OGH 5Ob66/12k

OGH5Ob66/12k9.8.2012

Der Oberste Gerichtshof hat durch den Senatspräsidenten Hon.‑Prof. Dr. Danzl als Vorsitzenden und die Hofrätinnen Dr. Hurch und Dr. Lovrek sowie die Hofräte Dr. Höllwerth und Mag. Wurzer als weitere Richter in der wohnrechtlichen Außerstreitsache des Antragstellers D***** M*****, vertreten durch Mag. Walter Krauss, dieser vertreten durch Mag. Hans Sandrini, beide Mietervereinigung Österreichs, 1010 Wien, Reichsratsstraße 15, gegen die Antragsgegner 1. H***** G*****, 2. Ing. M***** H*****, 3. E***** T*****, 4. Dr. A***** P*****, 5. C***** B*****, 6. E***** B*****, 7. J***** R*****, 8. W***** D*****, 9. B***** M*****, 10. S***** K*****, 11. B***** H*****, 12. A.***** GmbH, *****, 13. S***** KG, *****, 14. Dipl.‑Ing. W***** A*****, 15. Mag. P***** T*****, beide *****, 16. Mag. T***** B*****, 2. bis 16. Antragsgegner vertreten durch Nemetz & Nemetz Rechtsanwalts‑KG in Wien, wegen § 16 MRG iVm § 37 Abs 1 Z 8 MRG, über den Revisionsrekurs der 2. bis 16. Antragsgegner gegen den Sachbeschluss des Landesgerichts für Zivilrechtssachen Wien als Rekursgericht vom 21. Dezember 2011, GZ 39 R 244/11p‑18, womit infolge Rekurses der 2. bis 16. Antragsgegner der Sachbeschluss des Bezirksgerichts Fünfhaus vom 16. Mai 2011, GZ 9 Msch 2/11t‑7, bestätigt wurde, den

Beschluss

gefasst:

 

Spruch:

Dem Revisionsrekurs wird nicht Folge gegeben.

Die 2. bis 16. Antragsgegner sind schuldig, dem Antragsteller binnen 14 Tagen die mit 183 EUR (darin 3 EUR an Barauslagen) bestimmten Kosten seiner Revisionsrekursbeantwortung zu ersetzen.

Text

Begründung

Das Erstgericht sprach mit seinem Sachbeschluss aus, dass die spruchmäßig jeweils im Einzelnen bezeichneten Antragsgegner, die zu den jeweiligen Zinsterminen von Oktober 2004 bis April 2007 Miteigentümer der Liegenschaft und Vermieter waren, das gesetzlich zulässige Zinsausmaß durch Vorschreibung eines monatlichen Hauptmietzinses von 398,74 EUR sowie eines Betrags von monatlich 16,77 EUR unter dem Titel „WWF“ um monatlich 143,48 EUR netto überschritten hätten. Den gleichlautenden, gegen weitere Antragsgegner gerichteten Antrag wies das Erstgericht unbekämpft ab.

Nach den erstgerichtlichen Feststellungen war im Mietvertrag vom 30. 12. 1994 ein Hauptmietzins von 163,11 EUR vereinbart. Mit Entscheidungen der Schlichtungsstelle vom 30. 6. 1998, 9. 10. 2000, 19. 9. 2001, 11. 2. 2003 und 20. 10. 2003 wurde gemäß §§ 18a, 18 Abs 2 und 3 MRG die vorläufige Erhöhung des Hauptmietzinses insgesamt für den Zeitraum von 1. 10. 1998 bis 30. 9. 2004 bewilligt. Der Antrag auf vorläufige Erhöhung der Hauptmietzinse für den Zeitraum 1. 10. 2004 bis 30. 4. 2007 wurde hingegen rechtskräftig abgewiesen. Dennoch wurden im Antragszeitraum von 1. 10. 2004 bis einschließlich 30. 4. 2007 zusätzlich zum Hauptmietzins der Erhöhungsbetrag von 126,71 EUR sowie unter dem Titel „WWF“ ein Betrag von 16,77 EUR vorgeschrieben.

