OGH 7Ob216/12h

OGH7Ob216/12h23.1.2013

Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht durch die Vizepräsidentin Dr.

Huber als Vorsitzende und die Hofrätinnen und Hofräte Dr. Hoch, Dr. Kalivoda, Mag. Dr. Wurdinger und Mag. Malesich als weitere Richter in der Rechtssache der klagenden Partei Dr. M***** L*****, gegen die beklagte Partei Dr. W***** L*****, vertreten durch Dr. Manfred Klicnik, Rechtsanwalt in Linz, wegen 4.679,71 EUR sA und Feststellung, über die Revision der klagenden Partei gegen das Urteil des Landesgerichts Linz als Berufungsgericht vom 21. Juni 2012, GZ 32 R 33/12x‑26, mit dem das Urteil des Bezirksgerichts Linz vom 22. November 2011, GZ 13 C 2216/10y‑18, teilweise abgeändert wurde, den

Beschluss

gefasst:

European Case Law Identifier: ECLI:AT:OGH0002:2013:0070OB00216.12H.0123.000

 

Spruch:

Die Revision wird zurückgewiesen.

Die klagende Partei ist schuldig, der beklagten Partei die mit 1.680,84 EUR (darin enthalten 280,14 EUR USt) bestimmten Kosten der Revisionsbeantwortung binnen 14 Tagen zu ersetzen.

Begründung

Die Parteien sind Brüder und gemeinsam Hauptmieter (Mitmieter) einer Kanzlei/Wohnung. Ausgehend von einer am 6. 6. 1974 zwischen den damaligen Hauptmietern (den Parteien und ihren Eltern) getroffenen Vereinbarung verfügt der Beklagte auf Grund der Erbfolge nach den Eltern über 60 % der „internen Mietrechtsanteile“, während dem Kläger die restlichen 40 % zukommen. Seit 1. 6. 2004 ‑ nach Beendigung seiner Berufstätigkeit als Rechtsanwalt ‑ benützt der Beklagte Räumlichkeiten im Mietobjekt im Ausmaß von 10,51 % (Garconniere). Der Kläger ‑ ein Rechtsanwalt ‑ nutzt die übrigen 89,49 % des Mietobjekts.

Der Kläger begehrte vom Beklagten die Zahlung von 4.679,71 EUR sA und stellte das Feststellungsbegehren, der Beklagte sei schuldig, ihm „gemäß § 1324 ABGB den gesamten Schaden, den er in Zukunft erleidet, solange zu bezahlen, bis der Beklagte seine schikanöse Weigerung zur Unterfertigung eines unbefristeten Untermietvertrags mit einem nach dem MRG zulässigen Untermietzins aufgegeben, einen solchen Untermietvertrag unterschrieben und die in dem gemeinsam gemieteten Bestandobjekt gelegene Garconniere vollständig geräumt und sämtliche Schlüssel des Bestandobjekts dem Kläger übergeben hat“. Zum Leistungsbegehren brachte er zusammengefasst vor, der Beklagte nütze die Garconniere als Aktenlager und sei daher verpflichtet, ihm den anteiligen Mietzins sowie die anteiligen Betriebskosten im Ausmaß von 10,51 % und die Stromkosten der Garconniere für die Jahre 2008 bis 2011 zu ersetzen. Diese Kosten habe der Kläger für das gesamte Objekt an die Vermieterin und die L***** AG bezahlt. Zum Feststellungsbegehren führte er aus, er habe zwar keinen rechtlich einklagbaren Anspruch, dass der Beklagte einen Untermietvertrag unterzeichne, er habe jedoch infolge der schikanösen Weigerung des Beklagten dies zu tun, einen Schadenersatzanspruch, weil er in Bezug auf den entgangenen angemessenen Untermietzins, den er von (zukünftigen) Partnern lukrieren könnte, einen Schaden erleide. Der Beklagte verweigere trotz fehlenden Eigenbedarfs die Unterfertigung eines dem MRG unterliegenden Untermietvertrags (der den Kläger in die Lage versetzen würde, seinerseits das Mietobjekt an Kanzleipartner unterzuvermieten) und verstoße gegen das Schikaneverbot, wodurch dessen Schadenersatzpflicht begründet sei.

