OGH 6Ob91/12v

OGH6Ob91/12v13.9.2012

Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofs Hon.-Prof. Dr. Pimmer als Vorsitzenden und durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofs Dr. Schramm, Dr. Gitschthaler, Univ.-Prof. Dr. Kodek und Dr. Nowotny als weitere Richter in der Rechtssache der klagenden Partei T***** W*****, vertreten durch Mag. Wolfgang Lichtenwagner, Rechtsanwalt in Rohrbach, gegen die beklagte Partei A***** L*****, vertreten durch Mag. Johannes Kerschbaumer, Rechtsanwalt in Wien, wegen 37.022,56 EUR sA und Feststellung (Streitwert 2.000 EUR), über die Revisionen beider Parteien gegen das Urteil des Oberlandesgerichts Linz als Berufungsgericht vom 5. März 2012, GZ 6 R 24/12k-31, womit das Urteil des Landesgerichts Linz vom 28. Dezember 2011, GZ 2 Cg 19/11h-23, abgeändert wurde, in nichtöffentlicher Sitzung zu Recht erkannt:

 

Spruch:

Der Revision der beklagten Partei wird nicht Folge gegeben.

Hingegen wird der Revision der klagenden Partei teilweise Folge gegeben. Die Urteile der Vorinstanzen werden dahin abgeändert, dass sie insgesamt zu lauten haben wie folgt:

„1. Die beklagte Partei ist schuldig, der klagenden Partei binnen 14 Tagen den Betrag von 23.996,10 EUR samt 4 % Zinsen aus 12.566,10 EUR vom 9. Februar 2011 bis 21. Juni 2011, aus 23.816,10 EUR vom 22. Juni 2011 bis 12. September 2011 und aus 23.996,10 EUR seit 13. September 2011 zu zahlen.

2. Es wird festgestellt, dass die beklagte Partei der klagenden Partei für sämtliche zukünftigen Schäden aus dem Unfall vom 2. August 2010 in der Kletterhalle A*****, zu drei Viertel haftet.

3. Das Mehrbegehren, die beklagte Partei sei schuldig, der klagenden Partei weitere 13.026,46 EUR sA zu bezahlen, sowie es werde festgestellt, dass die beklagte Partei der klagenden Partei für sämtliche zukünftige Schäden aus dem genannten Unfall im Umfang eines weiteren Viertels hafte, wird abgewiesen.

4. Die beklagte Partei ist schuldig, der klagenden Partei binnen 14 Tagen die mit 7.200,93 EUR bestimmten Kosten des erstinstanzlichen Verfahrens, die mit 3.086,80 EUR (darin 423,64 EUR USt und 777 EUR Barauslagen) bestimmten Kosten des Berufungsverfahrens und die mit 2.546,01 EUR (darin 262,26 EUR USt und 972 EUR Barauslagen) bestimmten Kosten des Revisionsverfahrens zu ersetzen.“

Text

Entscheidungsgründe:

Die Beklagte betreibt in ihrer Freizeit seit etwa drei Jahren sowohl in Kletterhallen als auch in der freien Natur regelmäßig Klettersport. Der Kläger interessierte sich für diesen Sport, hatte jedoch noch keinen Kletterkurs besucht. Er ersuchte gemeinsam mit seiner Freundin S***** S***** die mit beiden befreundete Beklagte, gemeinsam in der Kletterhalle A***** klettern zu gehen, um auszuprobieren, ob dieser Sport etwas für ihn wäre. Dabei stürzte der Kläger am 2. August 2010 beim Abseilen von einer Kletterwand ab und verletzte sich schwer.

Der Kläger begehrte 34.000 EUR Schmerzengeld sowie diverse weitere Schadenspositionen in Höhe von 3.022,56 EUR sowie die Feststellung der Haftung der Beklagten für sämtliche künftige Schäden. Die Beklagte habe als erfahrene Sportkletterin seine Einweisung und Kontrolle übernommen. Sie habe das Seil jedoch in einer Materialschlaufe anstatt in der dafür vorgesehenen Hauptsicherung des Klettergurtes angebracht und dies auch trotz Kontrolle nicht erkannt. Dadurch sei der Kläger, für den dieser Fehler als Laie nicht erkennbar gewesen sei, beim Abseilen abgestürzt.

