte er unverzüglich verkauft, weil bis Oktober 2008 ein jederzeitiger Verkauf der Genussscheine zu einem höheren Kurs als dem Ankaufskurs möglich gewesen wäre. Der Klagsanspruch sei nicht verjährt, weil der Kläger erst durch das im Strafverfahren erstellte und dort am 29. 4. 2010 vorgelegte Gutachten von der Beklagten als Abschlussprüferin und somit als Schädigerin erfahren habe.
Die Beklagte wendete unter Berufung auf § 275 Abs 5 UGB Verjährung ein. Dem Kläger sei bereits durch den Erwerb der Genussscheine ein realer Schaden (Primärschaden) durch die „Vermögensumschichtung“ entstanden. Ausgehend vom konkreten Kaufdatum sei der Anspruch nach § 275 Abs 5 UGB spätestens am 5. 10. 2010 verjährt. Soweit der Kläger auf einen Verkauf bereits erworbener Genussscheine abstelle, sei ein allfälliges pflichtwidriges Handeln der Beklagten nicht kausal, weil bei früherer Einschränkung oder Versagung des Bestätigungsvermerks das Szenario vom Oktober 2008 nur zeitlich vorverlagert worden wäre. Bei Geltendmachung eines Vertrauensschadens könne nur die Rückzahlung des Kaufpreises abzüglich Zinsen und Dividenden Zug um Zug gegen Ausfolgung der Wertpapiere gefordert werden. Da der Kläger über die ihm zugeflossenen Dividenden schweige, sei sein Begehren unschlüssig. Für das Feststellungsbegehren mangle es am rechtlichen Interesse. Die Beklagte habe die Bilanzen ordnungsgemäß geprüft, allfällige Mängel seien nicht erkennbar gewesen.
Das Erstgericht wies das Klagebegehren wegen Verjährung ab.
Das Berufungsgericht bestätigte dieses Urteil und erklärte die ordentliche Revision für zulässig. Das Klagebegehren sei verjährt. Nach § 275 Abs 5 HGB (nunmehr UGB) verjährten Ansprüche aus den Vorschriften über die Verantwortlichkeit des Abschlussprüfers in fünf Jahren. Diese Bestimmung sei eine lex specialis zur allgemeinen Verjährungsvorschrift des § 1489 ABGB. Die Verjährung beginne mit der Entstehung des Schadens und nicht - wie nach § 1489 ABGB - mit Kenntnis von Schaden und Schädiger. Die Verjährungsfrist des § 275 Abs 5 UGB sei auch im Fall einer Dritthaftung analog anzuwenden. Da in § 275 Abs 2 UGB sowohl die Haftung für vorsätzliches als auch für fahrlässiges Handeln geregelt sei, sei von der grundsätzlichen Anwendbarkeit des § 275 Abs 5 UGB auch bei vorsätzlichem Handeln des Wirtschaftsprüfers auszugehen, wenn nicht eine strafbare Handlung, die nur vorsätzlich begangen werden könne und mit mehr als einjähriger Freiheitsstrafe bedroht sei, vorliege (§ 1489 Satz 2 ABGB). Derartige strafbare Handlungen behaupte der Kläger nicht. Die fünfjährige Verjährungsfrist habe mit dem Eintritt des Primärschadens zu laufen begonnen. Dieser sei dem Kläger bereits mit dem Kauf der Genussscheine entstanden, die bereits im damaligen Zeitpunkt - nach seinem eigenen Vorbringen - wertlos gewesen seien. Nach dem unstrittigen Vorbringen, es habe sich um ein Schneeballsystem gehandelt, seien bereits gehaltene Genussscheine durch das Aufdecken der Malversationen unverkäuflich geworden.
Die Revision sei zulässig, weil höchstgerichtliche Rechtsprechung dazu fehle,
1. ob § 275 Abs 5 UGB auch bei vorsätzlichem Handeln gelte und
2. wann der (Primär-)Schaden „in derartigen Fällen“ eintrete.
Mit seiner Revision begehrt der Kläger, das angefochtene Urteil im Sinne der Klagsstattgebung abzuändern; hilfsweise wird ein Aufhebungsantrag gestellt.
Die Beklagte begehrt mit der Revisionsbeantwortung, die Revision zurückzuweisen, hilfsweise ihr nicht Folge zu geben.
