OGH 13Os101/12w

OGH13Os101/12w22.11.2012

Der Oberste Gerichtshof hat am 22. November 2012 durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofs Hon.-Prof. Dr. Kirchbacher als Vorsitzenden, den Hofrat des Obersten Gerichtshofs Dr. Lässig, die Hofrätin des Obersten Gerichtshofs Mag. Marek sowie die Hofräte des Obersten Gerichtshofs Dr. Nordmeyer und Dr. Oshidari in Gegenwart der Richteramtsanwärterin Mag. Krausam als Schriftführerin in der Finanzstrafsache gegen Harald M***** wegen Finanzvergehen der gewerbsmäßigen Abgabenhinterziehung nach §§ 33 Abs 1, 38 Abs 1 lit a, 13 FinStrG (aF) und weiterer strafbarer Handlungen über die Nichtigkeitsbeschwerde der Staatsanwaltschaft gegen das Urteil des Landesgerichts für Strafsachen Wien als Schöffengericht vom 25. April 2012, GZ 121 Hv 29/11p-70, nach Anhörung der Generalprokuratur in nichtöffentlicher Sitzung den

Beschluss

gefasst:

 

Spruch:

Die Nichtigkeitsbeschwerde wird zurückgewiesen.

Text

Gründe:

Mit dem angefochtenen Urteil wurde Harald M***** von der Anklage, er habe „in Wien im Bereich des Finanzamts Wien für den 6./7./15. Bezirk als handelsrechtlicher bzw als faktischer Geschäftsführer bzw Wahrnehmender der steuerlichen Belange der B***** Ges.m.b.H. gewerbsmäßig und vorsätzlich

1.) durch Nichtabgabe der Abgabenerklärungen zur Umsatzsteuer für die Kalenderjahre 2006 und 2007 und zur Körperschaftssteuer für das Kalenderjahr 2006, sohin unter Verletzung der abgabenrechtlichen Anzeige-, Offenlegungs- und Wahrheitspflicht zu bewirken versucht, dass bescheidmäßig festzusetzende Abgaben, nämlich

a.) Umsatzsteuer 2006 in Höhe von 356.197 Euro;

b.) Umsatzsteuer 2007 in Höhe von 169.344 Euro;

c.) Körperschaftssteuer 2006 in Höhe von 118.211 Euro nicht festgesetzt und dadurch verkürzt werden;

2.) unter Verletzung der abgabenrechtlichen Anzeige-, Offenlegungs- und Wahrheitspflicht eine Verkürzung selbst zu berechnender Abgaben, nämlich

a.) Kapitalertragssteuer für das Jahr 2006 in Höhe von 146.271 Euro;

b.) Kapitalertragssteuer für die Monate Jänner bis Juli 2007 in Höhe von 72.211 Euro durch Nichtentrichtung bewirkt, indem er ihre Anmeldung und Abfuhr unterlassen habe“, gemäß § 259 Z 3 StPO freigesprochen.

Rechtliche Beurteilung

Die dagegen von der Staatsanwaltschaft aus Z 5 des § 281 Abs 1 StPO ergriffene Nichtigkeitsbeschwerde geht fehl.

