OGH 1Ob225/12p

OGH1Ob225/12p13.12.2012

Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht durch den Senatspräsidenten Hon.-Prof. Dr. Sailer als Vorsitzenden sowie die Hofräte Univ.-Prof. Dr. Bydlinski, Dr. Grohmann, Mag. Wurzer und Mag. Dr. Wurdinger als weitere Richter in der Rechtssache der klagenden Partei G***** L*****, vertreten durch Mag. Dieter Kocher, Rechtsanwalt in St. Michael im Lungau, gegen die beklagten Parteien 1) H***** Z***** und 2) M***** Z*****, beide *****, beide vertreten durch Mag. Alois Pirkner, Rechtsanwalt in Tamsweg, wegen Feststellung und Unterlassung, über die Revision der klagenden Partei gegen das Urteil des Landesgerichts Salzburg als Berufungsgericht vom 31. Mai 2012, GZ 53 R 388/11g-91, mit dem das Urteil des Bezirksgerichts Tamsweg vom 22. August 2011, GZ 2 C 851/07d-84, teilweise abgeändert wurde, den

Beschluss

gefasst:

 

Spruch:

Die Revision wird zurückgewiesen.

Die klagende Partei ist schuldig, der beklagten Partei binnen 14 Tagen die mit 614,86 EUR (darin enthalten 102,48 EUR USt) bestimmten Kosten der Revisionsbeantwortung zu ersetzen.

Begründung

Rechtliche Beurteilung

Die Revision der Klägerin ist entgegen dem nach § 508a Abs 1 ZPO nicht bindenden Ausspruch des Berufungsgerichts nach § 508 Abs 3 ZPO nicht zulässig.

Der Inhalt einer ersessenen Dienstbarkeit bestimmt sich nach dem Zweck, zu dem das belastete Grundstück zu Beginn der Ersitzungszeit verwendet wurde, sofern der Verwendungszweck nicht im Verlauf der Ersitzungszeit eingeschränkt wurde (1 Ob 551/93; 1 Ob 295/98h).

Der hier umstrittene Weg verläuft über eine Strecke von 60 Metern über das Grundstück der Klägerin. Jedenfalls seit Beginn der 60er Jahre des vorigen Jahrhunderts wurde er von den Eigentümern des Grundstücks 994 (nunmehr den Beklagten) für Vieh- und Holztransporte mit (zunächst) Pferdefuhrwerken, später mit 2,40 Meter breiten Traktoren und Lastkraftwägen verwendet. Seit Beginn der 70er Jahre wurden Traktoren eingesetzt. Erstmals im Juli 2006 untersagte die Klägerin die Nutzung dieses Wegs. Am 10. 12. 2007 brachte sie die Eigentumsfreiheitsklage ein.

Innerhalb des dreißigjährigen Zeitraums, der vor Juli 2006 verstrichen ist, ist damit entgegen der Meinung der Klägerin keine wesentliche Änderung der Nutzung des Wegs eingetreten.

Das ersessene Fahrtrecht wäre nur im Fall seiner völligen Zwecklosigkeit erloschen (RIS-Justiz RS0011582; RS0011589). Dies ist bei einem Umweg von etwa einem Kilometer, den die Zufahrt über einen im Jahr 2007 errichteten Forstweg bedeutet, aber nicht der Fall (vgl 6 Ob 208/08v).

Richtig ist, dass die Inanspruchnahme eines breiteren als des bisher befahrenen Grundstreifens immer eine erhebliche schwerere Belastung des dienenden Guts darstellt und der Belastete eine solche eigenmächtige Erweiterung der Dienstbarkeit nicht dulden muss (vgl RIS-Justiz RS0016367 [T3]). Die Klägerin behauptete im Verfahren erster Instanz aber keine derartige Verbreiterung. Sie verwies ausschließlich auf die Beschaffenheit des Wegs, die das Befahren mit schweren Fahrzeugen wie Lastkraftwägen nicht zulasse. Der Weg ist zwar nach den ersten 40 Metern aufgrund der Bodenverhältnisse über eine Strecke von acht Metern nur eingeschränkt tragfähig und befahrbar. Das Berufungsgericht hat in seinem Spruch aber ohnehin das ersessene Fahrtrecht auf Zeiten beschränkt, in denen der Boden zumindest bis zu einer Tiefe von 15 cm gefroren und nach mindestens einer Woche Niederschlagsfreiheit trocken ist. Bei diesen Verhältnissen ist der Weg nach den Feststellungen nämlich auch für Traktoren mit Anhängern und Lastkraftwägen uneingeschränkt befahrbar.

Die nachträgliche Zulassung der Revision durch das Berufungsgericht ist nicht damit zu rechtfertigen, dass der Klägerin ermöglicht werden soll, ein in erster Instanz nicht erstattetes Vorbringen nachzuholen.

Die Kostenentscheidung gründet sich auf § 41 iVm § 50 Abs 1 ZPO. Die Beklagten haben in der Revisionsbeantwortung auf die mangelnde Zulässigkeit des gegnerischen Rechtsmittels hingewiesen.

Lizenziert vom RIS (ris.bka.gv.at - CC BY 4.0 DEED)

Stichworte