Rechtlich war das Erstgericht ‑ soweit hier wesentlich ‑ der Meinung, dass die Präklusionsregelung des § 16 Abs 8 MRG auf die einseitig erfolgte Mietzinserhöhung nicht anzuwenden sei.

Das Rekursgericht gab dem gegen den stattgebenden Teil des erstgerichtlichen Sachbeschlusses gerichteten Rekurs der 2. bis 16. Antragsgegner nicht Folge. Es vertrat die Rechtsansicht, dass wohl § 16 Abs 8 MRG entsprechend novelliert worden wäre, wenn der Gesetzgeber dessen Präklusionsregelung generell auf alle einseitigen Mietzinserhöhungen hätte ausdehnen wollen. Gerade der Umstand, dass nicht § 16 Abs 8 MRG neu formuliert worden sei, sondern punktuell die gesetzlichen Anhebungsfälle der §§ 12a Abs 2, 45 Abs 1, 46 Abs 2, 46a Abs 6 MRG sowie die sich auf eine Wertsicherungsvereinbarung stützende Anhebung nach § 16 Abs 9 MRG neu geregelt worden seien, spreche dafür, dass nur die ausdrücklich erwähnten Fälle von der Präklusionsregelung erfasst werden sollten. Auch die ErläutRV (1183 BlgNR 22. GP) zur Wohnrechtsnovelle 2006 -WRN 2006 (BGBl I 2006/124) ließen keinen anderen Schluss zu. Dort werde auf die §§ 12a, 45, 46 Abs 2, 46a und 16 Abs 9 MRG Bezug genommen und ausgeführt, dass „für all die genannten Fälle“ eine dem § 16 Abs 8 MRG nachgebildete Präklusionsregelung vorgesehen werde. Das Rekursgericht folge daher der von Würth/Zingher/Kovanyi (Miet‑ und Wohnrecht I22 § 16 MRG Rz 5) vertretenen Meinung, dass die Präklusivfrist für einseitige, nicht auf das Gesetz gestützte Mietzinsanhebungen nicht gelte.

Das Rekursgericht sprach aus, dass der Wert des Entscheidendsgegenstands 10.000 EUR nicht übersteigt und der (gemeint: ordentliche; § 59 Abs 1 Z 2 AußStrG) Revisionsrekurs zulässig sei. Es fehle ‑ soweit überblickbar ‑ höchstgerichtliche Rechtsprechung zur Frage, ob die Präklusivfrist des § 16 Abs 8 MRG im Geltungsbereich der WRN 2006 generell auf jegliche einseitige Mietzinsanhebung anzuwenden sei.

Gegen diesen Sachbeschluss richtet sich der Revisionsrekurs der 2. bis 16. Antragsgegner wegen unrichtiger rechtlicher Beurteilung mit dem Antrag auf Abänderung dahin, „dass dem Antrag des Antragstellers nicht stattgegeben werde und die Beschlüsse der Vorinstanz ersatzlos aufgehoben werden“. Hilfsweise stellen die Rechtsmittelwerber auch den Antrag, den angefochtenen Beschluss zur (nach Verfahrensergänzung zu treffenden) neuerlichen Entscheidung durch das Rekursgericht oder das Erstgericht aufzuheben.

Der Antragsteller erstattete eine Revisionsrekursbeantwortung mit dem Antrag, dem Revisionrekurs keine Folge zu geben und den Sachbeschluss des Rekursgerichts vollinhaltlich zu bestätigen.

Der Revisionrekurs ist aus dem vom Rekursgericht genannten Grund zulässig; er ist aber nicht berechtigt.

