OGH 5Ob146/11y

OGH5Ob146/11y16.5.2012

Der Oberste Gerichtshof hat durch den Senatspräsidenten Hon.-Prof. Dr. Danzl als Vorsitzenden, die Hofrätinnen Dr. Hurch und Dr. Lovrek sowie die Hofräte Dr. Höllwerth und Mag. Wurzer als weitere Richter in der Rechtssache der klagenden Partei R***** W*****, vertreten durch Mag. Ulrich Salburg, Rechtsanwalt in Wien, gegen die beklagten Parteien 1. Lic. oec. J***** M*****, vertreten durch Hausmaninger Kletter Rechtsanwälte - Gesellschaft mbH in Wien, 2. A***** Ltd, *****, Niederlande, wegen 17.533,84 EUR sA, über die Revision der klagenden Partei gegen das Urteil des Oberlandesgerichts Wien als Berufungsgericht vom 26. April 2011, GZ 5 R 26/11x-32, womit das Urteil des Handelsgerichts Wien vom 17. November 2010, GZ 27 Cg 7/10z-18, bestätigt wurde, in nichtöffentlicher Sitzung den

Beschluss

gefasst:

 

Spruch:

Der Revision wird Folge gegeben.

Die Urteile der Vorinstanzen werden aufgehoben und dem Erstgericht die neuerliche Entscheidung nach Verfahrensergänzung aufgetragen.

Die Kosten des Revisionsverfahrens sind weitere Verfahrenskosten.

Text

Begründung

Der Kläger, der behauptet, durch den Ankauf von M*****-Zertifikaten zu bestimmt bezeichneten Zeitpunkten in bestimmter Höhe (S 5 der Klage) in seinem Vermögen geschädigt worden zu sein, macht gegen die beiden Beklagten Schadenersatzansprüche geltend.

Ein ursprünglich eventualiter erhobenes Begehren auf Aufhebung der Verträge über die Zertifikatserwerbe wurde zurückgezogen (ON 7).

Im Revisionsschriftsatz erklärte der Kläger überdies ausdrücklich, Schadenersatzansprüche, soweit sie aus Verletzungen des UWG erhoben worden waren, nicht mehr zu erheben.

Der Erstbeklagte war Vorstandsvorsitzender der M***** B***** AG, die als Emissionsbank tätig wurde.

Die Zweitbeklagte ist die Rechtsnachfolgerin der Emittentin der Zertifikate, der M***** E***** L***** Ltd (in der Folge „M*****“).

Der Zweitbeklagten wurde die Klage bisher nicht zugestellt.

Zur Begründung seines Anspruchs führte der Kläger im Wesentlichen aus wie folgt:

Er habe seine Anlageentscheidung hinsichtlich der M*****-Zertifikate auch auf Grundlage von Print- und TV-Werbung getroffen, die von der Emissionsbank herausgegeben bzw beauftragt worden sei.

In diesen Werbemaßnahmen der Emissionsbank sei er bewusst über die Werthaltigkeit und Wertstabilität der Anlage unrichtig informiert worden. Es sei darin der falsche Eindruck erweckt worden, es werde in konservative und wertsichere Veranlagung investiert, weil das Kapital direkt in Immobilien veranlagt werde. Es sei verschwiegen worden, dass die dargestellte Kursentwicklung über Marktmanipulation erfolgt sei. Auch sei eine unrichtige Gewinndarstellung erfolgt, die in Aussicht gestellten Renditen seien unrichtig gewesen, lang- und kurzfristige Schulden der M***** seien verschwiegen worden. Auch sei er darüber in die Irre geführt worden, dass er keine direkten Anteilsrechte an der M***** erwerbe, sondern bloß Zertifikate. Die Werbung habe den Kläger auch im Unklaren darüber gelassen, dass die M***** außerhalb der EU, nämlich in Jersey, ihren Sitz habe. Des Weiteren sei verschwiegen worden, dass Kapitalerhöhungen der M***** beginnend mit der Hauptversammlung vom 8. 7. 2005 nach dem Recht von Jersey nichtig gewesen seien, was der Emissionsbank als Verkäuferin bekannt gewesen sei.