Die Vorinstanzen wiesen sowohl das (vom Erstgericht mit 3.792,78 EUR und vom Berufungsgericht als mit 4.580,39 EUR zu Recht bestehend erkannte) Leistungsbegehren (insbesondere infolge berechtigt erkannter Gegenforderungen des Beklagten) als auch das Feststellungsbegehren ab.

Zum Feststellungsbegehren führte das Berufungsgericht aus, dass der Beklagte als „Majorität“ nach der Vereinbarung vom 6. 6. 1974 das Recht, jedoch nicht die Pflicht habe, unterzuvermieten und dem Kläger in diesem Fall gemäß der Vereinbarung als „Minorität“ lediglich ein „Vormietrecht“ zukomme. Unter Berücksichtigung der Interessenabwägung der Parteien liege keine Schikane vor. Die plausiblen eigenen Interessen des Beklagten, die im Verlust des „Vermögenswerts des günstigen Bestandrechts“ durch Abschluss eines unbefristeten Untermietvertrags mit dem Kläger und seiner Möglichkeit, das Bestandobjekt wieder selbst zu nutzen, wenn er dazu in der Lage sei, stünden in keinem krassen Missverhältnis zum Interesse des Klägers auf Verminderung der Kosten durch deren Aufteilung auf mehrere Kanzleipartner. Wenn der Kläger ausführe, dass er selbst bis an sein Lebensende als Mitarbeiter seiner (zukünftigen) Partner fungieren wolle, müsse dieses Interesse auch dem Beklagten zugestanden werden.

Das Berufungsgericht sprach aus, dass der Wert des Entscheidungsgegenstands 5.000 EUR, nicht jedoch 30.000 EUR übersteige, wobei es von der vom Kläger vorgenommenen Bewertung des Feststellungsbegehrens mit 25.000 EUR ausging, und erklärte zunächst die ordentliche Revision für nicht zulässig. Auf Antrag des Klägers nach § 508 ZPO änderte es den Ausspruch der Unzulässigkeit der Revision dahin ab, dass es die ordentliche Revision doch für zulässig erklärte, weil seine rechtliche Beurteilung des Leistungsbegehrens mit der einer zwischen den Parteien ergangenen Entscheidung eines anderen Gerichts im Widerspruch stehe. Ein allfälliges „Nichtzurechtbestehen“ der Kompensandoforderung könne möglicherweise zu einer anderen Interessenabwägung in Bezug auf das Feststellungsbegehren führen.

Rechtliche Beurteilung

Die vom Beklagten beantwortete Revision des Klägers ist hinsichtlich des Leistungsbegehrens gemäß § 502 Abs 2 ZPO absolut unzulässig und hinsichtlich des Feststellungsbegehrens mangels einer erheblichen Rechtsfrage im Sinn des § 502 Abs 1 ZPO nicht zulässig.

1. Zum Leistungsbegehren von 4.679,71 EUR sA:

Mit dem Leistungsbegehren fordert der Kläger als Mitmieter vom anderen Mitmieter (Beklagten) anteiligen Ersatz der von ihm allein entrichteten Hauptmiete sowie der Stromkosten. Dieser Ersatzanspruch richtet sich als Regress unter Gesamtschuldnern nach § 896 ABGB (vgl 1 Ob 595/90).

Nach § 502 Abs 5 Z 2 ZPO gelten § 502 Abs 2 und 3 ZPO nicht „für die unter § 49 Abs 2 Z 5 JN fallenden Streitigkeiten, wenn dabei über eine Kündigung, über eine Räumung oder über das Bestehen oder Nichtbestehen des Vertrags entschieden wird“. Eine Streitigkeit aus einem Bestandverhältnis im Sinn der letztgenannten Bestimmung liegt aber nur vor, wenn die Klage vom Bestandgeber oder Bestandnehmer gegen den jeweils anderen Vertragspartner aus dem zwischen ihnen bestehenden Bestandverhältnis erhoben wird (4 Ob 95/12t mwN; RIS‑Justiz RS0046601; vgl auch RS0046562). Streitigkeiten zwischen Mitmietern sind von § 49 Abs 2 Z 5 JN nicht erfasst ( Simotta in Fasching ² § 49 JN Rz 100; 2 Ob 125, 126/73 = MietSlg 25.509 = RZ 1974/55 = RIS‑Justiz RS0046661 [T1]). Eine Bestandstreitigkeit nach dieser Bestimmung liegt daher nicht vor.

