Spruch:
Die außerordentlichen Revisionsrekurse werden zurückgewiesen.
Begründung
Rechtliche Beurteilung
Zum Revisionsrekurs gegen den Beschluss ON 165:
Auch im Außerstreitverfahren ist nur derjenige rechtsmittellegitimiert, der durch die bekämpfte Entscheidung (noch) beschwert ist. Man unterscheidet die formelle Beschwer, die dann vorliegt, wenn die Entscheidung von dem ihr zugrunde liegenden Sachantrag des Rechtsmittelwerbers zu dessen Nachteil abweicht, und die materielle Beschwer. Diese liegt vor, wenn die rechtlich geschützten Interessen des Rechtsmittelwerbers durch die Entscheidung beeinträchtigt werden (RIS‑Justiz RS0041868; RS0006641). Die Beschwer muss zur Zeit der Erhebung des Rechtsmittels noch fortbestehen; andernfalls ist das Rechtsmittel als unzulässig zurückzuweisen (RIS‑Justiz RS0041770). Dies gilt auch für den Revisionsrekurs (6 Ob 45/09z mwN ua). Die formelle Beschwer reicht nicht immer aus. Widerspricht die angefochtene Entscheidung zwar dem vom Rechtsmittelwerber in der Vorinstanz gestellten Antrag, wird aber die Rechtsstellung des Rechtsmittelwerbers durch die Entscheidung nicht (mehr) beeinträchtigt, ist sein Rechtsmittel dennoch zurückzuweisen (vgl RIS‑Justiz RS0041868).
Im vorliegenden Fall endete der von der Mutter bekämpfte teilweise Obsorgeentzug nach dem Ausspruch des Erstgerichts mit der Erlangung des Reisedokuments. Damit käme einer nachträglichen Entscheidung darüber, ob der teilweise Obsorgeentzug berechtigt war oder nicht, nur mehr theoretisch‑abstrakte Bedeutung zu. Dass das für V***** ausgestellte Reisedokument weiter benützt werden kann, ändert nichts daran, dass die teilweise Obsorgeentziehung aufgehoben ist und die Rechtsstellung der Mutter durch den obsoleten teilweisen Obsorgeentzug nicht mehr beeinträchtigt wird.
Dem Rechtsmittel der Mutter gegen den die erstinstanzliche Entscheidung bestätigenden Beschluss des Rekursgerichts fehlt demnach die Beschwer. Der außerordentliche Revisionsrekurs ist daher als unzulässig zurückzuweisen.
Zum Revisionsrekurs gegen den Beschluss ON 166:
Nach herrschender Ansicht hat das Außerstreitgericht gemäß § 176 Abs 1 ABGB alle Maßnahmen zu treffen, die zur Beseitigung der Gefährdung des Kindeswohls und zur Förderung des Kindeswohls erforderlich sind. Diese Bestimmung gibt dem Richter dafür ein äußerst bewegliches Instrumentarium in die Hand, indem es generell die zur Sicherung des Kindeswohls „nötigen“ Verfügungen verlangt (Weitzenböck in Schwimann, ABGB3 § 176 Rz 29 mwN; vgl RIS‑Justiz RS0048697). Die vom Erstgericht angeordnete Unterbringung des Kindes in einer Jugendwohlfahrtseinrichtung stellt eine gerichtliche Maßnahme im Sinn der angeführten Gesetzesbestimmung dar. Die Beurteilung, ob eine Gefährdung des Kindeswohls diese Maßnahme rechtfertigt, hängt von den Umständen des Einzelfalls ab. Daher kommt dieser Rechtsfrage nur im Fall einer auf das Kindeswohl nicht entsprechend Bedacht nehmenden Fehlbeurteilung erhebliche Bedeutung im Sinn des § 62 Abs 1 AußStrG zu. Entgegen der Ansicht der Revisionsrekurswerberin ist das Vorliegen einer solchen Fehlbeurteilung durch das Rekursgericht im vorliegenden Fall schon wegen der festgestellten mangelnden Erziehungskompetenz der Mutter zu verneinen. Nach den vom Erstgericht festgestellten Umständen stellt die „Fremdunterbringung“ eine für das Kindeswohl erforderliche Maßnahme dar. Die Ablehnung des Antrags der Mutter, die „Fremdunterbringung“ aufzuheben, ist daher keine Entscheidung, die ein Einschreiten des Obersten Gerichtshofs rechtfertigt.
Mangels eines tauglichen Zulassungsgrundes ist der außerordentliche Revisionsrekurs der Mutter gegen die Bestätigung der Entscheidung des Erstgerichts durch das Rekursgericht als unzulässig zurückzuweisen. Dies bedarf nach § 71 Abs 2 AußStrG keiner weiteren Begründung.
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