Der Erstbeklagte habe anlässlich der Kapitalerhöhung der M***** im Jänner/Februar 2007 dafür massiv Werbung gemacht.

Des Weiteren sei durch eine Marktmanipulation der Emissionsbank im Zusammenwirken mit der Zweitbeklagten, wirksam schon im Juli 2005, im Besonderen durch Aktienrückkäufe durch die Emissionsbank auf Rechnung der Zweitbeklagten und unrichtige Ad-hoc-Meldungen der Zweitbeklagten, die von der Emissionsbank veranlasst wurden, eine Täuschung des Klägers dahin bewirkt worden, dass der Kurs anscheinend infolge der Nachfrage durch Anleger bis 2007 stetig angestiegen sei, dies unter Verschleierung der wahren Tatsachen, nämlich Kapitalerhöhungen und Rückkäufe durch die M*****.

In rechtlicher Hinsicht wurden die deliktischen Schadenersatzansprüche gegen den Erstbeklagten auf Rechtsverstöße der Emissionsbank, gegründet, wobei der Erstbeklagte als deren Vorstandsvorsitzender für die Verletzung von Schutzgesetzen und Verstöße gegen Verwaltungsstrafbestimmungen einzustehen habe. Die Ansprüche wurden auf allgemeine Schadenersatznormen, nämlich § 874 ABGB, § 1299 bzw § 1298 ABGB gestützt und als Schutzgesetze überdies auf § 255 AktG, § 48 Abs 1 Z 3 BörseG, Verstöße an denen der Erstbeklagte in seiner Funktion als Anstifter bzw Mittäter mitgewirkt habe. Darüber hinaus wird die Haftung des Erstbeklagten auf § 84 AktG gegründet und außerdem, dass die Beklagten hinsichtlich der Täuschungshandlungen bewusst zusammengewirkt hätten.

Das Erstgericht wies ohne Beweisaufnahme das gegen den Erstbeklagten gerichtete Klagebegehren auf Zahlung von 17.533,84 EUR (und das Eventualbegehren auf Aufhebung der Verträge verbunden mit Zahlung von 17.533,84 EUR sA gegen Übertragung von 1.586 Stück Zertifikaten der A***** Ltd [vormals M***** Eu***** L***** Ltd] - obwohl dieses bereits zurückgezogen worden war) ab.

Das Vorbringen zum Schadenersatzbegehren sei unschlüssig. Es stehe fest, dass der Kläger zum Erstbeklagten in keinem Vertragsverhältnis gestanden sei, sodass nur ein deliktischer Schadenersatzanspruch in Frage komme. Soweit der Kläger seine Ansprüche auf einen Verstoß gegen § 255 AktG stütze, sei dies verfehlt. Der Erstbeklagte habe bei der Zweitbeklagten bzw deren Rechtsvorgängerin zu keinem Zeitpunkt irgendwelche Organfunktionen innegehabt. Es sei auch nicht behauptet worden, dass er Beauftragter dieser Gesellschaft gewesen sei. Die Rechtsvorgängerin der Zweitbeklagten sei auch niemals ein verbundenes Unternehmen zur M***** B***** AG gewesen, deren Vorstandsvorsitz der Erstbeklagte innegehabt habe. Dass kein Beteiligungsverhältnis zwischen diesen Gesellschaften bestanden habe, sei gerichtsbekannt. Der Vorwurf einer Schutzgesetzverletzung könne den Erstbeklagten nur dann treffen, wenn ihm als Vorstandsvorsitzenden der M***** B***** AG hinsichtlich dieser Gesellschaft falsche unrichtige oder unvollständige Aussagen im Sinn der Bestimmung des § 255 AktG vorwerfbar seien.

Auch § 48 Abs 1 Z 3 BörseG stelle keine Haftungsgrundlage persönlich gegen den Erstbeklagten dar.