Die Beklagte beantragte die Abweisung des Klagebegehrens. Der Kläger habe sich, nachdem sie ihm die Befestigung der Karabiner am Sitzgurt und die Überprüfung auf deren Verschlossenheit erklärt und demonstriert habe, selbst in das Sicherheitsseil eingehängt. Die Beklagte habe den Sitz der Karabiner am Sitzgurt überprüft. Der Kläger sei zu diesem Zeitpunkt ordnungsgemäß am Seil eingehängt gewesen. Der Kläger habe trotz der Instruktionen der Beklagten die Karabiner später eigenmächtig in der rechten Materialschlaufe des Klettergurtes befestigt. Dadurch habe er den Absturz selbst verschuldet.

Das Erstgericht verpflichtete die Beklagte zur Zahlung von 7.331,61 EUR sA und gab dem Feststellungsbegehren im Umfang von einem Drittel statt.

Dabei ging es im Wesentlichen vom folgenden Sachverhalt aus:

Die Beklagte wusste, dass der Kläger die Sicherungstechniken nicht beherrschte. Beim Besuch der Kletterhalle A***** ist ein Formular auszufüllen, welches unter anderem Fragen nach Kletterkenntnissen enthält. Während die Beklagte alle Fragen mit „Ja“ ankreuzte, beantworteten der Kläger und S***** S***** alle Fragen mit „Nein“. Weil die Beklagte erklärte, selbst versierte Kletterin zu sein und die beiden Unerfahrenen mitzunehmen, durften sich auch dieses Sicherungsmaterial in der Halle ausleihen und die Top-Rope-Wände benutzen.

Die Beklagte zeigte ihnen, wie man den Sitzgurt richtig anlegt, und erklärte, wie man sich sichern müsste und auch, dass man vor dem Beginn des Kletterns einen sogenannten Partnercheck durchführt, bei dem man jeweils gegenseitig beim Partner kontrolliert, ob der Klettergurt richtig sitzt, ob das Seil richtig, nämlich im Anseilring, befestigt ist und die Karabiner gut verschlossen und gegengleich eingehängt sind.

Bevor S***** S***** in einer etwa 4 m hohen, mit einem Top-Rope versehenen Wand zu klettern begann, erklärte die Beklagte nochmals den Partnercheck, während sie ihn gleichzeitig mit ihr durchführte. Die Beklagte forderte die beiden auf, auf die relevanten Punkte selbst zu achten. Während des Kletterns sicherte sie S***** S*****, der Kläger sah zu. Die Beklagte suchte über Ersuchen des Klägers für diesen eine passende Route in einer etwas höheren Wand. Als sie eine solche gefunden hatte, hängte der Kläger das von der Decke herunterhängende Top-Rope mit zwei Karabinern irrtümlich statt im Anseilring seines Sitzgurtes in der rechten Materialschlaufe ein, obwohl ihm die Funktion der Materialschlaufe einerseits und des Anseilrings andererseits bereits erklärt worden war. Die Beklagte forderte S***** S***** zum Partnercheck beim Kläger auf und überprüfte diesen. Dabei fiel, obwohl sie den Partnercheck ansonsten gründlich durchführten, niemandem auf, dass die Karabiner in der falschen Schlaufe eingehängt waren, sondern man konzentrierte sich vor allem darauf, die Karabiner richtig, das heißt gegengleich einzuhängen und richtig zu verschließen. Der Kläger erkletterte daraufhin eine Wand. Als er oben angelangt war, fragte ihn die Beklagte, ob er zum Abseilen bereit sei, und forderte ihn auf, sich ganz ins Seil zu setzen. Der Kläger zögerte zunächst, setzte sich aber dann ganz ins Seil und ließ das Seil aus. Die Beklagte begann ihn abzuseilen. Als zum ersten Mal die Seilbremse wirksam wurde, riss die Materialschlaufe und der Kläger stürzte auf den Hallenboden.

