OGH 3Ob58/12v

OGH3Ob58/12v18.4.2012

Der Oberste Gerichtshof hat durch den Senatspräsidenten Dr. Prückner als Vorsitzenden sowie den Hofrat Hon.-Prof. Dr. Neumayr, die Hofrätin Dr. Lovrek und die Hofräte Dr. Jensik und Dr. Roch als weitere Richter in der Exekutionssache der betreibenden Partei H***** AG, *****, vertreten durch Mag. iur. Oliver Lorber Rechtsanwalts GmbH in Klagenfurt, gegen die verpflichteten Parteien 1. J*****, und 2. J***** GmbH, *****, beide vertreten durch Dr. Heimo Berger, Rechtsanwalt in Villach, wegen Zwangsversteigerung, über den Revisionsrekurs der Einschreiterin W***** AG *****, vertreten durch Dr. Herbert Laimböck, Rechtsanwalt in Wien, gegen den Beschluss des Landesgerichts Klagenfurt als Rekursgericht vom 9. Februar 2012, GZ 2 R 11/12p-53, womit infolge Rekurses der verpflichteten Parteien der Beschluss des Bezirksgerichts Villach vom 19. Dezember 2011, GZ 17 E 87/09a-50, abgeändert wurde, den

Beschluss

gefasst:

 

Spruch:

Der Revisionsrekurs der Einschreiterin wird zurückgewiesen.

Der Antrag der erstverpflichteten Partei auf Zuspruch der Kosten der Revisionsrekursbeantwortung wird abgewiesen.

Text

Begründung

Aufgrund eines Antrags der betreibenden Partei gegen die beiden verpflichteten Parteien auf Fahrnisexekution und Zwangsversteigerung wurde der betreibenden Partei am 27. August 2009 die Zwangsversteigerung zweier Liegenschaften der erstverpflichteten Partei bewilligt. In der Versteigerungstagsatzung am 11. Mai 2011 wurden die beiden Liegenschaften unter dem Vorbehalt der Genehmigung durch die Grundverkehrsbehörde dem Sohn des Erstverpflichteten zugeschlagen. Nachdem die Grundverkehrskommission Villach-Stadt am 28. Juni 2011 der Erteilung des Zuschlags die grundverkehrsbehördliche Genehmigung erteilt hatte, wurde die Zuschlagserteilung am 14. Juli 2011 für rechtswirksam erklärt. Der Meistbotsverteilungsbeschluss vom 20. September 2011 ist in Rechtskraft erwachsen.

Am 6. Dezember 2011 beantragte die Einschreiterin, ein Versicherungsunternehmen, Akteneinsicht durch Zurverfügungstellung der Exekutionsbewilligung, des Bewertungsgutachtens, des Versteigerungsedikts und der Zuschlagserteilung. Vor dem Landesgericht Klagenfurt sei ein Verfahren zwischen der Einschreiterin und dem Verpflichteten anhängig. Die Einschreiterin sei Gebäudeversichererin des versteigerten Objekts gewesen. Nunmehr behaupte der Verpflichtete, er habe das Objekt seinem Sohn übertragen, dem er sich verpflichtet habe, noch Reparaturarbeiten durchzuführen. Die Einschreiterin habe daher ein rechtliches Interesse an der begehrten Akteneinsicht.

Das Erstgericht bewilligte die begehrte Akteneinsicht. In dem Rechtsstreit gehe es offenbar auch um die Frage der Aktivlegitimation in Bezug auf die Versicherungsleistung (Verpflichteter - Ersteher). Die begehrte Akteneinsicht sei zu gewähren, wenn die Kenntnis des Akteninhalts zur Durchsetzung oder Abwehr eines Rechtsanspruchs erforderlich sei. In diesem Zusammenhang könne es von Bedeutung sein, wie das Objekt in Bezug auf den Schaden im Versteigerungsverfahren behandelt worden sei, ob sich also aus dem Versteigerungakt ergebe, wem eine allfällige Versicherungsleistung zukommen solle. Das Geheimhaltungsinteresse bestehe trotz der vorübergehenden Zugänglichkeit der Daten in der Ediktsdatei, könne aber vor diesem Hintergrund als eingeschränkt angesehen werden.

Über Rekurs beider verpflichteten Parteien änderte das Rekursgericht den Beschluss des Erstgerichts dahin ab, dass der Antrag auf Akteneinsicht abgewiesen wurde. Im Zwangsversteigerungsverfahren sei allein der Erstverpflichtete verpflichtete Partei, sodass die Akteneinsicht insoweit kanalisiert sei. Dass der Einschreiterin Akteneinsicht nicht zu gewähren sei, gründe sich einerseits auf den Umstand, dass die Behauptung der Antragstellerin über eine auf Vertrag beruhende Eigentumsübertragung schon nach der der Einschreiterin bekannten Zuschlagserteilung nicht möglich sei, und andererseits darauf, dass nicht einmal nach den eigenen Behauptungen der Einschreiterin eine Legitimationsfrage in Rede stehe. Es sei daher kein Grund ersichtlich, weshalb ein rechtliches Interesse des Gebäudeversicherers an Akteneinsicht bestehen solle.

