OGH 3Ob225/12b

OGH3Ob225/12b23.1.2013

Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht durch den Senatspräsidenten Dr. Prückner als Vorsitzenden sowie den Hofrat Hon.-Prof. Dr. Neumayr, die Hofrätin Dr. Lovrek und die Hofräte Dr. Jensik und Dr. Roch als weitere Richter in der Rechtssache der klagenden Partei I*****, Deutschland, vertreten durch Dr. Johannes Patzak, Rechtsanwalt in Wien, und des Nebenintervenienten auf Seiten der klagenden Partei Dipl.-Ing. G*****, gegen die beklagte Partei Republik Österreich (Finanzamt Baden Mödling), vertreten durch die Finanzprokuratur in Wien, wegen Unzulässigerklärung einer Forderungsexekution (§ 37 EO), über die außerordentliche Revision der klagenden Partei gegen das Urteil des Landesgerichts Wiener Neustadt als Berufungsgericht vom 4. September 2012, GZ 17 R 13/12a-58, womit infolge Berufung der klagenden Partei das Urteil des Bezirksgerichts Baden vom 21. Juni 2011, GZ 6 C 3/99z-52, bestätigt wurde, den

Beschluss

gefasst:

 

Spruch:

Die Akten werden dem Erstgericht zurückgestellt.

Text

Begründung

Gegenstand der vorliegenden zur Zustündigkeit auf § 14 AbgEO gestützten Exszindierungsklage ist die Unzulässigerklärung einer von einem Finanzamt gegen den früheren Ehegatten der Klägerin als Verpflichteten (= Nebenintervenienten auf Seiten der Klägerin) geführten Abgabenexekution (zuletzt nur mehr) hinsichtlich des in ihrem Eigentum stehenden Sparbuchs, das aufgrund eines Rückstandsausweises des Finanzamts vom 9. Juni 1997 über 1.000.000 ATS (= 72.672,83 EUR) als Postzahl 42 am 12. Mai 1998 mit einem Einlagestand zum 27. Jänner 1995 von 328.482,54 ATS (= 23.871,76 EUR) gepfändet wurde. Dieses Sparbuch wurde am 26. Mai 1998 für das Finanzamt realisiert und das gesamte Realisat von 358.378 ATS (= 26.044,35 EUR) dem Abgabenkonto des Verpflichteten am 28. Mai 1998 gutgeschrieben.

Das Erstgericht wies die Klage ab, weil das Sparbuch bei Einbringung der Exszindierungsklage nicht mehr existent gewesen sei.

Das Berufungsgericht gab der Berufung der Klägerin nicht Folge, bewertete den Entscheidungsgegenstand - orientiert am früheren Guthabensbetrag am Sparbuch im Jahr 1995 von 739.142,54 ATS (= 53.715,58 EUR) - mit 30.000 EUR übersteigend und ließ die ordentliche Revision mangels Beantwortung erheblicher Rechtsfragen nicht zu.

Rechtliche Beurteilung

Dagegen erhob die Klägerin eine außerordentliche Revision; eine Entscheidungskompetenz des Obersten Gerichtshofs ist allerdings aus folgenden Gründen noch nicht gegeben:

Gemäß § 500 Abs 2 Z 1 ZPO hat das Berufungsgericht in seinem Urteil eine Bewertung des Entscheidungsgegenstands vorzunehmen, wenn dieser nicht ausschließlich in einem Geldbetrag besteht. Der Oberste Gerichtshof ist an die Bewertung grundsätzlich gebunden; er kann den Bewertungsausspruch nur dahin überprüfen, ob zwingende Bewertungsvorschriften verletzt wurden (stRsp, RIS-Justiz RS0042450), eine offenkundige Unter- oder Überbewertung vorliegt oder eine Bewertung überhaupt hätte unterbleiben müssen. Der Streitwert einer Exszindierungsklage richtet sich primär nach der Höhe der betriebenen Forderung, jedoch mit der Einschränkung, dass der allenfalls niedere Wert der gepfändeten Sache maßgeblich ist. Ausgehend vom Ziel der Exszindierungsklage, eine bestimmte, das absolute Recht des Klägers missachtende Exekution für unzulässig erklären zu lassen, ist primär der betriebene Anspruch wertbestimmend, allerdings begrenzt durch das allenfalls geringere Interesse an der von der Exekution erfassten Sache des Klägers (3 Ob 70/09d mwN).

Die betriebene Abgabenforderung betrug 72.672,83 EUR; der Einlagestand (zum 27. Jänner 1995) am Sparbuch betrug im Zeitpunkt der Pfändung 23.871,76 EUR und bei der bald darauf folgenden Realisierung 26.044,35 EUR. Der für den Wert des Entscheidungsgegenstands bestimmende Betrag überschreitet somit zwar 5.000 EUR, erreicht aber 30.000 EUR nicht. Ein Bewertungsausspruch war daher entbehrlich, weil der Wert des Entscheidungsgegenstands nur einem bestimmten Geldbetrag - nämlich entweder dem der betriebenen oder dem der gepfändeten Forderung - entsprechen kann (RIS-Justiz RS0001206 [T1]). Der Bewertungsausspruch des Berufungsgerichts (30.000 EUR übersteigend) erweist sich damit als gesetzwidrig und den Obersten Gerichtshof nicht bindend.

Da das Berufungsgericht die Revision nach § 500 Abs 2 Z 3 ZPO nicht für zulässig erklärt hat, ist ein Rechtsmittel an den Obersten Gerichtshof gemäß § 502 Abs 3 ZPO nicht zulässig.

Eine Partei kann in einem solchen Fall nur einen Antrag an das Berufungsgericht stellen, seinen Ausspruch dahingehend abzuändern, dass das Rechtsmittel doch für zulässig erklärt werde (§ 508 Abs 1 ZPO). Mit demselben Schriftsatz ist das ordentliche Rechtsmittel auszuführen. Dieser Antrag, verbunden mit dem ordentlichen Rechtsmittel, ist beim Prozessgericht erster Instanz einzubringen und gemäß § 508 Abs 3 und 4 ZPO vom Rechtsmittelgericht zu behandeln. Erhebt in einem Fall wie dem vorliegenden eine Partei ein Rechtsmittel, so ist dieses gemäß § 507b Abs 2 ZPO dem Gericht zweiter Instanz vorzulegen. Das gilt auch dann, wenn das Rechtsmittel als „außerordentliche Revision“ bezeichnet und an den Obersten Gerichtshof gerichtet wird; dieser darf darüber nur und erst entscheiden, wenn das Gericht zweiter Instanz gemäß § 508 Abs 3 ZPO ausgesprochen hat, dass ein ordentliches Rechtsmittel doch zulässig ist (RIS-Justiz RS0109623).

Das Erstgericht wird demnach das Rechtsmittel dem Berufungsgericht vorzulegen haben, allenfalls erst nach einem Verbesserungsverfahren (RIS-Justiz RS0109623 [T8]).

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