Rechtlich würdigte das Erstgericht diesen Sachverhalt dahingehend, dass die Beklagte es freiwillig und unentgeltlich übernommen habe, dem Kläger das Top-Rope-Klettern zu zeigen. Sie habe damit auch zum Ausdruck gebracht, dass sie zur Führung des Klägers im Sinne eines „Führers aus Gefälligkeit“ beim Top-Rope-Klettern bereit gewesen sei. Sie habe auch gewusst, dass der Kläger nur deshalb mit ihr in die Kletterhalle gegangen sei, weil er ohne ihre Einweisung und Unterstützung den Anforderungen nicht gewachsen gewesen wäre. Die Beklagte habe übersehen, dass sich der Kläger unrichtig in der Materialschlaufe anstatt im Anseilring eingehängt hatte. Andererseits falle dem Kläger eine erhebliche Sorglosigkeit in eigenen Angelegenheiten zur Last. Die Gewichtung der Zurechnungsmomente führe zu einer Verschuldensteilung im Verhältnis 2 : 1 zu Lasten des Klägers. Das Schmerzengeld bemaß das Erstgericht mit 20.000 EUR, die übrigen Schäden mit 1.994,81 EUR.

Das Berufungsgericht änderte dieses Urteil dahin ab, dass es dem Kläger 15.997,40 EUR sA zusprach und die Feststellung der Haftung der Beklagten für sämtliche zukünftige Schäden zur Hälfte aussprach.

In rechtlicher Sicht erwog das Berufungsgericht, die Beklagte sei als Führerin aus Gefälligkeit zu qualifizieren. Sie stehe zum Kläger in einem gesetzlichen Schuldverhältnis, das sich aus der Rechtsfigur der Gefahrengemeinschaft ergebe und aus dem Schutz- und Sorgfaltspflichten resultierten. Die Beklagte sei auch verpflichtet gewesen, die tatsächliche Umsetzung des Erklärten durch den Kläger gewissenhaft zu kontrollieren. Ihr falle nicht zur Last, dass sie den Kläger nicht „ständig und dauerhaft“ kontrollierte, sondern, dass sie im Zuge ihrer ohnehin vorgenommenen Kontrollen die unrichtig in die Materialschlaufe erfolgte Einhängung der Karabiner nicht erkannt habe. Demgegenüber stelle es eine erhebliche Sorglosigkeit des Klägers in eigenen Angelegenheiten dar, dass dieser trotz zutreffender Instruktionen der Beklagten die Karabiner unrichtig in die Materialschlaufe eingehängt habe. Unter Berücksichtigung der beiderseitigen Zurechnungsgründe werde eine Verschuldensteilung im Verhältnis 1 : 1 den Verhältnissen des Einzelfalls am ehesten gerecht. Das Schmerzengeld sei mit 30.000 EUR zu bemessen. Ausgehend von der Höhe des Schmerzengeldes von 30.000 EUR und den vom Erstgericht unbekämpft festgestellten weiteren Schäden von 1.994,81 EUR sei im Hinblick auf das gleichteilige Mitverschulden ein Betrag von 15.997,40 EUR sA zuzusprechen.

Die ordentliche Revision sei zulässig, weil keine höchstgerichtliche Judikatur zur Qualifizierung des Rechtsverhältnisses zwischen einem Führer aus Gefälligkeit und dem Geführten vorliege.

Hiezu hat der Oberste Gerichtshof erwogen:

Rechtliche Beurteilung

Die Revisionen sind zulässig. Die Revision der Beklagten ist nicht berechtigt, diejenige des Klägers ist berechtigt.

I. Zur Revision der beklagten Partei

1.1. Der Oberste Gerichtshof hat sich bereits in mehreren Entscheidungen mit der Haftung des Führers aus Gefälligkeit bei Bergtouren auseinandergesetzt (7 Ob 580/78; 1 Ob 293/98i; RIS-Justiz RS0111144). Demnach kann bei Bedachtnahme auf die beim Bergsteigen notwendige Eigenverantwortlichkeit bei einem Zusammenschluss mehrerer Personen zu einer Bergtour nie der Geübtere oder Erfahrenere allein deshalb verantwortlich gemacht werden, weil er die Führung übernommen oder das Unternehmen geplant hat. Anders liegen die Dinge, wenn jemand die Führung aus Gefälligkeit übernimmt, aber seinem unerfahrenen Begleiter die erst später auftretenden, für diesen vorher nicht erkennbaren Gefahren und Schwierigkeiten verschweigt oder wenn jemand einen Bergunerfahrenen zu einer für diesen schwierigen Bergtour bzw zu einem schwierigen Abstieg dadurch, dass er deren Gefährlichkeit verniedlicht oder gar bestreitet, überredet.

