OGH 10ObS78/12m

OGH10ObS78/12m26.6.2012

Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht in Arbeits- und Sozialrechtssachen durch den Senatspräsidenten Dr. Hradil als Vorsitzenden, die Hofräte Dr. Fellinger und Dr. Hoch sowie die fachkundigen Laienrichter MMag. DDr. Hubert Fuchs und Werner Rodlauer (beide aus dem Kreis der Arbeitgeber) als weitere Richter in der Sozialrechtssache der klagenden Partei Dr. G*****, vertreten durch Dr. Gregor Berchtold, Rechtsanwalt in Wien, gegen die beklagte Partei Sozialversicherungsanstalt der gewerblichen Wirtschaft, 1051 Wien, Wiedner Hauptstraße 84-86, wegen Erwerbsunfähigkeitspension, über die außerordentliche Revision der klagenden Partei gegen das Urteil des Oberlandesgerichts Wien als Berufungsgericht in Arbeits- und Sozialrechtssachen vom 27. Februar 2012, GZ 10 Rs 14/12w-44, den

Beschluss

gefasst:

 

Spruch:

Der Antrag des Klägers, dem Verfassungsgerichtshof die Frage vorzulegen, ob die Bestimmung des § 133 GSVG im Lichte der fehlenden Wahlmöglichkeit des Pflichtversicherten und den im Vergleich zu den Bestimmungen des ASVG deutlich erschwerten Voraussetzungen der Erwerbs- bzw Berufsunfähigkeit verfassungswidrig ist, wird zurückgewiesen.

Die außerordentliche Revision wird gemäß § 508a Abs 2 ZPO mangels der Voraussetzungen des § 502 Abs 1 ZPO zurückgewiesen.

Begründung

Rechtliche Beurteilung

Ein bereits in der Berufung geltend gemachter angeblicher Mangel des Verfahrens erster Instanz, den das Berufungsgericht verneint hat, kann nach ständiger Rechtsprechung - auch im Verfahren nach dem ASGG - im Revisionsverfahren nicht mehr mit Erfolg aufgegriffen werden. Dies gilt auch für eine unter dem Gesichtspunkt der Mangelhaftigkeit des Verfahrens erster Instanz gerügte Verletzung der richterlichen Anleitungspflicht (10 ObS 18/05b mwN ua).

Der in der außerordentlichen Revision geltend gemachte Verfahrensmangel könnte daher nur dann gegeben sein, wenn das Berufungsgericht infolge unrichtiger Anwendung verfahrensrechtlicher Vorschriften eine Erledigung der Mängelrüge unterlassen oder sie mit einer durch die Aktenlage nicht gedeckten Begründung verworfen hätte (10 ObS 18/05b mwN); beide Fälle liegen hier jedoch nicht vor. Das Berufungsgericht hat das Vorliegen des behaupteten Verfahrensmangels mit der Begründung verneint, der Kläger habe in seiner Berufung nicht aufgezeigt, welche konkreten entscheidungsrelevanten Ergebnisse unter Beachtung der angeblich verletzten Anleitungspflicht hätten erzielt werden können. Dass das Berufungsgericht damit infolge unrichtiger Anwendung verfahrensrechtlicher Vorschriften eine Erledigung der Mängelrüge unterlassen oder sie mit einer durch die Aktenlage nicht gedeckten Begründung verworfen hätte, wird auch vom Revisionswerber nicht geltend gemacht. Die mit der außerordentlichen Revision angestrebte neuerliche Prüfung der Verfahrensrüge, ob eine Verletzung der richterlichen Anleitungspflicht und dadurch auch eine Verletzung der Verpflichtung zur amtswegigen Beweisaufnahme nach § 87 ASGG durch das Erstgericht vorliegt, ist dem Obersten Gerichtshof somit verwehrt (10 ObS 18/05b mwN).

Nach ständiger Rechtsprechung des Verfassungsgerichtshofs sind die einzelnen Sozialversicherungssysteme (ASVG, GSVG, BSVG) wegen ihrer unterschiedlichen Gestaltungen des Beitrags- und Leistungsrechts nicht miteinander vergleichbar, sodass zufolge der bestehenden prinzipiellen Unterschiedlichkeit der einzelnen Sozialversicherungssysteme der Gleichheitsgrundsatz für eine einheitliche Regelung nicht ins Treffen geführt werden kann (10 ObS 226/97a, SSV-NF 11/87 mit Nachweisen aus der Rechtsprechung des Verfassungsgerichtshofs; RIS-Justiz RS0107985). Dass der Berufsschutz nach dem GSVG in anderer Weise geregelt ist als jener nach dem ASVG und die Voraussetzungen hiefür allenfalls strenger sind, erweckt - wie der Oberste Gerichtshof ebenfalls bereits mehrfach ausgesprochen hat - keine Bedenken gegen die Verfassungsmäßigkeit der Bestimmungen des § 133 Abs 2 GSVG. Bei den Versicherungen nach dem ASVG, dem GSVG und den anderen Sozialversicherungsgesetzen handelt es sich jeweils um geschlossene Systeme, die Regelungen für die in die einzelnen Gesetze einbezogenen Risikogemeinschaften treffen; auch die Finanzierung des Aufwands ist unterschiedlich. Ein Vergleich der Lage des nach dem GSVG Versicherten mit den nach dem ASVG Versicherten in Bezug auf einzelne Rechtsfolgen ist nur unter besonderen Umständen zulässig. Solche Umstände treten bei der Festlegung der Voraussetzungen für den Berufsschutz nach § 133 Abs 2 GSVG nicht zutage (10 ObS 10/98p mwN; RIS-Justiz RS0108283).

Die Ausführungen in der außerordentlichen Revision sowie der Hinweis des Revisionswerbers auf die nicht das Sozialversicherungsrecht, sondern das Steuerrecht betreffenden Erkenntnisse des Verfassungsgerichtshofs VfSlg 11260 und 13296 vermögen keine verfassungsrechtlichen Bedenken an der auch hier maßgebenden Bestimmung des § 133 Abs 2 GSVG zu erwecken, zumal keine verfassungsrechtliche Verpflichtung des Gesetzgebers besteht, die Sozialversicherungssysteme ohne Rücksicht darauf, dass unterschiedliche Bevölkerungsgruppen betroffen sind, nach einheitlichen Gesichtspunkten zu regeln (vgl VfSlg 13.634 ua). Da den Parteien nach ständiger Rechtsprechung ein Recht, vom Gericht die Antragstellung an den Verfassungsgerichtshof auf Aufhebung eines Gesetzes wegen Verfassungswidrigkeit zu verlangen, nicht zusteht (RIS-Justiz RS0054189, RS0058452), ist der diesbezügliche Antrag des Klägers zurückzuweisen (vgl zuletzt 10 ObS 52/12p mwN).

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