OGH 1Ob551/93

OGH1Ob551/9311.5.1993

Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht durch den Vizepräsidenten des Obersten Gerichtshofes Dr. Schubert als Vorsitzenden und durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr. Schlosser, Dr. Schiemer, Dr. Gerstenecker und Dr. Rohrer als weitere Richter in der Rechtssache der klagenden Partei Herta A*****, vertreten durch Dr. Erich Portschy, Rechtsanwalt in Feldbach, wider die beklagte Partei Franz K*****, vertreten durch Dr. Hella Ranner und Dr. Franz Krainer, Rechtsanwälte in Graz, wegen Unterlassung (Streitwert S 30.000) infolge Revision der klagenden Partei gegen das Urteil des Landesgerichtes für ZRS Graz als Berufungsgerichtes vom 14. Jänner 1993, GZ 5 R 350/92-67, womit infolge Berufung der klagenden Partei das Urteil des Bezirksgerichtes Feldbach vom 13. Juli 1992, GZ 2 C 1210/88-60, bestätigt wurde, in nichtöffentlicher Sitzung zu Recht erkannt:

 

Spruch:

Der Revision wird teilweise Folge gegeben.

Die Urteile der Vorinstanzen werden dahin abgeändert, daß sie zu lauten haben:

„Die beklagte Partei ist schuldig, bei Exekution

a) das Abstellen von Kraftfahrzeugen, namentlich von Lastkraftwagen und LKW-Zügen, auf dem zum Gutsbestand der Liegenschaft EZ ***** KG ***** gehörigen Grundstück 5/5, um sie zu beladen, zu unterlassen, soweit es über das Abstellen eines LKW an einem Tag in der Woche für die Dauer bis zu drei Stunden zur Entladen von Lebendvieh oder Beladung mit solchem hinausgeht, und

b) der klagenden Partei die mit S 50.545,98 bestimmten Kosten des Verfahrens aller drei Instanzen (darin S 7.618,08 Umsatzsteuer und S 4.837,50 Barauslagen) binnen 14 Tagen zu bezahlen.“

Das Mehrbegehren, die beklagte Partei sei weiters schuldig, das Abstellen von Fahrzeugen auch in dem vom Unterlassungsgebot zu a) ausgenommenen Umfang zu unterlassen, wird dagegen abgewiesen.

Text

Entscheidungsgründe:

Rechtsvorgänger der Klägerin im Eigentum der Liegenschaft EZ ***** KG ***** mit den Grundstücken 5/5 und 440/4 räumten Rechtsvorgängern des Beklagten im Eigentum der Liegenschaft EZ ***** KG ***** mit den Grundstücken 5/3 und 440/1 mit Kaufvertrag vom 20.7.1931 das Recht der Dienstbarkeit des Geh- und Fahrweges und des Viehtriebes dergestalt ein, daß die jeweiligen Eigentümer der Grundstücke 5/3 und 440/1 sowie deren Hausgenossen und alle sonstigen auf diesem Grundstück wohnenden oder sich sonst dortselbst aufhaltenden Personen oder dortselbst ein Gewerbe betreibenden Personen berechtigt sind, auf dem Weg, der über die Grundstücke 440/4 und 5/5 führt, gehen, mit Fuhren aller Art fahren und Vieh treiben dürfen. Im Zeitpunkt der Dienstbarkeitsbestellung wurden das herrschende und das dienende Gut landwirtschaftlich genützt; ein Gewerbebetrieb war damals nicht vorhanden.

Mit der am 29.4.1988 überreichten Klage begehrte die Klägerin die Verurteilung des Beklagten zur Unterlassung des Abstellens von Fahrzeugen, insbesondere von Lastkraftwagen und LKW-Zügen, auf dem Grundstück 5/5, um diese zu beladen. Das Verhalten des Beklagten stelle eine unzulässige Erweiterung der Servitut dar. Im Zeitpunkt der Dienstbarkeitsbestellung habe bestenfalls ein Stall versorgt werden müssen. Nunmehr würden alle geschlachteten Tiere eines industriellen Schlachthofes auf dem Grundstück der Klägerin verladen und dieses werde zur Gänze blockiert. Das Recht zum Abstellen der Fahrzeuge habe auch nicht ersessen werden können, weil die Rechtsvorgänger des Beklagten mangels Laderampe auf dem dienenden Gut keine Ladearbeiten hätten ausführen können.