1.2. In der Literatur wird für das Vorliegen eines „Führers aus Gefälligkeit“ eine ausdrückliche oder schlüssige Übertragung von Verantwortung verlangt. Entscheidend für die Beurteilung, ob eine solche Übertragung stattfand, sind mehrere Kriterien, die im Sinn eines beweglichen Systems zu bewerten sind (Stabentheiner, Zum Tourenführer aus Gefälligkeit, JBl 2000, 273; Michalek, Der Tourenführer aus Gefälligkeit 191 ff; Pichler/Holzer, Handbuch des österreichischen Schirechts 237).

2.1. Zutreffend haben bereits die Vorinstanzen darauf hingewiesen, dass der Beklagten bekannt war, dass der Kläger die erforderlichen Sicherheitsmaßnahmen nicht beherrschte, zumal er ohne ihre Zusage die Kletterwand gar nicht benutzen hätte dürfen. Weiters haben die Vorinstanzen zutreffend auf die klare Überlegenheit der Beklagten hinsichtlich Können und Erfahrung hingewiesen. Die Beurteilung der Vorinstanzen, dass die Beklagte daher Schutz- und Sorgfaltspflichten gegenüber dem Kläger treffe, ist nicht zu beanstanden.

2.2. Auszugehen ist davon, dass jedermann gegenüber absoluten Gütern andere entsprechende Sorgfaltspflichten treffen. Dabei ist freilich auch der Aspekt der Eigenverantwortung zu berücksichtigen. In der Lehre wird dieser Aspekt unter dem Stichwort „psychische Kausalität“ diskutiert (vgl Koziol, Haftpflichtrecht I³ Rz 4/52 ff; G. Kodek in Kletecka/Schauer, ABGB-ON § 1295 Rz 8 mwN). Demnach ist, wenn jemand bloß die Bedingung dafür setzt, dass ein anderer sich zur Gefährdung oder Schädigung eigener Güter entschließt, eine umfassende Interessenabwägung vorzunehmen. Dabei muss vor allem berücksichtigt werden, dass jeder selbst zu entscheiden hat, welche Gefahren er auf sich nehmen will und wie er sich Dritten gegenüber verhalten will. Dabei sind aber auch die besondere Gefährlichkeit der Situation, das fehlende Einsichtsvermögen des Geschädigten, die Missbilligung des auslösenden Verhaltens des Schädigers, die Billigung des Verhaltens des Geschädigten durch die Rechtsordnung und das gezielte Einwirken des Schädigers zu berücksichtigen (Koziol aaO Rz 4/53). Darauf lag das Schwergewicht der zitierten Entscheidungen zur Haftung des Führers aus Gefälligkeit bei Bergtouren. In diesen Fällen erfolgt die Teilnahme grundsätzlich auf eigenes Risiko jedes Teilnehmers; es bedarf daher ganz besonderer Gründe, warum die Veranlassung zur Teilnahme durch einen anderen als rechtswidrig qualifiziert werden kann.

2.3. Besondere Sorgfaltspflichten können sich aber nicht nur aus der Übernahme einer „Führerrolle“, sondern ganz allgemein aus der Übernahme von Pflichten ergeben.

In einer Bergsteigergruppe entstehen Schutz- und Sorgfaltspflichten der Gruppenmitglieder füreinander nicht erst durch die Bejahung der Führerqualität bei einem oder mehreren Gruppenmitgliedern. Sie bestehen vielmehr auch unabhängig vom Vorhandensein eines Führers. Die Mitglieder einer Bergsteigergruppe sind demnach bei der Bergtour im Rahmen objektiver Zumutbarkeit zu gegenseitiger Hilfeleistung und Unterstützung bei der Bewältigung alpiner Gefahren verpflichtet, wobei die Intensität der daraus konkret erfließenden Handlungspflicht von der mit der jeweiligen Situation verbundenen Schwierigkeit und Gefahr abhängt (Stabentheiner aaO [284] mwN). Derartige Pflichten können somit auch zwischen „gleichrangigen“ Gruppenmitgliedern bestehen.

