OGH 7Ob70/12p

OGH7Ob70/12p30.5.2012

Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht durch die Vizepräsidentin Dr. Huber als Vorsitzende und die Hofräte Dr. Schaumüller, Dr. Hoch, Dr. Kalivoda und Mag. Dr. Wurdinger als weitere Richter in der Rechtssache der klagenden Partei G***** AG, *****, vertreten durch Dullinger Schneider Rechtsanwälte GmbH in Wien, gegen die beklagte Partei G***** M*****, vertreten durch Dr. Angela Lenzi, Rechtsanwältin in Wien, wegen 24.358,27 EUR (sA), über die Revision des Beklagten gegen das Urteil des Oberlandesgerichts Wien als Berufungsgericht vom 24. November 2011, GZ 11 R 81/11d-34, mit dem das Urteil des Landesgerichts für Zivilrechtssachen Wien vom 15. Oktober 2010, GZ 9 Cg 125/07d-21, teilweise abgeändert wurde, den

Beschluss

gefasst:

 

Spruch:

Die Revision wird zurückgewiesen.

Der Beklagte ist schuldig, der Klägerin die mit 1.397,88 EUR (darin enthalten 232,98 EUR USt) bestimmten Kosten der Revisionsbeantwortung binnen 14 Tagen zu ersetzen.

Begründung

Rechtliche Beurteilung

Gemäß § 510 Abs 3 letzter Satz ZPO kann sich die Zurückweisung einer ordentlichen Revision wegen Fehlens einer erheblichen Rechtsfrage (§ 502 Abs 1 ZPO) auf die Ausführung der Zurückweisungsgründe beschränken.

Das Berufungsgericht, das die (weitgehend) klagsstattgebende Entscheidung des Erstgerichts lediglich im Zinsenpunkt teilweise abgeändert hat, sprach zunächst aus, dass die (ordentliche) Revision nicht zulässig sei. Auf Antrag des Beklagten änderte es diesen Ausspruch dahin ab, dass es die ordentliche Revision doch für zulässig erklärte. Zwar komme der Frage, ob ein Vertragspartner den anderen durch Arglist zum Vertragsabschluss bestimmt habe, grundsätzlich keine über den Einzelfall gehende Bedeutung zu. Vor allem im Hinblick auf die getroffenen negativen Feststellungen könne aber eine erhebliche Fehlbeurteilung der Verschuldensfrage durch das Berufungsgericht nicht ausgeschlossen werden.

Entgegen diesem - den Obersten Gerichtshof nicht bindenden (§ 508a Abs 1 ZPO) - Ausspruch des Berufungsgerichts ist die Revision des Beklagten wegen Fehlens einer erheblichen Rechtsfrage unzulässig.

Arglist ist bewusste Täuschung und immer dann anzunehmen, wenn der Vertragspartner durch vorsätzliche Vorspiegelung falscher oder Unterdrückung wahrer Tatsachen in Irrtum geführt oder in seinem Irrtum belassen oder sogar bestärkt und hiedurch zum Abschluss des angestrebten Vertrags veranlasst wurde (RIS-Justiz RS0014805; vgl auch RS0014829). Nach einhelliger Auffassung reicht für listiges Handeln auch bedingter Vorsatz (dolus eventualis) aus (RIS-Justiz RS0014837; Rummel in Rummel 3 § 870 ABGB Rz 2; Kollmasch in Schwimann, ABGB-TaKomm, § 870 ABGB Rz 2, jeweils mwN). Für die Beurteilung der listigen Irreführung spielt es keine Rolle, ob die Nachteile tatsächlich eingetreten sind, denen sich der irregeführte Vertragspartner mit dem Abschluss des Vertrags ausgesetzt hat. Maßgebend ist allein, dass er den Vertrag nicht geschlossen hätte, hätte er den wahren Sachverhalt gekannt (RIS-Justiz RS0115485). Niemand soll in seinem Entschluss, ein Rechtsgeschäft überhaupt oder mit einem bestimmten Inhalt vorzunehmen, durch Vorspiegelung falscher Tatsachen bewusst mit dem Ziel beeinträchtigt werden, dass dadurch sein rechtsgeschäftlicher Wille beeinflusst wird oder doch beeinflusst werden könnte (RIS-Justiz RS0014789). Bei der Beurteilung der Frage, ob die Voraussetzungen des § 870 ABGB erfüllt sind, kommt es maßgeblich auf die Umstände des jeweiligen Einzelfalls an (RIS-Justiz RS0014829 [T4]). Zufolge dieser Einzelfallbezogenheit ist die Frage, ob jemand einen bestimmten Vertragsabschluss durch Arglist erreicht hat, nur dann revisibel, wenn dem Berufungsgericht eine Fehlbeurteilung unterlaufen ist, die aus Gründen der Rechtssicherheit oder der Einzelfallgerechtigkeit einer Korrektur durch den Obersten Gerichtshof bedürfte. Dies trifft im vorliegenden Fall nicht zu:

Der Revisionswerber stützt seine Kritik an der Ansicht der Vorinstanzen, er habe arglistig gehandelt, vor allem auf die Behauptung, es habe nicht festgestellt werden können, welchen Zweck er und der für ihn einschreitende Versicherungsmakler mit der falschen Angabe zum Verwendungszweck der zu versichernden Fahrzeuge („privat“ statt im Rahmen des Gewerbebetriebs) verfolgt habe.

Dies ist insofern unrichtig, als das Erstgericht im Rahmen seiner rechtlichen Erwägungen zwar ausgeführt hat, dass eine ausdrückliche Feststellung darüber, welchen Zweck der Beklagte und sein Vertreter mit der Angabe eines falschen Verwendungszwecks für die Fahrzeuge verfolgt hätten, fehle. Festgestellt sei aber, dass für beide klar gewesen sei, dass es dem Beklagten darauf angekommen sei, die Versicherungsprämien für die LKWs möglichst niedrig zu halten. Gerade mit diesem Anliegen habe sich der Beklagte ja an den Versicherungsmakler gewandt, dem er „seine Unternehmenssituation“ geschildert habe. Außerdem hätten beide gewusst, dass es bei den gewerblich genutzten Fahrzeugen zu einer „Verbandszuweisung“ kommen könne, die mit hohen Prämienaufschlägen verbunden sei. Bei dieser Sachlage sei davon auszugehen, dass jedenfalls der vom Beklagten bevollmächtigte Versicherungsmakler die Erheblichkeit des beabsichtigten Verwendungszwecks für den Versicherer erkannt und es gebilligt habe, dass die wissentlich falsche Beantwortung einer Antragsfrage die Entscheidung des Versicherers, das jeweilige Vertragsverhältnis zu den günstigeren Bedingungen für „privat“ genutzte Fahrzeuge einzugehen, zumindest beschleunigt und erleichtert habe. Es sei daher eine bedingt vorsätzliche Täuschung vorgelegen.

Ganz ähnlich hat auch das Berufungsgericht argumentiert: Maßgeblich für die Annahme eines Täuschungsvorsatzes seien die festgestellten Umstände, die den Vertragsabschlüssen vorangegangen seien und diese begleitet hätten. Der Beklagte habe bereits die Erfahrung gemacht gehabt, dass die Versicherung eines seiner gewerblich genutzten Fahrzeuge abgelehnt worden sei; er habe gewusst, dass es zu sogenannten Verbandszuweisungen kommen könne und dass sich dann die Versicherungsprämien empfindlich erhöhten. Ihm sei es aber gerade darauf angekommen, die Versicherungsprämien möglichst niedrig zu halten. Der Beklagte und sein Vertreter hätten einen Einfluss der falschen - irreführenden - Angabe im Versicherungsantrag auf den Abschlusswillen der Klägerin demnach ernstlich für möglich gehalten und sich damit abgefunden. Bestärkt werde dieses Ergebnis durch den Grundsatz, dass nach oberstgerichtlicher Judikatur ein Umstand, nach dem der Versicherer ausdrücklich und schriftlich gefragt habe, im Zweifel als erheblich gelte. Die Klägerin habe den Beweis eines, wenn auch nur bedingten, Irreführungsvorsatzes des Beklagten erbracht.