Die Rechtsmittelwerber machen in ihrem Revisionsrekurs im Wesentlichen geltend, dass mit der WRN 2006 im Hinblick auf gerichtlich anhängig gewesene Fälle und wegen Forderungen der Lehre die Präklusivfrist des § 16 Abs 8 MRG auf Fälle der einseitigen Erhöhung des Hauptmietzinses ausgedehnt worden sei. Dass in den ErläutRV ganz bestimmte Anhebungsfälle genannten worden seien, stehe mit der Entscheidung 5 Ob 9/02p in Zusammenhang, in welcher genau diese Fälle angesprochen worden seien. Mit diesen sei aber der vorliegende Fall einer „Mietzinsanhebung aufgrund eines § 18 MRG-Verfahrens“ vergleichbar. Es bestehe kein vernünftiger Grund die ‑ der Vermeidung von Beweisproblemen dienende ‑ Regelung des § 16 Abs 8 MRG nicht auch ‑ über die mit der WRN 2006 ausdrücklich geregelten Anwendungsbereiche hinaus ‑ auf weitere Fälle einseitiger Mietzinsanhebungen anzuwenden.

Der Oberste Gerichtshof hat dazu Folgendes erwogen:

Rechtliche Beurteilung

1. Rechtslage und Rechtsprechung vor der WRN 2006:

1.1. § 16 Abs 8 MRG lautet:

„Mietzinsvereinbarungen sind insoweit unwirksam, als der vereinbarte Hauptmietzins den nach Abs 1 bis 7 zulässigen Höchstbetrag überschreitet. Die Unwirksamkeit ist binnen drei Jahren gerichtlich (bei der Gemeinde, § 39) geltend zu machen. Bei befristeten Hauptmietverhältnissen (§ 29 Abs 1 Z 3) endet diese Frist frühestens sechs Monate nach Auflösung des Mietverhältnisses oder nach seiner Umwandlung in ein unbefristetes Mietverhältnis; die Verjährungsfrist beträgt in diesem Fall zehn Jahre.“

Diese Bestimmung hat der Gesetzgeber der Wohnrechtsnovelle 2006 ‑ WRN 2006 (BGBl I 2006/124) unverändert gelassen.

1.2. In der ‑ vor der WRN 2006 ergangenen und die Überprüfung einer Mietzinsanhebung nach § 46a Abs 4 MRG betreffenden ‑ Entscheidung 5 Ob 9/02p wobl 2003/3, 12 (Vonkilch) führte der Oberste Gerichtshof (ua) aus:

„In der Sache selbst ist der Rechtsmittelwerberin zwar darin zu folgen, dass die Rechtsfindung durch Analogie auch im Bereich der Mietrechtsgesetzgebung keineswegs ausgeschlossen ist (was ohnehin schon vom Rekursgericht gerade im Hinblick auf die hier interessierende Präklusionsbestimmung des § 16 Abs 8 MRG überzeugend dargelegt wurde), doch sind die Voraussetzungen für eine analoge Ausdehnung der fraglichen Gesetzesbestimmung auf die Überprüfung einer Mietzinsanhebung nach § 46a Abs 4 MRG nicht erfüllt. Von besonderer Bedeutung ist in diesem Zusammenhang, ob die gesetzliche Regelung lückenhaft ist, ob also der anstehende Rechtsfall nach dem gemäß § 6 ABGB ausgelegten Gesetz nicht beurteilt werden kann, obwohl er von Rechts wegen einer Beurteilung bedarf (Bydlinski in Rummel 3, Rz 2 zu § 7 ABGB; SZ 69/109 ua). Es muss sich dabei um eine planwidrige, das heißt eine vom Gesetzgeber nicht gewollte bzw übersehene Unvollständigkeit des Gesetzes handeln. Die Anhaltspunkte für die Annahme einer solchen Gesetzeslücke sind im hier zu beurteilenden Fall zu schwach. Mögen auch nicht alle vom Rekursgericht gegen die analoge Anwendung der Präklusionsregelung des § 16 Abs 8 MRG auf die einseitige Mietzinsanhebung nach § 46a Abs 4 MRG ins Treffen geführten Argumente für sich allein betrachtet tragfähig sein, so ist doch das Gegenargument schwer zu entkräften, dass dem Gesetzgeber des 3. WÄG nicht ohne weiteres unterstellt werden kann, bei der Einführung der Präklusionsbestimmung für die Überprüfung von Mietzinsvereinbarungen auf eine gleichartige Regelung für einseitige Mietzinsanhebungen vergessen zu haben, obwohl er sich zeitgleich gerade mit diesen Fällen (§§ 12a, 46a MRG etc) besonders intensiv beschäftigte.

