OGH 4Ob58/12a

OGH4Ob58/12a2.8.2012

Der Oberste Gerichtshof hat durch die Senatspräsidentin Dr. Schenk als Vorsitzende und durch die Hofräte Dr. Vogel, Dr. Jensik, Dr. Musger und Dr. Schwarzenbacher als weitere Richter in der Familienrechtssache des Antragstellers R***** A*****, vertreten durch Dr. Helene Klaar und Dr. Norbert Marschall, Rechtsanwälte in Wien, gegen die Antragsgegnerin J***** G*****, vertreten durch Mag. Wolfgang N. Zacherl, Rechtsanwalt in Wien, wegen Unterhalt, über den Revisionsrekurs der Antragsgegnerin gegen den Beschluss des Landesgerichts für Zivilrechtssachen Wien als Rekursgericht vom 9. August 2011, GZ 44 R 386/11g‑22, mit welchem der Beschluss des Bezirksgerichts Favoriten vom 11. Mai 2011, GZ 14 Fam 14/11g-13, in der Fassung des Berichtigungsbeschlusses vom 24. Mai 2011, ON 14, bestätigt wurde, den

Beschluss

gefasst:

 

Spruch:

Der Revisionsrekurs wird zurückgewiesen.

Die Antragsgegnerin ist schuldig, dem Antragsteller die mit 225,07 EUR (darin 37,51 EUR USt) bestimmten Kosten der Revisionsrekursbeantwortung binnen 14 Tagen zu ersetzen.

Text

Begründung

Die Unterhaltspflicht des Antragstellers für seine volljährige Tochter, die Antragsgegnerin, wurde vom Erstgericht ab dem 1. 11. 2009 mit 300 EUR monatlich festgesetzt. Diese Unterhaltsfestsetzung erfolgte aufgrund eines Einvernehmens der Parteien, wobei als Bemessungsgrundlage ein Durchschnittsnettoeinkommen des Unterhaltspflichtigen von 1.601 EUR monatlich inklusive anteiliger Sonderzahlungen, eine weitere Sorgepflicht für seine nur geringfügig beschäftigte Ehefrau sowie Einkommenslosigkeit der Unterhaltsberechtigten herangezogen wurde. Dem vom Antragsteller angebotenen Unterhaltsbetrag von 300 EUR monatlich, dem die Antragsgegnerin letztlich zustimmte, lag auch eine Anrechnung der Familienbeihilfe zugrunde.

In der Folge setzte das Erstgericht auf Antrag des Vaters dessen Unterhaltspflicht für seine Tochter ab dem 1. 4. 2011 auf 240 EUR monatlich herab. Dies mit der wesentlichen Begründung, die Antragsgegnerin lebe im gemeinsamen Haushalt mit ihrer Mutter, studiere Rechtswissenschaften, sei für zehn Stunden pro Woche erwerbstätig und erziele daraus ein Eigeneinkommen von rund 397 EUR monatlich netto inklusive anteiliger Sonderzahlungen. Der Antragsteller verfüge als Kraftfahrer über ein Durchschnittsnettoeinkommen von 1.629 EUR monatlich inklusive anteiliger Sonderzahlungen und abzüglich der Hälfte der Diäten. Er sei weiterhin für seine nur geringfügig beschäftigte Ehegattin sorgepflichtig. Unter Heranziehung der judikaturüblichen Formel zur Ermittlung des restlichen Unterhaltsanspruchs sowie unter Berücksichtigung der steuerlichen Entlastung durch Anrechnung der Familienbeihilfe verbleibe ein restlicher Unterhaltsanspruch von 240 EUR monatlich.

Das Rekursgericht bestätigte diesen Beschluss und ließ den Revisionsrekurs nachträglich zu. Das einzige Rekursargument, dass die Antragsgegnerin mit Beginn des Mutterschutzes ab August 2011 einkommenslos sein werde, erachtete das Rekursgericht als nicht stichhältig, da der Unterhaltsbemessung die Sachlage zum Zeitpunkt der erstgerichtlichen Beschlussfassung zugrundezulegen sei. Der künftige Wegfall des im erstinstanzlichen Beschluss angerechneten Eigeneinkommens wäre eine wesentliche Umstandsänderung, welche die Antragsgegnerin danach mit einem neuen Unterhaltsfestsetzungsantrag geltend machen könne.

