OGH 7Ob61/12i

OGH7Ob61/12i30.5.2012

Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht durch die Vizepräsidentin des Obersten Gerichtshofs Dr. Huber als Vorsitzende und die Hofräte des Obersten Gerichtshofs Dr. Schaumüller, Dr. Hoch, Dr. Kalivoda und Mag. Dr. Wurdinger als weitere Richter in der Rechtssache der klagenden Partei R***** L*****, vertreten durch Achammer & Mennel Rechtsanwälte OG in Feldkirch, gegen die beklagte Partei Dr. H***** H*****, vertreten durch Dr. Paul Sutterlüty und andere Rechtsanwälte in Dornbirn, wegen 20.812 EUR sA, über die Revisionen der klagenden und beklagten Partei gegen das Teilurteil des Oberlandesgerichts Innsbruck als Berufungsgericht vom 29. Dezember 2011, GZ 1 R 246/11b‑85, womit das Urteil des Landesgerichts Feldkirch vom 30. August 2011, GZ 9 Cg 160/06y‑78, teilweise bestätigt und teilweise abgeändert wurde, den

Beschluss

gefasst:

 

Spruch:

I.:

1. Die Revision der klagenden Partei wird, soweit sie sich gegen die Abweisung eines Betrags von 2.284,66 EUR samt 4 % Zinsen seit 1. 12. 2004, wendet, zurückgewiesen.

2. Der Revision der klagenden Partei wird im Übrigen Folge gegeben. Die Entscheidungen der Vorinstanzen werden, soweit nicht die Abweisung von 4 % Zinsen aus 20.812 EUR vom 1. 12. 2004 bis 31. 7. 2005 durch das Berufungsgericht unangefochten blieb, im Umfang der Abweisung von 4.056,50 EUR samt 4 % Zinsen seit 1. 12. 2004 aufgehoben und die Rechtssache insoweit an das Erstgericht zur neuerlichen Entscheidung zurückverwiesen.

Die Kosten des Revisionsverfahrens sind weitere Verfahrenskosten.

II.:

Die Revision der beklagten Partei wird zurückgewiesen.

Die beklagte Partei ist schuldig, der klagenden Partei die mit 768,24 EUR (darin enthalten 128,04 EUR an USt) bestimmten Kosten der Revisionsbeantwortung binnen 14 Tagen zu ersetzen.

Begründung

Rechtliche Beurteilung

Zu I.1.:

Die Abweisung des Mehrbegehrens von 2.284,66 EUR samt 4 % Zinsen seit 1. 12. 2004 durch das Erstgericht erwuchs in Rechtskraft. Das Berufungsgericht wies unter Einschluss dieses in Rechtskraft erwachsenen Teils des Ersturteils das Mehrbegehren von 6.341,16 EUR samt 4 % Zinsen seit 1. 12. 2004 ab. Gegen die Abweisung insgesamt richtet sich die Revision des Klägers und übergeht damit die Rechtskraft der erstinstanzlichen Entscheidung. Die Revision ist insoweit zurückzuweisen.

Zu I.2.:

Die vom Kläger geltend gemachte Schadenersatzforderung gründet sich auf seine Fehlberatung durch den Beklagten in einem Unterhaltsverfahren. Er begehrt die Differenz zwischen jenem Betrag, den er auf Grund des ‑ unter Anleitung des Beklagten ‑ geschlossenen unbedingten Vergleichs habe zahlen und jenem Betrag, den er bei richtiger Beratung hätte zahlen müssen. Soweit für das Revisionsverfahren noch von Bedeutung macht der Kläger geltend, dass ihm auf Grund der von der Mutter bezogenen Familienbeihilfe die in ständiger Rechtsprechung gewährte steuerliche Entlastung zukommen müsse.

Der Beklagte bestreitet die Berechtigung, für die Tochter Familienbeihilfe zu beziehen, weil sie ab einem bestimmten Zeitpunkt im Ausland gelebt habe.