Diese Rechtsansicht stellt unter den von den Vorinstanzen aufgezeigten Umständen keine vom Obersten Gerichtshof aufzugreifende Fehlbeurteilung dar. Der Einwand, der Beklagte habe von der Wirtschaftskammer die Auskunft erhalten, es sei möglich, ein als „privat“ bei der Versicherung angemeldetes Fahrzeug an sein eigenes Unternehmen zu „verleihen“, ändert nichts daran, dass dem Beklagten als Unternehmer klar sein musste, dass die Angabe über den Verwendungszweck der zu versichernden Fahrzeuge objektiv falsch und daher rechtswidrig war und die Falschangabe die Klägerin veranlassen sollte, wesentlich niedrigere, dem versicherten Risiko nicht adäquate Prämien zu verlangen.

Auch mit dem Einwand, der für ihn einschreitende Versicherungsmakler sei, weil er für die Vermittlung der Versicherungsverträge von der Klägerin Provisionen bezogen habe, teilweise auch der Klägerin zuzurechnen, die sich daher ein Mitverschulden anrechnen lassen müsse, zeigt der Revisionswerber keine erhebliche Rechtsfrage auf. Der Versicherungsmakler im Sinn der §§ 26 ff MaklerG ist zwar regelmäßig ein Doppelmakler (vgl § 27 MaklerG), wird aber trotzdem als Hilfsperson des Versicherungsnehmers dessen Sphäre zugerechnet und hat primär als „Bundesgenosse“ des Versicherten dessen Interessen zu wahren. Davon zu unterscheiden ist der Versicherungsagent im Sinn des § 43 VersVG, der vom Versicherer ständig betraut ist, Versicherungsverträge zu vermitteln oder zu schließen, damit zum Versicherer ein Naheverhältnis hat und dessen Sphäre zugerechnet wird. Der Versicherer haftet selbst für den Makler, wenn das wirtschaftliche Naheverhältnis zu diesem so intensiv ist, dass es zweifelhaft scheint, ob er in der Lage ist, überwiegend die Interessen des Versicherungsnehmers zu wahren (RIS-Justiz RS0114041).

Ein solches enges wirtschaftliches Naheverhältnis seines Maklers zur Klägerin hat der Beklagte nie behauptet, geschweige denn unter Beweis gestellt. Das Berufungsgericht hat zutreffend darauf hingewiesen, dass allein das Bestehen einer Rahmenprovisionsvereinbarung die Annahme, es handle sich um einen unabhängigen Versicherungsmakler, nicht ausschließt (RIS-Justiz RS0114041 [T4]). Gegenteilige Aspekte, die der Annahme entgegenstünden, der für den Beklagten einschreitende Makler sei als dessen Hilfsperson allein diesem zuzurechnen, liegen nicht vor. Auch in diesem Punkt hat das Berufungsgericht die Rechtslage demnach nicht verkannt; vielmehr steht seine Entscheidung mit oberstgerichtlicher Judikatur in Einklang.

Schließlich zeigt der Beklagte mit seinen weiteren Ausführungen zur Rechtsrüge ebenfalls keine erhebliche Rechtsfrage auf; die betreffenden Rechtsansichten des Berufungsgerichts, insbesondere auch hinsichtlich der der Klägerin aus dem Titel des Schadenersatzes zuerkannten Detektivkosten, sind jedenfalls vertretbar. Mangels der Voraussetzungen des § 502 Abs 1 ZPO ist die Revision daher zurückzuweisen.

Die Kostenentscheidung gründet sich auf §§ 41 und 50 Abs 1 ZPO. Die Klägerin hat auf die Unzulässigkeit des Rechtsmittels ihres Prozessgegners hingewiesen, der ihr daher die Kosten der Revisionsbeantwortung zu ersetzen hat.

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