Gegen diesen Beschluss richtet sich der Revisionsrekurs der Antragsgegnerin mit dem Antrag, den Unterhaltsherabsetzungsantrag des Vaters abzuweisen. Sie macht geltend, nach der Rechtsprechung minderten Eigeneinkünfte des Kindes nicht direkt seinen Unterhaltsanspruch, sondern vorerst nur seinen Bedarf. Da im vorliegenden Fall keine besonderen Umstände festgestellt worden seien, die im Einzelfall eine Korrektur nach unten rechtfertigten, stehe die Entscheidung im Widerspruch zu dieser Rechtsprechung. Darüber hinaus seien die dem Obsorgeberechtigten zufließenden Transferleistungen bei der Unterhaltsbemessung nicht von Amts wegen, sondern nur auf Einwendung des Unterhaltspflichtigen zu berücksichtigen. Eine derartige Einwendung sei im gegenständlichen Fall nicht erhoben worden. Hinzu komme, dass das Erstgericht trotz eines festgestellten Eigeneinkommens der Ehegattin des Antragstellers 3 % vom maßgebenden Unterhaltssatz abgezogen habe, während die höchstrichterliche Rechtsprechung lediglich für die einkommenslose Ehegattin einen Abzug von 3 % vorsehe.

Der Antragsteller beantragt, den Revisionsrekurs zurückzuweisen, in eventu abzuweisen.

Der Revisionsrekurs ist ungeachtet des ‑ den Obersten Gerichtshof nicht bindenden ‑ Zulassungsausspruchs des Rekursgerichts in Ermangelung von erheblichen Rechtsfragen im Sinn von § 62 Abs 1 AußStrG unzulässig.

Rechtliche Beurteilung

1. Grundsätzlich sind zwar die dem Obsorgeberechtigten zufließenden Transferleistungen bei der Unterhaltsbemessung nicht von Amts wegen, sondern nur auf Einwendung des Unterhaltspflichtigen zu berücksichtigen (RIS-Justiz RS0117764). Nach der Entscheidung des verstärkten Senats 1 Ob 160/09z ist eine Berücksichtigung der Familienbeihilfe von Amts wegen geboten, wenn das Gericht sie bei einer früheren Entscheidung berücksichtigt habe und der Antragsteller daher keinen Grund habe anzunehmen, dass das Gericht die in der letzten Entscheidung für maßgeblich angesehenen Kriterien nicht neuerlich heranziehen werde. Eine amtswegige Berücksichtigung findet auch dann statt, wenn der Unterhaltspflichtige einem Festsetzungsantrag entgegentritt (RIS-Justiz RS0117764 [T5]).

Diese Voraussetzungen sind gegeben: Das Gericht hatte in der früheren Entscheidung die Familienbeihilfe unterhaltsmindernd angerechnet, sodass der Antragsteller keinen Grund zur Annahme hatte, dass diese Anrechnung bei der Neufestsetzung des Unterhalts unterbleiben werde, zumal er im vorliegenden Verfahren auch einem Unterhaltsantrag der Rechtsmittelwerberin entgegentrat. Dass das Rekursgericht die Transferleistung mitberücksichtigte, ist daher im Lichte der zitierten Rechtsprechung vertretbar.

2. Bei einfachen Lebensverhältnissen ist das Eigeneinkommen des Minderjährigen auf die Leistungen des geldunterhaltspflichtigen und des betreuenden Elternteils im Verhältnis zwischen dem Durchschnittsbedarf der Altersgruppe, der der Minderjährige angehört, und dessen Differenz zur Mindestpensionshöhe anzurechnen (RIS-Justiz RS0047565).

Die Ermittlung des Unterhalts durch die Vorinstanzen folgen dieser Leitlinie. Unter Berücksichtigung des Umstands, dass der Unterhalt stets bemessen und nicht mathematisch exakt berechnet wird (RIS-Justiz RS0057284; 1 Ob 57/10d; 10 Ob 49/10v), sind die von den Vorinstanzen ermittelten Beträge nicht zu beanstanden.

3. Der Einwand der Antragsgegnerin, die zusätzliche Sorgepflicht des Antragstellers (für seine Ehegattin) sei übermäßig berücksichtigt worden, ist verfehlt, weil die Vorinstanzen bei der Bemessung des Unterhalts gar keinen Abzug für weitere Sorgepflichten vorgenommen haben.

Die Kostenentscheidung gründet auf § 78 Abs 2 AußStrG; der Antragsteller wies auf die Unzulässigkeit des gegnerischen Rechtsmittels hin.

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