Für die Frage der Anrufbarkeit des Obersten Gerichtshofs ist maßgebend, ob gemäß § 55 Abs 4 iVm Abs 1 JN die den Entscheidungsgegenstand der zweiten Instanz bildenden Ansprüche zusammenzurechnen sind (3 Ob 159/05m mwN). Das ist hier nicht der Fall.

Zwischen dem im Berufungsverfahren strittigen Begehren auf Zahlung von 4.679,71 EUR sA und dem Feststellungsbegehren liegen die Voraussetzungen für eine Zusammenrechnung nach § 55 Abs 1 Z 1 JN nicht vor. Nach dieser Bestimmung sind mehrere ‑ wie hier ‑ in einer Klage erhobenen Ansprüche nur dann zusammenzurechnen, wenn sie in einem tatsächlichen oder rechtlichen Zusammenhang stehen (RIS‑Justiz RS0037838; RS0042741). Mehrere Ansprüche stehen in einem tatsächlichen Zusammenhang, wenn sie allesamt aus demselben Klagesachverhalt abgeleitet werden können, wenn also das für einen Anspruch erforderliche Sachvorbringen ausreicht, um auch über den anderen geltend gemachten Anspruch entscheiden zu können, ohne dass noch ein ergänzendes Sachvorbringen erforderlich wäre (RIS‑Justiz RS0042766). Ein rechtlicher Zusammenhang liegt dagegen vor, wenn die Ansprüche aus demselben Vertrag oder aus derselben Rechtsnorm abgeleitet werden und miteinander in einem unmittelbaren wirtschaftlichen Zusammenhang stehen (RIS‑Justiz RS0037648). Ein solcher Zusammenhang besteht jedoch dann nicht, wenn jeder der mehreren Ansprüche ein verschiedenes rechtliches und tatsächliches Schicksal haben kann; in einem solchen Fall ist jeder Anspruch gesondert zu beurteilen, ohne dass eine Zusammenrechnung stattfindet (RIS‑Justiz RS0037648 [T18]; RS0037899). Bei der Prüfung der Frage, ob die geltend gemachten Ansprüche in einem tatsächlichen oder rechtlichen Zusammenhang stehen, ist vom Vorbringen des Klägers auszugehen (RIS‑Justiz RS0042741; RS0106759).

Im vorliegenden Fall liegen dem auf Zahlung gerichteten Regressbegehren und dem auf Schadenersatz gestützten Feststellungsbegehren nicht dieselben Sachverhaltselemente zugrunde. Zudem bestehen auch gänzlich unterschiedliche rechtliche Anspruchsgrundlagen. Während sich das Zahlungsbegehren auf § 896 ABGB stützt, macht der Kläger mit dem Feststellungsbegehren einen Anspruch nach § 1295 Abs 2 ABGB geltend. Mangels eines tatsächlichen oder rechtlichen Zusammenhangs der vom Kläger erhobenen Ansprüche sind diese getrennt zu behandeln.

Daraus folgt, dass die Revision betreffend das Zahlungsbegehren über 4.679,71 EUR sA gemäß § 502 Abs 2 ZPO absolut unzulässig und daher insoweit zurückzuweisen ist.

2. Zum Feststellungsbegehren:

Die vom Kläger diesbezüglich behauptete Mangelhaftigkeit des Berufungsverfahrens liegt nicht vor (§ 510 Abs 3 dritter Satz ZPO).