Der Beklagte bestritt die behauptete Servitutserweiterung und wendete ein, Zweck der Dienstbarkeitsbestellung sei die Ausübung eines Gewerbes gewesen, womit auch das Recht zum Abstellen von LKW zu deren Beladung und Entladung auch über längere Zeiträume verbunden sei. Außerdem habe der Beklagte dieses Recht durch mehr als 30-jährige Ausübung ersessen. Im Zuge des gewerberechtlichen Verfahrens zur Bewilligung des Betriebes des Beklagten habe die Klägerin überdies das Abstellen von Lastkraftwagen durch Unterlassung von Einwendungen und der Erhebung eines Rechtsmittels gegen die Entscheidung der Berufungsinstanz gestattet.

Das Erstgericht wies im dritten Rechtsgang das Klagebegehren zur Gänze ab.

Es stellte, soweit für die Erledigung des Rechtsmittels von Bedeutung fest, auf dem Grundstück 5/5 befinde sich ein bereits vor 1928 teils unmittelbar an der Grenze zum Grundstück 5/3 errichtetes Haus; sonst werde das Grundstück als Garten genutzt. Der Servitutsweg schließe im Osten an das Haus bzw den Garten an. Auf dem Grundstück 5/3 sei im Zeitpunkt der Servitutsbestellung ein Stallgebäude errichtet gewesen, in dem ein Tor zum Servitutsweg eingelassen gewesen sei. Durch dieses Tor seien Rinder und Schweine über den Weg getrieben worden. Der Dienstbarkeitsweg habe damals den Rechtsvorgängern des Beklagten sowie einem weiteren Nachbarn auch zur Zu- und Abfahrt von Fahrzeugen zum Beladen mit Vieh gedient.

Am 20.7.1931 hätten Brautleute die Liegenschaft EZ ***** mit dem schon erwähnten Gutsbestand gekauft und den Verkäufern die Wegedienstbarkeit eingeräumt. Mit Vertrag vom 14.1.1933 sei das Grundstück 5/3 an Eheleute verkauft und deren Eigentum am 17.1.1933 einverleibt worden. Mit Vertrag vom 13.9.1938 hätten andere Eheleute das Grundstück 5/5 gekauft; deren Eigentum sei am 14.12.1938 ins Grundbuch eingetragen worden. Der Ehemann habe auf dem Grundstück 5/3 den Viehhandel betrieben, aufgrund einer gewerberechtlichen Bewilligung vom 18.3.1947 im Stall eine Schlachtbühne errichtet und den Viehtransport damals mit Pferdefuhrwerken, teilweise aber auch bereits mit Kraftfahrzeugen über den Servitutsweg durchgeführt. Nach dessen Tod sei sein Nachlaß seiner Witwe eingeantwortet worden. 1951 habe diese das Grundstück 5/3 dem Vater des Beklagten zum Betrieb einer Lebendviehvermarktung verpachtet. Das Vieh sei von diesem über den Servitutsweg angeliefert und verladen worden. Ab 1955 habe der Vater des Beklagten einen eigenen LKW für seine Betriebszwecke eingesetzt. Seither sei im Zuge des Betriebs durch den Eingang in den Stall, in dessen Bereich heute die Verladerampe errichtet sei, einmal in der Woche über eine jeweils herbeigeholte Holzanlegetreppe Vieh ab- bzw zugeladen worden. Dabei sei der LKW bis zur Stalltür zurückgefahren und bis zur Beendigung des Verladevorgangs auf dem „streitgegenständlichen“ Grundstücksteil abgestellt worden. Mitunter sei eine solche Verladung auch zweimal wöchentlich erfolgt, habe jeweils etwa zwei Stunden gedauert und sei von den Eigentümern des dienenden Guts nicht mehr beanstandet worden. Mit Übergabsvertrag vom 10.2.1964 hätten der Vater des Beklagten und dessen Ehegattin das Grundstück 5/3 erworben. Bis etwa 1973 sei der südlich an den Servitutsweg angrenzende Stall als „Handelsstall“ verwendet und das Vieh mit einem LKW über diesen Weg zugeführt, dort abgeladen und durch die Stalltür in den Stall getrieben worden; in der Folge seien die Tiere wieder aus dem Stall getrieben und auf LKW, die auf dem Servitutsweg abgestellt worden seien, verladen und abtransportiert worden. Bis 1973 habe der Vater des Beklagten einen Lebendviehhandel betrieben. Von da an habe er die Schlachtung selbst durchgeführt. Zu diesem Zweck sei das nördlich an den Servitutsweg angrenzende Stallgebäude in einen Aggregateraum umgebaut, die Holztür durch ein Gittertor ersetzt und Kühlaggregate untergebracht worden. Im westlichen Bereich des Gebäudes sei eine Verladerampe zur Anlieferung des Schlachtviehs sowie zum Abtransport des Fleisches errichtet worden. Von 1973 an seien jeweils am Montag Schlachtungen durchgeführt worden. Grundsätzlich sei das Lebendvieh zwar über die im Westen neu errichtete Rampe zugeführt worden, da diese Rampe aber bloß 23 m2 groß gewesen sei, und auch aus anderen Gründen sei das Vieh, wenn die Zulieferung in diesem Bereich vorübergehend nicht möglich war, im Bereich des Servitutswegs abgeladen und durch das Gittertor in den Aggregateraum und von dort in den südlich angrenzenden Hof getrieben worden. Dabei sei der LKW bis zur nördlichen Wand des Aggregateraums zurückgefahren sowie die Heckwand des Fahrzeugs herabgeklappt und als Laderampe verwendet worden.