Ein Indiz für ein solches Versehen wäre die bei wertender Betrachtung erkennbare Ähnlichkeit der zu beurteilenden Sachverhalte, weil nicht anzunehmen ist, dass der Gesetzgeber für Gleichwertiges unterschiedliche Rechtsfolgen vorsehen wollte. Gerade an dieser Rechtsähnlichkeit fehlt es aber. Zutreffend hat das Rekursgericht darauf hingewiesen, dass es einen Unterschied macht, ob sich der Mieter aus einer Mietzinsvereinbarung, also aus einer rechtsgeschäftlichen Zusage zu lösen versucht (mag diese auch unter Berücksichtigung seiner Zwangslage bei Abschluss der Mietzinsvereinbarung zunächst unwirksam gewesen sein) oder ob er mit einer einseitigen Erklärung des Vermieters konfrontiert ist, eine gesetzliche Mietzinsanhebungsmöglichkeit auszunutzen. Dazu kommt, dass der Rechtsverlust, wie er mit jeder Präklusionsregelung einhergeht, eher nicht zu den Zielvorstellungen eines Mietrechtsgesetzgebers gehört.“

1.3. In der Entscheidung 5 Ob 189/04m (immolex 2005/33, 87 = wobl 2005/75, 235) bezog sich der Oberste Gerichtshof auf seine Ausführungen zu 5 Ob 9/02p und verneinte für den Fall einer einseitigen Mietzinsanhebung nach § 46 Abs 2 MRG die analoge Anwendbarkeit des § 16 Abs 8 MRG. Letztgenannte Rechtsansicht bekräftige der Oberste Gerichtshof in der Folge in 5 Ob 176/06b.

2. Änderungen durch die WRN 2006:

2. Im Rahmen der WRN 2006 hat sich der Gesetzgeber mit der Frage der Erweiterung der Präklusionsregelung für die Geltendmachung einer Überschreitung des zulässigen Hauptmietzinses befasst. Ergebnisse waren Änderungen der §§ 12a Abs 2, 16 Abs 9, 45 Abs 1 und 2, 46 Abs 2 und 46a Abs 6 MRG:

2.1. In § 12a MRG wurde dem Abs 2 folgender Satz angefügt:

„Eine sich aus der Anhebung ergebende Unwirksamkeit des Hauptmietzinses ist innerhalb der in § 16 Abs 8 genannten Fristen ab dem Anhebungsbegehren gerichtlich (bei der Gemeinde, § 39) geltend zu machen.“

2.2. In § 16 wurde dem Abs 9 folgender Satz angefügt:

„Eine sich durch die Anwendung einer Wertsicherungsvereinbarung ergebende Unwirksamkeit des erhöhten Hauptmietzinses ist innerhalb der in Abs 8 genannten Fristen ab dem Erhöhungsbegehren gerichtlich (bei der Gemeinde, § 39) geltend zu machen.“

2.3. In § 45 MRG wurde dem Abs 1 folgender Satz angefügt:

„Eine sich aus der Anhebung ergebende Unwirksamkeit des Hauptmietzinses ist innerhalb der in § 16 Abs 8 genannten Fristen ab dem Anhebungsbegehren gerichtlich (bei der Gemeinde, § 39) geltend zu machen.“

Dem § 45 Abs 2 MRG wurde der Satz angefügt:

„Der letzte Satz des Abs 1 gilt entsprechend.“

2.4. In § 46 wurde dem Abs 2 folgender Satz angefügt:

„Eine sich aus der Anhebung ergebende Unwirksamkeit des Hauptmietzinses ist innerhalb der in § 16 Abs 8 genannten Fristen ab dem Anhebungsbegehren gerichtlich (bei der Gemeinde, § 39) geltend zu machen.“