Nach den Feststellungen der Vorinstanzen ist seit ca zehn Jahren ein Partnercheck beim Klettern üblich. Dabei handelt es sich bereits um eine Verkehrsnorm (Kocholl, Sportkletterer im Fall - Anforderungen an Verhalten und Partnersicherung, ZVR 2009/2).

2.4. Im vorliegenden Fall hat die Beklagte durch ihre Erklärung, den Kläger „mitzunehmen“, wodurch diesem erst die Benützung der Kletterhalle eröffnet wurde, freiwillig Sorgfaltspflichten übernommen. Dabei ist schadenersatzrechtlich lediglich die freiwillige Pflichtenübernahme entscheidend; die rechtliche Qualifikation des Verhältnisses zwischen den Parteien als bloße Gefälligkeit oder Vertrag ist demgegenüber nur von akademischer Bedeutung, weil die Qualifikation dieses Verpflichtungsverhältnisses für die Bejahung von dessen Existenz und vor allem auch für den anzulegenden Sorgfaltsmaßstab ohne Bedeutung ist (Stabentheiner aaO [287 f] unter Hinweis auf die diesbezüglich im Schrifttum vertretenen unterschiedlichen Auffassungen).

Die Beklagte war ohne entsprechende Vereinbarung natürlich nicht verpflichtet, den Kläger in die Kletterhalle mitzunehmen und dort zu betreuen; wenn sie dies aber tat, übernahm sie damit auch entsprechende Sorgfaltspflichten. Diese umfassten nicht nur eine entsprechende Einweisung, sondern auch eine Kontrolle der ordnungsgemäßen Sicherung, ist diese doch Grundvoraussetzung für ein weitgehend gefahrloses Klettern. Dabei ist auch wesentlich, dass der Beklagten bekannt war, dass der Kläger keine einschlägigen Vorkenntnisse hatte.

3.1. Für eine von der Beklagten geforderte Einschränkung ihrer Haftung auf grobe Fahrlässigkeit besteht kein Anhaltspunkt. Der Beklagten ist zuzugeben, dass bei unentgeltlichen Leistungen, insbesondere bei unentgeltlicher Erteilung von Rat oder Auskunft, vielfach eine Einschränkung der Haftung auf grobe Fahrlässigkeit angenommen wird (vgl etwa Welser, Die Haftung für Rat, Auskunft und Gutachten 36; einschränkend aber Koziol/Welser II13 354: „Bei unentgeltlichen Verträgen kann allerdings eine Haftungsminderung eingreifen.“). Diese Haftungsbeschränkung gilt jedoch - wenn überhaupt - nur im Zweifel. Jedenfalls dann, wenn es - wie im vorliegenden Fall - um die Gefährdung der körperlichen Gesundheit geht, besteht für die Annahme einer derartigen Haftungsbeschränkung kein Raum. Die besondere Gefahrengeneigtheit des Kletterns sowie Gewicht und Bedeutung der dabei gefährdeten Rechtsgüter sprechen gegen die Annahme, der Kläger habe einer derartigen Haftungsbeschränkung zugestimmt. Demgemäß bejahen die zitierten Entscheidungen zum Bergführer aus Gefälligkeit eine Haftung auch bereits bei leichter Fahrlässigkeit. Im Übrigen hat die Beklagte auch keine tatsächlichen Umstände vorgebracht, aus denen mit der erforderlichen Eindeutigkeit (§ 863 ABGB) auf eine stillschweigende Vereinbarung einer Haftungsbeschränkung geschlossen werden könnte.