1973 habe der Vater des Beklagten vier LKW, davon zwei mit einem Fassungsvermögen von etwa 30 bis 35, einen kleineren mit einem Fassungsraum für 10 bis 15 und schließlich einen Unimog für etwa 6 bis 8 Schweine besessen. Die Entladung eines vollbeladenen großen LKWs habe 20 bis 30 Minuten gedauert. An jedem Schlachttag seien etwa 4 bis 8 LKW über den Dienstbarkeitsweg gefahren und sei Lebendvieh abgeladen und durch den Aggergateraum in den dahinterliegenden Hof getrieben worden. 1973 seien an Schlachttagen etwa 150 Schweine, anfangs der 80er-Jahre dagegen bereits 300 bis 400 Schweine geschlachtet worden. Im Zeitraum von 1973 bis 1984 seien etwa 40 % des zugelieferten Lebendviehs auf dem Servitutsweg abgeladen worden. Seit der Beendigung der Umbauarbeiten im Jahre 1983 oder 1984 sei die Fleischverladung ausschließlich über den Servitutsweg erfolgt, die Lebendtiere seien ausschließlich über die westliche Rampe zugeführt worden. Nun würden wöchentlich etwa 800 bis 1000 Schweine bzw 20 bis 25 Rinder geschlachtet und verladen. Am Montag und Mittwoch jeder Woche - also bei besonders starkem Betrieb - werde auf dem Servitutsweg ständig rangiert sowie ab- bzw zugeladen. Am Dienstag und Donnerstag sei der Betrieb schwächer, am Freitag erfolge keine Zu- und Entladung. An diesem Tag werde im Bereich des Servitutswegs nicht gearbeitet. Am Samstag werde dem Beklagten Fleisch zugestellt, an diesem Tag werde etwa eine Stunde im Bereich des Dienstbarkeitswegs gearbeitet und dieser daher blockiert.

Von 1955 bis 1973 habe der Vater des Beklagten - dessen Rechtsvorgänger - wöchentlich einmal auf dem Servitutsweg Lebendvieh von einem LKW abgeladen; dieser Verladevorgang habe etwa eine bis drei Stunden gedauert. Zwischen 1973 und 1983 sei Lebendvieh zunächst jeweils nur am Montag, von 1977 oder 1978 an auch an einem zweiten Tag in der Woche abgeladen worden; diese Verladearbeiten hätten über den gesamten Tag verteilt stattgefunden, insgesamt aber zusammengerafft nur etwa zwei Stunden je Arbeitstag gedauert. Gegenwärtig dauere der Verladevorgang je LKW zwischen 15 und 90 Minuten; zur Verladung würden die vier Kühlfahrzeuge des Beklagten sowie auch Fremdfahrzeuge eingesetzt. An arbeitsintensiven Tagen summiere sich die Verladezeit auf 6 Stunden.