2.5. In § 46a wurde dem Abs 6 folgender Satz angefügt:

„Eine sich aus einer Anhebung nach Abs 2 bis 5 ergebende Unwirksamkeit des Hauptmietzinses ist innerhalb der in § 16 Abs 8 genannten Fristen ab dem jeweiligen Anhebungsbegehren gerichtlich (bei der Gemeinde, § 39) geltend zu machen.“

2.6. Die ErläutRV (1183 BlgNR 22. GP) führen zu den zuvor wiedergegebenen Änderungen Folgendes aus:

„Schließlich wird entsprechend einer schon seit längerem wiederholt geäußerten Lehrmeinung (Vonkilch, Analoge Ausdehnung der dreijährigen Präklusivfrist für die Mietzinsüberprüfung? RdW 1999, 395; derselbe, Glosse zu wobl 2001/33, 51 und weitere Beiträge) die Präklusion der Mietzinsanfechtung gemäß § 16 Abs 8 MRG auch auf den durch ein einseitiges Gestaltungsrecht des Vermieters veränderten Mietzins ausgedehnt.“ (1183 BlgNR 22. GP 8).

„In der Lehre wird schon seit einiger Zeit eine analoge Ausdehnung der Präklusivfrist des § 16 Abs 8 MRG auch auf die Fälle der einseitigen Erhöhung des Hauptmietzinses durch den Vermieter nach § 12a, § 46 Abs 2 und § 46a MRG sowie auf eine Erhöhung des Hauptmietzinses durch die Anwendung einer Wertsicherungsvereinbarung gemäß § 16 Abs 9 MRG gefordert (vgl nur etwa Vonkilch, Analoge Ausdehnung der dreijährigen Präklusivfrist für die Mietzinsüberprüfung? RdW 1999, 395). Die Rechtsprechung zu dieser Frage ist jedoch uneinheitlich (vgl etwa einerseits MietSlg 54.286 und zuletzt OGH 5 Ob 189/04m; andererseits immolex 2003/146, 260). Die hier und zu §§ 12a, 45, 46 und 46a MRG entworfenen Neuregelungen sollen nun zu dieser Frage Klarheit schaffen. Daher wird für all die genannten Fälle eine dem § 16 Abs 8 MRG nachgebildete, auf diesen hinsichtlich der Ausgestaltung der Fristen verweisende Präklusionsregelung vorgesehen. Zur Klarstellung hinsichtlich der Präklusionsregelung in § 16 Abs 9 MRG sei erwähnt, dass sich die hier statuierte Präklusion nur auf die konkrete Zinserhöhung durch Anwendung einer Wertsicherungsvereinbarung, nicht aber auch auf die Möglichkeit zur Anfechtung der Wertsicherungsvereinbarung als solcher bezieht.“ (1183 BlgNR 22. GP 42).