Das Erstgericht stellte dazu fest, dass die Mutter bis zum 26. Geburtstag der Tochter Familienbeihilfe von monatlich 152,70 EUR bezogen hat. Es berücksichtigte während des gesamten Bezugszeitraums die Entlastung des Klägers.

Das Berufungsgericht änderte das erstinstanzliche Urteil teilweise ab. Die Tochter habe sich zuletzt zu Studienzwecken ständig in Deutschland aufgehalten, sodass ab einem bestimmten Zeitpunkt kein Anspruch auf Familienbeihilfe bestanden habe und die steuerliche Entlastung des Klägers nicht mehr zu berücksichtigen sei.

In Abänderung seines ursprünglichen Ausspruchs erklärte das Berufungsgericht die Revision des Klägers für zulässig, weil er zutreffend auf § 53 FLAG hinweise.

Dagegen richtet sich die Revision des Klägers mit einem Abänderungsantrag, hilfsweise wird ein Aufhebungsantrag gestellt.

Der Beklagte beantragt, die Revision zurückzuweisen, hilfsweise ihr nicht Folge zu geben.

Die Revision ist zulässig, sie ist auch im Sinn des Aufhebungsantrags berechtigt.

Zutreffend verweist der Kläger auf § 53 Abs 1 FLAG, nach dem der ständige Aufenthalt von Kindern in Mitgliedstaaten des europäischen Wirtschaftsraums einem ständigen Aufenthalt des Kindes in Österreich gleichzuhalten ist. Abgesehen davon steht aber fest, dass die Mutter die Familienbeihilfe für die Tochter im streitrelevanten Zeitraum bezogen hat. Damit steht auch dem Kläger die steuerliche Entlastung (vgl RIS‑Justiz RS0117023, RS0117082) zu. Eine Überprüfung, ob die Familienbeihilfe zu Recht gewährt wurde steht dem Gericht nicht zu. Die steuerliche Entlastung wird bei der abschließenden Ermittlung des Schadenersatzanspruchs des Klägers von den Vorinstanzen (ein Teil des Ersturteils wurde vom Berufungsgericht aufgehoben) zu berücksichtigen sein.

Der Kostenvorbehalt gründet sich auf § 52 ZPO.

Zu II.:

Das Berufungsgericht erklärte in Abänderung seines ursprünglichen Ausspruchs auch die Revision des Beklagten für zulässig, wobei es dafür keine eigenständige Begründung lieferte, sondern nur auf den Abänderungsantrag des Beklagten verwies. Dieser führe aus, dass zur Frage, wie „Geldmittelzuflüsse“ aus einer GmbH, bei der der Unterhaltspflichtige beherrschenden Einfluss ausübe, kaum Einzelfallentscheidungen vorlägen und „die Rechtsfrage“ bislang keiner höchstgerichtlichen Entscheidung zugeführt worden sei.

Entgegen dem ‑ den Obersten Gerichtshof nicht bindenden ‑ Ausspruch des Berufungsgerichts ist die Revision des Beklagten mangels Vorliegens einer erheblichen Rechtsfrage nicht zulässig. Die Entscheidung kann sich auf die Ausführung der Zurückweisungsgründe beschränken.