Rechtliche Beurteilung
Die Revision ist zulässig und berechtigt.
1. In der zu einem gleich gelagerten Fall jüngst ergangenen Entscheidung 3 Ob 230/12p, die ebenfalls einen Schadenersatzanspruch gegen die Beklagte zum Gegenstand hatte, hat sich der Oberste Gerichtshof erst kürzlich mit der auch hier relevanten Verjährungsfrage befasst. Er gelangte nach eingehender Auseinandersetzung mit dem einschlägigen Schrifttum und der bisherigen Rechtsprechung zu dem Ergebnis, dass „für im Rahmen der Tätigkeit als Abschlussprüfer begründete Schadenersatzansprüche die verjährungsrechtliche Spezialnorm des § 275 Abs 5 UGB anzuwenden ist, die nicht nur gegenüber der geprüften Gesellschaft, sondern auch gegenüber Dritten gilt und je nachdem, ob den Schadenersatzansprüchen fahrlässiges oder vorsätzliches Fehlverhalten zugrunde liegt, als objektive oder subjektive fünfjährige Frist ausgestaltet ist“. Die wesentlichen Aussagen des dritten Senats lassen sich wie folgt zusammenfassen:
1.1. Nach der Rechtsprechung des Obersten Gerichtshofs ist der Vertrag zwischen Abschlussprüfer und der geprüften Gesellschaft ein Vertrag mit Schutzwirkungen zu Gunsten Dritter, nämlich aller potentiellen Gläubiger der Gesellschaft, die durch die Veröffentlichung des Bestätigungsvermerks angesprochen werden sollen (RIS-Justiz RS0116706, RS0116077). Daran ist trotz - im Einzelnen dargelegter - Kritik in der Lehre festzuhalten.
1.2. Nach herrschender Ansicht ist die eine fünfjährige Verjährungsfrist normierende Bestimmung des § 275 Abs 5 UGB lex specialis zur allgemeinen Verjährungsvorschrift des § 1489 ABGB, die als objektive, von der Kenntnis des Schadens und des Schädigers unabhängige Frist nicht nur die kurze, sondern auch die lange Frist des § 1489 Satz 2 erste Variante ABGB verdrängt (1 Ob 35/12x mwN). Sie gilt auch für die Dritthaftung des Abschlussprüfers (so mit ausführlicher Begründung 1 Ob 35/12x; RIS-Justiz RS0128186).
1.2.1. Den zur Verjährung der Haftung des Abschlussprüfers bisher ergangenen Entscheidungen lag allerdings jeweils (nur) der Vorwurf (grob) fahrlässigen Fehlverhaltens des Abschlussprüfers zugrunde. Für diese Fälle hat es bei der bisherigen Auslegung des § 275 Abs 5 UGB zu bleiben. Dessen Beurteilung als lex specialis entspricht dem Zweck der Regelung (primär, dass das hohe Haftungsrisiko versicherbar sein soll) und berücksichtigt das Bedürfnis nach Sicherheit und Rechtsfrieden sachgerecht. Der Dritte soll verjährungsrechtlich nicht anders behandelt werden, als die geprüfte Gesellschaft selbst.
1.2.2. Bei vorsätzlicher Schadenszufügung hat hingegen anderes zu gelten:
Der Zweck der Regelung des § 275 UGB, nur den fahrlässig schädigenden Abschlussprüfer bei der Haftung dafür aus sachlichen Gründen zu privilegieren, verlangt eine Auslegung, die sich für den Beginn der einheitlich im § 275 Abs 5 UGB festgesetzten Verjährungsfrist von fünf Jahren im Fall einer vorsätzlichen Pflichtverletzung durch einen Abschlussprüfer an der allgemeinen Regel für Schadenersatzansprüche nach § 1489 ABGB orientiert. Diese macht den Lauf der Verjährung (auch) bei „einfachem“ Vorsatz (der also den Anforderungen des § 1489 Satz 2 zweite Variante ABGB nicht entspricht) von der Kenntnis des Geschädigten von Schaden und Schädiger abhängig. Bei vorsätzlicher Pflichtverletzung des Abschlussprüfers ist der Beginn der fünfjährigen Verjährungsfrist daher nicht mit Entstehung des Schadens, sondern erst mit Kenntnis des Geschädigten von Schaden und Schädiger anzusetzen.
