OGH 1Ob214/12w

OGH1Ob214/12w15.11.2012

Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht durch den Senatspräsidenten Hon.‑Prof. Dr. Sailer als Vorsitzenden sowie die Hofräte Univ.‑Prof. Dr. Bydlinski, Dr. Grohmann, Mag. Wurzer und Mag. Dr. Wurdinger als weitere Richter in der Rechtssache der klagenden Partei DI G***** V*****, vertreten durch Dr. Hans Peter Sauerzopf und Dr. Michael Franz Sauerzopf, Rechtsanwälte in Wien, gegen die beklagte Partei Stadt Wien, vertreten durch Dr. Peter Rudeck und Dr. Gerhard Schlager, Rechtsanwälte in Wien, wegen 6.608,13 EUR sA, über die Revision der klagenden Partei gegen das Urteil des Landesgerichts für Zivilrechtssachen Wien als Berufungsgericht vom 24. Mai 2012, GZ 36 R 76/12m‑12, mit dem das Urteil des Bezirksgerichts Innere Stadt Wien vom 15. Dezember 2011, GZ 22 C 672/11f‑8, bestätigt wurde, den

Beschluss

gefasst:

European Case Law Identifier: ECLI:AT:OGH0002:2012:0010OB00214.12W.1115.000

 

Spruch:

Die Revision wird zurückgewiesen.

Die klagende Partei ist schuldig, der beklagten Partei binnen 14 Tagen die mit 559,15 EUR (darin enthalten 93,19 EUR USt) bestimmten Kosten der Revisionsbeantwortung zu ersetzen.

Text

Begründung

Der Kläger wollte sein Fahrzeug am 29. 11. 2010 bei Dunkelheit am Fahrbahnrand einer Straße im Stadtgebiet parallel zur Fahrbahn einparken. Dabei geriet ein Rad seines Fahrzeugs in die Vertiefung einer schneebedeckten Baumscheibe, in der kein Baum gepflanzt war. Die Bodenplatte saß auf dem Granitwürfelsaum auf, der die Baumscheibe in Form eines Halbkreises umgab und in die Fahrbahn ragte. Es konnte nicht festgestellt werden, dass sich in diesem, zum Unfallszeitpunkt stark verschneiten, Bereich bereits zuvor ähnliche Unfälle ereignet hätten.

Die Vorinstanzen wiesen das Schadenersatzbegehren des Klägers ab. Das Berufungsgericht ließ die ordentliche Revision zu.

Rechtliche Beurteilung

Die Revision des Klägers ist entgegen dem nicht bindenden Ausspruch des Berufungsgerichts nicht zulässig.

Es kommt im jeweils zu prüfenden Einzelfall darauf an, ob der Wegehalter die ihm zumutbaren Maßnahmen getroffen hat, um die gefahrlose Benützung gerade dieses Wegs zu erreichen (RIS‑Justiz RS0087607). Unter grober Fahrlässigkeit im Sinn des § 1319a ABGB ist eine auffallende Sorglosigkeit zu verstehen, bei der die gebotene Sorgfalt nach den Umständen des Falls in ungewöhnlicher Weise verletzt wird und der Eintritt des Schadens nicht nur als möglich, sondern geradezu als wahrscheinlich vorauszusehen ist (RIS‑Justiz RS0030171). Welche Maßnahmen im konkreten Fall zu ergreifen sind und ob die Unterlassung einer zumutbaren Maßnahme dem Wegehalter bereits als grobes Verschulden vorgeworfen werden kann, kann jeweils nur im Einzelfall beurteilt werden und stellt keine erhebliche Rechtsfrage dar (2 Ob 256/09z = ZVR 2011/45 mwN).

Eine gravierende, vom Obersten Gerichtshof zu korrigierende Fehlbeurteilung liegt hier nicht vor, wenn das Berufungsgericht mit dem Hinweis auf die im städtischen Bereich durchaus übliche Begrenzung der Fahrbahn durch Randsteine, Baumscheiben und Blumenbeete sowie auf die Errichtung vorgezogener Gehsteigrundungen und Fahrbahnteiler, die bei Schneelage ebenfalls nicht oder nicht gut sichtbar seien, eine Kontrolle und Sicherung einer Baumscheibe (ohne Baum) für unzumutbar hielt und (erkennbar) deshalb ein grobes Verschulden der Wegehalterin verneinte. Grundsätzlich wäre es Sache des Klägers gewesen, das Vorliegen grober Fahrlässigkeit im objektiven Sinn zu beweisen (2 Ob 115/08p mwN = RIS‑Justiz RS0124486). Weder seinem Vorbringen noch den Feststellungen ist zu entnehmen, wie lange der Schnee die Baumscheibe bereits bedeckt hatte und ihre bauliche Abgrenzung von der Fahrbahn für Kfz‑Lenker nicht als Hindernis erkennbar gewesen war. Unabhängig davon, ob sie jetzt einen Baum umgibt oder nicht, ist eine derartig baulich abgegrenzte Baumscheibe ohne Zweifel nicht für den Fahrzeugverkehr bestimmt und damit nicht Fahrbahn im Sinn des § 2 Abs 1 Z 2 StVO, was ohne Schneedecke jeder Kfz‑Lenker erkennen hätte müssen. Es ist daher schwer verständlich, wenn der Revisionswerber der Beklagten vorwirft, sie hätte bereits durch die Entfernung des Baums sogar vorsätzlich eine Gefahrenquelle (gemeint für einparkende Kraftfahrzeuge) geschaffen.

Die Kostenentscheidung gründet sich auf § 41 iVm § 50 Abs 1 ZPO. Die Beklagte hat in der Revisionsbeantwortung auf die Unzulässigkeit des gegnerischen Rechtsmittels hingewiesen.

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