3. Die Lehrmeinungen nach der WRN 2006:

3.1. Stabentheiner (Die Änderungen des Mietrechts durch die Wohnrechtsnovelle 2006, ÖJZ 2006, 743 [752]) führt dazu aus:

„Mit der WRN 2006 werden die Bestimmungen über die dem Vermieter offen stehenden Möglichkeiten zur Anhebung des Mietzinses aufgrund eines gesetzlichen Gestaltungsrechts oder aufgrund einer vertraglichen Wertsicherungsklausel dahin geändert, dass auch die Unwirksamkeit des sich aus einer solchen Mietzinsanhebung ergebenden Mietzinses vom Mieter nur innerhalb der in § 16 Abs 8 MRG genannten Fristen ‑ also bei unbefristeten Mietverträgen innerhalb von drei Jahren ‑ ab dem jeweiligen Anhebungsbegehren geltend gemacht werden kann. Diese Ausdehnung der Präklusionsregelung betrifft die einseitige Erhöhung des Hauptmietzinses durch den Vermieter nach § 12a MRG (bei Unternehmensveräußerung, 'Machtwechsel' oder Unternehmensverpachtung), nach § 45 MRG (Mietzinsanhebung auf den 'wertbeständigen' Mietzins, wie er sich aus den früheren Erhaltungs‑ und Verbesserungsbeiträgen ergibt), nach § 46 Abs 2 MRG (Mietzinserhöhung nach Eintritt oder Abtretung der Mietrechte) und nach § 46a MRG (Übergangsbestimmungen zu § 12a MRG) sowie die Bestimmung des § 16 Abs 9 MRG über die Mietzinserhöhung durch Anwendung einer Wertsicherungsvereinbarung. Die Präklusivfrist beginnt in all diesen Fällen mit dem Zeitpunkt zu laufen, in dem dem Mieter jene Erklärung des Vermieters zugeht, mit der die Erhöhung des Mietzinses geltend gemacht bzw der erhöhte Mietzins erstmals gefordert wird. Lässt der Mieter die Präklusivfrist ungenützt verstreichen, so verliert er das Recht auf Anfechtung des Mietzinses.“

3.2. T. Hausmann (Hausmann/Vonkilch, Österreichisches Wohnrecht, § 16 MRG Rz 79b) kommentiert die Neuregelung durch die WRN 2006 wie folgt:

„Offen bleibt bei dieser Neuregelung einerseits die Behandlung der §§ 12a Abs 5 und 25, was im ersten Fall ein reines Redaktionsversehen (Stabentheiner, wobl 2006, 264) und im zweiten Fall ebenfalls ein bloßes Vergessen (aufgrund der geringen Bedeutung dieser Norm [?]) darstellt, sowie andererseits mit § 16 Abs 9 vergleichbare Fälle wie etwa derjenige eines umsatzabhängigen Mietzinses, oder allgemeiner formuliert jener Vereinbarungen, bei denen zum Zeitpunkt des Vertragsschlusses noch kein konkreter Mietzins, welcher auf seine gesetzliche Zulässigkeit überprüft werden könnte, existiert (...). Alle diese Konstellationen wurden daher vom Gesetzgeber der WRN 2006 mit hoher Wahrscheinlichkeit nicht bedacht, weshalb von einer planwidrigen Lücke auszugehen ist, welche aufgrund der wertungsmäßig völlig gleich gelagerten Sachlage durch Analogie (mit den zuvor zitierten neu eingeführten Bestimmungen, hinsichtlich der zweiten Gruppe mit § 16 Abs 9 als Analogiebasis) zu schließen ist.“

3.3. Würth/Zingher/Kovanyi (Miet‑ und Wohnrecht I22 § 16 MRG Rz 5) sind der Meinung, dass die Präklusivfrist für einseitige, nicht auf das Gesetz gestützte Mietzinsanhebungen nicht gelte.

3.4. Schinnagl (Illedits/Reich-Rohrwig, Wohnrecht, § 16 MRG Rz 41) vertritt den Standpunkt, dass seit der WRN 2006 die Präklusivfrist des § 16 Abs 8 MRG auch für bestimmte einseitige Gestaltungsrechte des Vermieters gesetzlich normiert sei. Darüber hinausgehend sei eine analoge Anwendung der Präklusionsbestimmung bei sonstigen vom Vermieter vorgenommenen einsteitigen jeglicher gesetzlichen oder vertraglichen Grundlage entbehrenden Hauptmietzinsanhebungen jedoch ausgeschlossen.

4. Die Rechtsprechung nach der WRN 2006:

Nach der WRN 2006 ließ der Oberste Gerichtshof in der Entscheidung 5 Ob 28/07i die Frage, ob die in § 16 Abs 8 MRG normierte dreijährige Präklusivfrist generell auf einseitig erklärte Mietzinserhöhungen anzuwenden sei, ausdrücklich offen. Die Entscheidung 5 Ob 166/08k (immolex 2009/19, 54 [Maier-Hülle] = wobl 2009/37, 80 [Vonkilch]) betraf demgegenüber einen Fall des § 46a Abs 4 MRG.