Welches rechtswidrige Verhalten der Erstbeklagte im Zusammenhang mit der Hauptversammlung der M***** vom 8. 7. 2005 gesetzt haben solle, sei nach dem Vorbringen nicht erkennbar. Trotz Aufforderung habe der Kläger seinem Vorbringen hiezu nichts Substantielles hinzugefügt.

Dass der Erstbeklagte für unrichtige Ad-hoc-Meldungen der Rechtsvorgängerin der Zweitbeklagten zur Verantwortung gezogen werden könne, sei deshalb nicht erkennbar, weil sich die einschlägigen Bestimmungen des Börsegesetzes gegen den Emittenten und nicht gegen die Emissionsbank richteten. Nach dem Vorbringen sei nicht erkennbar, inwiefern den Erstbeklagten hier eine persönliche Haftung für unrichtige Ad-hoc-Meldungen der M***** treffen sollte. Der Antrag auf „Beischaffung des Strafakts“ ersetze ein entsprechendes Vorbringen nicht.

Eine Anwendbarkeit von Bestimmungen des WAG und darauf gestützte Schadenersatzansprüche setzten eine Vertragsbeziehung zwischen Kläger und Erstbeklagten voraus, aus der verschiedenste Wohlverhaltensverpflichtungen resultieren könnten. Eine solche Vertragsbeziehung habe aber nicht bestanden.

§ 84 AktG sehe zwar in Abs 5 eine subsidiäre Anspruchsgrundlage von Gesellschaftsgläubigern gegenüber schuldhaft handelnden Verwaltungsträgern vor, jedoch nur insoferne, als Gläubiger von der Aktiengesellschaft keine oder keine vollständige Befriedigung erführen. Entsprechende Voraussetzungen seien nicht behauptet worden.

Soweit dem Klagsanspruch § 874 ABGB zugrunde gelegt werde, werde übersehen, dass der Erstbeklagte die behaupteten rechtswidrigen Verhaltensweisen selbst unter Zugrundelegung des Vorbringens des Klägers nicht persönlich gesetzt habe.

Insgesamt habe daher der Kläger kein Vorbringen erstattet, das bei seiner Erweislichkeit geeignet gewesen wäre, das Klagebegehren zu rechtfertigen. Das habe zur Abweisung des Klagebegehrens zu führen.

Der dagegen vom Kläger erhobenen Berufung gab das Gericht zweiter Instanz nicht Folge.

Soweit die Haftung des Erstbeklagten auf § 874 ABGB gestützt werde, sei dem Erstgericht darin zuzustimmen, dass der Kläger kein ausreichendes Vorbringen erstattet habe. Der Kläger übersehe, dass Voraussetzung eines auf § 874 ABGB gestützten Schadenersatzbegehrens ein Vertragsverhältnis sei, das unstrittig zwischen Kläger und Erstbeklagten nicht bestanden habe. Deshalb komme auch ein Vorwurf der Verletzung vorvertraglicher Aufklärungs- und Sorgfaltspflichten nicht in Betracht.

Was § 255 AktG als Anspruchsgrundlage betreffe, sei zunächst hervorzuheben, dass es sich bei der Zweitbeklagten nicht um eine österreichische Gesellschaft, sondern um eine solche mit dem Sitz in Jersey handle, weshalb nicht zwangsläufig österreichisches Aktienrecht anzuwenden sei. Aus dem Wortlaut des § 255 AktG gehe aber hervor, dass es sich bei den inkriminierten Unrichtigkeiten immer um solche die Gesellschaft oder mit ihr verbundene Unternehmen betreffende handeln müsse. Die Berichte, Darstellungen und Übersichten müssten sich stets auf die Gesellschaft beziehen, das heißt, die Gesellschaft als solche Informationsgegenstand sein. Weil aber der Erstbeklagte unstrittig weder Mitglied des Vorstands oder Aufsichtsrats der Rechtsvorgängerin der Zweitbeklagten gewesen sei, er nach dem Vorbringen auch nicht als „Beauftragter“ der Zweitbeklagten angesehen werden könne, könnten ihm unrichtige Informationen über die Zweitbeklagte nicht angelastet werden. Für die Annahme, dass es sich bei der M***** B***** AG und der Zweitbeklagten um verbundene Unternehmen gehandelt habe, fehle es an entsprechendem Vorbringen. Erstmals im Berufungsverfahren werde behauptet, der Erstbeklagte hafte diesbezüglich als Bestimmungs- bzw Beitragstäter und fehle es darüber hinaus diesbezüglich an jeglicher Konkretisierung.