Der Rechtsanwalt haftet seiner Partei gegenüber für Unkenntnis der Gesetze nach einhelliger Lehre und Rechtsprechung. Er muss, soll diese Haftung ausgeschlossen werden, seine Partei aufklären, wenn nach dem klaren Wortlaut des Gesetzes oder nach der einhelligen herrschenden Rechtsübung eine Prozessführung aussichtslos erscheint. Tut er dies nicht, ist seine Tätigkeit wertlos (RIS‑Justiz RS0038663). Zu den wichtigsten Aufgaben des Rechtsanwalts gehört die Belehrung des Mandanten (RIS‑Justiz RS0038682). Eine unzulängliche Rechtsbelehrung macht den sie erteilenden Rechtsanwalt schadenersatzpflichtig. Nur dann, wenn sich eine Spruchpraxis zu einer bestimmten Rechtsfrage noch nicht gebildet hat, kann dem Rechtsanwalt kein Vorwurf gemacht werden, wenn ein von ihm eingenommener, an sich vertretbarer Rechtsstandpunkt in der Folge von der Rechtsprechung nicht geteilt werden sollte (RIS‑Justiz RS0023526). Liegt das Verschulden des Rechtsanwalts in der unterlassenen Aufklärung über die Notwendigkeit einer Prozesshandlung, so ist über einen daraus abgeleiteten Schadenersatzanspruch der Prozess ‑ auch bezüglich der dort in Betracht gekommenen rechtlichen Erwägungen ‑ hypothetisch nachzuvollziehen und es ist zu beurteilen, wie er mit überwiegender Wahrscheinlichkeit geendet hätte, wenn die Prozesshandlung vorgenommen worden wäre (RIS‑Justiz RS0022706). Bei der Beurteilung, ob dem Kläger durch den Anwaltsfehler ein Schaden entstanden ist, muss das Gericht den mutmaßlichen Verlauf der Geschehnisse unter der Voraussetzung ermitteln, dass sich der Anwalt richtig verhalten hätte (5 Ob 38/05g mwN). Der Kläger ist für die Behauptung beweispflichtig, dass der Schaden bei einem bestimmten und möglichen pflichtgemäßen Handeln des Rechtsanwalts nicht eingetreten wäre (RIS‑Justiz RS0022700).

Der Einwand in der Revision, dass sich erst nach Vergleichsabschluss eine einhellige Judikatur zur Behandlung der AfA (Absetzung für Abnützung) gebildet habe und die von ihm vertretene Rechtsansicht zumindest vertretbar gewesen sei, beim angestellten Geschäftsführer sei die AfA in der Bilanz der GmbH, bei der er alleiniger Gesellschafter und Geschäftsführer sei, zur Unterhaltsbemessungsgrundlage hinzuzuzählen, ist nicht überzeugend. Es wird nämlich übersehen, dass sich die Frage, ob die AfA bei der Unterhaltsbemessungsgrundlage hinzuzuzählen ist oder nicht, nur in jenen Fällen stellt, in denen diese vom Unterhaltsschuldner selbst geltend gemacht wird, also seine Einkommensverhältnisse dadurch zum Nachteil des Unterhaltspflichtigen verändert werden. Der Kläger war aber angestellter Geschäftsführer seiner GmbH und bezog ein unselbständiges Erwerbseinkommen. Die in der Bilanz der GmbH, die eine eigene Rechtspersönlichkeit hat (§ 61 GmbHG), berücksichtigte AfA konnte daher bei der Ermittlung der Unterhaltsbemessungsgrundlage auf Basis des Einkommens des Unterhaltsschuldners gar nicht erhöhend wirken. Insofern wurde er vom Beklagten unrichtig beraten.

Der Kläger war statt mit der erwarteten Unterhaltsforderung in der Höhe von 450 EUR plötzlich (unter Berücksichtigung der AfA) mit einer solchen in der Höhe von 1.000 EUR konfrontiert. Die Rechtsansicht der Vorinstanzen, dass der Beklagte jedenfalls nur zu einem bedingten Vergleich hätte raten dürfen, um Unklarheiten ausräumen und sich mit seinem Klienten besprechen zu können, hält sich im Rahmen der Judikatur. Da auch nach Ansicht des Beklagten keine einhellige Rechtsprechung zur anstehenden Rechtsfrage bestand, hätte er dies dem Kläger auseinander setzen müssen. Es steht fest, dass der Kläger keinen Vergleich geschlossen hätte, wenn ihm andere rechtliche Argumentationslinien aufgezeigt worden wären.