Auf diese Weise wird eine unsachliche Privilegierung eines vorsätzlich handelnden Abschlussprüfers vermieden und zum Verjährungsbeginn eine Harmonisierung mit allgemeinen Grundsätzen erreicht. Die - gegenüber der allgemeinen kurzen subjektiven Verjährungsfrist verlängerte - fünfjährige Frist ist Konsequenz der ausdrücklichen und unmissverständlichen gesetzlichen Regelung des § 275 Abs 5 UGB.
Da ein Dritter verjährungsrechtlich nicht anders zu behandeln ist als die geprüfte Gesellschaft, hat dies auch im Fall der Dritthaftung eines vorsätzlich handelnden Abschlussprüfers zu gelten.
2. Der erkennende Senat pflichtet den überzeugenden Argumenten des dritten Senats bei. Wie aus dem Referat des Klagsvorbringens ersichtlich, hat auch im vorliegenden Fall der Kläger Tatsachenvorbringen erstattet, dem sich der Vorwurf vorsätzlichen Fehlverhaltens der beklagten Partei entnehmen lässt.
Unter Zugrundelegung des Klagsvorbringens würde die Verjährungsfrist am 29. 4. 2010 (Vorlage des Gutachtens im Strafprozess, woraus der Kläger von der Beklagten als Abschlussprüferin und somit als Schädigerin erfahren habe) zu laufen beginnen. Der Klagsanspruch wäre demnach bei Vorsatz der Beklagten nicht verjährt.
Geht man von einer früheren Kenntnis des Klägers davon, dass die Beklagte Abschlussprüferin war, aus, so könnte nach der hier gegebenen Aktenlage eine Kenntnis des Klägers von der Wertlosigkeit der Genussscheine schon im Zeitpunkt ihres Erwerbs und damit vom primär geltend gemachten Schaden frühestens mit der Erteilung von nur eingeschränkten Bestätigungsvermerken bei den Jahresabschlüssen für 2008, die naturgemäß frühestens 2009 erteilt und beim Firmenbuch eingereicht werden konnten, angenommen werden. Auch diesfalls wäre der Klagsanspruch bei Vorsatz der Beklagten nicht verjährt.
3. Aufhebung, zweiter Rechtsgang
Da das Erstgericht, ausgehend von der unrichtigen Rechtsansicht, der Klagsanspruch sei verjährt, zu dessen Beurteilung keine ausreichenden Feststellungen getroffen hat, ist eine abschließende Beurteilung nicht möglich und die Zurückverweisung an das Erstgericht nötig. Dabei wird Folgendes zu beachten sein:
3.1 Darauf, ob der Kläger Verbraucher ist, kommt es nicht an. § 275 Abs 5 UGB bildet die Analogiebasis für die Haftung gegenüber allen Dritten, die nicht anders zu behandeln sind als die geprüfte Gesellschaft selbst.
3.2. Das als Hauptbegehren formulierte Geldleistungsbegehren ist nicht zu beanstanden. Dass die Genussscheine wertlos sind, ist zwischen den Parteien nicht strittig. In einem solchen Fall ist von der endgültigen Wertlosigkeit der Anlage auszugehen, sodass ein Verkauf des Produkts zur Ermittlung des Differenzschadens weder möglich noch erforderlich ist (3 Ob 230/12p mwN).
3.3. Auf andere Anspruchsgrundlagen, wie etwa die Haftung der Beklagten als Prospektprüferin wegen fehlerhafter Prospektprüfung, kommt der Kläger in der Revision nicht mehr zurück, weshalb im fortgesetzten Verfahren dazu keine Ergänzungen erforderlich sind.
3.4. Nach den insoweit zutreffenden Ausführungen des Berufungsgerichts ist der Primärschaden bereits mit dem Kauf der Genussscheine (aus einem Pyramidenspiel) am 5. 10. 2005 eingetreten. Der zweite Rechtsgang hat sich daher auf die Prüfung der vom Kläger behaupteten vorsätzlichen Pflichtverletzungen der beklagten Partei vor dem 5. 10. 2005 zu beschränken. Das betrifft die Jahres- und Konzernabschlüsse, die vor den Käufen des Klägers datieren. Die später erteilten Bestätigungsvermerke können für den Kaufentschluss des Klägers nicht ursächlich gewesen sein.
4. Der Kostenvorbehalt gründet sich auf § 52 ZPO.
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