Es komme auch eine Haftung des Erstbeklagten nach § 48 Abs 1 BörseG nicht in Betracht, weil nach den Behauptungen der Erstbeklagte persönlich in dieser Bestimmung inkriminierte Geschäfte nicht abgeschlossen habe.

Grundlagen für eine persönliche Haftung des Erstbeklagten aus rechtswidrigem und schuldhaftem Verhalten im Zusammenhang mit der behaupteten Nichtigkeit eines Hauptversammlungsbeschlusses der M***** vom 8. 7. 2005 seien nicht erkennbar. Es werde nur behauptet, der Erstbeklagte habe von dieser Nichtigkeit Kenntnis gehabt bzw Mängel des Gesellschafterbeschlusses verschwiegen und damit eine nicht näher präzisierte (§ 255 AktG komme diesbezüglich nicht in Betracht) Schutzgesetzverletzung begangen.

Zur Anspruchsgrundlage aus § 84 AktG habe schon das Erstgericht zutreffend darauf hingewiesen, dass diese Bestimmung die Sorgfaltspflicht und Verantwortlichkeit von Vorstandsmitgliedern gegenüber der Gesellschaft regle. Solche Ansprüche sowie Ersatzansprüche nach Abs 5 scheiterten daran, dass der Erstbeklagte als Vorstandsvorsitzender der M***** B***** AG haftungsrechtlich der Rechtsvorgängerin der Zweitbeklagten und deren Handlungen nicht zugeordnet werden könne.

Soweit sich der Kläger auf die Verantwortlichkeit für unrichtige Ad-hoc-Meldungen und eine Haftung nach § 48d BörseG beziehe, reiche es aus, darauf hinzuweisen, dass die dort bezeichneten Verpflichtungen die Emittenten von Finanzinstrumenten treffen, somit die Zweitbeklagte selbst.

Zu Recht habe daher das Erstgericht das Begehren gegen den Erstbeklagten ohne Eingehen in die Beweisaufnahme abgewiesen.

Das Berufungsgericht sprach aus, dass die ordentliche Revision zulässig sei, weil noch keine höchstgerichtliche Rechtsprechung zur Anwendung des UWG als Rechtsgrundlage für Schadenersatzansprüche von Verbrauchern bestehe. Diese über den Einzelfall hinausgehende Frage bedürfe höchstgerichtlicher Klärung.

Gegen dieses Urteil richtet sich die Revision des Klägers wegen Mangelhaftigkeit des Verfahrens und unrichtiger rechtlicher Beurteilung mit dem Antrag auf Abänderung des angefochtenen Urteils im Sinne einer Klagsstattgebung. Hilfsweise wird ein Aufhebungsantrag gestellt.

Der Erstbeklagte beantragte, die Revision zurückzuweisen, in eventu ihr nicht Folge zu geben.

Rechtliche Beurteilung

Die Revision des Klägers ist zulässig und im Sinn des in ihr gestellten Aufhebungsantrags auch berechtigt.

Der Revisionswerber erklärt - wie bereits eingangs hingewiesen - ausdrücklich, Schadenersatzansprüche, soweit sie auf Verletzungen des UWG gegründet wurden, nicht (mehr) zum Gegenstand seiner Revisionsausführungen zu machen. Damit stellt sich die vom Berufungsgericht als erheblich bezeichnete Rechtsfrage ebenfalls nicht mehr. Das hindert die Zulässigkeit der Revision aber nicht, wenn andere Revisionsgründe ausgeführt werden, die gegen die Richtigkeit der angefochtenen Entscheidung sprechen (RIS-Justiz RS0080388).