Rechtlich meinte das Erstgericht, der Beklagte und sein Rechtsvorgänger hätten während der Ersitzungszeit kontinuierlich LKW auf dem Servitutsweg abgestellt; er habe dadurch die dieser Besitzausübung entsprechende Dienstbarkeit ersessen. Da die Klägerin die Unterlassung des Abstellens von LKW begehre, sei ihr Begehren zur Gänze abzuweisen.

Das Gericht zweiter Instanz bestätigte dieses Urteil und sprach aus, daß der Wert des Entscheidungsgegenstandes zwar S 50.000 übersteige, die ordentliche Revision aber nicht zulässig sei. In Erledigung der Rechtsrüge führte es aus, der in der Berufung vertretenen Ansicht, die vom Beklagten im Rahmen seines Schlachtbetriebs durchgeführte Ladetätigkeit sei ganz anderer Art als jene im seinerzeitigen Betrieb, weshalb eine Ersitzung nicht in Betracht komme, könne nicht beigetreten werden. Daß der Vater des Beklagten im Rahmen seines Gewerbes nur lebende Tiere von seinem LKW ab- oder auf diesen aufgeladen habe, der Beklagte den Betrieb hingegen auf einen Schlachtbetrieb umgestellt habe und nun nur das Fleisch geschlachteter Tiere verladen lasse, sei keine gänzlich andere Verladetätigkeit, weshalb in der Umstellung von Lebendviehhandel in einen Schlachtbetrieb auch nicht der Übergang zu einer gänzlich anderen Betriebsart gesehen werden könne. Der Beklagte stützte die von ihm behauptete Dienstbarkeit auf den Titel der Ersitzung. Als Besitzer des herrschenden Guts sei er berechtigt, sein Recht auf die ihm gefällige Art auszuüben, jedoch müßten Dienstbarkeiten auf ihre Natur und den Zweck ihrer Bestellung eingeschränkt werden. Beim Erwerb von Dienstbarkeiten durch Ersitzung könne aber von Natur und Zweck der Bestellung im wörtlichen Sinn nicht gesprochen werden. Es komme hier darauf an, zu welchem Zweck das dienstbare Gut während der Ersitzung verwendet worden sei, was also der Eigentümer des herrschenden Guts während dieser Zeit benötigt habe, ohne daß hiedurch der Belastete in unzumutbarer Weise beeinträchtigt worden sei. Sei die Ersitzung vollendet, seien bei ungemessenen Dienstbarkeiten die jeweiligen Bedürfnisse des herrschenden Guts maßgebend. Die Grenze der Rechtsausübung nach dem jeweiligen Bedürfnis liege in einer ausschlaggebenden Erschwerung der Belastung des dienenden Guts. Die Klägerin habe nicht vorgebracht, sie sei in der Benützung des Wegs durch die abgestellten LKW behindert, sie erblicke die unzulässige Servitutserweiterung nur darin, daß diese Nutzung im seinerzeit einverleibten Dienstbarkeitsrecht nicht mehr Deckung finden könne. Allein in der größeren Anzahl und im größeren zeitlichen Ausmaß der Verladungsvorgänge liege keine für die Klägerin ausschlaggebende Erschwerung der Belastung, weil sie eine Behinderung oder Beeinträchtigung gar nicht behauptet habe. Sie habe auch nicht vorgebracht, daß es bei der Dienstbarkeitsausübung durch den Beklagten zu einer Erweiterung oder zu einer Änderung der Benützungsart gekommen sei. Dadurch, daß die Zahl der Verladevoränge und damit deren Zeitaufwand zugenommen habe, sei eine unzulässige Erweiterung der Dienstbarkeit aber nicht zu erkennen. Da der Vater des Beklagten als dessen Rechtsvorgänger seinen LKW bereits 1955 für Verladezwecke auf diesem Dienstbarkeitsweg abgestellt habe und diese Ladetätigkeit kontinuierlich fortgesetzt worden sei, sei die Ersitzung spätestens mit Ablauf des Jahres 1985 abgeschlossen worden.

Die Revision der Klägerin ist größtenteils berechtigt.