5. Schlussfolgerungen:

5.1. Ein Analogieschluss, hier die analoge Anwendung des für Mietzinsvereinbarungen geltenden § 16 Abs 8 MRG bzw der §§ 12a Abs 2, 16 Abs 9, 45 Abs 1 und 2, 46 Abs 2 und 46a Abs 6 MRG, setzt eine Gesetzeslücke voraus; das heißt also, dass der Rechtsfall nach dem Gesetz nicht beurteilt werden kann, jedoch von Rechts wegen einer Beurteilung bedarf. Es muss eine „planwidrige Unvollständigkeit“, also eine nicht gewollte Lücke, vorliegen (RIS‑Justiz RS0098756; RS0008866; P. Bydlinski in KBB3 § 7 Rz 2). Vom Gesetzgeber beabsichtigte Lücken rechtfertigen einen Umkehrschluss; Analogie ist hingegen geboten, wenn für eine verschiedene Behandlung der Sachverhalte kein Grund zu finden ist (RIS‑Justiz RS0008870). Ohne Vorliegen einer Gesetzeslücke gleichsam an die Stelle des Gesetzgebers zu treten und einen Regelungsinhalt (rechtsfortbildend) zu schaffen, dessen Herbeiführung ausschließlich diesem obläge, steht den Gerichten nicht zu (RIS‑Justiz RS0008866 [T16]).

5.2. Die gesetzestechnische Umsetzung der mit der WRN 2006 neu eingefügten Präklusionsregelungen zeigt, dass gerade keine Änderung der allgemeinen ‑ Mietzinsvereinbarungen betreffenden ‑ Regelung erfolgte, sondern gezielt Einzelbestimmungen reformiert wurden, die einerseits auf einem gesetzlich eingeräumten, einseitigen Gestaltungsrecht des Vermieters beruhende Fälle von Mietzinserhöhungen und andererseits eine Erhöhung des Hauptmietzinses durch die Anwendung einer Wertsicherungsvereinbarung betreffen. Dass der Gesetzgeber gezielt Änderungen gerade und nur in den beiden genannten Bereichen angestrebt hat, legen auch die ErläutRV 1183 BlgNR 22. GP 42 nahe, nach denen ‑ zweifelsfrei auf die Einzelbestimmungen bezogen ‑ die Neuregelungen „für all die genannten Fälle“ Klarheit schaffen sollen.

5.3. Es ist wohl auch ein struktureller Unterschied zu bejahen zwischen jenen legistisch genau umrissenen Fällen, in denen dem Vermieter unmittelbar aufgrund des Gesetzes ein Recht auf Anhebung des Mietzinses oder aufgrund einer vertraglichen Vereinbarung die Geltendmachung einer Wertsicherung zusteht, gegenüber jenen Konstellationen, in denen der Vermieter völlig eigenmächtig ohne jede gesetzliche oder vertragliche Grundlage ‑ hier sogar entgegen einer Entscheidung der Schlichtungsstelle ‑ den vertraglich vereinbarten Mietzins anhebt. Den Schluss, dass der Gesetzgeber auch für letztgenannte Fälle einen mit jeder Präklusionsregelung verbundenen Rechtsverlust des Mieters vorsehen wollte, lässt die dargestellte Entwicklung der geltenden Rechtslage nicht zu.

Zusammengefasst folgt daher:

6. Eine analoge Anwendung der Präklusionsregelungen der §§ 16 Abs 8 und 9 MRG bzw §§ 12a Abs 2, 45 Abs 1 und 2, 46 Abs 2 und 46a Abs 6 MRG bei einer vom Vermieter ohne jede gesetzliche oder vertragliche Grundlage vorgenommenen Anhebung des vertraglich vereinbarten Hauptmietzinses ist mangels Vorliegens einer planwidrigen Gesetzeslücke ausgeschlossen.

7. Die Kostenentscheidung beruht auf § 37 Abs 3 Z 17 MRG.

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