OGH 6Ob47/12y

OGH6Ob47/12y19.4.2012

Der Oberste Gerichtshof hat durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofs Hon.‑Prof. Dr. Pimmer als Vorsitzenden und durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofs Dr. Schramm, Dr. Gitschthaler, Univ.‑Prof. Dr. Kodek und Dr. Nowotny als weitere Richter in der Verlassenschaftssache nach dem am 25. Februar 2011 verstorbenen, zuletzt in *****, wohnhaft gewesenen M***** B*****, über den Revisionsrekurs des Verlassenschaftsgläubigers W***** C***** M*****, vertreten durch Widter Mayrhauser Wolf Rechtsanwälte OG in Wien, gegen den Beschluss des Landesgerichts für Zivilrechtssachen Wien als Rekursgericht vom 30. November 2011, GZ 45 R 441/11b‑25, womit der Beschluss des Bezirksgerichts Donaustadt vom 5. Juli 2011, GZ 7 A 259/11x‑19, bestätigt wurde, in nichtöffentlicher Sitzung den

Beschluss

gefasst:

 

Spruch:

Der Revisionsrekurs wird zurückgewiesen.

Text

Begründung

Die Zurückweisung eines ordentlichen Revisionsrekurses wegen Fehlens einer erheblichen Rechtsfrage (§ 62 Abs 1 AußStrG) kann sich auf die Ausführung der Zurückweisungsgründe beschränken (§ 71 Abs 3 AußStrG).

Der Revisionsrekurswerber gewährte dem Verstorbenen am 15. 9. 2010 ein Darlehen. Im schriftlichen Darlehensvertrag wurde vereinbart: „Für den Fall, dass Herr [der Verstorbene] das Darlehen nicht pünktlich zahlt, tritt Herr [der Verstorbene] an Herrn [Revisionsrekurswerber] den gesamten pfändbaren Teil seines Gehalts ab, das er als Beamter der MA […] bezieht.“ Von dieser Zession wurde der Drittschuldner am 28. 2. 2011 ‑ nach Ableben des Darlehensnehmers ‑ verständigt.

Das Erstgericht überließ die Aktiven des überschuldeten Nachlasses von 2.384,10 EUR dem Vater des Erblassers an Zahlungs statt gegen Zahlung der Gerichtskommissionsgebühr von 132 EUR und auf teilweisen Abschlag bereits bezahlter Begräbniskosten von 5.708,16 EUR und Nebenauslagen von 205,70 EUR (§ 154 AußStrG). Es sprach ferner aus, dass das die Forderung des Revisionsrekurswerbers betreffende Pfandrecht am erblasserischen Gehaltsguthaben beim Arbeitgeber nicht rechtzeitig angemeldet worden sei, weshalb diese Forderung als Verlassenschaftsforderung zu qualifizieren sei.

Das Rekursgericht bestätigte diese Entscheidung und sprach aus, der ordentliche Revisionsrekurs sei zulässig, weil zur Frage, ob die erst nach dem Tod des Erblassers erfolgte Drittschuldnerverständigung ein Pfandrecht des Verlassenschaftsgläubigers am Gehaltsguthaben des Erblassers begründe und die Forderung des Verlassenschaftsgläubigers als Masseforderung iSd § 46 Z 3 IO zu qualifizieren sei, höchstgerichtliche Rechtsprechung fehle.

Rechtliche Beurteilung

Der Revisionsrekurs ist entgegen dem ‑ den Obersten Gerichtshof nicht bindenden Ausspruch des Rekursgerichts ‑ mangels erheblicher Rechtsfrage (§ 62 Abs 1 AußStrG) nicht zulässig.

Masseforderungen nach § 46 IO sind ‑ wie in der Norm klar geregelt ‑ Forderungen gegen die Insolvenzmasse und nicht Forderungen der Insolvenzmasse. Die Entgeltforderung des Verstorbenen kann daher keine Masseforderung nach § 46 Z 3 IO sein, weil die Verlassenschaft nicht Schuldner dieser Forderung ist. Die Zession einer Forderung führt nur einen Gläubigerwechsel herbei.

Aus § 154 Abs 1 letzter Halbsatz AußStrG ergibt sich, dass die Überlassung an Zahlungs statt eine Alternative zum Verlassenschaftsinsolvenzverfahren ist. Daraus folgt zur Vermeidung von Wertungswidersprüchen, dass Rechte, die eine Verlassenschaftsinsolvenz nicht beeinträchtigen würden, durch eine Überlassung an Zahlungs statt ebenso wenig beeinträchtigt werden dürfen (6 Ob 99/10t; H. Schuhmacher, Die Überlassung überschuldeter Verlassenschaften an Zahlungs statt, in FS Rechberger 552, 558 f). Der Oberste Gerichtshof hat ferner bereits ausgesprochen, dass auch im Verfahren nach §§ 154 f AußStrG Absonderungsgläubiger vor der Überlassung an Zahlungs statt zu befriedigen sind (6 Ob 108/06k; SZ 2006/80; 6 Ob 99/10t). Soweit es für die Rangordnung im Insolvenzfall auf die Insolvenzeröffnung ankäme, tritt an deren Stelle der Tod des Erblassers (6 Ob 574/90).

Ob eine Zession Sicherungsfunktion hat, ist nicht (allein) anhand der im Vertragstext gebrauchten Worte, sondern danach zu beurteilen, welche übereinstimmende Parteiabsicht der Abtretung zugrundeliegt (Lukas in Kletečka/Schauer, ABGB‑ON 1.00 § 1392 Rz 14 mwN). Die Auslegung eines Vertrags hängt so sehr von den Umständen des Einzelfalls ab, dass sie regelmäßig keine erhebliche Rechtsfrage iSd § 62 Abs 1 AußStrG bildet. Die Auffassung des Rekursgerichts, dass im Anlassfall nach Wortlaut und Zweck der Vereinbarung die Abtretung zur Sicherung des Rückzahlungsanspruchs des Revisionsrekurswerbers erfolgte, ist nicht korrekturbedürftig.

Sollen Absonderungsrechte durch die Eröffnung des Insolvenzverfahrens nicht berührt werden, müssen sie im Zeitpunkt der Eröffnung des Verfahrens zu Recht bestehen. Dies ist nach den für die Entstehung maßgebenden Bestimmungen des bürgerlichen Rechts, des Unternehmensrechts, des Exekutionsrechts oder sonstigen öffentlichen Rechts zu beurteilen. Wurde der für die Wirksamkeit einer Sicherungszession notwendige Publizitätsakt vor der Eröffnung des Insolvenzverfahrens nicht gesetzt, so ist die Sicherungszession nicht wirksam zustandegekommen (RIS‑Justiz RS0032577; vgl RS0032552).

Im Anlassfall kam nur die Drittschuldnerverständigung als Publizitätsform in Frage. Da hier die Drittschuldnerverständigung erst nach dem Tod des Erblassers, der im gegebenen Zusammenhang an die Stelle der Insolvenzeröffnung tritt, erfolgt ist, haben die Vorinstanzen zutreffend erkannt, dass der Revisionsrekurswerber nicht Absonderungsgläubiger am Gehaltsguthaben der Verlassenschaft geworden ist.

Lizenziert vom RIS (ris.bka.gv.at - CC BY 4.0 DEED)

Stichworte