1. Aus dem Gesamtvorbringen des Klägers, insbesondere den Richtigstellungen im Schriftsatz ON 7 (aufgrund bei der eingebrachten Klage unterlaufener „Fehler und Unachtsamkeiten“) ergibt sich, dass er seine Ansprüche gegen den allein revisionsgegenständlichen Erstbeklagten primär auf listige Irreführung iSd § 874 ABGB gründet, die den Vertragsabschluss zwischen ihm und der M***** B***** AG bewirkt habe.

Entgegen der (im Übrigen auch durch kein Zitat belegten) Ansicht des Berufungsgerichts kommt aber eine Anwendung des § 874 ABGB als Schadenersatzgrundlage nicht nur dann in Betracht, wenn zwischen dem listig Irregeführten und dem Irreführenden ein Vertragsverhältnis besteht, sondern auch dann, wenn der listig Irreführende außenstehender Dritter ist (Bollenberger in KBB³ § 874 ABGB Rz 1; Rummel in Rummel³ § 874 ABGB Rz 4; Rüffler, Organaußenhaftung für Anlegerschäden, JBl 2011, 69 [80]; RIS-Justiz RS0016298).

Dem Erstbeklagten werden diese Rechtsverstöße einerseits als Schutzgesetzverletzungen in seiner Funktion als Vorstandsvorsitzender der Emissionsbank angelastet und außerdem geltend gemacht, dass er mit der Zweitbeklagten hinsichtlich der Täuschungshandlungen bewusst zusammengewirkt hätte.

Es ist anerkannt, dass ein durch irreführende Werbebroschüren verursachter Irrtum über die Risikogeneigtheit und Wertstabilität eines Wertpapiers als Haftungsgrund für Schadenersatzansprüche herangezogen werden kann. Nach der Rechtsprechung des Obersten Gerichtshofs ist die Risikogeneigtheit einer Anlageform als Produkteigenschaft zu qualifizieren (vgl 8 Ob 25/10z ÖBA 2011, 585/1732; RIS-Justiz RS0126232; RS0014922 [T7]; RS0014913 [T9]).

Der Kläger stützt seine Ansprüche vor allem auf irreführende Werbung, wobei unrichtige Angaben in den zugrundeliegenden Werbebroschüren den falschen Eindruck erweckt hätten, es werde in eine wertsichere Veranlagung investiert, weil das Kapital direkt in Immobilien veranlagt werde und durch Mieteinnahmen gesichert sei. Außerdem seien in den Werbeinformationen die Schulden der Emittentin verschwiegen worden. Der Kläger hat (Schriftsatz ON 7, S 11 f) vorgebracht, die M***** B***** AG habe Print- und Fernsehwerbung in Auftrag gegeben und zu verantworten, scheine in der Printwerbung sogar ausdrücklich als Herausgeberin auf, in welchen Unterlagen die irreführenden Behauptungen aufgestellt würden. Dem Erstbeklagten als Vorstandsvorsitzenden der Emissionsbank seien diese Täuschungshandlungen, die er im Zusammenwirken mit der Rechtsvorgängerin der Zweitbeklagten getätigt habe, zuzurechnen.

Damit macht der Kläger eine „Außenhaftung“ des Organmitglieds der Emissionsbank nach allgemeinem Deliktsrecht geltend. Eine solche Haftung kommt dann in Betracht, wenn das Organmitglied nicht nur seine Verpflichtungen gegenüber der Gesellschaft, sondern durch sein Handeln gleichzeitig Normen zum Schutz der Gläubiger verletzt (3 Ob 75/06k ÖBA 2007, 816/1440 [Eckert]; 17 Ob 15/10w; 5 Ob 39/11p ecolex 2012/170; zuletzt 8 Ob 17/12a; vgl auch Umfahrer, GmbH6 Rz 279).

Das Organmitglied kann die haftungsbegründende Schutzgesetzverletzung entweder selbst begehen oder sich als Mittäter daran beteiligen (vgl Gellis, GmbHG7 § 25 Rz 35). Im Verhältnis zur Zweitbeklagten ist der Erstbeklagte „ein Dritter“. Auch für Handlungen, die der Zweitbeklagten zurechenbar sind, kann „ein Dritter“ als Beteiligter iSd § 12 StGB mitverantwortlich sein.