Die Staatsanwaltschaft behauptet Unvollständigkeit (Z 5 zweiter Fall), weil das Erstgericht bei der Annahme, wonach nicht festgestellt werden konnte, dass der Angeklagte als handelsrechtlicher Geschäftsführer der B***** GmbH bis 19. Oktober 2006 vorsätzlich Abgaben hinterzogen und danach als faktischer Geschäftsführer die steuerlichen Agenden des genannten Unternehmens wahrgenommen hat (US 4 ff), die in den Unterlagen der N***** (ON 11 S 3 ff) dokumentierten Geldflüsse nicht berücksichtigt hätte. Aus den Unterlagen gehe hervor, dass der Angeklagte in den Jahren 2006 und 2007 2.600.000 Euro und damit das gesamte Vermögen der B***** GmbH von deren Konto bar behoben habe, wohingegen die ab 19. Oktober 2006 als handelsrechtliche Geschäftsführerin eingetragene Johanna S***** kein Bargeld behoben habe. Weiters sei nicht erörtert worden, dass im Jahr 2006 „lediglich ca.“ 50.000 Euro vom Geschäftskonto auf andere Konten überwiesen worden seien und im Jahr 2007 keine solche Überweisung und zwar auch nicht an Johanna S***** oder „W*****“ (gemeint Wieslaw O***** [„V*****“]; vgl US 4), „obgleich dieser - den Feststellungen zufolge - der eigentliche Machthaber der Gesellschaft war“, durchgeführt worden sei. Dies und die Einbindung des Angeklagten in die Gründung der B***** GmbH deute auf seine umfassende wirtschaftliche und steuerliche Kontrolle über das Vermögen der B***** GmbH hin und indiziere eine im Sinn von Gewerbsmäßigkeit qualifizierte vorsätzliche Abgabenhinterziehung, wozu die Staatsanwaltschaft - in der Nichtigkeitsbeschwerde nach Art einer Urteilsbegründung ausformulierte - Feststellungen fordert.

Da die Tatrichter aber ohnedies festgestellt haben, dass der Angeklagte die Geschäfte der B***** GmbH nach außen hin nach Rücksprache mit „V*****“ abgewickelt hat und über den gesamten Anklagezeitraum hinsichtlich des Kontos des Unternehmens zunächst alleine und später gemeinsam mit Johanna S***** zeichnungsberechtigt war (US 4), konnte eine Erörterung der dieser Berechtigung entsprechenden Aktivitäten und der Einbindung des Angeklagten bei der Unternehmensgründung unterbleiben.

Im Übrigen ist dem allein auf Z 5 gestützten Vorbringen zu erwidern, dass aus dem Nichtigkeitsgrund (entgegen der Intention der Staatsanwaltschaft) keine Feststellungen begehrt werden können. Die Mängelrüge (Z 5) dient vielmehr dazu, getroffene Feststellungen (auch sogenannte Negativfeststellungen) mit dem Einwand zu beanstanden, dass

- sie oder die zugrunde liegende Beweiswürdigung undeutlich oder widersprüchlich sind (Z 5 erster und dritter Fall),

- gegen sie sprechende Ergebnisse der Hauptverhandlung im Urteil unerörtert geblieben sind (Z 5 zweiter Fall),

- dazu in der Beweiswürdigung keine oder nur offenbar unzureichende Gründe angegeben sind (Z 5 vierter Fall) oder

- sie auf die falsche Wiedergabe von Akteninhalt gestützt sind (Z 5 fünfter Fall; vgl Ratz, WK-StPO § 281 Rz 393).

Indem sich die Freispruchsanfechtung hier nicht daran orientiert, dass das Fehlen von Feststellungen - unter anderem zu abgaben- und damit finanzstrafrechtlich relevanten Sachverhaltselementen (vgl US 5) - als Feststellungsmangel aus Z 9 lit a geltend zu machen ist (RIS-Justiz RS0118580 [insb T17, T20]), nimmt sie nicht an den von § 281 Abs 1 StPO eröffneten Anfechtungskategorien Maß (vgl jüngst 13 Os 3/12h, EvBl-LS 2012/153, 927).

Die Nichtigkeitsbeschwerde war daher - in Übereinstimmung mit der Stellungnahme der Generalprokuratur - bereits bei der nichtöffentlichen Beratung sofort zurückzuweisen (§ 285d Abs 1 StPO).

Bleibt anzumerken, dass jedem Freispruch vom Vorwurf eines Finanzvergehens die Wirkung eines solchen nach § 214 FinStrG zukommt (RIS-Justiz RS0120367; Lässig in WK² FinStrG § 214 Rz 1).

Stichworte