Das Rekursgericht sprach aus, dass der Wert des Entscheidungsgegenstands 30.000 EUR übersteige und dass der Revisionsrekurs zulässig sei, weil Rechtsprechung des Obersten Gerichtshofs zur Frage fehle, unter welchen Voraussetzungen einem Gebäudeversicherer Einsicht in den Zwangsversteigerungsakt zu gewähren sei.

Rechtliche Beurteilung

Der auf Wiederherstellung des erstinstanzlichen Beschlusses gerichtete Revisionsrekurs der Einschreiterin ist mangels erheblicher Rechtsfrage nicht zulässig.

1. Nach § 73 Satz 2 EO kann die Einsicht in die Exekutionsakten auch dritten Personen gestattet werden, soweit sie ein rechtliches Interesse glaubhaft machen. Von einer geringfügigen, hier nicht relevanten Änderung durch die EO-Novelle 1995 (BGBl 1995/519) abgesehen stammt die Regelung aus der Stammfassung der EO. Die Wortfolge „insoweit er ein rechtliches Interesse glaubhaft macht“ entspricht inhaltlich dem § 219 Abs 2 ZPO in der Fassung bis zum Inkrafttreten der Zivilverfahrens-Novelle 2004, BGBl I 2004/128.

2. Die Frage, ob die Voraussetzungen für eine Akteneinsicht Dritter erfüllt sind, ist nach den Umständen des Einzelfalls zu beurteilen und stellt regelmäßig keine erhebliche Rechtsfrage dar (RIS-Justiz RS0079198 [T5]). Nach der Rechtsprechung vermag ein reines Informationsbedürfnis des Einsichtbegehrenden das rechtliche Interesse nicht zu begründen (9 Ob 15/07g = RIS-Justiz RS0079198 [T3]). Angesichts der von der Einschreiterin im Zusammenhang mit einem vor dem Landesgericht Klagenfurt anhängigen Rechtsstreit aufgestellten Behauptung, sie sei Gebäudeversichererin des versteigerten Objekts gewesen und der Verpflichtete habe sich gegenüber dem Ersteher zur Durchführung von Reparaturarbeiten verpflichtet, dient die begehrte Akteneinsicht nur dazu, ein schlichtes Informationsbedürfnis zu stillen; ein rechtliches Interesse - im Sinne eines in der Rechtsordnung gegründeten und von ihr gebilligten Interesses - ist darin nicht erkennbar. Akteneinsicht als „reiner Erkundungsbeweis“ ist abzulehnen (Gitschthaler in Rechberger 3 § 219 ZPO Rz 3 aE).

Dem Argument der Revisionsrekurswerberin, beim Bewertungsgutachten, dem Versteigerungsedikt und der Zuschlagserteilung handle es sich nicht um besonders geschützte Daten, weil sie ohnehin im Rahmen des Zwangsversteigerungsverfahrens der Öffentlichkeit zugänglich gewesen seien, ist zu entgegnen, dass die Veröffentlichung dieser Schriftstücke in der Ediktsdatei - entsprechend dem Zweck der Veröffentlichung - bewusst zeitlich begrenzt ist (vgl § 89j Abs 2 Satz 2 GOG). Die Veröffentlichung des Versteigerungsedikts mit dem Bewertungsgutachten (§ 170b Abs 3 EO) dient dazu, dass Interessenten die für den Erwerb der Liegenschaft erforderlichen Informationen erhalten (vgl Simotta, Einige Probleme des Datenschutzes im Zivilverfahrensrecht (Teil I), ÖJZ 1993, 793 [803]), nicht aber einem dauerhaften Informationsinteresse der Öffentlichkeit.

Auch der Einwand, das Rekursgericht hätte die Einschreiterin anleiten müssen, ihr rechtliches Interesse an der Akteneinsicht näher zu begründen, ist unberechtigt. Abgesehen vom Fehlen einer einzuhaltenden Frist (§ 84 Abs 3 ZPO) liegt ein ein Verbesserungsverfahren auslösender Inhaltsmangel schon deshalb nicht vor, weil die Einschreiterin ihr rechtliches Interesse begründet hat und daher die sachliche Erledigung ihres Antrags nicht verhindert wurde (vgl RIS-Justiz RS0037860 [T3]).

Mit ihrem ergänzenden Vorbringen zum rechtlichen Interesse verstößt die Revisionsrekurswerberin gegen das auch im exekutionsrechtlichen Rechtsmittelverfahren geltende Neuerungsverbot (RIS-Justiz RS0002371).

Mangels erheblicher Rechtsfrage ist der außerordentliche Revisionsrekurs der betreibenden Partei als unzulässig zurückzuweisen.

Die Abweisung des Antrags der erstverpflichteten Partei auf Zuspruch von Kosten für die Revisionsrekursbeantwortung beruht auf der Einseitigkeit des Verfahrens.

Lizenziert vom RIS (ris.bka.gv.at - CC BY 4.0 DEED)

Stichworte