Entgegen der Ansicht der Vorinstanzen lässt sich aus dem (modifizierten) Vorbringen des Klägers der Vorwurf haftungsrelevanter Beteiligungshandlungen des Erstbeklagten für einen dem Kläger entstandenen Schaden - vorbehaltlich seiner Erweislichkeit - ableiten. Als Vorstandsvorsitzender der Emissionsbank, die irreführende Werbeunterlagen zu vertreten hat, kann der Erstbeklagte gemäß § 1301 ABGB Mittäter oder Beitragstäter zu gemäß § 1295 Abs 2, § 1300 Satz 2 oder § 874 ABGB verpöntem Verhalten sein, wenn sein Handeln vom entsprechenden Vorsatz getragen war. Das gilt auch für aktive Tatbeiträge wie die Mitwirkung an Kapitalerhöhungen oder die Zustimmung zu Geschäften gemäß § 95 Abs 5 AktG, wenn diese Teil eines sittenwidrigen oder betrügerischen Handelns sind (vgl Rüffler, Organaußenhaftung für Anlegerschäden, JBl 2011, 69 [79]).

Schließlich geht der Vorwurf dahin, der Erstbeklagte habe als Vorstandsvorsitzender der Emissionsbank im Zusammenwirken mit dieser und der Emittentin den Anlegerschaden des Klägers verursacht, weshalb es auch hier zu kurz greift, pauschal auf ein fehlendes Vertragsverhältnis zum Kläger und fehlende Organeigenschaft hinsichtlich der Rechtsvorgängerin der Zweitbeklagten zu verweisen.

Das Erstgericht wird daher im fortgesetzten Verfahren alle jene Teile des behaupteten Sachverhalts, insbesondere die Beteiligung des Erstbeklagten an irreführenden Werbeaussagen zu prüfen (und hiezu entsprechende Feststellungen zu treffen) haben, die im Zusammenwirken mit der M***** B***** AG und der Rechtsvorgängerin der Zweitbeklagten den Kläger zum Abschluss des Anlagegeschäfts veranlasst haben. Erst dann lässt sich beurteilen, ob das gewonnene Sachverhaltssubstrat als Haftungsgrundlage für den geltend gemachten Anspruch tauglich ist.

2. Zu § 255 AktG brachte der Revisionswerber vor, dass entsprechend zahlreicher Lehrmeinungen bereits rein faktische Handlungen zu einer Stellung als „Beauftragter“ und Normadressat iSd § 255 AktG führen und keine formelle Beauftragung nötig sei. Unabhängig von einer Stellung als Beauftragter iSd § 255 AktG begründe ein faktisches Zuwiderhandeln im Zusammenwirken mit einem Normadressaten die Haftung als Beitragstäter iSd § 255 AktG. Jeder, der eine der beschriebenen Tathandlungen ausführe, könne schon durch die Begehung solcher Handlungen ein mögliches Tatsubjekt werden. Im erstinstanzlichen Verfahren sei vorgebracht worden, dass der Erstbeklagte gemeinsam mit der Zweitbeklagten gegen § 255 AktG verstoßen habe, was jedenfalls seine Beitragstäterschaft gemäß § 12 StGB begründe (ON 33 [AS 301 und 321 ff]).