Nach ständiger Rechtsprechung sind unter bestimmten Umständen Privatentnahmen eines selbständig erwerbstätigen Unterhaltspflichtigen der Unterhaltsbemessungsgrundlage hinzuzurechnen (vgl RIS‑Justiz RS0047382, RS0013386). Ob und in welchem Ausmaß sie zu berücksichtigen sind, ist im Allgemeinen keine der Überprüfung durch den Obersten Gerichtshof zugängliche erhebliche Rechtsfrage (6 Ob 126/07h mwN).

Die Entscheidungen der Vorinstanzen, dass die auf dem Verrechnungskonto des Klägers bei „seiner“ Gesellschaft gebuchten Beträge nicht in die Unterhaltsbemessungsgrundlage in dem vom Beklagten bekämpften Umfang einzuberechnen seien, ist mit der Judikatur in Einklang zu bringen. Es steht fest, dass der Kläger die (überhöhten) Unterhaltszahlungen für seine Tochter, zu deren Begleichung er sich auf Grund des Rates des Beklagten (auch für die Vergangenheit) verpflichtete, nicht mit seinem eigenen Einkommen finanzieren konnte und dass er sie durch Entnahmen aus dem Verrechnungskonto beglich. Diese Beträge dienten nicht der Abdeckung seines Lebensunterhalts.

Auf eine ‑ nicht einmal feststehende ‑ „mögliche Gewinnausschüttung“ der GmbH an den Gesellschafter ist schon deshalb nicht Bedacht zu nehmen, weil die Rechtsansicht der Vorinstanzen, dass unternehmerische Gründe dafür sprachen, einen allfälligen Gewinn nicht auszuzahlen, gegeben waren (vgl 3 Ob 134/10t). Es steht hier fest, dass weder eine Erhöhung des Geschäftsführergehalts noch zusätzliche Entnahmen für die GmbH aus betriebswirtschaftlicher Sicht zu vertreten gewesen wären, weil sie in einer ‑ branchenspezifisch typischen ‑ nicht besonders guten wirtschaftlichen Lage war.

Der inzwischen für das Unternehmen erzielte Verkaufserlös kann (was wohl keiner weiteren Begründung bedarf) nicht für die Vergangenheit zu einer Unterhaltserhöhung führen. Wie sich aus dem zwischen dem Kläger und seiner Tochter geschlossenen Vergleich nach Veräußerung ergibt, wurde darauf auch später nicht Bezug genommen. Dass dies bei richtiger Beratung durch den Beklagten anders gewesen wäre, ist nicht erkennbar.

Der Revision ist abschließend insgesamt zu erwidern, dass es bei der Ermittlung des Schadens ‑ wie oben dargelegt ‑ auf den hypothetischen Verfahrensablauf/Lebensvorgang bei richtiger Beratung ankommt. Es gibt im Verfahren keinen Hinweis darauf, dass bei korrekter Beratung weitere ‑ ohnedies nur unspezifiziert vom Beklagten behauptete ‑ Einkommensbestandteile des Klägers die Bemessungsgrundlage allenfalls erhöht hätten, zumal der Beklagte ja den Auftrag hatte, den unterhaltspflichtigen Vater zu beraten, der ‑ wie das Verfahren auch zeigte ‑ versuchte, sein Einkommen so gering wie möglich darzustellen.

Ob ein Mitverschulden zu bejahen ist oder nicht, ist ebenfalls eine Frage des Einzelfalls (vgl RIS‑Justiz RS0087606). Die Rechtsansicht der Vorinstanzen, dass es dafür keinen Anhaltspunkt gibt, hält sich im Rahmen der Judikatur.

Die Ausführungen der Revision zum Zinsvorteil sind nicht verständlich. Der Kläger leistete die festgestellten Zahlungen. Diese liegen der Schadensberechnung zugrunde.

Es werden keine erheblichen Rechtsfragen geltend gemacht.

Die Kostenentscheidung gründet sich auf §§ 50, 41 ZPO. Die Revisionsbeantwortung verweist zutreffend auf die Unzulässigkeit des Rechtsmittels.

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