Unabhängig von der Frage der Zulässigkeit des Abschlusses eines Untermietvertrags zwischen Hauptmietern (vgl dazu Binder in Schwimann , ABGB³ § 1098 Rz 79; 1 Ob 8/53 = MietSlg 2.828 = RIS‑Justiz RS0015064; vgl auch 1 Ob 214/49 = SZ 22/68; 7 Ob 137/62 = MietSlg 9.399) geht der Kläger selbst davon aus, dass er keinen Anspruch darauf hat, dass der Beklagte (speziell mit ihm) einen Untermietvertrag abschließt. Er stützt sein als Feststellungsbegehren formuliertes Schadenersatzbegehren auf die behauptete schikanöse Weigerung des Beklagten, dies zu tun.

Schikane liegt nicht nur dann vor, wenn die Schädigungsabsicht den einzigen Grund der Rechtsausübung bildet, sondern auch dann, wenn zwischen den vom Handelnden verfolgten eigenen Interessen und den beeinträchtigten Interessen des anderen ein ganz krasses Missverhältnis besteht (RIS‑Justiz RS0026265). Die Beweislast trifft denjenigen, der sich auf Rechtsmissbrauch beruft, wobei selbst relativ geringe Zweifel am Rechtsmissbrauch zu Gunsten des Rechtsausübenden den Ausschlag geben, weil demjenigen, der an sich ein Recht hat, grundsätzlich zugestanden werden soll, dass er innerhalb der Schranken dieses Rechts handelt (RIS‑Justiz RS0026205 [T4]). Ob Rechtsmissbrauch vorliegt, ist eine nach den Umständen des Einzelfalls zu klärende Rechtsfrage (RIS‑Justiz RS0110900).

Dem Berufungsurteil haftet diesbezüglich keine Fehlbeurteilung an. Dass die Wahrung und Verfolgung von Rechten aus einem Bestandvertrag im Allgemeinen die Annahme einer schikanösen Rechtsausübung ausschließt (RIS‑Justiz RS0020954), gilt auch für das dem Beklagten in der Vereinbarung vom 6. 6. 1974 eingeräumte Recht, wonach die „Majorität“ der „Hauptmietberechtigten“ untervermieten darf. Eine Pflicht zur Untervermietung des Beklagten, der im internen Verhältnis zu 60 % „Hauptmietberechtigter“ ist, besteht daher nicht. Die Beurteilung der Vorinstanzen, dass die eigenen Interessen des Beklagten ‑ der Verlust des „Vermögenswerts des günstigen Bestandrechts“ durch Abschluss eines unbefristeten Untermietvertrags mit dem Kläger und der Verlust seiner Möglichkeit, das Bestandobjekt wieder selbst zu nutzen, wenn er dazu in der Lage ist ‑ in keinem derart krassen Missverhältnis zum Interesse des Klägers auf Verminderung der Kosten durch Aufteilung auf mehrere Kanzleipartner stünden, sodass keine Schikane vorliege, ist vertretbar. Weitere Feststellungen, wie vom Kläger begehrt, sind für die rechtliche Beurteilung nicht von Relevanz. Mögen auch berechtigte Interessen des Klägers für den Abschluss eines Untermietvertrags mit ihm sprechen, so verbleiben doch Zweifel am Rechtsmissbrauch des Beklagten, der zwar als „Majorität“ das Recht, nicht aber die Pflicht zur Untervermietung hat. Hat der Kläger ‑ wie von ihm zugestanden ‑ keinen Anspruch auf Abschluss eines Untermietvertrags mit dem Beklagten, ist nicht einsichtig, dass er diesen über den Umweg des Schadenersatzes zum Abschluss einer solchen Vereinbarung zwingen kann. Wie die Vorinstanzen vertretbar dargelegt haben, liegen die Voraussetzungen für einen Rechtsmissbrauch des Beklagten nach § 1295 Abs 2 ABGB nicht vor.

Da der Oberste Gerichtshof an den Ausspruch des Berufungsgerichts über die Zulässigkeit der Revision nicht gebunden ist (§ 508a Abs 1 ZPO) und die Revision des Klägers zum Feststellungsbegehren keine erhebliche Rechtsfrage im Sinn des § 502 Abs 1 ZPO aufzeigt, ist dieses Rechtsmittel ebenfalls zurückzuweisen.

3. Die Kostenentscheidung gründet sich auf die §§ 41 und 50 ZPO. Der Beklagte hat auf die Unzulässigkeit der Revision hingewiesen.

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