Rechtliche Beurteilung

Der Beklagte stützte das von ihm in Anspruch genommene Recht, Fahrzeuge auf dem Servitutsweg zur Beladung (bzw Entladung) abzustellen, zunächst auf die im Kaufvertrag vom 20.7.1931 enthaltene Bestellung der Wegedienstbarkeit, ferner auch auf stillschweigende Zustimmung der Klägerin und zuletzt auf Ersitzung. Der erkennende Senat hat das Vorliegen der beiden zunächst geltend gemachten Rechtsgründe schon im ersten Rechtsgang mit Beschluß vom 20.6.1990 - abschließend - verneint, so daß Gegenstand des danach fortgesetzten Verfahrens nur mehr die Frage ist, ob und in welchem Umfang der Beklagte das Recht, Fahrzeuge auf dem Dienstbarkeitsweg abzustellen, ersessen habe.

Der Erwerb eines solchen Rechts durch Ersitzung würde voraussetzen, daß der Beklagte bzw dessen Rechtsvorgänger den qualifizierten Besitz („Ersitzungsbesitz“) des in Anspruch genommenen Rechts zum Abstellen von Fahrzeugen auf dem Servitutsweg während der im Gesetz bestimmten Zeit von 30 Jahren (§§ 1468, 1470 und 1477 ABGB) dauernd ausgeübt hätte (1 Ob 513/93; Schubert in Rummel, ABGB2 § 1460 Rz 1; Koziol-Welser, Grundriß9 II 84, 86 f). Für die Ersitzung ist die Ausübung des Besitzes während der gesamten Ersitzungszeit wesentlich; ausschlaggebend ist dabei aber das Ausmaß der Besitzergreifungsakte am Beginn der Ersitzungszeit, weshalb die Dienstbarkeit nur in jenen räumlichen Grenzen, aber auch nur in jenem Umfang erworben wird, wie deren Rechtsinhalt schon vor 30 Jahren ausgeübt wurde (JBl 1973, 143; Schubert aaO Rz 6 und 7).

Schon nach allgemeinen servitutsrechtlichen Grundsätzen orientiert sich der Inhalt einer „ungemessenen“ - also im Bestellungsakt nach Inhalt und Umfang nicht eindeutig bestimmten - Dienstbarkeit zwar am jeweiligen Bedürfnis des herrschenden Guts, ein solches Recht findet aber seine Grenzen in dessen ursprünglichen Bestand und dessen ursprünglicher Bewirtschaftungsart: Die Servitut soll zwar der fortschreitenden technischen Entwicklung angepaßt, nicht aber wegen Vergrößerung des herrschenden Guts oder Änderung der Betriebsart ausgedehnt werden. Ungemessene Dienstbarkeiten sind demnach auf den Zweck ihrer Bestellung einzuschränken (JBl 1979, 429 uva; Petrasch in Rummel aaO § 480 und 484 je Rz 1). Beim Erwerb einer Servitut durch Ersitzung kann auf den Bestellungszweck naturgemäß nicht zurückgegriffen werden, der Inhalt der ersessenen Dienstbarkeit bestimmt sich deshalb nach dem Zweck, zu dem das belastete Grundstück am Beginn der Ersitzungszeit verwendet wurde (MietSlg 35.049 ua), sofern der Verwendungszweck - was hier allerdings nicht zutrifft - nicht im Verlauf der Ersitzungszeit eingeschränkt wurde. Nur innerhalb der durch diesen Verwendungszweck abgesteckten Grenzen kann der Berechtigte das ersessene Recht seinen Bedürfnissen entsprechend ausüben, wogegen für erhebliche oder gar unzumutbare Erschwernisse selbst wieder alle Voraussetzungen der Ersitzung - also vor allem auch der Ablauf der Ersitzungszeit - zutreffen müßten. Daß diese Grenzen der Rechtsausübung gerade bei ersessenen Dienstbarkeiten besonders genau beachtet werden müssen, folgt nicht zuletzt auch aus der Erwägung, daß die Vollendung der Ersitzung nicht selten nur deshalb möglich wurde, weil der Belastete den Berechtigten - aus welchen Motiven immer - gewähren ließ, sich aber gegen eine weitergehende Benützung als eine für ihn nun unerträglich gewordene Belastung oder Behinderung rechtzeitig zur Wehr gesetzt hätte; auch im vorliegenden Fall haben die Klägerin bzw deren Rechtsvorgänger das Abstellen von LKW in gewissen Grenzen hingenommen, obwohl sie dieses Verhalten des Servitutsberechtigten aus den schon im Aufhebungsbeschluß vom 20.6.1990 dargelegten Gründen nicht hätten dulden müssen. Zur Unterlassungsklage entschloß sich die Klägerin offenbar erst, als die Blockierung des Dienstbarkeitswegs - noch dazu mit großräumigen Kühlfahrzeugen - ein Ausmaß erreicht hatte, das sie auf sich zu nehmen nicht mehr bereit war. Soweit das Gericht zweiter Instanz in diesem Zusammenhang Behauptungen der Klägerin vermißt, übersieht es, daß sie solche Umstände schon in der Klage deutlich genug zum Ausdruck brachte.