3.2. Auch aus § 1300 ABGB ist für den Rechtsstandpunkt der Beklagten nichts abzuleiten. Nach dieser Bestimmung besteht außer im Fall von Vorsatz keine Haftung. Diese Bestimmung gilt aber nur für bloße Vermögensschäden, nicht hingegen, wenn es um die Schädigung absolut geschützter Güter geht (Koziol, Haftpflichtrecht II² 189). Nach Koziol ist dabei allerdings zu berücksichtigen, dass es sich um einen Fall psychischer Kausalität handle, wenn infolge einer falschen Erklärung der Empfänger des Rates eigene absolute Güter schädigt. Daher sei davon auszugehen, dass jeder selbst zu entscheiden habe, wie er sich seinen Gütern gegenüber verhalte, und der Verursacher daher nur bei besonderer Gefährlichkeit seines Verhaltens und deren Erkennbarkeit rechtswidrig handle. Die falsche Auskunft müsse in weiterem Umfang Ersatzpflichten auslösen: Da sie typischerweise gefährlicher sei und es um den Schutz absoluter Güter gehe, sei davon auszugehen, dass auch fahrlässig erteilte falsche Auskünfte haftbar machen (Koziol aaO).

3.3. In Anbetracht der fehlenden Erfahrung des Klägers und S***** S*****s reichte es nicht aus, wenn die Beklagte die beiden zu einem Partnercheck anhielt; vielmehr war die Beklagte auch verpflichtet, unabhängig davon ihrerseits zu überprüfen, ob der Kläger entsprechend gesichert war. Aufgrund der Unerfahrenheit des Klägers hätte die Beklagte in Erwägung ziehen müssen, dass ihm Fehler unterlaufen können. Dies galt in gleicher Weise für die Kontrolle durch die - ebenso unerfahrene - Freundin S***** S*****. In diesem Zusammenhang ist auch darauf zu verweisen, dass der Faktor Zeit beim Sportklettern im Gegensatz zu Touren im alpinen Gelände keine Rolle spielt (Kocholl aaO).

II. Zur Revision des Klägers:

4.1. Wenngleich Fragen des Mitverschuldens im Allgemeinen keine erhebliche Rechtsfrage darstellen (RIS-Justiz RS0087606), ist die Revision des Klägers im vorliegenden Fall zulässig, weil die Frage des Mitverschuldens im untrennbaren Zusammenhang mit der Haftung der Beklagten steht. Die Vorinstanzen haben die Haftung der Beklagten maßgeblich auf ihre größere Erfahrung gestützt. Richtigerweise ergab sich ihre Haftung jedoch bereits aus der freiwilligen Pflichtenübernahme. Der Aspekt, dass die Beklagte über wesentlich größere Erfahrung verfügte als der Kläger, ist demgegenüber auf Ebene des Mitverschuldens zu berücksichtigen.

4.2. Dem höheren Wissen und der höheren Verantwortung eines der Beteiligten hat das Oberlandesgericht Wien etwa in einem Amtshaftungsfall, in dem der Kommandant und ein Untergebener einen Befehl missachteten, was letztlich zur Verletzung des Untergebenen führte, durch eine Verschuldensteilung von 4 : 1 zu Lasten des Geschädigten Rechnung getragen (OLG Wien 14 R 122/95; Revision zurückgewiesen zu 1 Ob 1036/95).

4.3. Soweit in der Literatur für den Partnercheck eine Verschuldensteilung von 1 : 2 zu Lasten des Geschädigten vorgeschlagen wird, um die Eigenverantwortung des Geschädigten zu betonen (Kocholl aaO 8), lässt sich dies auf die vorliegende Konstellation in Anbetracht des unterschiedlichen Ausbildungs- und Wissensstands der Beteiligten nicht übertragen. Die Beklagte war zudem nicht „Partnerin“ des Klägers im Sinne des „Partnerchecks“, die bloß zur Sicherheit die vom Kläger eigenverantwortlich zu setzenden Sicherheitsmaßnahmen zu überprüfen hatte; sie hatte vielmehr durch ihre Erklärung, den Kläger „mitzunehmen“, seine Betreuung und Unterweisung übernommen.

4.4. Nach den Feststellungen der Vorinstanzen war der Kläger erstmals in einer Kletterhalle; er hatte so gut wie keine einschlägige Erfahrung und war mit den Sicherungsmaßnahmen nicht vertraut. Demgegenüber verfügte die Beklagte über mehrjährige Erfahrung und erklärte, den Kläger „mitzunehmen“. Nur aufgrund dieser Erklärung wurde dem Kläger überhaupt die Benützung der Kletterhalle gestattet. Bei dieser Sachlage ist aber davon auszugehen, dass das Verschulden der Beklagten dasjenige des Klägers deutlich überwiegt. Unter Berücksichtigung des Gewichts des beiden Parteien jeweils zur Last liegenden Sorgfaltsverstoßes erscheint eine Verschuldensteilung im Verhältnis 3 : 1 zu Lasten der Beklagten angemessen.