Gemäß § 255 Abs 1 Z 1 AktG ist mit Freiheitsstrafe bis zu einem Jahr oder mit Geldstrafe bis zu 360 Tagessätzen zu bestrafen, wer als Mitglied des Vorstands oder des Aufsichtsrates, Beauftragter oder Abwickler in Berichten, Darstellungen und Übersichten betreffend die Gesellschaft oder mit ihr verbundene Unternehmen, die an die Öffentlichkeit oder an die Gesellschafter gerichtet sind, die Verhältnisse der Gesellschaft oder mit ihr verbundener Unternehmen oder erhebliche Umstände, auch wenn sie nur einzelne Geschäftsfälle betreffen, unrichtig wiedergibt, verschleiert oder verschweigt. Unstrittig kann die Deliktsverwirklichung als Schutzgesetzverletzung auch schadenersatzrechtliche Ansprüche von Gläubigern oder Gesellschaftern nach sich ziehen (Kalss in Doralt/Nowotny/Kalss, Kommentar zum AktG II [2003] § 255 Rz 1; Jabornegg/Geist in Jabornegg/Strasser, Kommentar zum AktG II5 [2010] § 255 Rz 4; Rüffler, Organaußenhaftung für Anlegerschäden, JBl 2011, 70 [73]).

Weil nach dem Wortlaut der Norm auch Beauftragte Normadressaten dieses Tatbestands sind, ist eine Beschäftigung oder sonstige Funktion des „Beauftragten“ innerhalb der Gesellschaft nicht vorausgesetzt. Beauftragter iSd § 255 AktG ist eine Person, die vom Vorstand, vom Aufsichtsrat oder vom Abwickler betraut ist, Informationen über die Gesellschaft zu geben, unabhängig von ihrer Stellung in der Gesellschaft (vgl Kalss aaO § 255 Rz 9). Nach Gelbmann (Strafrechtliche Absicherung der Corporate Governance, GesRZ 2003, 20 [28]) kämen gerade Mitarbeiter der Emissionsbank grundsätzlich als Beauftragte in Betracht.

Ob der Erstbeklagte nun tatsächlich als „Beauftragter“ im vorbeschriebenen Sinne anzusehen ist, kann hier aber solange dahingestellt bleiben, als nicht geklärt ist, ob die Anwendung des § 255 AktG grundsätzlich überhaupt in Betracht kommt, weil die M***** gerichtsnotorisch nicht eine österreichische Gesellschaft, sondern eine mit dem Sitz in Jersey ist und daher nicht zwangsläufig österreichisches Aktienrecht anzuwenden ist. Erst nach Klärung dieses Umstands ist eine Vertiefung der Prüfung der Beteiligtenstellung des Erstbeklagten möglich und erforderlich.

3. Der Revisionswerber vermeint weiters, dass eine unrichtige rechtliche Beurteilung hinsichtlich der Anwendbarkeit des § 48d Abs 1 BörseG vorliege. Es sei vorgebracht worden, dass die Emittentin der klagsgegenständlichen Zertifikate der Bestimmung des § 48 Z 2 BörseG widerstreitende Handlungen gesetzt habe. Der Erstbeklagte habe sich als Vorstandsvorsitzender der M***** B***** AG an diesen Handlungen beteiligt. Auch hier sei nicht nur die Zweitbeklagte als unmittelbare Täterin, sondern auch der einen entsprechenden Tatbeitrag leistende Erstbeklagte als Beitragstäter haftbar.

Normadressat der Bestimmungen des § 48 Abs 1 Z 2 und § 48d Abs 1 BörseG ist unmittelbar der Emittent selbst (Lechner/Temmel in Temmel, Börsegesetz Praxiskommentar [2011] § 48d Rz 14).

Im schon mehrfach erwähnten Schriftsatz (ON 7 S 3 ff) machte der Kläger seine Ansprüche gestützt auf § 48d Abs 1 BörseG ausschließlich gegen die Zweitbeklagte geltend; soweit auf den Erstbeklagten Bezug genommen wird, stützt sich der Anspruch jedoch auf § 48 Abs 1 Z 3 BörseG - ein Umstand, der in der Revision nicht mehr aufgegriffen wird.

Das völlige Fehlen eines entsprechend substantiierten Vorbringens zur Beteiligtenstellung des Erstbeklagten im erstinstanzlichen Verfahren erübrigt daher eine weitere Auseinandersetzung mit diesem Haftungsgrund seitens des Obersten Gerichtshofs.

4. Es war daher spruchgemäß zu entscheiden.

Der Kostenvorbehalt gründet sich auf § 52 ZPO.

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