Da die Klage bereits am 29.4.1988 beim Erstgericht eingebracht wurde, kommt es - wie schon weiter oben erörtert - für die Beurteilung der vom Beklagten behaupteten Ersitzung des Rechts, Fahrzeuge zu gewerblichen Zwecken auf dem Servitutsweg auf längere Zeit abzustellen, auf die Verhältnisse vor dem 29.4.1958 an. Nach den erstinstanzlichen Feststellungen lud der Vater des Beklagten - als dessen Rechtsvorgänger im Eigentum des herrschenden Guts - wöchentlich einmal Lebendvieh von seinem (damals einzigen) LKW ab. Dieser Verladevorgang dauerte auch jeweils nur eine bis drei Stunden. Schon 1973 stellte der Rechtsvorgänger des Beklagten seinen Gewerbebetrieb von der Lebendviehvermarktung auf den Schlachtbetrieb um und blockierte den Dienstbarkeitsweg durch Verladevorgänge wöchentlich bereits zwei Tage. Daß darin eine wesentliche Erweiterung des schon bisher in Anspruch genommenen Rechts liegt, kann nicht zweifelhaft sein. Die Voraussetzungen für die Ersitzung hätten deshalb auch auf diese Ausdehnung zutreffen müssen; vom Ablauf der 30-jährigen Ersitzungszeit kann aber keine Rede sein.

Schon gar nicht durch den Verwendungszweck des belasteten Grundstücks am Beginn der Ersitzungszeit gedeckt ist die Ausdehnung des Schlachthofbetriebs durch den Beklagten auf den gegenwärtigen Umfang. Der Einsatz einer größeren Anzahl von Großraumkühlfahrzeugen, der von den auch während des Verladungsvorgangs laufenden Kühlaggregaten ausgehende Betriebslärm und die Dauer der Blockierung des Servitutswegs an fünf Tagen in der Woche, an zwei Tagen sogar jeweils bis zu sechs Stunden, sind mit den Verhältnissen am Beginn der - damals gewiß noch bescheidenen - Inanspruchnahme des Servitutswegs infolge des durch die bestellte Servitut nicht gedeckten Abstellens von Nutzfahrzeugen nicht im geringsten zu vergleichen.

Demnach hat der Beklagte nur das Recht, ein Nutzfahrzeug für die Lebendviehvermarktung an einem Tag in der Woche für die Dauer bis zu drei Stunden auf dem Servitutsweg abzustellen ersessen; nur in diesem Umfang ist die Ersitzung vollendet. Auf die Erweiterung und Änderung der Inanspruchnahme treffen, wiewohl erforderlich, die Voraussetzungen der Ersitzung schon deshalb nicht zu, weil diese Rechte nicht 30 Jahre hindurch unangefochten ausgeübt wurden.

In Stattgebung der Revision der Klägerin war deren Unterlassungsbegehren mit Ausnahme des vom Beklagten schon ersessenen Rechts zum Abstellen eines Nutzfahrzeuges im näher umschriebenen Umfang stattzugeben; soweit diese Ausnahme zutrifft, ist das Mehrbegehren abzuweisen.

Die Kostenentscheidung gründet sich auf § 43 Abs 1 und § 50 ZPO; die Klägerin ist bloß mit 1/8 ihres Begehrens als unterlegen anzusehen, weshalb ihr der Beklagte 3/4 der von ihr verzeichneten Kosten zu ersetzen hat.

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