4.5. Daraus ergibt sich, dass der Kläger Anspruch auf drei Viertel seiner vom Berufungsgericht insoweit unbekämpft mit 31.994,81 EUR (30.000 EUR Schmerzengeld und 1.994,81 EUR weitere Ansprüche) ausgemittelten Ansprüche hat. Dies ergibt den zugesprochenen Betrag von 23.996,10 EUR.

III. Zur Kostenentscheidung

5.1. Aufgrund der Abänderung der Entscheidungen der Vorinstanzen war auch die Kostenentscheidung neu zu fassen. Diese gründet sich auf §§ 41, 50 ZPO.

5.2. Wie schon das Berufungsgericht zutreffend erkannt hat, liegt keine Überklagung vor. Der Kläger ist daher bei Ermittlung seines Prozesserfolgs so zu behandeln, als hätte er nur jenen Betrag begehrt, der der Höhe nach als zu Recht bestehend erkannt wurde. Insoweit hat er Anspruch auf Kostenersatz, freilich nach ständiger Rechtsprechung nur auf Basis des ersiegten Betrags. Allerdings ist der Kläger dem Grunde nach zu einem Viertel unterlegen, sodass er Anspruch auf Ersatz seiner halben Verfahrenskosten hat. Das Unterliegen dem Grunde nach auch mit einzelnen der geltend gemachten Nebenansprüche, die von den Vorinstanzen als nicht berechtigt erachtet wurden, konnte dabei als geringfügig außer Betracht bleiben.

5.3. Für das erstinstanzliche Verfahren waren zur sachgerechten Ermittlung der Berechnungsbasis Verfahrensabschnitte zu bilden, wobei die - von den Parteien nicht beanstandete - diesbezügliche Berechnung des Berufungsgerichts übernommen werden kann. Demnach ist. im I. Verfahrensabschnitt der Kläger der Höhe nach mit 19.782,56 EUR durchgedrungen, im II. Verfahrensabschnitt mit 34.782,56 EUR und im III. Verfahrensabschnitt mit 35.022,56 EUR.

5.4. Die Vertreterbekanntgabe, die Akteneinsicht und der verrechnete Brief waren als vom Einheitssatz umfasst nicht zu honorieren. Die übrigen Schriftsätze waren - entgegen der Rechtsansicht der beklagten Partei - zur zweckentsprechenden Rechtsverfolgung notwendig. Dem Kläger kann ein Interesse an der Klagsausdehnung mittels Schriftsatz nicht abgesprochen werden. Abgesehen davon, dass er dadurch die Verjährungsfrist wahrt, ermöglichte er dadurch dem Gericht und der beklagten Partei, sich rechtzeitig auf die Änderung seines Begehrens einzustellen.

5.5. Nach § 43 Abs 1 letzter Satz ZPO haben die Parteien Anspruch auf Ersatz der von ihnen jeweils getragenen Barauslagen im Ausmaß des tatsächlichen Obsiegens, der Kläger sohin zu drei Viertel und die Beklagte zu einem Viertel. Dies ergibt für den Kläger 2.661 EUR, für die beklagte Partei 240 EUR. Die Saldierung der wechselseitigen Ansprüche ergibt den zugesprochenen Kostenbetrag.

5.6. Im Berufungsverfahren hat der Kläger dem Grunde nach zu drei Viertel und der Höhe nach zur Gänze obsiegt. Er hat daher Anspruch auf Ersatz der halben Kosten seiner Berufung, weiters von drei Viertel der Pauschalgebühr und der gesamten Kosten der Berufungsbeantwortung.

5.7. Im Revisionsverfahren hat der Kläger zu drei Viertel obsiegt. Er hat daher Anspruch auf Ersatz der halben Kosten seiner Revision sowie von drei Viertel der Pauschalgebühr und auf Ersatz der Kosten der Revisionsbeantwortung.

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